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2 Standortbegriffe und Grundlagen

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In der Einführung wurden bereits einige Herausforderungen der Standorte und ihrer Marketingorganisationen genannt. Im Folgenden werden die wichtigsten Begriffe beschrieben, die als Grundlage dieses Buchs zu betrachten sind. In der Standortliteratur finden sich bisher keine einheitlichen Definitionen, daher soll zunächst das weit verbreitete und aktuelle Verständnis der Begriffe dargestellt werden.

Unternehmen, Investoren und Gründer suchen für ihre unternehmerischen Aktivitäten Standorte, die die besten Rahmenbedingungen für ihre Geschäfte bieten. Zusätzliche Standorte werden zur Ausweitung der Geschäftsaktivitäten gesucht, neue um wettbewerbsfähiger zu werden. Auch Hochschulen oder Forschungsinstitute halten Ausschau nach besten Standortrahmenbedingungen, um ihre Aufgaben bestmöglich erfüllen zu können. Messebetreiber, Kongressveranstalter, Hoteliers oder Tourismusbetriebe siedeln sich dort an, wo die besten Marktchancen bestehen – deren Gäste wiederum suchen solche Vorteile dieser touristischen Standorte, die ihren jeweiligen Vorstellungen entsprechen. Auch Menschen suchen sich ihren Wohnstandort nach bestimmten Kriterien aus – diese sind auch für Unternehmen interessant, die qualifizierte Mitarbeitende benötigen.

Oftmals nutzen Unternehmen und andere Organisationen einen oder ggf. mehrere Standorte für ihre Geschäftsräume: Verwaltungsgebäude, Produktionsstätten, Entwicklungs- und Forschungseinrichtungen, Lagerhallen, Niederlassungen usw. Die Wahl eines Standortes zählt zu den konstitutiven Führungsentscheidungen in allen Organisationen, die auf Basis bestehender Ziele und Standortstrategien bzw. benötigter Standortbedingungen getroffen wird. Standortfaktoren sind standortabhängige Leistungen, die erfolgs- und kostenrelevant sind und insbesondere dann ihre Bedeutung entfalten, wenn der (zusätzliche) Organisationsstandort frei wählbar ist. Bei der Fokussierung auf die Standortwahl gibt es i. d. R. folgende Hierarchieebenen:

• internationale Standortwahl,

• regionale Standortwahl,

• lokale Standortwahl,

• innerörtliche Standortwahl.

Dülfer entwickelte ein »Umwelt-Schichten-Modell«, das zwischen kulturellen (mensch-gemachten) und natürlichen Umwelteinflüssen auf (internationale) Unternehmen unterscheidet. Er unterscheidet dabei zunächst fünf Basisschichten mit Standortfaktoren (Wiesner 2005, S. 116 f.):

• natürliche Gegebenheiten,

• Stand der Realitätserkenntnis und der Technologie,

• kulturell bedingte Wertvorstellungen,

• soziale Beziehungen und Bindungen,

• rechtlich-politische Normen.

Diese Schichten bauen aufeinander auf und beeinflussen sich gegenseitig. Die unteren Schichten der Umwelteinflüsse wirken dabei auf die höher liegenden ein, wobei auch Rückkopplungseffekte entstehen können. Danach beeinflussen die Standortgegebenheiten nicht nur direkt die Unternehmenstätigkeit, sondern indirekt auch über die dortigen Stakeholder auf die Unternehmensgovernance. Aus diesem Grund müssen die Unternehmen die Rahmenbedingungen der Standorte und deren potenzielle Einflüsse genau analysieren ( Abb. 2-1).


Abb. 2-1: Standort- und Stakeholdereinflüsse auf Unternehmen (Quelle: Wiesner 2005, S. 117)

International agierende Unternehmen nutzen Standortvergleiche, wie den jährlich aktualisierten Doing-Business-Report der Weltbank: Dort werden 190 Auslandsmärkte/-standorte u. a. nach Wirtschaftsfreundlichkeit, wirtschaftlichen Rahmenbedingungen oder Minderheitenschutz bewertet (Weltbank 2019). Deutschland findet sich dort 2019 auf Rang 24 (2020 vorläufig auf Rang 22 – Daten werden einer Prüfung unterzogen). Solche internationalen Vergleiche, Studien und Rankings weisen auf Standortvorteile und -nachteile hin, allerdings kann der Index die Korruption nicht abbilden. Der Investitionsstandort Westeuropa erfreut sich trotz konjunktureller Abkühlung und des Austritts Großbritanniens aus der EU nach dem EY Attractiveness Survey Deutschland 2019 bei 56 % der Manager internationaler Unternehmen großer Beliebtheit. Die Mehrheit der potenziellen Investoren lobt trotz einiger Mängel auch die deutsche Standortpolitik, doch besteht Skepsis hinsichtlich der Attraktivität des Digitalstandorts Deutschland (EY 2019). Dieses Votum erscheint angesichts der politischen Diskussionen um zukunftsweisende Investitionen in Deutschland sowie der Erfolge anderer Nationen (vgl. WEF und IMD) etwas überraschend. Die Standortpolitik bleibt weiter verbesserungsbedürftig, doch wird diese von außen besser bewertet als intern. Insbesondere um seine politische und soziale Stabilität wird Deutschland (auch in »Corona-Zeiten«) international beneidet ( Abb. 2-2).


Abb. 2-2: Stärken und Schwächen des Standorts Deutschland (Quelle: EY 2019, S. 12)

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) erstellt jährlich eine Rangliste der 144 Volkswirtschaften mit den höchsten Wachstumschancen, den Global Competitiveness Report (GCR). Der Bericht basiert auf dem Global Competitiveness Index (GCI), in den u. a. Daten zur Infrastruktur, Gesundheit, Bildung, Effizienz der Gütermärkte, Arbeitsmarkteffizienz, technologischer Entwicklungsgrad einfließen. Der Report stützt sich auf 120 Kriterien und legt mit 70 % einen Schwerpunkt auf die Umfragedaten. Im GCI 2019 rangiert Deutschland auf Platz 7, Österreich auf Rang 21 und die Schweiz auf Rang 5 (Schwab 2019).

Ebenfalls mit der Analyse der Weltwirtschaft beschäftigt sich seit vielen Jahren das IMD World Competitiveness Center, welches bis 1995 einen gemeinsamen Bericht mit dem WEF publizierte (seit 1996 getrennte Berichte). Nach dem IMD-Ranking 2020 ist Deutschland auf Rang 17 von 60 untersuchten Staaten zurückgefallen, die Schweiz findet sich auf Position 3 vor Österreich auf Rang 16. Das World Competitiveness Yearbook basiert auf 338 Kriterien und stützt sich zu 66 % auf Statistiken und zu 34 % auf Umfragen (IMD 2020).

Das WEF gibt seit 2007 im Zweijahresrhythmus auch einen Travel & Tourism Competitiveness Report heraus. Im Ranking des Jahres 2019 rangiert Deutschland weiterhin auf Rang 3, die Schweiz auf Platz 10 und Österreich auf Platz 11 (WEF TTC 2019). Doch alle Studien berücksichtigen vor allem messbare, also sogenannte harte, Standortgegebenheiten. Da sich diese zumindest in Europa angeglichen haben, kommt den wenig messbaren weichen Einflüssen eine höhere Differenzierungswirkung zu.

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