Читать книгу ELDORADO - Räuberpistole mit Fremdenführer - Klaus Schafmeister - Страница 14
ОглавлениеKaliber 9 - Der Kuriositätensammler
„Teniente - bekommen Sie es hin, mir den großen Menschen da halbwegs unbeschadet einzufangen?“ Auch Sonderagent Hanns Streng besitzt diesen überheblichamüsierten Unterton, der vielen Hunnen zu Eigen ist.
Ein merkwürdiger Heiliger! denkt sich Luan diStronzo, Teniente Erster Klasse und Oberer der 1.Regulares Pelargonias, genannt Los Lobos Infernales, und wird nicht schlau aus dem Bürschchen. Sammelt Krüppel und Wunderliche, fängt Seltsamkeiten ein wie andere Leute Schmetterlinge - und jetzt dieser kantige Bock! Doch letztlich ist Strengs Wunsch diStronzos Befehl.
Der Teniente führt heute Anabol, seinen Mastino Neapolitano bei Fuß; er hat ihn just von zuhause kommen lassen und will mit ihm vor dem Hunnen ein wenig protzen: das Rassetier selbst abgerichtet und scharf wie ein Rasiermesser, vielleicht imponierte das sogar dem blassen Bürschchen.
„Naturalemente, Senor Streng! Habe aber einen Vorschlag zu machen in der Sache - wetten wir um fünf Flaschen Cognac, dass allein mein Anabol es sekundenschnell schafft, den Kerl zum Winseln und Ihnen zu Füßen zu bringen?“
„Meinetwegen“, erwidert Hanns Streng. „Wenn Ihr Hund so gut ist, wie Sie sagen … jedoch auch, wenn der Mann unterliegen sollte, möchte ich ihn halbwegs unbeschadet und lebendig haben!"
Der Trupp Soldaten kauert hinter der Mauer, zur Plaza hin, die Karabiner im Anschlag, den Befehl ihres Teniente erwartend, der Feuer! heißen könnte – nun hatte der blasse Hunne mit diStronzo eine Schnapswette laufen, nicht um den gewöhnlichen Kaktusfusel, sondern um edle Franzentropfen. Vielleicht fiel ja was ab für die Männer.
Luan diStronzo beobachtet den Gegner durch den Feldstecher. Neben dem Teniente hockt der Mastiff reglos auf den Keulen. Aber wer ganz genau hinsieht, merkt, dass es zittert vor Anspannung, das gewaltige Tier: Muskeln wie Schiffstaue, ums Maul flockigen Geifer, drinnen eine Sammlung Stilettos. Der Officir hat vor einer Woche seinen 31. Geburtstag gefeiert, ein zäher Bursche aus dem Nest LasGrappas im Nordosten, wo viele italienischstämmig sind und Haie mit 100e Meter langen Angelschnüren von der Steilküste hinab aus dem Meer fischen - LasGrappas, wo die harten Männer wachsen!
Sein Marschbefehl lautet: Aufspüren und Arrestieren der üblichen Verdächtigen wie Cimarrones, Schmarotzen, Ziganisten und dergleichen Pack! und zu seinem Leidwesen Sie sind mit ihrer Bandera Senor Hanns Streng von der Vereinigung proPatria unterstellt, er handelt als Sonderagent im Namen und persönlichen Auftrag unseres gesegneten Caudillo Magno Don Episcopao Sprizz. Wenn also eine Sezession vorgenommen ist, sortieren Sie alle aus, welche Ihnen jener Herr Streng weisen mag, egal ob es Krüppel sind, Bauern, Weiber, Ausländer - und wenns die Nonnen von SanctaClara wären: wundern Sie sich nicht, gehorchen Sie, und befördern Sie das Geschmeiß direkt in die Ihnen von Senor Streng gewiesene Örtlichkeit. Doch Vorsicht: dem Pack auf der Landstraße ist nicht zu trauen. Liquidieren jedoch nur, wenn Gefahr im Verzuge! Weggetreten!
Cognac. Fünf Flaschen. Dabei begehrt Luan diStronzo nicht viel vom Leben: Anerkennung, Sportautos, grazile Weiber mit Riesentitten, edlen Schnaps, ein volles Portemonaie. Und ein einem Hidalgo angemessenes tiefes Gefühl! Da diStronzos Familie und die Vorfahren arm waren wie Kirchenmäuse, er selbst in der Länge recht kurz gekommen ist, dazu mauleselgesichtig und selbst als Teniente erster Klasse nur mit schmalem Sold entlohnt, hält sich die Erfüllung seiner Träume in Grenzen.
Das Schicksal hat diStronzos Begehrlichkeiten nur beim letzten Wunsch übererfüllt und ihn mit einem herztiefen Gefühl, nämlich unbändigem Hass, ausgestattet. Hass auf alles Große, Kleine, Un-Ordentliche, Un-Militärische. Hass auf alte Weiber. Starke Männer. Kleine Männer. Ziganisten. Ausländer. Und auf dreckige Cimarrones selbstredend. So führte er schon seit frühester Kindheit den Hass als Heiliges Feuer im Herzen; irgendwas muss der Mensch ja an Gefühlen haben, sonst verfault er innerlich. Und es war die einhellige Meinung seiner Familie, dass er deshalb beim Militär am besten aufgehoben wäre.
Luan diStronzo hatte sich in uniformierten Mörderkreisen stolze Meriten erworben. Ob dunkle Elemente zu beseitigen oder zu arrestieren waren - diStronzo erledigte alles flink, geräusch- und gewissenlos, so dass sein Name und der seiner Einheit Los Lobos Infernales mit der Zeit einen besonderen Klang bekamen. Bei den Regulares zog man respektvoll den Eisenhut, der gemeine Guanito machte sich vor Angst ins Hemd, und der Cimarronesrebell zuckte bei der Namensnennung wütend zusammen.
Ansonsten gestattet sich Luan diStronzo nur diese einzige winzige Schwäche: Anabol, seinen sechsjährigen Mastiff. Den, mit einem Meter Schulterhöhe und 100 Kilogramm Gewicht extrem mächtigen Rüden, besitzt er von Welpenzeit an, hat ihn scharf abgerichtet. Der ist sein kleiner Überschwang.
Der Teniente blinzelt in die Sonne und prüft kundigen Auges das Gefechtsfeld. Der tumbe Bauernklotz würde hinterm Brunnen Schutz suchen, sich vielleicht sogar wehren Soll er! Anabol würde den Preis gewinnen, und der hunnische Milchbart Brandy bluten müssen. DiStronzo fährt sich mit der Zunge genießerisch über die Lippen … bluten … Cognac nur, diStronzo könnte sich auch anderes vorstellen, doch das brächte den Teniente um den Hals. Seine Männer hinter der Mauer hingegen bewundern heimlich diesen seltsamen, immer präsenten Hunnen, genauso wie sie ihn fürchten: geradeaus auf den Endsieg zu, kein Gefackel, kalt, sauber, klare Verhältnisse, Kruppstahl! Leder!
Der Teniente: „Was wollen Sie eigentlich mit solchen Subjekten? Sie lassen sie doch sowieso zumeist wieder laufen.“
„Das geht Sie nichts an!“ Hanns Streng steht da in der Mittagssonne, zeigt sich in seiner grauen Lederjacke kein bisschen erhitzt; diStronzos Soldatenschweiß dagegen rinnt unterm Helm hervor, und Pah! denkt sich der aus SesSpartanes im rauhen Nordosten stammende CaboPrimo Sie können nichts ab, diese italienischen Fischköppe!
Der Fischkopp hält mit Eisenarmen den Mastiff, der jetzt vorn hochgeht, massiert die faltige Kehle des gewaltigen Hundes. Und als ein nasser grollender Ton aus dessen Brustkorb fährt, schlägt diStronzo ihm die Faust in den Nacken, läßt Anabol los - ein lautloser Satz durch die Maueröffnung - die Bestie lauert auf dem Platz, bleckt, droht, ein entsichertes Gewehr. Mit einem Sprung ist sie am Brunnen, stößt ein krachendes Bellen aus, dieStronzos Vamos! treibt Anabol vorwärts, die Schaumfetzen gischten aus dem Maul um den bullenbreiten Kopf.
Der Fremde fährt herum, der Mastiff bricht heran mit der Geschwindigkeit von Indianerpfeilen. Da geht der Riesenkerl in die Knie, und als der Mastiff gerade noch fünf Sprünge entfernt ist, kommt der Mann röhrend hoch, reißt die Arme mit dem Duster darum auseinander, steht plötzlich dreimal so groß und so breit da – der Mastino erschreckt sich furchtbar, stemmt in vollem Lauf seine Pranken in den Boden, dass der Sand fliegt, fletscht, bellt.
Der Brocken, der sich in eine vorgebeugte Lauerstellung gelassen hat mit einem gewaltigen Messer in der Pranke, kniet sich auf einmal ganz herunter, steckts Messer weg und dem Mastino die Hand entgegen, summt, brummt, beruhigt. Der Leutnantshund zittert und glotzt, weiß die Situation nicht zu deuten: hinter ihm das plärrende Herrchen, vor ihm das Ziel, welches erst bedrohlich wirkte, nun unbekannte, doch höchst angenehme Laute hervorbringt und offensichtlich freundlich gesinnt ist. Vorsichtig wagt Anabol ein-zwei Schritte vorwärts, wittert, knurrt – und nimmt den Brosamen, den ungewohnten Liebesbeweis, den ihm der Mantelträger hinhält. Das Tier lässt sich sogar anfassen; immer näher kommen sie sich, der Mensch knuddelt endlich sein Genick, spielt mit den felligen Hautlappen des Halses, klopft dem Tier die Brust – der Mordshund fiept beglückt und leckt dem Kerl die Hände, bekundet wedelnd seine Sympathie.
Hanns Streng hat sich prustend vom Mauerloch weggedreht. Der Teniente hingegen springt hoch wie ein Kastenteufel, reißt den Revolver aus dem Holster – zweifelsohne würde er alle pflichtvergessenen und feindlichen Elemente umgehend niedergestreckt haben wie nichts mit seinem Remington, doch Streng fällt ihm in den Arm. „Lassen Sie die Albernheiten! Die Waffe weg und abgeregt!“
DiStronzos heile Soldatenwelt liegt in Trümmern. „Nehmen Sie den Kerl - aber den pflichtvergessenen Köter, den knall ich ab. Am besten wär: alle abknallen!“
„Vielen Dank für Ihre Situationseinschätzung“, sagt Streng höflich, „doch ich möchte hier keinen einzigen Schuss hören! Und Ihren Cognac dürfen Sie behalten.“ DiStronzo ballt die Fäuste, gibt dann klein bei. „Ganz wie Sie befehlen, Senor Streng.“
„Danke!“, erwidert der Senor freundlich. Und zu den Soldaten: „Den Mann da - durchsuchen!“
Die Regulares wagen sich hinter vorgehaltenen Karabinern aus der Deckung, filzen den Mann, werfen den Mantelinhalt auf den Boden: zwei-drei Pesos, getrocknete Ohren und Skalps, ein kleines verdrecktes Goldpapier, einen Ausweis, das Bowiemesser, eine Luger-Pistole, Munitionsschachteln und andere Merkwürdigkeiten - wenn sie einen durchsuchen, spitzen die Soldaten jedes Mal auch auf einen Hinweis auf DORA DOLLARs Schatz; Kindermärchen, Traum und Manie jeden Pelargonios, der seit Geburt an zwei Krankheiten leidet: am Pirazzo und am Schatzwahn.
Der Hund steht daneben, blafft, äugt nervös zum Riesen, zu Streng, zu diStronzo, welcher versucht, den Mastiff mit Steinwürfen zu treffen.
„Hören Sie doch mit dem Blödsinn auf!“, ruft Streng, steckt Bowiemesser und Luger samt Patronen ein, nimmt den Pass auf. Sagt zu den Gardisten: „Männer, lasst mich kurz allein mit dem Kerl!“
Streng geht um den groben Menschen herum, schaut ins Ausweispapier, ihm ins Gesicht. "Palisander SanctoEusebio heißen Sie also … " Hanns Streng gruselt es ein wenig. Bei anderer Lage gäbe dieser Felsblock sicher einen gewaltigen Feind ab. Oder einen hervorragenden Starken August … etwas Wunderbares sagt Streng ins Ohr dass dieser Trumm ein Glanzlicht in deiner geplanten Menagerie werden könnte und vielleicht sogar einer ist, dem du auch sonst halbwegs vertrauen kannst, eher als dem falschen Estanciero oder diesem blödsinnigen Teniente, wem kann man überhaupt trauen, hier, wo der Bruder die Schwester verhökert für ein paar Pesos? Wem, wenn nicht so einem?
Der Gedanke formt sich, wächst, bricht heraus, schüttet sein Füllhorn aus über Strengs Gemüt So einen hast du gesucht. Lange schon!
Die rechte Hemdschulter des Mannes ist aufgerissen, auf die Haut die Feuerkugel der Legion Etranger tätowiert. Agent Streng nickt respektvoll. Dass der Mann nicht reden kann, hat er auch schon mitbekommen. „Sie haben da ein Variete-Billett.“ Er hält es dem nachgewiesenen Legionär unter die Nase. „Gehören Sie womöglich dazu? Ein Versprengter? Rächer? Gläubiger?“ Palisander nickt beim Letzteren. Hanns Streng lächelt. „Was mögen Sie noch suchen außer den beiden Gauklern - und DORA DOLLARs Schatz, den hier jeder sucht?“ Streng mustert Palisander eingehend. „Ich denke, Sie suchen Arbeit.“
Der Legionär guckt auf die paar lausigen Pesos, die ihm geblieben sind.
„Ich kann Ihnen Lohn und Brot verschaffen. Erst mal als mein Leibwächter und später … “ Streng beläßt es jedoch beim Erst mal. „Ich glaube, Sie sind einer, der loyal ist, wenn er anständig bezahlt wird. Einer, dem ich vertrauen kann." Er, Streng, habe den Sänger samt Tochter schon vor Tagen kassiert. "Beschützen und aufpassen sollen Sie. Auf mich, auf diesen Tagliatelle, sein Gör und den dicken Abdul. Senor Rinaldo muß behandelt werden wie ein rohes Ei - auch wenns schon angeknackst ist. Ich biete Ihnen gute Bezahlung. Und das Wiedersehen mit Ihren Lieben. Sagen Sie Ja zu meinem Angebot?“
Der Legionär guckt auf seine Habseligkeiten. Nickt dann. Streng freut sich sichtlich. "Essen, Trinken, Unterkunft frei und 100 Pesos die Woche. Wenn Sie wollen, können Sie Zwerg Nase samt Tochter nachher schon in die Arme schließen, denn Sie sollen Ihren ersten Einsatz für mich heute Abend auf einer Fiesta geben, wo beide auftreten werden." Er winkt den Soldaten, „diesen Herrn da mitnehmen, er arbeitet ab jetzt für mich!“
Der Cabo brüllt: “Bueno, Senor Agente!", der Leginär stopft seine Tascheninhalte zurück in den Duster, danach werden Mann und Mantel auf einen Ford-Pritschenlastwagen verbracht; der halbe Greifertrupp drückt sich mit ehrfürchtigen Minen neben ihn auf die Ladefläche. Streng klappt den Jackenkragen hoch, zieht sich hinters Steuer seines rotgelb-getupften Kübelwagens und fährt dem Pickup voraus. Ruft noch hinüber: „Seien Sie bitte pünktlich heute Abend, Teniente!“
„ … hinten lecken!“, knurrt diStronzo übellaunig, doch für Streng unhörbar. Danach befiehlt er den Rest der murrenden, ihres sicher geglaubten Schnapsanteils verlustig gegangenen Gewehrträger in die umliegenden Hausflure, wo sie nach alternativer Beute spüren sollen.
Und als Laster und VW-Kübel ums Eck sind, findet der Teniente endlich auch Gelegenheit und Ruhe, den Hund zu erschießen.