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Der Ungelesene
Ludwig Börne im Taschenbuch
Оглавление1837 starb Ludwig Börne im Pariser Exil. Heute gibt es Börne-Straßen und -Plätze, und ein angesehener Preis ist nach ihm benannt, immerhin. Aber der Schriftsteller selbst? Ja, die Briefe aus Paris, der zeitweise erbitterte Streit mit Heinrich Heine, abgelöst durch gemeinsamen Kampf gegen den damaligen Stuttgarter Literaturpapst Wolfgang Menzel – eine Geschichte der deutschen Literatur ohne Börne ist noch immer ein Unding. Und doch wurde er nach 1848 immer seltener gelesen. Der kämpferische Demokrat und meisterliche Stilist aus der Frankfurter Judengasse hat keine Gedichte, Dramen, Novellen oder Romane hinterlassen, sondern Essays, Reisebilder, Satiren, Theaterkritiken, Feuilletons – und oft wunderbare Briefe. Aber all das veraltet auch rasch. Nicht ohne Grund gibt es, anders als bei Zeitgenossen wie Mörike oder Chamisso, keine historisch-kritische Ausgabe seiner Werke. In den 1960er-Jahren haben Inge und Peter Rippmann eine fünfbändige Edition erarbeitet, und fast ein halbes Jahrhundert später hat Inge Rippmann daraus ein kleines Taschenbuch destilliert, das sich Das große Lesebuch nennen darf. Niemand könnte das besser als diese Expertin, und so kann man nun ganz bequem – Börne lesen. Soll man auch?
Dass diese frühe Edelfeder des aufgeklärten politischen Journalismus und des eleganten Feuilletons, die an vielen Fronten für Freiheit, Kosmopolitismus und Judenemanzipation kämpfte, durchaus poetisch schreiben konnte, beweisen mehrere der hier versammelten Texte, zum Beispiel die Monographie der deutschen Postschnecke oder die Denkrede auf Jean Paul. Poetische Züge wird man auch in vielen Briefen an seine Freundin und Muse Jeanette Wohl entdecken. Das meiste aber ist doch so sehr seiner Entstehungszeit verhaftet, dass es zum vollendeten Lesegenuss intimer Kenntnisse des vormärzlichen Biedermeier-Europa bedarf. Die aber kann naturgemäß weder die instruktive Einleitung noch der hilfreiche Anhang vermitteln. Schwerlich wird man behaupten dürfen, dass dieses verdienstvolle Lesebuch Lust auf den ganzen Börne macht. Er liegt einfach doch schon hundertfünfundsiebzig Jahre auf dem Friedhof Père Lachaise.
Inge Rippmann (Hrsg.): Ludwig Börne – Das große Lesebuch. Frankfurt am Main 2012: Fischer Taschenbuch Verlag. 335 S.