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Open the door, Richard,

open the door and let me in!

Fletcher/Mason/McVea Howell

Am folgenden Tag stand es in allen Zeitungen. Die Spurensicherung untersuchte das gesamte Theater. Es bestand ganz eindeutig Mordverdacht.

Technische und taktische Ermittlungsbeamte von der Kriminalpolizei waren auf breiter Front angerückt, und es dauerte nur wenige Stunden, bis Margaret Moss ihrem früheren Chef im Polizeipräsidium, Ansgar Averøy, begegnete. Er saß ihr gegenüber, genauso bleich, sommersprossig und rothaarig wie damals, als sie ihn zuletzt gesehen hatte (fast auf den Tag genau vor vier Jahren), und natürlich konnten sie sich noch immer nicht besonders gut leiden.

»Was machst du denn am ›Odeon‹?« fragte Averøy, und auch sein markanter nordnorwegischer Küstendialekt hatte sich seit damals nicht verändert.

»Steptanz«, sagte Margaret.

»Urkomisch«, bemerkte Averøy. »Wollen wir Zeit sparen oder sie nutzen? Was machst du also am ›Odeon‹?«

»Ich steppe«, antwortete Margaret. »Ehrlich gesagt: Ich brauchte Geld.«

»Aha, da warst du als Privatdetektivin wohl genauso erfolgreich wie als Staatsangestellte, wie?«

Margaret warf ihm einen finsteren Blick zu. Er gab ihr einen langen Blick zurück.

»Genau«, sagte Margaret.

Sie erzählte ihre Version des fatalen Abends, genau wie alle anderen Theatermitarbeiter, und rekonstruierte Minute für Minute.

»Warum warst du eigentlich am Inspizientenpult?«

»Nicht am, sondern neben dem Pult. Ich kenne Stian ganz gut. Außerdem ist es interessant, von dort aus das Geschehen auf der Bühne zu verfolgen.«

Er sah sie lange an. Dann sagte er: »Und was ist mit diesem Vogt Johansen, war er besonders unbeliebt? Gab es irgendwelche Intrigen, oder hatte es einer auf ihn abgesehen?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Ich weiß nicht. Es sah jedenfalls nicht so aus.«

Er warf ihr wieder einen langen Blick zu.

»Wo du doch in der Branche bist ...« (er lächelte kurz und säuerlich), » ... kennst du ja vielleicht seine Frau.«

Averøy suchte in seinen Papieren. »Sie heißt Veronika Wilhelmsen, Kunsthandwerkerin, steht hier. Offenbar besitzen sie ein Haus ein ganzes Stück östlich von Oslo, in der Nähe von Kongsvinger.«

Er hielt das Blatt weit von sich und grinste: »Was zum Teufel steht denn hier, Absteige in Frogner, was soll das denn heißen, na ja, ich hab nicht das Verhör heute früh geführt. Auf jeden Fall haben sie wohl außerdem noch eine Wohnung im Stadtteil Frogner, damit der Verstorbene abends überhaupt noch mal ins Bett kam.«

Er blickte sie durch seine hellen Augenwimpern an.

»Nein, tut mir leid«, sagte sie. »Ich kannte Vogt Johansen nicht besonders gut. Meine Zeit am Theater liegt ja schon einige Jahre zurück, wenn du dich mal erinnerst. Und seine Frau habe ich bloß mal auf der Premierenfeier getroffen, das war’s auch schon. Ich wußte nicht mal, daß sie ein Haus besitzen.«

»Aha«, sagte er und schaute auf die Uhr. »Und dieser Meyer?«

»Ja?« erwiderte Margaret.

»Ja, was ist das denn für einer?«

»Ach«, sagte Margaret, »Meyer ist ein Mann, der sich nicht in die Karten schauen läßt. Ich weiß nicht viel über ihn.«

Averøy spitzte seinen Mund und legte die Fingerkuppen gegeneinander. »Er wirkte ziemlich verwirrt, finde ich«, sagte er. »Gestern, meine ich. Redete wirres Zeug.«

»Er ist ein Mann mit schlechten Nerven«, meinte Margaret. »Und wer mag schon Mord im eigenen Theater?«

»Nein«, sagte Averøy und erhob sich. Die Zeit war offenbar abgelaufen. »Nein, du willst mir also nichts verraten.«

Sie warf ihm einen blitzschnellen Blick zu, dann fragte sie: »Wurde aus einer oder aus mehreren Waffen geschossen?«

»Mit solchen Informationen gehen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht an die Öffentlichkeit«, sagte er.

»Ich dachte, die Revolver im Theater wären immer unecht«, sagte sie und erhob sich ebenfalls. »Waren unsere das etwa nicht?«

»Meine liebe Margaret Moss! Du solltest es eigentlich selbst besser wissen«, sagte Averøy nur und hielt ihr die Tür auf.

Sie sah ihn an. Dann ging sie.

Auf dem Weg zurück zum Theater beschloß sie, mit Meyer zu sprechen.

Das Theater war geschlossen, und sowohl am Haupt- als auch am Bühneneingang hingen Plakate, auf denen mit großen Lettern »Keine Vorstellung« stand. Die Pförtnerin Hildegunn las Zeitung und schaute nur kurz auf, als Margaret mit ihrer Schlüsselkarte die Tür öffnete.

»Es ist keiner da«, sagte sie schnell. »Nur die Polizei, und dann noch Wille und noch jemand.« Lars Wille war Pressesprecher und PR-Beauftragter des Theaters.

»Was macht denn die Polizei?« fragte Margaret, doch das wußte Hildegunn auch nicht. »Seit gestern abend sind sie hier ein- und ausgegangen«, sagte sie und sah so aus, als sei sie selbst seit gestern hiergewesen – was allerdings nicht stimmte, gestern abend hatte ihre Kollegin Dienst gehabt.

»Ist Meyer denn gar nicht hier?« fragte Margaret.

»Er war heute früh hier, aber ich glaube, er ist wieder gegangen«, erwiderte Hildegunn. »Er nimmt jedenfalls keine Anrufe entgegen, daher weiß ich nichts Genaueres.«

»Ich gehe mal hoch und schaue nach«, sagte Margaret. »Da ist noch etwas, was ich mit ihm besprechen muß.«

Sie nahm den Fahrstuhl nach oben.

Meyer war nicht in seinem Büro.

Sie sah sich schnell um, dann ging sie hinein und zog die Tür hinter sich zu.

Der große Glasaschenbecher auf dem Schreibtisch war bis zum Rand mit Stummeln von Filterzigaretten gefüllt, und auf den Papieren, die über den Schreibtisch verteilt waren, war Asche verstreut. Sie beugte sich vor und betrachtete sie genauer: Es war eine Übersicht über sämtliche Angestellte des »Odeon«, von der Verwaltung bis zum Kantinenpersonal und den Pförtnern. Unleserliche Kritzeleien am Rand und braune Ringe von Kaffeetassen ließen erahnen, daß der Intendant mehr als einmal über diesen Blättern gebrütet hatte.

Eigentlich war doch nichts Besonderes dabei.

Oder doch?

Plante er vielleicht Kündigungen?

Sie hob die Blätter an. Weitere Papiere, ebenfalls mit Kritzeleien und Kaffeeflecken wie die anderen, mit dem Unterschied, daß es sich hier um Zahlenkolonnen handelte. Einige Zahlen waren unterstrichen, andere waren ausgestrichen.

Ausgaben? Einnahmen? Unbezahlte Rechnungen?

Es war ihr unmöglich, das zu entscheiden.

Sie warf einen Blick in Richtung Tür: War er nach Hause gegangen, oder befand er sich unten auf der Bühne, zusammen mit den Ermittlungsbeamten?

Sie griff die Gelegenheit beim Schopfe und zog die oberste Schreibtischschublade auf.

Nur Stifte, Büroklammern und Gummibänder. Ein paar alte Kassetten ohne Hülle. Eine halbleere Schachtel mit Kopfschmerztabletten.

Die zweite Schublade war voller Briefpapier mit dem Briefkopf des Theaters, und in der dritten Schublade gab es eine halbvolle Flasche billigen Cognac.

Nicht gerade das Beste für sein Magengeschwür.

Sie schob die Schubladen wieder zu und erhob sich, sah sich um. Irgend etwas stimmte nicht mit Meyer, von ihrer ersten Begegnung an hatte sie den Eindruck gehabt, nach einem Phantom zu suchen, das es nicht gab. Oder vielleicht war es da, nur außerhalb ihres Blickfelds, und dann war es Meyer, der es vor ihr verborgen hielt.

Sie dachte an Sivs Zusammenbruch gestern abend; in gewisser Weise war das nur natürlich gewesen, Siv war schließlich noch so jung und wirkte häufig überspannt und verunsichert. Und wer war schon Morde gewohnt?

Andererseits: Was wäre denn, wenn Vogt Johansen der Geliebte war, von dem Henny gesprochen hatte?

Das könnte ja Meyers merkwürdiges Verhalten am Abend zuvor erklären, die Tatsache, daß der Bühnenmeister die Polizei rufen und der Inspizient die Vorstellung unterbrechen mußte, weil der Intendant sich im Schockzustand befand und die Kontrolle über die Situation verloren hatte.

Hatte Margaret vielleicht genau das beobachten sollen – die untreue Ehefrau und eine Situation, die so explosiv war, daß der Liebhaber daran starb?

Das schien wenig glaubhaft.

Sie hörte Schritte auf dem Gang und blieb mucksmäuschenstill im Zimmer stehen.

Dann verlor sich das Geräusch in der Ferne, und sie öffnete vorsichtig die Tür, um sich umzuschauen. Niemand war zu sehen; sie schlich sich hinaus und lief durch das Treppenhaus in das fünfte Stockwerk, über dem sich nur noch der Malersaal befand. Noch schnell durch eine schmale Eisentür, schon öffnete sich das Dunkel unter ihr, und ferne Stimmen drangen von der Bühne tief unten zu ihr hinauf.

Sie war auf den Schnürboden gekommen, wo die Züge endeten und die Vorhänge für die verschiedenen Bühnendekorationen in Reih und Glied hingen.

Vorsichtig tastete sie sich hinaus auf die schmale Arbeitsgalerie, klammerte sich am Geländer fest und blickte hinunter. Die Bühne war in volles Flutlicht getaucht, zwei Polizeibeamte unterhielten sich mit dem Bühnenmeister. Sie konnte nicht hören, was sie sagten, nur ein leises Murmeln drang zu ihr nach oben.

Dann kam Lars Wille mit einem Blatt Papier auf die Bühne, das er dem einen Polizisten überreichte. Margaret sah sie direkt von oben, eine ungewohnte Perspektive; die Schuhe des Bühnenmeisters schienen direkt aus der Skimütze herauszuwachsen, die er immer trug. Die Beamten hatten Windjacken und Jeans an, nur in alten Filmen trugen sie Mantel und Hut.

Wenn man bloß hätte hören können, was sie dort unten redeten! Sie versuchte, so gut es ging, zuzuhören.

Und dann hörte sie etwas anderes, sehr viel näher. Jemand bewegte sich in der Dunkelheit auf der anderen Seite der Galerie. Schnell richtete sie sich wieder auf.

Zunächst konnte sie niemanden sehen, sondern hörte nur das Geräusch von langsamen und etwas unsicheren Schritten, schließlich konnte sie eine Gestalt im schwachen Licht aus dem Bühnenraum ausmachen, die ihr entgegenkam, es war Waldemar Viker. Sie klammerte sich am Eisengeländer auf beiden Seiten der Galerie fest und sagte: »Aha, auch unterwegs, um zu inspizieren? Ich dachte, das Theater ist geschlossen, aber man trifft ja trotzdem allerorten auf Leute!«

Angriff ist die beste Verteidigung, dachte Privatdetektivin Moss und zog ihre Waffe – nur: Sie hatte keine Waffe, und Viker war doch schließlich ein netter Kerl, oder etwa nicht?

Er blieb einen Meter vor ihr stehen, schweigend, und fragte schließlich: »Was macht denn eine Steptänzerin so hoch oben in der Luft?«

»Was heißt schon Steptänzerin«, sagte Margaret, um Zeit zu gewinnen.

Er sah sie schweigend an, dann blickte er hinunter auf die Bühne. »Und jetzt gibt es hier außerdem noch einen Mord«, sagte er im Plauderton. »Das interessiert dich wohl besonders, könnte ich mir denken.«

»Das interessiert wohl alle, könnte ich mir denken«, erwiderte Margaret. »Und wenn du das denkst, was ich glaube, was du denkst, dann vergiß es ruhig. Die Polizei soll herausfinden, wer Jan Vogt Johansen umgebracht hat, nicht ich, glücklicherweise.«

Er lächelte plötzlich mit seinen braunen Zähnen und warf ihr einen schelmischen und zugleich boshaften Blick zu. »Aber Meyer hat dich doch angestellt.«

»Ja? Hat er das?« sagte Margaret.

»Er steckt jetzt in der Klemme.«

Sie musterte ihn. Er schob die Hände in die Taschen seines Kittels, so daß nur noch die Daumen hervorschauten. »Dieses Theater bedeutet vielen etwas, weißt du, Margaret? Mir gefällt der Gedanke nicht, daß die Schnüffler dort unten in unsere Kreise eindringen.«

»Bittest du mich um etwas?« fragte Margaret.

»Daß du deinen Verstand gebrauchst«, sagte Viker.

»Danke, das pflege ich ohnehin zu tun«, entgegnete Margaret ein wenig spitz. »Und hier sind ja wohl auch tatsächlich Dinge passiert, die es verdienen, ans Tageslicht gezogen zu werden, oder etwa nicht?«

»Man muß nicht alles sagen, was man weiß«, sagte er.

»Nicht?« sagte Margaret.

»Ein Mord ist ein Mord, aber ein Theater ist ein Theater«, sagte er, und dann streckte er plötzlich eine seiner großen Hände aus, griff ihren Arm und drückte zu. »Für mich ist es am wichtigsten, daß das ›Odeon‹ durchkommt«, sagte er. Sie wollte ihren Arm wegziehen, doch es gelang ihr nicht. Sie sah ihn böse an. »Schon gut. Laß mich los«, sagte sie. Dann erst ließ er sie los.

»Ich meine nur, du könntest ja ein bißchen mehr tun, als nur schlau zu sein«, sagte er mürrisch und drehte sich zum Gehen. Sie blickte auf seinen Rücken mit dem grauen Kittel. Als er ungefähr die Hälfte der Galerie erreicht hatte, drehte er sich noch einmal um.

»Du könntest ja versuchen, ein bißchen aktiv zu werden«, sagte er und verschwand im Dunkel.

Unten auf der Bühne war es inzwischen leer. Margaret verließ die Arbeitsgalerie und ging hinaus. Im Treppenhaus war das Licht hell und fahl: Draußen hatte es zu schneien begonnen. Um die langen Gänge, die zum Fahrstuhl führten, zu meiden, ging sie alle Stockwerke zu Fuß und grübelte dabei über Meyer nach.

Es war an der Zeit, ihn dazu zu bekommen, seine Karten offen auf den Tisch zu legen.

Auf dem Heimweg nach Smestad kam sie an einem Unfall vorbei und an zwei Autos, die von der Fahrbahn abgekommen waren; es war ungefähr null Grad, der leichte Schnee hatte sich plötzlich zu einem Schneesturm ausgewachsen, und schwere Schneeböen trieben waagerecht durch die Luft. Sie riß sich die Mütze vom Kopf und schüttelte sie gerade im Hausflur aus, als die Tür aufging und Tante Maisens fleckig gepudertes Gesicht herausschaute.

»Du, heute hat er wieder angerufen. Dieser Fernfahrer. Du weiß schon, Roland Rud, der mit ...«

»Ja, schon gut«, sagte Margaret und mühte sich mit ihren Mantelknöpfen ab. »Ich weiß, ich bin ziemlich vergeßlich, kann mich aber tatsächlich noch daran erinnern, wer Roland Rud ist. Wollte er ... soll ich zurückrufen?«

»Das hat er nicht gesagt«, erwiderte Maisen.

»Du weißt, ich habe sonst auch einen Anrufbeantworter«, sagte Margaret kurz angebunden. Die Telefonanlage stammte aus der Zeit, als das Haus noch ein Einfamilienhaus war, und die Box mit dem kleinen Schalter, mit dem man zwischen der oberen Etage und dem Erdgeschoß hinund herschalten konnte, befand sich bei der Tante im Erdgeschoß. Wenn Maisen das Telefongespräch annehmen wollte, dann konnte sie das, und wenn sie mithören wollte, dann konnte sie das auch. Sie hatte sich nicht weiter um die Anlage gekümmert, seitdem Margaret vor zehn Jahren mit ihrer Tochter eingezogen war, und seitdem war nichts daran gemacht worden.

Dann wird es vielleicht bald mal Zeit, dachte Margaret und stieg die Treppe ins erste Stockwerk hinauf. Sie bemerkte es allerdings immer, wenn Maisen mithörte: Es waren deutliche Hintergrundgeräusche zu hören, und außerdem atmete die Tante so vernehmlich durch ihre ehemals so aristokratische Nase aus und ein, daß nicht der geringste Zweifel darüber herrschte, wenn sie in der Leitung war.

Sie ließ ihre Tasche auf den Boden fallen, hängte ihren Mantel auf und schleuderte die nassen Stiefel in die Ecke. Einen kurzen Moment lang griff sie sich ans Herz – es hämmerte wie verrückt, und daran war nicht die Treppe schuld. Sie ging zum Schrank und holte eine Flasche Wodka heraus, deren Inhalt sie eine Weile betrachtete. Dann stellte sie sie vorsichtig wieder hinein, schloß die Tür und ging in die Küche. In der Kühlschranktür stand eine halbvolle Flasche Weißwein.

Sie schenkte sich ein ordentliches Glas ein, setzte sich an den Küchentisch, trank das Glas aus und goß sich ein weiteres ein.

Man mußte auf sein Gewicht achten, wenn man auf der Bühne stehen wollte, oder? Sie holte tief Luft. Geschmolzener Schnee tropfte von ihren Haarspitzen. Sie kehrte ins Wohnzimmer zurück und ging ihre Telefonliste durch, bis sie die richtige Nummer gefunden hatte. Dann wählte sie.

Es klingelte mehrmals am anderen Ende der Leitung, bis jemand abnahm. Siv Steens dünne Stimme sagte: »Ja?«

»Hier ist Margaret Moss, ist Carl zu Hause?«

Siv zögerte ein bißchen, dann sagte sie: »Mm ... ja. Aber er geht nicht ans Telefon. Ich meine, du kannst nicht mit ihm sprechen.«

»Sag, daß ich es bin. Sag, daß es wichtig ist.«

Erneute Pause. Dann: »Okay, dann warte mal kurz.«

Schritte klapperten über Parkettboden, und Margaret sah Sivs nach außen gedrehte Zehenspitzen vor sich.

Lange Pause, wieder Schritte, diesmal näherten sie sich. »Du? Er will nicht. Es geht ihm nicht so gut.«

Margaret holte tief und genervt Luft. »Sag, daß ... Sag ihm, daß ... Verdammt noch mal, Siv! Ich muß unbedingt mit deinem Mann reden.«

Erneutes Klappern über das Parkett, neue Pause. Danach waren wieder Schritte zu hören, ein schnelles Schlurfen von Pantoffeln, dann war Meyer am Apparat.

»Was zum Teufel ist denn los, wenn ich sage, daß ich nicht ...«

Sie unterbrach ihn schnell: »Du! Es ist wirklich an der Zeit, daß wir miteinander reden! Findest du nicht auch? Es ist ja einiges passiert in letzter Zeit.«

Meyer räusperte sich am anderen Ende der Leitung, dann sagte er, kühl und langsam: »Du bist aus dem Vertrag entlassen. Ab sofort.«

»Und jetzt soll ich nur noch tanzen, oder wie?« erkundigte sich Margaret säuerlich.

»Das auch nicht, vorläufig jedenfalls nicht«, sagte Meyer, noch immer kühl. »Wir machen eine Pause. Heute war eine Sitzung mit der Geschäftsleitung, und wir haben beschlossen, das Stück nicht vom Spielplan zu nehmen, denn es sind zu große Summen im Spiel. Wir werden noch eine Weile Strindberg spielen, und in ein paar Wochen nehmen wir ›Crazy‹ wieder ins Programm, wir haben Svend Sahlberg vom Nationaltheater für die Rolle des DeVito gewinnen können.«

Margaret blinzelte schnell, das war ein bißchen zu viel auf einmal. »Und Tom?« fragte sie schwach. »Was ist mit Tom?«

Tom Terkelsen war eigentlich der Vertreter von Vogt Johansen.

»Nicht gut genug«, sagte Meyer nur und fügte hinzu: »Du bist also hiermit aus allem entlassen, was wir je miteinander zu tun gehabt haben, verstanden?«

»Verstanden schon«, entgegnete Margaret. »Aber es ist die Frage, ob ich einverstanden bin.«

Sie legte schnell auf.

»Schon gut«, brummte Moss säuerlich. »Ganz schön abgebrüht, wie, Meyer? Wissen Sie, zu mir kommen Leute in allen Größen, doch sie haben eins gemeinsam: Wenn sie wieder gehen, fühlen sie sich klein.«

Tja, so etwas hätte man sagen sollen. Das taten sie zumindest in Büchern.

Sie ließ sich zu sehr von anderen dominieren, das war es.

»Esprit d’escalier«, wörtlich übersetzt »Treppen-Scharfsinn«, nannte man die guten Sätze, die einem leider erst einfielen, wenn es zu spät war. Das, was man sagte, nachdem die Tür zugeschlagen worden war. »Okay«, sagte sie laut und drohend hinaus in die Stille und hoffte, daß ihr Alter ego es auch hörte: »Materialisiere dich! Komm her und sag deine schlauen Sachen selbst!«

Kein Applaus für den Mörder - Norwegen-Krimi

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