Читать книгу ELDORADO - Räuberpistole mit Fremdenführer - Klaus Schafmeister - Страница 10

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Kaliber 5 - Der Asanbosam

Eine Felsnase kragt über den Weiher, daneben strebt eine gewaltige Araucarie zum Himmel, die unteren Stachelblattäste bis auf den Boden gewunden. Trotz der Kargheit, trotz des nebelfeuchten Windes geizt die Natur auch hier nicht mit Vogelsang und Grillenzirpen, so dass Chauffeur Mimbrenjo gut gelaunt aus dem Führerhaus hoppt, die Hecktür aufschwingt und kundtut, dass sein Magen just ein wenig Füllung bedürfe und die Fahrgäste sich solange ebenso verköstigen oder die Füße vertreten möchten. Die Fuhre läge gut in der Zeit und das Städtchen Nombredelrio nur noch etwa zwei Fahrstunden entfernt - man möge die kleine Pause genießen, bevor die letzten Schaukeleien talwärts in Angriff genommen würden. In die Dunkelheit kämen sie ohnehin, der Renault sei aber gut beleuchtet und die Abfahrt unbeschwerlich, weil ausnahmsweise breit wie eine Avenida im fernen Madrid. Mimbrenjo setzt sich nach seiner Ansage auf einen Felsbrocken, der Brotbeutel gefüllt mit Käse, Speck und Bohnenbrot, dazu Bohnen-Kaffee aus der Feldflasche.

Abdul rutscht vom Beifahrersitz und legt ein paar Dehnübungen vor; Tenor und Tanzmädchen hangeln sich von der Ladefläche. Esmeralda scheint von der pittoresken Landschaft sichtlich beeindruckt: silberzitternder Weiher vor leuchtenden Bergzinnen und ein sich unter Nebelschleiern purpurn schminkender Himmel, grasende Ziegen und Schafe am Wegrand - das Mädchen, die Lämmer: Springinsfelde, die umher tollen und sich gelegentlich in zartem Blöken üben. Signore Tagliatelle schiebt sich den Strohhut ins Genick, gähnt und vokalisiert probeweise ein paar A-E-I-O-Us, derweil sich Abdul in die Büsche schlägt, wohl um sich zu erleichtern.

Hinter den Steinhaufen poltert es. Mimbrenjo kommt gleich hoch, auch der Rest der Gesellschaft schreckt auf. Aus einem Baumfarn-gesäumten Hohlweg rollt ein Fuhrwerk: mageres Pferd, drei Kerls mit Schnauzbärten unter Schlägermützen, am Leibe bunte Strickjacken, derbe Lederhosen, geriemte Waden, Holzpantinen - offensichtlich arme, aber ehrbare Berghirten, die jetzt vom Wagen springen und mit Decken umwickelte Stangen abladen. Sie gucken her, halten jedoch Abstand. Ziegen und Schafe gucken auch, meckern ein wenig, äsen jedoch beruhigt weiter Nur keine Aufregung!

Doch dem Paranusz stellen sich die Nackenhaare auf. Der Alte aus ElPaseo liegt ihm mit seinen Warnworten in den Ohren, und Mimbrenjo kennt selbst solche Momente, wo in krautiger Macchie Revoluzzer lauerten, keiner sah sie - und Peng! Also: „Sofort einsteigen!“ Tenor und Töchterlein traben gleich heran, man muss jedoch auf Abdul warten, der sich tief ins Gestrüpp gebohrt hat, das Geschäft war wohl größer. Doch auch er springt - sichtlich erleichtert - aus den Sträuchern.

Plötzlich ein dreifaches „Buenos Tardes!“ Da stehen die Hirten, grinsen freundlich. Die Fahrgemeinschaft grüßt halbherzig zurück, will ins Gefährt, als ihnen einer der Burschen den Weg verstellt, ein Pfannkuchengesicht mit blitzendem Goldzahn unterm Schnauz. Die beiden anderen nicken ebenfalls heftige Anteilnahme, Wein wird angeboten aus Ziegenbälgen. „Trinken, ihr müsst trinken! Auf die Freundschaft!“ Doch die Zuneigung bleibt einseitig; weder Paranusz noch die Lampedusischen oder Abdul zeigen Lust auf einen Trunk und weitergehende Schwätzchen - „Nein Danke! Keinen Wein nicht, gehabt euch wohl, gut Nacht und Adieu!“

Der Pfannkuchen blockiert den Weg, tut so, als mache er Platz, hat aber plötzlich das Mädchen am Arm. „Du musst mit mir trinken, kleine Prinzesse, Freunden schlägt man keinen Trunk ab, hörst du? Nimm meinen Wein, du rotes Hexlein!“, und drückt ihr die lederne Trinkflasche zwischen die Lippen, wobei er ihr Kleid und Gesicht vollsudelt.

Esmeralda kreischt, reißt sich los, „Finger weg, haut endlich ab!“, faucht Paranusz, schiebt den Kerl grob zur Seite, die Fahrgäste drücken sich hinter ihn.

„Missfällt den Herrschaften unsere Anwesenheit?“, lauert der Dritte, ein Fuchsgesicht, das Haupt gelockt, der Hut befiedert. "Mag man nicht mit uns trinken? Ihr beleidigt uns!“ Dem Hirtenvolk ist das Verbindliche schlagartig abhanden gekommen, man drängt sich knurrend um die Gruppe. Paranusz stößt die Kerle wieder zur Seite und langt nach seinem alten Schießprügel im Führerhaus. „Verschwindet, und hört auf, uns zu belästigen!"

Zwei der Rüpel halten plötzlich Flinten in den Händen. Der rüde Mundschenk keckert, er spitze immer auf Rothaarige, „rot wie scharfes Chili - besser noch als Gut und Gold!“ Schnappt wieder nach der Kleinen.

„Untersteh dich!“ schreits Väterchen und haut sein Bambusstöckchen mit Wucht auf den Greiferarm. Doch den Dicken kümmerts nicht, er wischt den Sänger zur Seite und hat das Mädchen bei den Haaren; die schreit Mord und Brand, während der zweite Bursche mit Hasenscharte unterm Schnauz die Doppelhähne seines Schrotgewehrs spannt. Der Anführer hält einen Coltrevolver in der Linken und klaubt die Börsen aus den Taschen - wobei er Paranuszs Lampedusen-Pesos und Abduls Ring ungesehen in seinen Beutel steckt, den anderen aber Magere Beute! meldet. Pfannkuchengesicht und Hasenscharte durchschnüffeln den Renault, der Dicke zerschlägt Paranuszs Kirchenflinte an einer Felswand. „Nur Gerümpel. Und blöde Bibeln!“

Spaltlippe fallen die Pässe in die Hände und auch die doppelten Lobeshymnen. „Ihr seid ja ein lustiger Verein, mal hier, mal dort gelitten, ganz kosmopolitisch.“ Er wedelt den Kumpanen mit den Papieren zu. „Zwei Ithaker. Und der Schwarze aus Afrikas Kralen hergeschwommen. Und alle drei rebellisch geehrte Zirkuslümmel, doch nach dem zweiten Wisch gleichzeitig gut Freund mit dem Sprizz.“ Dabei gibt er Herrn Abdul eine böse Kopfnuss und stopft ihm die Geleit-Papiere in den Hals, „friss, Hottentott!“ Weist auf Paranuszs DetenteBala. „Und des Bischofs Mann: die quieken schön, wenn man sie wämst!“ Springt her, und Mimbrenjo kriegt Schläge, dass er umkippt wie ein Sack.

Pfannkuchen mag nicht zurückstehen mit schlechtem Benehmen und greift der Roten unters Kleid, dass sie aufkreischt, und der kleine Sängervater begreift, dass es seinem Schmuckstück wirklich an die Wäsche gehen soll. „Ihr Misthunde - niemand rührt meine Tochter an!“, grimmt er und zieht dem Lustmolch den Stecken diesmal quer durchs Gesicht, dass der böse ins Stolpern kommt. Auch Mimbrenjo ist wieder obenauf und nimmt sich den Revolvermann zur Brust; selbst der dicke Abdul wird quirlig, haut mit seiner Dose um sich und stürzt sich auf Hasenscharte, ihm die Flinte wegzuschnappen. Ein wüstes Gekeile entbrennt - da knallt es: der Fuchs hat seinen 45er abgefeuert und Paranusz zu Boden gestreckt. Gleichzeitig bekommt Abdul vom zweiten Räuber, der unter dem Hieb weggetaucht ist, den Kolben ins Genick, und auch das wehrhafte Tenörchen kriegt von Bandido Nummer Drei eins übergezogen.

Während der Anführer die Gefällten in Schach hält, werfen seine Kumpane Abduls Dose und den Beutelinhalt auf den Bibelhaufen: Heiligenbildchen, Zimtstangen und andere Merkwürdigkeiten wie getrocknete Meerjungfrauen, Fläschchen mit Teufelspisse, doppelköpfige Löwenföten, Jesu’ Vorhaut, falsches Elfenbein, winzige geschnitzte Talismane - nichts von Wert in der Kollektion, was die Laune der Strauchdiebe nicht gerade hebt.

„Ihr abscheulichen Halunken … “, ächzt es von unten her. Mimbrenjo liegt im Staub, ihm glimmen grüne Schmerzenspunkte vor den Augen, „ … hol euch der Teufel - unbekannterweise!“

„Donnerwetter, er lebt noch“, wundert sich der Fuchs, der sich Perfido nennen läßt. „Ihr HerzJesu hat tatsächlich ein Mirakel getan …" Er wiegt beeindruckt den Kopf: schwarzlockig wie gesagt, dazu glutäugig und von angenehmer Sonnenbräune - nur diese spitze Fresse! Perfido zupft an der Revolverkugel, die nicht in Paranuszs Herz, sondern im Blechmedaillon steckt. Das scheint ihn doch zu beeindrucken, er wird richtig förmlich.

„Entschuldigen Sie, mein Herr! Wenn ich uns denn aus der Anonymität rücken dürfte? Einst drei ehrenwerte Bürger, nun freie Unternehmer! Ich zum Beispiel bin von pädagogischer Herkunft: Lehrperson und gewesener Inhaber der alteingesessenen Handelsschule von Perpendicula mit den Fachspezifikationen Kaufmännischer Schriftverkehr und Doppelte Buchführung, den der Krieg schul- und mittellos gemacht hat, doch nicht zum ehrlosen Hund! Und weder EL SUPREMO und seiner Guardia, noch den Cimarrones kann ich etwas abgewinnen; ich weiß auch nicht, von welchen ich mehr ausgeknipst habe!" Aber nur von Heldentaten, Stil und Ehre könne man nicht existieren, erklärt er sich weiter. In erster Linie wolle er am Leben bleiben und in zweiter natürlich ans Geld. Doch solange er die Schatzlegende der DORA DOLLAR nicht gefunden habe, müsse er sehen, dass er sonstwie oben bliebe. Die beiden anderen dächten in der Sache genauso.

Als Paranusz darauf hin was röchelt von Moral und höheren Werten, erklärt Senor Perfido weich und geduldig (als rede er zu einer kranken Kuh): „Dort, Freund, die Kumpane … der dicke Pulpo, der so aussieht, als sei er aus einem Baumstamm herausgefault, ist ein echtgeborener Espanier, dazumal ordinierter Schriftgelehrter, aber trotzdem glühender Sozialist!“ Der aus dem alten Mutterland Vertriebene habe es für seine republikanische- und Gottespflicht gehalten, auch in der neuen Wahlheimat gegen den faschistischen Filz zu streiten: Pulpo der Humanist, der Erleuchtete, der profunde Kenner klassischer Literatur, selber ein Meister im Verfassen satirischer Elogen. „Und seine Predigten hätten Sie hören sollen!"

„Gerede, Ausflüchte“, stöhnt Mimbrenjo, und seine Lunge rasselt.

"Zugegeben - Freund Pulpo war nicht nur mit dem Allmächtigen, dem Humanismus und mit schönen Versen auf Du-und-Du … sondern auch mit den Weibern!" Das Füchslein grinst und bekommt hübsche Wangengrübchen; erzählt dann, dass sein pastoraler Freund nur secundär wegen der sozialistischen Überzeugung vorm Franco geflüchtet sei - primär wärem damals unschöne Unregelmäßigkeiten mit ein paar Sonntagsschulmädchen ruchbar geworden. Doch bevor man ihn hätte mit der Senora Garrota verheiraten können, habe Pulpo Fersengeld gegeben. "Und ich half ihm, GOTT, den Humanismus, den Zölibat und seine zerrissene Persönlichkeit zu überwinden. Und als er endlich frei war, hat er aufs Humanisieren gepfiffen und die Weiber vernascht, wo er sie kriegen konnte, an die drei-vier Handvoll sicherlich. Er trägt seither ein Kerbholz am Gemächt!“

Der fette Pulpo nickt herüber und schüttelt das Esmeraldamädchen, dass ihre Haare auflodern, „Jawohl! So ists gekommen. Zur Hölle mit Karl Marx, der Revolution, dem Papst und der freiwilligen Feuerversicherung! Ein Hoch meinem Freunde Perfido!“ Und die kleine Hexe würde sie gleich bestaunen können, die intime Buchführung.

Paranusz grunzt, verdreht die Augen bis nur noch Weißes kommt.

„Sie kennen den anderen auch noch nicht!“ Die Fuchsfresse nickt in Richtung Hasenscharte. „Einst ein gefeierter Koch mit eigener Metzgerei und angeschlossenem Feinschmecker-Restaurant drüben in Rio de Janeiro – selbst ein einfacher Fuhrknecht möchte schon mal vom berühmten O Crocodilo gehört haben, wo sogar der brazillianische Präsident zu dinieren pflegte bei meinem Freund Bratspieß, dem Beherrscher des Ofens, Fürst der Pasten und Pasteten, Gott der Suppen und Soufflees - nur ein dummer Zufall, ein unzerteilter Finger auf dem Teller, hat offenbart, von welch feinem Vieh er servierte.“ Perfido schüttelt bedauernd das Haupt. „Privat verzehrt er auch heute noch gelegentlich solch extraordinäres Wild, am liebsten vom lebenden Stück. Als sie ihm draufkamen, konnte er gerade noch Reißaus nehmen und hat sich nach vielen Irrfahrten mir angeschlossen. Die Welt gab ihm den Künstlernamen ElCroc nach dem Wappentier seines damaligen Speiseetablissements, in das mehr Leute hineingegangen sind als wieder heraus … und weil auch in unserem Lande mit den Menschen umgegangen wird, als wärs Vieh - wer will uns da kommen mit höheren Werten?“

ElCroc hat des Handelslehrers Hymne wohlgefällig angehört und läßt die Flinte zustimmend nicken. Sein scharfbezahnter Mund stößt ein Schmatzen durch die Scharte (die jedoch von einem Granatsplitter, nicht von einer Gabel stammt). „Nehmt uns, mein Herr“, gurgelt er, „als fundamentalistische Köche am Rande der Zechprellergesellschaft, der wir eine Bratenplatte als Spiegel vorhalten. Früher berühmt, heute verfemt und vogelfrei. Und just ein wenig hungrig!“

Blitzschnell reißt das Krokodil des Tagliatelles Haupt an sich, schlägt die Hauer in das linke Ohr und beißt es fast zur Hälfte ab. Das Tenörchen zappelt und kreischt wie am Spieß, Crocodilos Geifer und Rinaldos Blut rinnen in Bächen. ElCroc spuckt den Bissen angeekelt aus. „Pomadig-schmalzig!“, wertet der sinistre Maitre. "Und auch sonst von fadem Geschmack.“ Plötzlich greift er sich den Abdul und macht sich daran, des Afrikaners Kittel vorn bis zum Wanst aufzuschlitzen - schwarze Cojones vom lebenden Stück, frohlockt er, die wären eine schöne Alternative, selbst für ihn selten und exotisch! Schnalzt die Zunge in barer Vorfreude.

So liegt die Situation im Argen, der Kammersänger blutüberströmt im Dreck, im Wagen das Mädchen, das Rotz und Wasser heult und nur noch Fetzen hat über ihrer Blöße. Mimbrenjo Paranusz, König der Landstraße, kauert zerschlagen im Staub, einen Revolver vor der Nase, während der dicke Abdul, der früher auf Märkten und Bazaren Kamelscheiße als Opium vertickt hat - eigentlich nur hergekommen ist, um den letzten Wunsch seines verstorbenen Urgroßonkels zu erfüllen, dessen Asche würdig auf Pelargonien zu bestatten - sich angesichts des Operationsbestecks in Crocs kalter Hand die Seele aus dem Leib schreit. Doch wen rührt es, dass er kreischt und herumzappelt in blauen Filzlatschen, Goldrandkäppi und einst weißem Kaftan überm schwarzen Arsch; wen kümmert es, dass Paranusz waidwund röchelt, der Hofkammersänger wimmert, die Kleine sich die Augen ausheult – sag: wen kümmert das?

Plötzlich fährt das Krokodil auf von seinem Handwerk, lässt das Messer fallen und wird schlagartig gerade, den Finger gegen die aufziehende Dunkelheit und die neben der Felsnase knorrende Araucarie gereckt. Er schrillt derart los, dass die anderen Halunken augenblicklich von ihren Opfern ablassen und auf die Straße hasten, wo wie gerade materialisiert, ein riesiger Kerl in langem Mantel steht vor den schenkeldicken Stachelblattästen, farblich nahezu damit verschmolzen. Der Fremde gleitet auf die Wegesmitte und ist mit schnellem Schritt auf die Gruppe zu, schreitet lautlos durch die Schwaden und den Staub, den seine Stiefel und der Wind umtreiben; als er keine 20 Meter mehr entfernt ist, werden die Freischützen wieder mobil, reißen die Gewehre hoch. Perfido fuchtelt mit dem Revolver und brüllt: „Bleib sofort stehen, Hombre! Und Hände hoch, sonst gibts Blei vor den Latz!“

Unbeeindruckt und ohne den Gang zu verlangsamen, hält der Fremde auf sie zu, greift dabei geschmeidig unter den Umhang, hat eine LugerParabellum in der Hand, die er vorstößt wie einen Degen; zieht den Finger durch und schießt dem Fuchs die Mütze weg mit dem halben Schädel darin, worauf der Rest des rückstolpernden Handelslehrers mit einer Gesteinslawine unwiederbringlich in einen ausgetrockneten Camino abgeht. Noch zweimal knallt die NullAcht, auch die beiden anderen Schlagetots kippen um wie abgesägt - das alles geschieht rasend schnell, nichtmal Papp! hat einer sagen können, geschweige denn selbst abdrücken. Die Körper liegen am Boden, die Hirne ringsum in den Büschen.

Pulverdampf steht über der Szene, der Wind hat den Atem angehalten. Der Pistolero schleift die beiden habhaften Schlachtopfer an ihren Gürteln zur Felsnase, schlitzt ihnen die Bäuche samt Gedärm auf mit einem gewaltigen amerikanischen Bowie-Messer dann schwimmen sie nicht verräterisch auf wenn sie unten anfangen zu gären! raunt Paranuszs alter Soldatenschweinehund Der Kerl weiß was er tut! Der sprachlose Fremde wirft die Kadaver von der Klippe, zweimaliges Platschen, fort für ewig.

Erste Sterne wagen sich ins Abendblau. Mimbrenjo Paranusz ächzt sich auf die Knie; Abdul und Esmeralda sind in etwas besserer Verfassung und zerren den Direttore aus dem Graben. Signore Tagliatelles Haupt samt linker Hemdseite glänzen rot wie der Schopf Esmeraldas, die Tücher in Streifen reißt und um des Vaters Haupt flicht. Er wird sacht auf eine Wurzel gesetzt, wo er am Töchterlein lehnt und sich den Kopf hält.

Dann wieder ER, der von der Seebestattung zurück kommt und die vier zusammenfahren lässt, dass die Kindlein aufkreischen, verzittern vor der grausen Amme, so düster, so schweigsam. Die Pistole ist längst unterm Staubmantel verschwunden, doch der Trumm hält noch das Schlachtmesser in der Pranke, dies und sein Umhang beschmiert mit Blut und Innereien. Die Geschlagenen weichen, bis sie ans Blech der Renaultkarosse stoßen. Der Fremde bleibt weiter stumm, die Gequälten sprachlos, wagen keinen einzigen Ton. Nichtmal Papp!

Mimbrenjo müht sich unter Qualen hoch und bietet dem finsteren Retter als Lohn ein paar Heilige Schriften an. Die weist der Fremde brüsk von sich, hat längst das italienische Fahrgeld aus Perfidos abgerissenem Geldbeutel gezogen, dazu den Rest der Mördertaschenschätze - darunter auch jener Ring, den Rinaldo dem Abdul für das Mitnahmebillett abgeknöpft hatte, und der nun dem Finstermann mirnichts-dirnichts auf den kleinen Finger rutscht und sich partout nicht mehr lösen will, was Abdul zu Kulleraugen treibt und zur geflüsterten Bemerkung, dass sich nicht der Mann den Ring, sondern jener sich den Mann ausgesucht habe. Auch die Schärpe mit dem zerbeulten DetenteBala einschließlich Kugelstecker untersucht der Hauklotz intensiv, drückt sie aber zurück auf Paranuszs wehen Leib, schiebt danach den Fuhrmann beiseite und beguckt sich das bibbernde halbnackte Tanzmädchen.

Als er sich nach der Inspektion abwenden will, hält ihn die gerupfte Esmeralda plötzlich am Mantel fest, schluchzt, dass sie ihm keine Reichtümer bieten könne, er ihr jedoch im Herzen bliebe und er bei jeder Theatervorstellung, die sie und der Vater gäben, ein stets gern gesehener Gast sei. Der Papa sei nämlich phänomenaler Opernsänger, sie des Tanzens einigermaßen mächtig und beide guten Mutes, trotz aller Wirren bald wieder ein Engagement zu finden in Nombredelrio und später im sagenhaften ELDORADO. Doch wo sie sich auch befänden: der Fremde dürfe sich dort ebenfalls zu Hause fühlen, jederzeit und solange er wolle! Der Signore indes röchelt ob des gewagten Schwures, besonders, als die Tochter ihm noch eine goldfarbene Wertkarte aus der Jackentasche angelt, ein All-Inclusiv-Billett, und dem Fremden in die Klaue drückt. Der guckt schwer auf das Blatt, auf das Mädchen, auf den blutigen kleinen Mann. Endlich zuckt er die Schultern und schiebt das Papier in eine Manteltasche.

Wenn schon keine Heiligen Schriften … ob er den Senor wenigstens wohin mitnehmen könne, fragt Paranusz, weist unsicher zum Wagen, man müsse ja auch die Guardia … Vom Wüstling kommt nur ein Kopfschütteln Keine Mitfahrt, keine Polizei! Der Riese dreht sich auf dem Absatz um, geht zum Räuberkarren hinüber, spannt mit ein paar Handgriffen das Pferd aus, wirft sich darauf, und Ross und Reiter verschwinden in besagtem Hohlweg, ohne dass der Kerl einen Ton von sich gegeben hätte.

Die Sonne sinkt hinter die Picos, das Brigantenblut in Richtung Hölle; einige späte Fliegen lassen es sich darauf wohl sein. Dem Abdul kommt bei der Talfahrt ein Kindermärchen in den Kopf aus dem großen Afrika, wo er einst aus dem Ei kroch und die Großmutter die Brut abends schreckte mit Geschichten über den Asanbosam, einem Dämon mit Messern an Armen und Beinen, der nachts auf Bäumen lauert und Menschen, die dort längskommen, greift und schlachtet - und auch kleine Kinder, die partout nicht schlafen wollen. Den ganzen Weg bis Nombredelrio hat keiner mehr was gesagt.

Hier endet Old Paranuszs Erzählung aus Halbwahrheiten und Hirngespinsten. Doch jedes Mal, wenn nach all den Jahren die Rede darauf kommt Mimbrenjo erzähl mal wies damals war auf dem Pass! leiert der höchstbetagte Pistenheld diese Mär herunter (und glorifiziert seinen Anteil maßlos). Und wenn der Oldtimer geendet hat, das Glas hochnimmt zum letzten ölenden Schluck, berührt er die Brust, wo das Herz-Jesu-Medaillon sitzt mit der Kugel darin, und er murmelt: „So ists gewesen, so wahr wie ich hier sitze - GOTT ist mein Zeuge!“

Und als ob er fürchtete, dass der HERR ihm für seine halbgaren Märchen eines baldigen Tages den Hals umdreht, kippt er schnell den Roten hinunter in einem Zug. Und schweigt.

ELDORADO - Räuberpistole mit Fremdenführer

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