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II

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Am Morgen des neunzehnten Dezembers stand Ernestine mit offenem Mund auf der Schwelle zum Spielzimmer. Fast hätte man meinen können, sie sei das Geburtstagskind, nicht Marie Thérèse. Die wirkte eher beunruhigt. Zwar entdeckte sie beim Auspacken der vielen Pakete einiges, was sie sich gewünscht hatte, ein Tric-Trac-Spiel zum Beispiel. Doch es waren deutlich weniger Geschenke als letztes Jahr. Suchend, als könnten irgendwo noch ein paar Päckchen versteckt sein, schweiften ihre Augen umher und blieben endlich auf Ernestine haften, die noch immer im Türrahmen stand. „Komm schon, ich möchte mit dir Tric-Trac spielen“, forderte sie die Freundin auf.

Ernestine setzte sich zu Marie Thérèse, konnte sich aber kaum auf das Spiel konzentrieren. Noch immer stand ihr der Mund offen vor Staunen.

Die Prinzessin beobachtete sie verwundert. „Was ist mir dir? Fühlst du dich nicht wohl?“

„Doch, doch.“ Ernestine nickte. „Sie haben aber viele Geschenke bekommen, Madame.“

„Gefallen sie dir? Möchtest du ein paar davon haben?“, fragte Marie Thérèse, im nächsten Moment selbst erstaunt über ihre Freigebigkeit.

Ernestines Augen wurden noch größer. „Wirklich?“

Marie Thérèse griff nach einer Puppe, die ihr ohnehin nicht besonders gefiel, und reichte sie der Freundin. „Hier, sie gehört dir“, verkündete sie feierlich.

Zaghaft, mit ungläubigem Blick, nahm Ernestine das kostbare Geschenk entgegen. Erst, als Marie Thérèse sie immer noch offen anlächelte, wagte sie es zu glauben und wurde von ihrer Freude geradezu überwältigt.

Ein Glücksgefühl, gewürzt mit einer Prise Stolz, durchströmte die Prinzessin. Sie besaß die Macht, andere froh zu machen. Durchdrungen von dieser Erkenntnis, vermochte sie nicht mehr sitzen zu bleiben, sprang auf, fasste Ernestine an den Händen und tanzte mit ihr durchs Zimmer. Vergessen war ihre Beunruhigung über die verminderte Zahl an Geschenken. Heute hatte sie sich selbst etwas geschenkt, das ungleich wertvoller war als sämtliche Spielsachen der Welt.

Am Silvestertag nahm Marie Antoinette ihre Kinder an den Händen und führte sie in ihr Kabinett. Wie alljährlich hatte Madame Campan, eine ihrer Kammerfrauen, die neuesten Spielzeuge aus Paris kommen und dort aufstellen lassen. Zwischen Armeen aus Zinnsoldaten standen Schaukelpferde, überzogen mit echtem Rosshaar und bereit, vom Dauphin und seinem kleinen Bruder, dem Herzog der Normandie, beritten zu werden. Mechanische Figuren mit raffinierten Aufziehmechanismen trippelten herum, als wäre Leben in sie gefahren.

Auf der anderen Seite des Raumes prunkte ein Puppenschloss, möbliert wie manche der Gemächer in Versailles und bewohnt von einer kostbar gekleideten Puppenkönigsfamilie. Natürlich fehlten auch Zofen und Diener nicht.

Der Herzog der Normandie streckte verlangend seine Ärmchen nach dem nächststehenden Schaukelpferd aus, doch seine Mutter hielt ihn zurück. „Louis Charles, mein Kleiner“, strich sie ihm zärtlich über das flaumige Blondhaar, „versteht das noch nicht. Aber meine großen Kinder“, wandte sie sich an den Dauphin und die Dauphine, „die kennen bereits ihre Pflichten. Die können auch verzichten.“

Irritiert sah Marie Thérèse zu ihrer Mutter auf, während Louis Joseph ernst vor sich hinschaute, als verlockten ihn all die vor ihm aufgebauten Herrlichkeiten nicht, als sei er über das Spielzeitalter längst hinausgewachsen.

Die Königin zuckte bedauernd die Achseln und wies mit großzügiger Geste auf die Spielsachen. „Das alles – seht es euch nur an -, wollte ich euch zum Neujahrstag schenken. Leider geht das nun aber nicht, denn wir müssen das Geld dafür den Armen geben.“

Marie Thérèse hörte nicht mehr hin. Ein kurzes Spiel damit, vielleicht sogar schon eine Berührung, hätte die meisten dieser Dinge schnell ihrer Anziehungskraft beraubt, wie jedes Jahr. Doch nun, da all dies für sie in unerreichbare Ferne rückte, obwohl zum Greifen nah, stieg selbst der Reiz, nur ein Mal eines der Puppenstubenpüppchen in die Hand zu nehmen, ins Unermessliche.

Verborgen zwischen den Falten ihres Kleides, ballte die kleine Prinzessin ihre Hände zu Fäusten, kniff die Lippen zusammen und unterdrückte jede Träne, während der Herzog der Normandie zu greinen begann.

„Die Armen haben nicht mal genügend Brot“, fuhr Marie Antoinette unbeirrt fort. „Sie frieren, brauchen warme Decken und Kleider. Das versteht ihr doch.“

„Gewiss, Maman“, meinte der Dauphin ernsthaft.

Am Abend lag Marie Thérèse schlaflos in ihrem Bett, wie üblich umgeben von ihren Nachtmahlzeiten. Und wie üblich überkam sie auch heute Nacht kein plötzlicher Heißhunger, zumindest nicht nach Gebratenem, Gesottenem, Fleischbrühe oder sonstigen Lebensmitteln. Stattdessen dachte sie über die Armen nach. Die trugen Schuld daran, dass sie heute keine Geschenke bekommen hatte. Verletzt, traurig und nicht zuletzt verärgert, schweifte ihr Blick über die gefüllten Teller und Krüge. Sollten sie doch das alles hier haben, die Armen. Sie brauchte nichts davon. Warum nahmen sie es nicht und ließen ihr dafür die Spielsachen?

Aber – wie sollten sie das tun? Sie hatten ja keinen Zutritt zum Schloss. Zumindest hatte Marie Thèrèse hier noch keinen Armen getroffen. Hier gab es nur gutgekleidete und wohlgenährte Leute. Ja, wenn sie es sich so richtig überlegte, so hatte sie überhaupt noch nie einen Armen gesehen, wusste nicht einmal, wie sie sich so jemanden vorstellen sollte.

Dabei hatte Marie Antoinette ihrer Tochter vom Elend anderer Menschen erzählt, ja, sie sogar Hemden und Wickelzeug nähen lassen für die Armen. Zu gern hätte Marie Thérèse mal jemanden gesehen, der etwas am Leibe trug, was sie genäht hatte. Früher waren sie öfters in der Kutsche durch Paris gefahren, und die kleine Prinzessin hatte versucht, durchs Fenster so viele Eindrücke wie nur möglich zu gewinnen. Ab und an erhaschte sie auch einen Blick in schmale, dunkle Gassen, wo ebenso dunkle Gestalten gebeugt umherhuschten. Waren das Arme?

Noch bevor sie darauf eine Antwort finden konnte, waren diese Bilder in Marie Thérèses Gedächtnis fast wieder verblasst. In letzter Zeit, so fiel ihr plötzlich auf, fuhren sie nur noch selten nach Paris, eher dahin, wo sich nur wenige oder ihnen vertraute Menschen aufhielten, ins Trianon oder durch die Versailler Gärten nach Hameau. Dort hatte sie sogar schon Ziegen gemolken. Die Bauern, auch deren Kinder, würden das täglich tun, erzählte ihr die Mutter. Es sei ihre Arbeit. Sie lebten davon. Marie Thérèse gefiel es, denn sie konnte es tun, wann immer sie Lust dazu hatte.

Je länger sie über all das nachdachte, desto munterer wurde sie. An Schlaf war gar nicht mehr zu denken. Sie stieg aus dem Bett und packte all ihre Lebensmittel in einen Korb. Dann zog sie einen warmen Mantel über ihr Nachtgewand, umhüllte ihren Kopf mit einem Tuch und stahl sich mit dem Korb aus dem Schloss. Nach kurzem Überlegen entschied sie sich für den zur Stadt hin gelegenen Ausgang, denn in den Gärten vermutete sie keine Armen. Da die Räume der unteren Galerie sich von der Terrasse bis zum Marmorhof erstreckten, erreichte sie diesen auf ziemlich direktem Weg.

Zwar hielten sich auch jetzt am Abend Leute im Schloss auf, vornehmlich Dienstpersonal, aber die schienen die kleine, vorbeihuschende Gestalt überhaupt nicht zu bemerken. Um sich Mut für ihr Vorhaben einzuflößen, stellte Marie Thérèse sich vor, sie trüge einen Zaubermantel, der sie unsichtbar mache. Und tatsächlich, es funktionierte.

Vom Marmorhof aus führte ihr Weg sie über den Königshof. Obwohl sie die Teller zurückgelassen hatte, wog der Korb ziemlich schwer. Trotz der kühlen Dezemberluft stiegen ihr die Gerüche daraus in die Nase, vor allem die des gebratenen Geflügels.

Marie Thérèse hatte den Königshof halb überquert und überlegte gerade, wie sie an den Wachen vorbei kommen sollte, die am Eingang zum nächsten Hof, dem Hof der Minister, postiert waren, als eine entgegenkommende Kutsche ihre Gedanken unterbrach. Sie wich beiseite und starrte wie gebannt die Pferde an. Ungewöhnlich rasant war die Kutsche in den Königshof eingefahren und stoppte nun so abrupt, dass die vier Rösser sich kurz aufbäumten und erregt schnaubten. Schweiß glänzte auf ihren dunklen Leibern, und das Weiß ihrer Augen blitzte auf. Die Prinzessin verfolgte, wie der Gesandte Mercy aus der Kutsche sprang, noch ehe deren Räder vollständig zum Stillstand gekommen waren. Mit großen Schritten eilte er über den Königshof und verschwand dann im Eingang zum Herkulessaal, der im äußersten Ende des Nordflügels gelegen war. Von Marie Thérèse nahm keiner Notiz. Wie hätte man sie auch zu dieser Zeit hier vermuten können?

Warum nur hatte Mercy es so eilig? Was mochte geschehen sein, dass er es ihren Eltern unbedingt noch heute Abend mitteilen musste?

Marie Thérèse beschloss, ihr Vorhaben zu verschieben, ließ den schweren Korb stehen und folgte dem Gesandten.

Herumstreunende Pariahunde und Katzen waren auch arm und würden sich über den Inhalt freuen.

Ungeduldig wartete sie, bis die Diener beidseits der Tür zum Herkulessaal sich zurückgezogen hatten, zog vorsichtig den großen Schlüssel aus dem Loch und spickte hindurch. Die Eltern hatten Mercy bereits empfangen. Als Marie Thérèse sah, wie aufgeregt ihr Vater vor dem goldverzierten Marmorkamin hin und her schritt, konnte auch sie ihre Füße nicht mehr ruhig halten und trat auf der Stelle. Die Mutter dagegen stand da wie erstarrt, das Gesicht noch bleicher als sonst durch den Puder. Doch was das Kind am meisten beunruhigte, war ihr trauriger Blick. „Und Sie meinen wirklich, dass es jetzt schon geschehen soll?“, fragte sie den Gesandten.

„Ich habe eine geeignete Familie gefunden und mit Verlaub...“ Mercy brach ab, rang sichtlich um die richtigen Worte. „Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, ich fürchte, es wird Ihnen schwerer fallen, je länger Sie es hinauszögern.“

Abrupt stoppte Louis XVI. und wandte sich dem Gesandten zu. „Sie haben recht, und da unsere Entscheidung nun mal getroffen ist...“ Redegewandtheit war dem König nicht in die Wiege gelegt worden. Als ihm seine Gemahlin nun auch noch eine Hand auf den Arm legte, wusste er gar nichts mehr zu sagen. „Ich weiß“, begann sie, „auch, dass man es nicht mehr rückgängig machen kann.“

Marie Thérèse erschrak noch heftiger, als sie das Zittern in der Stimme ihrer Mutter vernahm. „Wovon redeten sie bloß? Sie verstand kein Wort.“

„Dennoch“, fuhr Marie Antoinette fort. „Es ist zu früh. Er ist noch nicht kräftig genug für eine so weite Reise.“

Von wem sprachen sie nur? Die Prinzessin zermarterte sich ihren Kopf. Wer sollte verreisen, und warum besorgte sich die Mutter so darüber?

Vor lauter Grübeln vergaß sie jede Vorsicht und ließ vor Schreck den Schlüssel fallen, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte. Frau von Mackau schaute auf sie herab, mehr erstaunt als erzürnt. „Madame Royale, warum liegen Sie nicht in Ihrem Bett?“

Die Kleine war viel zu verblüfft, um darauf eine wohlüberlegte Antwort geben zu können. Sagte sie, sie habe nicht schlafen können, so würde die Gouvernante sofort die Ärzte holen. Aber etwas anderes fiel ihr nicht ein. Also schwieg sie und ließ sich in ihr Schlafgemach führen.

Darin sah Frau von Mackau sich erstaunt um. „Wo sind denn Ihre Nachtmahlzeiten?“

„Die habe ich verzehrt“, sagte Marie Thérèse in das ungläubige Gesicht ihrer Gouvernante und fügte schnell hinzu: „Dafür sind sie doch da, oder?“

Frau von Mackau konnte nur den Kopf schütteln. „Sie kommen offenbar sehr nach Ihrem Vater, Madame Royale.“ Noch immer kopfschüttelnd verließ sie den Raum.

Weil sie den merkwürdigen Dialog zwischen ihren Eltern und dem Gesandten Mercy nicht verstand, ja, nicht einmal den geringsten Ansatzpunkt dafür hatte, ließ der Schlaf ihn Marie Thérèse noch in selber Nacht vergessen.

Frau von Mackau dagegen hatte vorsorglich den Ärzten vom ungewöhnlichen Appetit der Prinzessin berichtet. Kaum schlug diese am nächsten Morgen ihre Augen auf, als sie auch schon anrückten, bestückt mit Klistieren. Marie Thérèse zog sich die Bettdecke über den Kopf und rollte sich so klein wie möglich zusammen. Sie hasste Einläufe. Warum hatte sie der Gouvernante auch nicht die Wahrheit gesagt, wenigstens die halbe? Aber wie hätte sie dann das Verschwinden der Gerichte erklären können? Die konnten ja nicht von selbst weglaufen, und ihr war es nun mal streng untersagt, nach Einbruch der Dunkelheit alleine das Schloss zu verlassen.

Während es in ihren Gedärmen zu grummeln begann, beschloss Marie Thérèse inbrünstig, nichts Ungehöriges mehr zu tun.

Monatelang hielt sie durch. Als der harte Winter sich dem Ende zuneigte und die Tage mit mehr Licht auch wieder mehr Freiheit brachten, keimte nicht nur in ihr neue Lebensfreude auf. Man hatte ihr erzählt, sie habe bereits mit acht Monaten das Gehen erlernt. Damals bewohnte sie ein ebenerdiges Appartement am Ende des Südflügels des Schlosses. Von dort aus konnte man direkt auf die Gartenterrasse, welche die Orangerie beherbergte, hinaustreten. Marie Antoinette hatte ein Gitter aufstellen und damit ein Stück des Gartens vom übrigen Park abtrennen lassen. An diesem Gitter hatte sich Marie Thérèse hochgezogen und ihre ersten Schritte getan.

Nun schleppten sie und Ernestine, nach Genehmigung der Gouvernanten, das mittlerweile fast neun Monate alte Schwesterchen nach dorthin. Aber Sophie machte zunächst keine Anstalten, ihre Fingerchen in das Gitter zu verkrallen. Staunend saß sie in ihrem weißen Kleidchen zwischen bunten Frühlingsblumen im Gras und ließ sich von der Sonne bescheinen. Allerdings nicht lange, denn schon nahte Frau von Mackau mit einem Schirm.

„Komm Sophie, komm zu mir“, forderte Marie Thérèse das Kleinkind auf und kroch rückwärts auf den Knien von ihm weg. Die Gouvernante stellte den Sonnenschirm auf, und Sophie blinzelte nicht mehr. Aus großen blauen Augen blickte sie die Schwester an, blieb aber sitzen. Überhaupt war sie ein auffallend ruhiges Kind, das wenig Bewegungsfreude entwickelte – bisher zumindest. Marie Thérèse dachte daran, wie sie um diese Zeit im vergangenen Jahr mit ihrer Mutter und dem jüngsten Bruder hier gewesen war. Wo war die Mutter heute? Sie wusste es nicht, sah sie selten in letzter Zeit – und fast nie zusammen mit Sophie.

Immer mehr Fragen, auf die sie keine Antworten fand, sammelten sich in Marie Thérèses Kopf. Der Stoff des täglichen Schulunterrichts hatte dagegen immer weniger Platz. Zunächst konnte sie das vor ihren Lehrern verbergen, schützte Kopfschmerzen vor, was oft genug der Wahrheit entsprach. Doch damit riskierte sie auch stets eine ärztliche Visite.

Noch vor den Lehrern bemerkte Ernestine, dass die Prinzessin geistig anderswo weilte, sogar während des gemeinsamen Spiels. Beim Tric-Trac verlor sie dauernd, und beim Versteckspiel suchte sie meistens die gleichen Büsche und Sträucher auf. Doch wenn Ernestine sie darauf ansprach, schüttelte sie nach kurzer Überlegung immer den Kopf. Ach, es hätte so wohl getan, sich der Freundin anzuvertrauen. Aber was, wenn diese ihre geheimen Befürchtungen teilte, wenn auch sie bemerkt hatte, dass der Königin an ihrem jüngsten Kind offenbar nichts lag? Wann, so fragte sich Marie Thérèse in bangen Nächten, würde die Mutter auch an ihr jegliches Interesse verlieren?

Eines Tages – es war der achtzehnte Juni –, fiel Marie Thérèse erstmals an ihrem Vater eine Wesensveränderung auf. Wie gewöhnlich, so wohnte er auch heute dem Geographieunterricht bei, schnitt die Erdteile aus den Landkarten und setzte sie dann unter den Augen seiner Tochter zusammen. Doch die konnte sich nur schwer darauf konzentrieren. Wo war die phlegmatische Ruhe geblieben, welche Louis XVI. sonst ausstrahlte? Marie Thérèse blickte kaum auf die zusammengesetzten Erdteile, sah nur die zitternden Hände ihres Vaters. Nie zuvor sah sie seine Hände zittern.

Abends kam Marie Antoinette ans Bett ihrer Tochter, setzte sich zu ihr und schaute sie lange aus rotgeweinten Augen an. Dann streichelte sie ihr die Hände, so zärtlich wie noch nie.

Nun begann Marie Thérèse zu zittern. Was ist geschehen, wollte sie fragen, brachte aber kein Wort heraus.

„Dein Schwesterchen ist heute von uns gegangen“, sprach stattdessen die Königin.

„Von uns gegangen?“ Das Mädchen hatte noch nicht verstanden, was die Mutter ihr zu sagen versuchte, nur, dass es etwas ganz Schreckliches sein musste. „Wo ist es denn hingegangen, Maman?“

Marie Antoinettes Blick wich dem ihrer Tochter aus und schweifte gedankenverloren über das bemalte Deckengewölbe, das wie so viele im Schloss eine himmlische Landschaft mit musizierenden Putten darstellte. „Die Engel haben es geholt.“

Noch in der gleichen Nacht verließ ein Grafenpaar mit einem Kleinkind in einer Reisekutsche den Versailler Hof. Im Schutz der Dunkelheit versuchten sie, sich so schnell wie möglich der Landesgrenze Richtung Österreich zu nähern.

Und ohne bemerkenswertes Aufsehen zu erregen, worüber man später berichten würde, betraten sie Tage später österreichischen Boden.

Tochter von Frankreich

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