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Kaliber 10 - Ein Professor mit Guanophilie

Nach ihrer Unabhängigkeit im Jahre 1862 gelangte die Insel dreimal noch ins Bewusstsein und die Schlagzeilen der restlichen Welt: zum einen Anfang/Mitte der 70er des 19. Jahrhunderts durch den sogenannten Guano-Run, zum anderen 1948 durch den Absturz einer amerikanischen B 29 vor Vayacondios und schlußendlich durch den sogenannten Croissant-Rezess im Jahre 1952.

Über Flugmaschine und Hörnchen wird später noch ausreichend berichtet; mit dem 1872 beginnenden Guano-Run haben der bereits erwähnte Professor Nimrod und der Comeddo Zentral zu tun. Dieser mitten aus dem Zentrums des Malpais gebrochene Furunkel, ein an der Basis fast zwei Kilometer durchmessender, in der Mitte eingestürzter und danach mit Staub, Geröll und allem Möglichen aufgefüllte Krater eines erloschenen Schildvulkanes aus der pubertären Phase der Insula, ragt mit seinem Rand fast 500 Meter empor aus der Wüste.

Und gerade alles Mögliche war, was den Comeddo-Krater und damit ganz Pelargonien nach der Unabhängigkeit zum zweiten Mal über seine Grenzen hinaus bekannt machte: nämlich Scheiße. Genauer gesagt, die Exkremente eines fetten mannsgroßen und lange ausgestorbenen Watschelvogels, eines auf Pelargonien wohl endemisch vorgekommenen pinguinartigen Kaktusfressers mit gewaltigem Magen- und Darmtrakt, der voreinst vermutlich zu 100.000en lebte um den Comeddo Zentral herum und sich offensichtlich schon seit dem Sündenfall in dessen Krater entleert hatte. Gesinterte Überreste der Vögel fanden sich überall im Malpais und im gewaltigen Kotlager des Kraters; so wusste man ungefähr, wie das Urvieh ausgesehen hatte. Es gab lange Zeit Guanitos (und es gibt sie noch), die Stein und Bein schworen, nachts in der Wüste überlebenden Exemplaren dieses Riesenscatophilus begegnet zu sein, was sich jedoch bei schärferer Nachfrage zumeist als innere Gaukelei herausstellte, hervorgerufen durch Konsumtion diverser geistiger Getränke. An die 1.000 Jahre mochten vergangen sein seit dem Verschwinden dieser Riesenvögel - wahrscheinlich waren sie vor Langeweile ausgestorben. Konkreteres über diese Brachialverdauer wusste jedoch niemand.

Das änderte sich mit dem Besuch des bereits erwähnten Professors und mehrfachen Doktors (unter anderem der Geographie, Biologie, Anthropologie, des Ingenieurwesens und auch noch der Chemie) Jaroslav Pancratius Nimrod. Denn nach dessen langwierigen Analysen versprach das insulare, bisher kaum beachtete - nach früherer Beurteilung eines hinterhältigen sogenannten Salpeter-Sachverständigen (aus Peru!) als nicht abbauwürdig! verurteilte - Guanoreservoir ganz im Gegenteil die gewaltige Menge von etwa 10 Millionen Kubikmetern Inhalt mit rund vier Millionen Tonnen Gewicht. Bei einer mittelgerechneten Förderung von 100.000 Tons pro Jahr würde das weiße Gold gut an die 40 Jahre Ertrag bringen. Das Beste aber war, dass die insulare Vogelkacke düngemäßig wohl fünffach gehaltvoller zu sein schien, als dieselbe Menge besten Guanos von Perus und Chiles Westküsten - das würde in Sachen Pinguinkot jeden Bergeaufwand lohnen in dieser nitratgierigen Zeit.

Der Kalender zeigte den 24. November 1870, somit exakt den achten Jahrestag der insularen Unabhängigkeitsausrufung, als der Wissenschaftler der Staatspräsidentin vorgestellt wurde und er ihr seine unerhörte Entdeckung vortrug. Die erlauchtigste Landesmutter geruhte, dem kleinen Schmerbauch stundenlang zuzuhören, obwohl er für Außenstehende nur Kauderwelsch plapperte. LaPelargo jedoch vermochte ihm genau zu folgen, und am Ende des abstrusen Vortrags lagen die Schlussfolgerungen der professoralen Analyse klar vor ihr: märchenhafter Reichtum!

Kurz darauf setzte ein Rush-and-Run auf den Comeddo Zentral ein, wie sonst nur auf Stätten ergiebiger Goldhorte. Die großmächtige Landherrin Pelargo hatte die Neuigkeit weltweit streuen lassen und parallel dazu (gegen Versprechung von horriblen Titeln am zukünftigen Guanoertrag) in der Rekordzeit von zwei Jahren eine Schienenstrecke sowie etliche - vom Professor erdachte - Gaswerke finanziert und durch 1.000e Taglöhner bauen lassen. Die Bahnlinie führte von Nombredelrio über den Comeddo Zentral und weiter gen Süden bis Vayacondios. Und trotz Mahagonias bisheriger Abneigung gegen feste Regierungssitze: nun musste ein zentraler Ort her, eine vorzeigbare Kapitale, am besten direkt am Comeddo gelegen, wo Geschäft und Leben toben würden - und sie sollte den glänzenden Namen La Madre de Ciudads tragen. Es reichte letztlich aber doch nur zum einfallsloses LaCita.

Die Glücksritter fielen in Scharen ein, LaCita brach binnen Monatsfrist aus dem Boden. Mit der präsidialen Repräsentanz haperte es eine Zeit lang, denn die künftige Hauptstadt war in ihrer Entstehungsphase nur eine Anhäufung elender Bretterbuden mit höchster Kriminalitätsrate; das änderte jedoch nichts an ihrer explosionsartig wachsender Beliebtheit. Digger und Abenteurer kamen gerannt; es konnten gar nicht so schnell Behausungen gezimmert werden, wie man hätte gebraucht für all die Prospektorenkerls, die im Schweiße ihres Angesichts dem gewaltigen Guanohort zu Leibe bzw. Kote rückten.

Mahagonia Tiberia Pelargo stand derweil am Fenster ihres provisorischen Regierungssitzes, dem Prunkcoupe der neuen Wüstenbahn, rieb sich die Hände und stieß ein verzücktes Bien! Mui bien! aus.

ELDORADO - Räuberpistole mit Fremdenführer

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