Читать книгу DERMALEINST, ANDERSWO UND ÜBERHAUPT - Klaus Hübner - Страница 22
Stunden von entsetzlicher Tiefe
Zwölf Meistererzählungen von Friedrich Hebbel
ОглавлениеDer Marktflecken Wesselburen, Kreis Dithmarschen, Bundesland Schleswig-Holstein, ist dem Rest der Welt höchstens dadurch bekannt, dass Friedrich Hebbel am 18. März 1813 dort geboren wurde. Im Dezember 1863 hat man den Dichter, der inzwischen als einst vielgespielter Dramatiker fast noch unbekannter ist denn als einer der großen Tagebuchschreiber der Weltliteratur, auf dem Matzleinsdorfer Friedhof in Wien zu Grabe getragen. Was in den gut fünfzig Jahren seines Lebens wichtig war, kann man der Zeittafel entnehmen, die am Ende eines von Monika Ritzer mit einem instruktiven Nachwort versehenen Taschenbuchs steht, das zwölf Meistererzählungen aus ganz unterschiedlichen Lebensphasen enthält. Eine von mehreren Neuerscheinungen zu Hebbels zweihundertstem Geburtstag. Nicht jeder Bücherfan wird unbedingt Prosa aus dem 19. Jahrhundert lesen mögen. Kann man Hebbel empfehlen?
Das Alltagsleben, in dem seine Geschichten spielen, gibt es nicht mehr. Aber Katastrophen, große und kleine, die gibt es immer noch. Hebbel, dessen Sinn für kleinste Nuancen der deutschen Sprache außerordentlich genannt werden muss, ist ein unerbittlicher Gestalter von Tragik, Verwirrung, Zorn, Gewalt, Zerstörung und Tod. Kühn und sprachmächtig erzählt uns dieser Dichter die unglaublichsten, wildesten und abgründigsten Geschichten. Acht Seiten braucht er, und die an einem hellen Sonntagmorgen lustig vor sich hin singende junge Magd Anna ist tot, elend verbrannt in einem Flammeninferno, an dem sie, so ihre letzten Worte, selbst schuld ist. Ist sie das? »Nein, Tochter, ich bin nicht krank, ich sehe bloß voraus, wie alles kommen wird«, sagt der von obsessiven Wahnvorstellungen geprägte, unberechenbare und unheimliche Zitterlein in einer der besten Erzählungen des Bandes. »Gibt es nicht Gesichter, die mich anstarren, wie Larven der Hölle, Augen, deren feindlicher, vernichtender Strahl mich tötet? Hast du nie ein Lächeln gesehen, welches dir jede Freude, jede Lebenslust zusammenschnürte, wie eine Schlange?« Horror hoch drei, dieser Barbier Zitterlein, ebenso wie Die Kuh! Direkt lustig sind sie nicht, diese Texte. Aber sehr zu empfehlen.
Friedrich Hebbel: Meistererzählungen. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Monika Ritzer. München 2013: Deutscher Taschenbuch Verlag. 254 S.