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Eine unzufriedene Zufriedenheit hing über La Ferme. Seit dem ersten Gigawatt-Experiment waren einige Wochen vergangen. Man hatte sich geeinigt, zunächst vorsichtig den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen. Während Marie und Maxim an der Theorie knobelten, hatten sich Pierre und Lodo auf den praktischen Weg gemacht. Sie bereiteten das Modulationsexperiment29 vor. Verschwanden ihre Signale in irgendeinem Nirwana, einer schwarzen Galaxie, von wo keine Reaktion zu erwarten war? Oder gab es irgendwo das, was sie Intelligenz nannten? Marie war es gelungen, einige Parameter in der Theorie als Größen zu isolieren, die so etwas wie Koordinaten sein mussten. Von denen ausgehend, würden sie in sechs verschiedene Richtungen senden, anschaulich gesehen, entsprechend den Richtungen eines Koordinatensystems.

Zunächst sollte ein Lichtstrahl durch das Tor geschickt werden. Die Modulation begann mit einem Puls, dann folgten zwei, dann drei und das bis zehn. Das sollte die Zahlen von eins bis zehn symbolisieren. Eine Pause folgte. Diese war so lang, wie die Übermittlung der ersten Pulskette gedauert hatte. Darauf wurden fünf Ziffern von Pi30 übertragen. Auf eine entsprechende Pause wiederholte sich die Übertragung von Pi zwei Mal und das wiederum bis zehn. Da würde jeder, der zählen konnte und ein wenig Geometrie beherrschte, das Muster sehen.

Heute war es soweit. Aus dem Schwarzwald war nur Sukal persönlich gekommen. Sokrates war im Hintergrund zugeschaltet. ‚Einer muss ja auf die Meute aufpassen‘, dachte er für sich.

„Seid ihr bereit?“ Lodo blickte in die Runde und über die Screens. Ruhe kehrte ein. Ihnen war bewusst, dass sie einen Ansatz gewählt hatten, der für sie selbst nachvollziehbar, aber für ihr Gegenüber unbekannt war.

„Zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins, go.“ In der großen Halle in Fessenheim kam Energie in Bewegung, durchstimmbare Hochleistungslaser erzeugten die gewünschten Photonenbündel. Zugleich verschwanden Unmengen an Energie nicht nur ins Kühlwasser.

„Wir machen hundert Durchgänge durch das Muster, beginnend bei 10 MW Ausgangsleistung. Mit jedem Durchgang erhöhen wir die Leistung um den Faktor 10. Den Energieverbrauch habe ich bei unserem Stromversorger angemeldet. In einer zweiten Reihe erhöhen wir die Modulationsfrequenz, beginnend bei 1 MHz, jeweils ebenfalls um den Faktor Zehn bis 10 GHz.“

Obwohl es langweilig war, den Zahlen auf den Screens zuzusehen, konnte kaum einer entspannt atmen. Sie übertrugen Informationen in eine andere Welt. Endlich waren alle Läufe durch. Alles war problemlos abgelaufen, doch Begeisterung kam nicht auf. So recht wusste keiner was zu sagen. Die Kameras aus der Halle zeigten nichts Besonderes.

Lodo trank einen Schluck San Pellegrino. „Ok, sieht im Moment nicht so aus, als käme da eine Antwort – wohin auch.“

Sie hatten auf den Bau eines Empfängers verzichtet, da sie keine gute Idee dazu gefunden hatten.

„Ceterum censeo“,31 knurrte er weiter, „ich komme noch mal zurück auf die verschränkten Photonen. Bei dem Experiment von vorhin können wir nur eine Rückmeldung bekommen, wenn auf der anderen Seite eine Intelligenz ist. Wenn wir aber bei ansonsten gleichen Bedingungen mit verschränkten Photonen arbeiten, haben wir eine direkte Rückkopplung. Das ist etwas knifflig, da zwei Manifestationssender verschränkt werden müssen. Sollte auf der anderen Seite ein verschränktes Photon verändert werden, bekommen wir eine Rückwirkung hier.“

„Du weißt, dass du über die Veränderung einzelner Photonen redest?“ wandte Maxim ein.

Um diese nachzuweisen, hatte sich Lodo nochmals tief in die Technik der Lock-In-Verstärker begeben, die auch superheterodyne Verstärker genannt wurden. Derartige Geräte konnten Ereignisse messen, die im Rauschen verborgen waren. Durch die phasenbezogene Überlagerung mit einer Vergleichsspannung waren Nachweise geringster Signale möglich. In Lodos Konstruktion wurden vom Ansatz her zwei Photonen verglichen.

Er antwortete: „Ja, ich weiß. Mit speziellen Lock-Ins, mit flüssigem Helium gekühlt auf etwas unter 4 K, das sind -269 °C, geht das. Es ist nur eine Kopplung, die ich zuschalten muss.“

Nach einer kurzen Pause folgte seine Frage: „Sollen wir?“

Da alle ein wenig frustriert waren, aber unbedingt ein Erfolgserlebnis haben wollten, widersprach keiner.

„Nein!“ kam es klar angesagt von Sokrates. „Wir haben nicht die geringste Ahnung, was uns eine solche Verbindung, denn das ist es ja wegen der Verschränkung, hier bei uns einbringt. Das Risiko ist zu groß. Im Moment wissen wir viel zu wenig. Und wenn man nicht weiß, worauf man tritt, sollte es besser gelassen werden.

Ich habe gesehen, wie eure Augen an der analogen Anzeigen hingen. Davon bewegten sich die grafisch schön programmierten Zeiger leider nicht. Ihre Spitzen klebten an den Nullpunkten. Die Zeiger schien es nicht zu interessieren, dass Leistungen und Frequenzen sich schrittweise erhöhten.

Warum denn nicht, das ist die Frage. Wenn hinter dem Tor Energie verschwindet, muss da auch die Physik gelten, Energie und Materie sein.

Es ist, als würden wir Steine über eine hohe Mauer werfen und nicht einmal einen Aufprall hören. Die Steine hören einfach auf zu existieren.“

Sokrates machte eine rhetorische Pause. „Jetzt stellt euch vor, irgendwann hat der Nachbar die Nase voll und wirft zurück.“

Begeisterung breitete sich nicht aus. Das war ein Argument, auch wenn es ihnen nicht gefiel. Minutenlang sagte keiner was.

Lodo unterbrach die Stille schließlich:

„Ok, dann nicht. Wir gehen die technischen Aufzeichnungen aus der Durchführung der Sendung nochmals im Detail durch. Aber es sieht nicht danach aus, als hätte die Technik versagt. Wir sind in einer Sackgasse.“

Selbst die temperamentvollen Schwestern Geniè und Marie saßen etwas zerknirscht in ihren Lieblingsliegestühlen.

„Wisst ihr was? Lassen wir das in den Köpfen sacken. Ich bin für mindestens einen tröstlichen Pastis“,32 ließ Geniè sich vernehmen. Unbegeistert zogen sie in die große Küche von La Ferme.

29 Bei einer Modulation wird einem Träger ein Muster aufgedrückt, das der Empfänger deuten kann. So sind indianische Rauchzeichen Muster auf dem Rauch als Träger.

30 Die sogenannte Kreiszahl 3,141592653… wird mit dem griechischen Buchstaben n, gesprochen Pi bezeichnet. In der Praxis wird meist n =3,14 benutzt.

31 Lateinisch: „Im Übrigen meine ich, …“ Der Ausspruch wird dem Römer Cato, ca. 200 v. Chr., zugeschrieben. Diese Formulierung wurde im römischen Senat benutzt und würde dem heutigen „ich stelle des Weiteren den Antrag, …“ entsprechen.

32 Pastis ist ein französischer Anis-Schnaps.

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