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2.2 Standortakteure und Stakeholder

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Das wirtschaftlich und politisch relevante Umfeld eines Standorts umfasst neben den geschilderten Rahmenbedingungen vor allem alle diejenigen internen und externen Partner, zu denen relevante Beziehungen bestehen. Dieser Personen-, Gruppen-, Organisationen- oder Institutionenkreis wird auch als Stakeholder bezeichnet. Stakeholder haben grundsätzlich ein berechtigtes Interesse am Standort und dessen Ausprägungen, sie sind in irgendeiner Weise von diesem gegenwärtig oder zukünftig direkt oder indirekt betroffen. Sie haben das Bestreben, Einfluss auf die Gestaltung des Standortes und das Handeln der zentralen Standortakteure auszuüben. Relevante Stakeholder (Anspruchsgruppen oder »pressure groups«) verbindet also eine spezielle Interessenslage mit dem Standort und sie versuchen ihre Ansprüche/Bedürfnisse aktiv über den Standort zu befriedigen ( Abb. 2-10).

Abb. 2-10: Akteure und Organisationsformen des Standortmarketings (Quelle: Nach Wiesner 2013, S.44)

Typische Stakeholdergruppen sind Kunden und Absatzmittler, Politiker, Parteien und Bürgerinitiativen, Banken und andere Finanzdienstleister, Kooperations- oder Netzwerkpartner, nationale und supranationale staatliche Institutionen, Verbraucher- und Umweltschutzgruppierungen, Gewerkschaften, Branchen- und Unternehmensverbände, kirchliche und andere gesellschaftlich relevante Gruppen und Personen. Besonders wichtig sind u. a. Meinungsführer, Vorbilder und Idole/Influencer. Direkte Netzwerkeffekte zwischen den einzelnen Anspruchsgruppen und deren wechselseitigen Beziehungen verlangen nach neuen Kommunikations- und Kooperationsformen sowie eine Berücksichtigung aller relevanten (einflussreichen) Stakeholder im Standortmarketing. Jeder Standort sollte sich auf Augenhöhe dem offenen Dialog (»Multilog«) mit den Stakeholdern stellen, um nicht nur zum Gegenstand der Kommunikation oder Diskussion Dritter zu werden.

Je nach Anlass und Zeitpunkt kann sich die Interessenslage der involvierten Stakeholder verändern. Beim Standortmarketing sollte daher nicht vergessen werden, dass Stakeholder über Einfluss verfügen (z. B. Parteien, Medien, Bürgerinitiativen, Finanzmittelgeber…), der auch zum Nutzen der Standortziele genutzt werden kann und sollte. Daher ist ein 360-Grad-Marketing (Wiesner 2020), das alle Stakeholder einschließlich der Bürger einbezieht, für Standortorganisationen von größter Bedeutung.

Verantwortet eine Verwaltung das Standortmarketing gibt es neben den externen auch mächtige interne Stakeholder, wie die Verwaltungsspitze, den Personalrat und gewählte Volksvertreter. Da deren Einflüsse nicht transparent sind und andere berechtigte Interessen aus Wirtschaft und Gesellschaft nicht immer ausreichend eingebunden werden können, ist eine Organisation des Standortmarketings außerhalb der Verwaltung (aber mit deren aktiver Beteiligung) erstrebenswert. In den Aufsichtsgremien und als Teilhaber können unterschiedliche Stakeholder eingebunden werde ( Abb. 2-11).


Abb. 2-11: Interne Place Stakeholder (Quelle: Nach Wiesner 2013, S. 46)

Bei verwaltungsexternen Organisationen liegt die Führungsverantwortung i. d. R. bei einem Gremium (Vereinsvorstand, Geschäftsführung), das nicht selten eine Vielzahl von Personen ganz unterschiedlicher Stakeholdergruppen umfasst. Auch diese haben nicht immer die gleichen Vorstellungen und Ziele. Sie vertreten oftmals neben den Eigen- auch noch Gruppeninteressen anstatt vorrangig das Standortinteresse im Blick zu haben – in einem Aufsichtsrat besteht allerdings der Zwang, im Interesse der Organisation des Standortmarketings zu entscheiden. Somit gestaltet sich bereits die Zielfindung für einen Standort als ein oft schwieriger Konsensprozess, bei dem möglichst viele Stakeholderinteressen berücksichtigt werden müssen, um ideell und finanziell an einem Strang zu ziehen.

Insbesondere Lokalpolitiker fallen häufig dem »Kirchturmdenken« zum Opfer. Argwöhnisch wird auf eine ausreichende Repräsentanz und eine gleichmäßige Berücksichtigung gepocht, oftmals ohne Rücksicht auf die Stärken und die Außenwirkung des gesamten Standorts ( Abb. 2-12). Die vielfältigen Kommunikations- und Marketingdimensionen eines Standorts lassen sich nicht leicht in einem klassischen Marktmodell darstellen. Auch wenn es eine Marketingorganisation gibt, die für das Angebot und dessen Vermarktung zu steht, müssen Rücksichten auf alle regionalen/lokalen Partner, Netzwerker und Einwohner genommen werden. Also entsteht eine weitere (standortinterne) Aktivierungs- und Kommunikationsebene mit diesen Partnern und ggf. auch noch mit deren (ehrenamtlich) Mitarbeitenden, wie dies schematisch in Abbildung 2-12 dargestellt ist.


Abb. 2-12: Interne und externe Wirkungszusammenhänge im Standortmarketing (Quelle: Nach Wiesner 2013, S. 36)

Nur im ausgewogenen und stabilen Zusammenwirken mit den internen Zielgruppen entsteht das gewünschte und einheitliche Bild eines Standorts (Standort-/Place-/Location-Image) in der Außenwirkung, das die Kunden und anderen Stakeholder ansprechen soll. Sie allein bewerten dann das Angebot anhand für sie wichtiger Kriterien. Eine eindeutige Positionierung und ein klares Markenprofil/-image ( Kap. 4.4 und 6.1) hilft den Kunden i. d. R., das komplexe Bündel vernetzter Einzelleistungen des potenziellen Ziel- und Standorts zu erfassen.

Aufgrund der umfangreichen und heterogenen Struktur der Standortakteure ist eine Institutionalisierung des Standortmarketings in Form eines sich selbst organisierenden lokalen/regionalen Netzwerks im Rahmen einer Standort-Governance ( Kap. 2.4) unerlässlich. Diese sollte auf einer interessengesteuerten Kooperation der Akteure/Stakeholder ( Abb. 2-13) unter politischer Führung beruhen.

Standorte müssen sich nicht nur mit der Kundenbeziehung, sondern auch mit den Beziehungen zu ihren Wettbewerbern und den Einflüssen des Organisationsumfelds aus (mindestens) diesen fünf Bereichen auseinandersetzen: Politik, Ökonomie, Gesellschaft, Technik, Ökologie (PESTE Kap. 5.1). In diesem Umfeld lassen sich alle wesentlichen Stakeholder identifizieren. Mitarbeitende (auch der Netzwerkpartner) sind als interne Kunden in erheblichem Umfang für die Gestaltung und Erbringung der Leistung gegenüber den Zielgruppen und deren Zufriedenheit verantwortlich. Daher sind Mitarbeitende besonders wichtige interne Stakeholder jeder Standortorganisation. Sie stehen insbesondere bei erklärungsbedürftigen Angeboten in regem Austausch und engen Kontakt mit den (potenziellen) Kunden und anderen Stakeholdern. Wenn sie gut ausgebildet und motiviert sind, können

Abb. 2-13: Externe Stakeholder wirken auf die Standortorganisation (Quelle: Nach Wiesner 2013, S. 47)

sie ihre Aufgaben optimal erledigen. Mitarbeiterorientierung ist somit die Basis für eine erfolgreiche Kunden- und Stakeholderorientierung. Internes Marketing und interaktives Marketing ergänzen also das externe Marketing jeder Standort-/Destinationsorganisation ( Abb. 2-14).


Abb. 2-14: Umfeldeinflüsse auf den Absatzmarkt (Quelle: Nach Wiesner 2020, S.37)

Aber nicht nur Mitarbeitende beeinflussen die Kunden bei ihrer Auswahlentscheidung, sondern auch andere vorwiegend externe Stakeholder wie Vermittler, Makler, Freunde, Bekannte, Familienmitglieder, Verbände, Institutionen, Vorbilder, Influencer etc. vor allem über die Kanäle des Web 2.0 ( Abb. 2-15).


Abb. 2-15: Kundenbeeinflussung durch Standortorganisationen, deren Mitarbeitende und weitere Stakeholder (Quelle: Nach Wiesner 2020, S. 38)

Allerdings gibt es sehr viele unterschiedliche interne und externe Stakeholder, die wiederum von anderen Stakeholdern beeinflusst werden können, ebenso wie durch gesellschaftliche, ökonomische, technische, politisch-legislative oder ökologische Entwicklungen, die zu Veränderungen der marktlichen Rahmenbedingungen führen ( Abb. 2-16). Die Identifikation und Beeinflussung der wichtigsten bzw. einflussreichsten Stakeholder ist ähnlich wichtig wie die Identifikation der erfolgversprechendsten Zielgruppen – dies wird in Kapitel 3 näher dargelegt.

Folgende Stakeholdergruppen sollten – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – exemplarisch berücksichtigt werden:

• Mitarbeitende und deren Gremien,

• Organisationsführung/Management,

• Anteilseigner oder (Vereins-)Mitglieder,

• Kunden/Gäste/Touristen/Investoren,

• potenzielle Kunden und Wunschkunden,

• Handel und andere (Reise-)Mittler,

• (Bus-)Reiseveranstalter,

• Kooperationspartner,

• Dienstleistungspartner, ggf. Lieferanten,

• Freizeit- und Erlebnisparks,

• Betreiber touristischer Infrastruktur: Ski-Lift, Minigolfanlage, Bäder etc.,

• Anbieter von Beherbergung und Verpflegung: Hotels, Gasthöfe, Pensionen, Ferienwohnungen/-häuser, Privatzimmer, Campingplätze etc.,


Abb. 2-16: Absatzmarkt mit Stakeholdereinflüssen (Quelle: Nach Wiesner 2020, S. 38)

• Kultur- und Sportveranstalter,

• Messe- und Kongressveranstalter,

• externe Geldgeber,

• Versicherungen,

• Forscher und Wissenschaftler,

• Qualitätsorganisationen,

• Ausbildungsinstitutionen (Schulen, Hochschulen),

• Wettbewerber,

• interessierte Öffentlichkeit,

• Verbände und Kammern,

• Vereine,

• Nichtregierungsorganisationen (NGO),

• Verbraucherschutzorganisationen,

• Gewerkschaften,

• Kirchen,

• Bürgerinitiativen,

• Be-/Anwohner,

• kommunale Verwaltungen und Bürgermeister/Landräte,

• Kommunalpolitiker/Parteien/Räte,

• Landesverwaltungen/-regierungen,

• Landespolitiker/Parteien/Parlamente,

• Bundesregierung/-ministerien und nachgeordnete Behörden,

• Bundespolitiker/Parteien/Parlament,

• GTAI und DZT,

• Europapolitiker/Parteien/Europaparlament,

• Journalisten/Presse und klassische Medien,

• Medien des Web 2.0.

Sicherlich lässt sich die Liste bei einem individuell betrachteten Standort problemlos erweitern, auch lassen sich die aufgeführten Gruppen je nach Bedeutung in Untergruppen aufteilen oder konkretisieren. Solche Stakeholderlisten sind in der Praxis jedoch kaum noch handhabbar, daher lassen sich in einem kritischen Umfeld neue Standortprojekte häufig nur schwer umsetzen, wenn sie nicht auf einem breiten Konsens basieren. Dies belegt z. B. das Infrastrukturprojekt »Stuttgart 21« sehr eindrücklich – solchen Projekten haftet schnell etwas Negatives an.

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