Читать книгу Alles Fake oder was? - Klaus Robra - Страница 8
Rosenmontagsliebe
ОглавлениеJung war sie, nicht zu jung. // Schön war sie, fast zu schön (zu schön!), // hübsch war sie, anmutig und grazil, // wir liebten uns innig und heiß.
Ich verlor sie, ich verlor sie, // ich verlor sie, ja, ich verlor sie. // Ich war traurig wie nie. Sie vergaß mich. // Sie verschwand, sie kommt nie mehr zurück.
Und sie bleibt in mir. Alle sahen uns. // Wir tanzten auf der Straße. Wir waren wie Kinder im Mai. // Wir sah’n uns zuvor in der Straßenbahn. // Ich sah sie an und liebte sie.
Wir sprachen und sahen und liebten es. // Wir gingen zusammen und hielten einander ganz fest. // Ganz sachte. Und wie sie denn war? // Sie trug eine khakifarbene Hose, auch Tennisschuhe und einen weichen hellblau-weiß-rosa Pullover. // Sie war wie Angora. Ein süßes, himmlisches, liebliches Schätzchen.
Sie lächelte freundlich. Sie hatte ein Ebenmaß, eine Zartheit, // eine rosige Helligkeit in ihrem Gesicht, // wie ich niemals es sah. // Sie bleibt in mir. Wo bist du, du, du, du, du Liebe Du?
Sie trug kleine bunte Plastik-Schirmchen im Haar. // Mittelblond war sie. Jung war ihr leicht gekräuseltes, // eng anliegend sorgfältig frisiertes Haar.
Sie nannte mich Don Juan. („Naa, Don Juan?“) // Und was denn nun mit den anderen Frauen wohl sei. // Der Rosenmontagszug hat Verspätung, kommt erst um halbdrei. // War alles nur Scherz? War alles absurd?
Der Tag war so blau wie nie. // Es war ein Strahlen, ein Blühen, ein Himmelsblau. // Da tanzten die Farben, prunkvoll und glänzend wie nie. // Ich war so glücklich wie nie. Aber sie?
Wir küßten uns. Wir lagen uns lange wie tot in den Armen. // Sie schmiegte sich, wie ein Daunenkleid, ganz dicht an mich. // Sie trank mich und sie versank fast in mir. // Das Ganze so drei Stunden lang.
Dann war sie verschwunden. Trickreich verduftet. Ich war allein. // Ich wollte verzweifeln. Das war zu viel. // Das preßte in mich die größte Müdigkeit, die es je gab. // Wie soll ich dich denn, meine Liebe, je nur verwinden?
---
Alkohol war übrigens bei den beiden nicht im Spiel, auch wenn der Tag „so blau wie nie“ war. Ob es zwischen den beiden überhaupt zu einer dauerhaften Beziehung hätte kommen können, ist fraglich, denn die junge Dame war eigens zum Kölner Karneval aus Bayern ange-reist.
Wie der Zufall es wollte, bekam Melanie Wind von der Sache. Eine Bekannte hatte Franz beim Fremdgehen beobachtet und Melanie alles berichtet. – Danach nahm das Schicksal seinen Lauf. Franz und Melanie stritten und zerstritten sich immer wieder, entfremdeten sich mehr und mehr voneinander. Hinzu kam der schier unwiderstehliche Sog, den Ruven und Dirk mit ihren angeblich viel besseren Studien- möglichkeiten in Heidelberg und Tübingen auf Franz ausübten, und zwar nicht zuletzt hinsichtlich der Marxismus-Studien. Außerdem lehrte in Heidelberg der weltberühmte Professor H., einer der bedeutendsten Experten der Verstehenslehre, der Hermeneutik. Mit H. ist natürlich nicht Heidegger gemeint, der lebte und lehrte ja nicht in Heidelberg, sondern in Todtnauberg/Schwarzwald bzw. in bzw. Freiburg. Nein, in Heidelberg lehrte ein anderer H., ohne allerdings zu leugnen, dass er vor allen Heidegger und Schleiermacher (und nicht etwa Karl Marx!) die Grundlagen seiner Hermeneutik verdankte, ein Umstand, der Franz seinerzeit noch gar nicht bekannt war. Im Übrigen übten die Hermeneutik, der Marxismus und schließlich auch die alten Schulfreunde Dirk und Ruven eine Faszination aus, der er sich nicht lange entziehen konnte und die ihn ihm einen folgenschweren Entschluss reifen ließ: Melanie und Köln hinter sich zu lassen und sein Studium in Heidelberg fortzusetzen. Ein Entschluss, den Melanie nicht lange unbeantwortet ließ. Sie wandte sich kurzerhand einem neuen Verehrer zu, der schon lange ein Auge auf sie geworfen hatte und ihr überdies bei ihren Examensvorbereitungen helfen konnte, weil er, anders als Franz, die gleiche Fachrichtung wie sie studierte.
Als Franz von Melanies neuer Liaison erfuhr, wurde ihm erst klar, was sie ihm tatsächlich bedeutet hatte: Eine überaus romantische erste Liebe und mehr als das: eine Art Mutter-Ersatz. Wie sollte er diesen Verlust verkraften? Denn es gab kein Zurück. Melanie wollte zu ihrem Neuen und Franz wollte unbedingt nach Heidelberg. Also trenn-ten sich ihre Wege unwiderruflich. Es war das traurige Ende einer tief-gehenden, existenziell ergreifenden Verbindung, von der Franz später glaubte, er habe sie leichtfertig aufs Spiel gesetzt und damit vielleicht sogar sein Lebensglück verfehlt. Und nicht nur das...