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2.1 Standorte, Standortfaktoren und Standortpolitik
ОглавлениеEs gibt unterschiedlich große Standorte, aber stets ist ein Standort ein örtlich oder sachlich umrissenes Gebiet, in dem Wertschöpfungsaktivitäten stattfinden und unterstützt werden: Unternehmen produzieren und beschaffen, handeln oder bieten Dienstleistungen an, Hochschulen bilden aus, forschen und erzeugen wertvolle Wissenschaftsleistungen (Erfindungen, Innovationen). Behörden genehmigen und beraten, bieten Dienstleistungen und Subventionen an. Kunst- und Kulturschaffende, Clubs und Restaurants schaffen eine attraktive Atmosphäre, Sport- und Grünanlagen verhelfen zur Entspannung.
An einem Standort erbringen und bündeln unterschiedliche standortinterne Akteure ihre wirtschaftlich relevanten Aktivitäten, so dass ein interessantes Leistungsangebot auch für Standortexterne (Investoren, Kunden, Gäste) entsteht. Damit dieses Angebot attraktiv (im Wettbewerb) ist, bedarf es einer professionellen Koordination/Steuerung, Zielgruppenausrichtung und strategischen Vermarktung durch das Standortmarketing.
Standorte können ein Ort, eine Stadt, ein Landkreis, eine (Metropol-)Region, ein Bundesland – oder aus globaler Sicht betrachtet – ein Staat/Staatenbund oder sogar ein Kontinent sein. Im Einzelfall gelten aber auch sehr kleine Gebiete als interessante Standorte. Klar positionierte Gewerbegebiete/Geschäftsdistrikte sollen erwünschte Investoren anziehen und/oder Erweiterungsmöglichkeiten für Bestandsunternehmen bieten. Häfen oder Flughäfen bilden als Logistikknotenpunkte nicht nur attraktive wirtschaftliche Kristallisationspunkte, sondern ziehen auch Käufer oder Touristen an. Ähnliches gilt für neu gestaltete Bahnhöfe, Shopping-Center oder Factory-Outlet-Center. Nicht selten werden letztgenannte Einrichtungen besonders gefördert, um als regionale oder überregionale Anziehungspunkte (»Leuchttürme«) zu wirken.
Insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer Qualitäts- und Attraktivitätsverbesserung sind auch Geschäftsquartiere (Business Improvement Districts – BID) interessante Standorte. Auch als Urban Improvement Districts (UID) bezeichnete Quartiere/Straßenzüge sollen unter der Beteiligung Betroffener ebenso schlagkräftig organisiert und umgestaltet werden wie ganze Innenstädte oder Stadtteile. So soll die Besuchs- und Aufenthaltsattraktivität in den Einkaufs- und Geschäftsbereichen gesteigert und diese Gebiete mit innovativen Angeboten (wieder-)belebt werden.
Gelegentlich treten inzwischen Städtenetze als Standort-Kooperationen auf, um ihre Zielgruppen gemeinsam anzusprechen, so z. B. die Städte München, Augsburg und Ingolstadt, die den Wirtschaftsraum Südbayern MAI e. V. bilden. Von solchen Aktivitäten profitieren meist auch die dazwischen liegenden Kommunen, die sich gelegentlich diesen Netzwerken anschließen. Weitere Beispiele sind die frühere Metropolregion Sachsendreieck mit Halle, Leipzig, Dresden, Chemnitz und Zwickau (heute Metropolregion Mitteldeutschland) oder die Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen-Wolfsburg, die inzwischen auch von weiteren Gemeinden und Kreisen getragen wird. Auch touristische Städtenetze (Sächsisch-Bayerisches Städtenetz, die Historic Highlights of Germany, die länderübergreifende QuattroPole…) oder besondere Reiserouten (Burgenstraße, Route der Industriekultur im Ruhrgebiet oder die überregionale Initiative European Route of Industrial Heritage – ERIH) profitieren, wenn sie als regionale Kooperationen auftreten.
Die unterschiedlichen Standorte lassen sich also wirtschaftlich, geografisch, politisch, als Cluster oder anhand von anderen Kriterien erfassen und beschreiben. Der Blickwinkel der Zielgruppen entscheidet, welches Gebiet im Einzelfall als Standort betrachtet wird. Standorte sollten von außen ein homogenes und konsistentes Bild in der Vorstellung der jeweiligen Kunden/Stakeholder erzeugen und ein profiliertes Image aufweisen, um die relevanten Zielgruppen ansprechen zu können und sich von anderen Standorten deutlich zu differenzieren. Standorte können sich geografisch auch überlagern, wie z. B. im Fall von Bonn, der Region Köln-Bonn, der Metropolregion Rheinland, NRW, Deutschland und der EU. Auch Reiseziele können sich geografisch überlagern, wie z. B. die Messe Köln oder der Kölner Dom, welche gleichzeitig in der Stadt Köln, im Rheinland und in Deutschland liegen ( Abb. 2-3).
Auf den unterschiedlichen Ebenen werden meist verschiedene Images gepflegt/vermittelt, ähnlich wie dies z. B. von Einzel-, Familien- oder Dachmarken der Unternehmen bekannt ist. So kommt es trotz sich überlagernder Regionen mit eigenen Marketinganstrengungen zu keiner ineffizienten Doppelvermarktung und es können regional, national oder international unterschiedliche Zielgruppen mit jeweils differenzierten Angeboten angesprochen werden. Dieser Wettbewerb erfordert eine gute Kenntnis der Kunden/Zielgruppen und ihres Wahlverhaltens. Mittels eines professionellen Stakeholdermarketings (360-Grad-Marketing) und einer klaren Positionierung lässt sich die Basis für den Erfolg legen.
Lokal oder regional sehr verhaftete Unternehmer oder Gründer werden auch nur Details der Standorte in der örtlichen oder regionalen Umgebung wahrnehmen bzw. als relevant betrachten ( Abb. 2-3). Detailausprägungen einer entfernten Region oder gar eines anderen Landes als potenzieller Standort werden kaum wahrgenommen und bewertet. So wird ein Unternehmer aus Bonn ggf. im »Bonner
Abb. 2-3: Wahrnehmung naher und entfernter Ziel-/Standorte (Quelle: Nach Wiesner 2013, S. 21)
Bogen« oder am Flughafen Köln-Bonn investieren, aber von den Bedingungen in Bayern oder der Schweiz keine Detailvorstellungen haben, da ihn dortige Standorte nicht interessieren.
Auch erholungssuchende Menschen suchen häufig zunächst im engen Umfeld nach Attraktionen oder Orten für kleine Fluchten aus dem Alltag oder Wochenendausflüge, bevor sie an entferntere Destinationen denken und diese eher bei ausgedehnteren Urlauben aufsuchen. Salzburg, Davos, Timmendorfer Strand oder Bonn sind zweifelsohne touristische Zielorte, aber genauso beliebt als Tagungs- und Kongressdestinationen. Die Motive für Reisen in solche Orte können sowohl privater als auch geschäftlicher Natur oder eine Kombination aus beidem sein. Messe- oder Kongressreisen haben häufig einen geschäftlichen, gelegentlich aber auch zusätzlich einen privaten Anlass. Gelegentlich kommt es vor, dass Geschäftsreisen eigentlich private Anlässe haben und so die Reisenden das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Weniger erfahrene Reisende werden ihnen bekannte Zielorte eher unbekannten Fernzielen vorziehen.
Je (international) erfahrener ein Standortsuchender ist, desto eher nimmt er auch im Ausland Standortbedingungen wahr, da sich sein Blickwinkel durch Erfahrungen und Detailkenntnisse verändert ( Abb. 2-4). Doch je weiter potenzielle Interessenten von einem Standort entfernt sind, desto weniger nehmen sie kleinere Standorte oder deren Details wahr. Ein Interessent aus den USA, Indien oder China wird wohl kaum den Main-Tauber-Kreis als potenziellen Standort zur Investition wahrnehmen, aber vielleicht die größere Region Heilbronn-Franken, eher noch das Bundesland Baden-Württemberg und ganz sicher die Bundesrepublik Deutschland. Bei geringen Detailkenntnissen ist vielleicht zunächst nur die EU als potenzieller Standort interessant, bevor sich später eine Detailsuche in den Mitgliedsstaaten anschließt.
Abb. 2-4: Erfahrungen verändern Blickwinkel und Ziel(gebiets)kenntnisse (Quelle: Nach Wiesner 2013, S.22)
Standorte sind keine homogenen Leistungsangebote, die in standardisierter Form dargeboten werden können, denn sie sind tatsächlich sehr verschieden: Hafen-, Industrie- oder Behördenstadt, Tourismusregion oder Gesundheitsort, Metropolregion, Logistikstandort am Autobahnkreuz oder ein Geschäftsquartier. Nicht jeder Standort verfügt über eine handlungsfähige Verwaltung oder Organisation, die im Zusammenwirken mit Volksvertretungen und interessierten Bürgern den Standort gestalten und (re-)präsentieren. An allen Standorten findet eine Wertschöpfung statt, für die die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen sind ( Abb. 2-5).
Abb. 2-5: Standortfunktionen mit Profilbildungspotenzial (Quelle: Nach Wiesner 2013, S. 25)
Standorte im Sinne dieses Buches sollten grundsätzlich in der Lage sein, attraktive Potenziale zu bieten und Standortbedingungen zu beeinflussen, daher dürfen sie nicht zu klein sein und die dortigen Entscheidungsträger müssen über entsprechende (politische) Befugnisse verfügen. Abbildung 2-6 veranschaulicht, dass sich meist nicht alle Rahmenbedingungen bzw. Attraktivitätskriterien durch einen Standort wie eine Stadt oder Region allein festlegen lassen. In Deutschland, Österreich und auch der Schweiz werden die Rahmenbedingungen der örtlichen Standorte in unterschiedlicher Intensität durch die EU bzw. den EWR sowie die nationale Ebene vorgegeben bzw. beeinflusst.
Traditionell sind es staatliche Institutionen, die sich um die Attraktivität und Vermarktung von Standorten kümmern bzw. entsprechende Rahmenbedingungen setzen. Die EU und die mit ihr verbundenen Staaten des EWR harmonisieren die grundlegenden rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in fast ganz Europa und setzen damit häufig auch weltweite Standards. Die EU betreibt auch eine ausgleichende Strukturpolitik und Regionalentwicklung. So werden Regionen/Städte u. a. von der EU-Kommission finanziell bei der Schaffung örtlicher bzw. regionaler Infrastrukturen und Vermarktungsaktivitäten gefördert ( Abb. 2-6).
Abb. 2-6: Verantwortlichkeiten für die Rahmenbedingungen und Attraktivität der Standorte (Quelle: Nach Wiesner 2013, S. 20)
Nationale Regierungen und Verwaltungen setzen die wesentlichen Rahmenbedingungen: Rechts-, Wirtschafts- und Sozialordnung, Geldwertstabilität, Steuersystem, Garantie persönlicher und wirtschaftlicher Sicherheit, Arbeitsvorschriften, Infrastrukturen, Förderungen, Struktur- und Finanzausgleich. Diese sollen ausgewogene Verhältnisse im ganzen Land schaffen. Bei den Gebühren, Zollvergünstigungen, Sozialabgaben, direkten und indirekten Subventionen, Abschreibungsmöglichkeiten, Energie- und Kommunikationskosten handelt es sich um kostenrelevante, also »harte« Standortfaktoren. Auch Bundesländer/Kantone gestalten einige der relevanten Bedingungen z. B. durch ihre Bildungs- und Kulturpolitik, Regionalplanungen, das Baurecht und die Infrastrukturen, Investitions- und Finanzierungshilfen oder Abgaben – sie setzen den Rahmen für Forschung, Aus- und Weiterbildung, schnelles Internet oder Sicherheit ( Abb. 2-6).
Da sich die allgemeinen Rahmenbedingungen in den Staaten oder der EU zunehmend ähneln, spielen dann bei konkreten individuellen Entscheidungen, auch als Unternehmer, an einem bestimmten Ort einzukaufen, ein Restaurant oder Theater zu besuchen oder einen Betrieb zu gründen bzw. auszubauen, vorrangig regionale oder lokale Gegebenheiten eine Rolle. Da regionale/lokale Standorte meist nur beschränkte Möglichkeiten haben, die kostenrelevanten Standortbedingungen zu beeinflussen, wie kommunale Steuern oder Abgaben, lokale Infrastrukturen, Gewerbeflächen und deren Erschließung, sollten meist andere Attraktivitätskriterien verbessert werden.
Nicht nur die »harten«, messbaren Faktoren sind wichtig, sondern in großem Umfang auch die »weichen« Einflussfaktoren, die die Lebensqualität vor Ort bestimmen. Dazu zählen u. a. das Sport- und Kulturangebot, Kitas und Vereine, Einkaufs- und Erholungsmöglichkeiten, Sicherheit und Sauberkeit. Denn die Entscheider, Investoren, Gründer oder (potenzielle) Arbeitskräfte sind Menschen, die sich wohlfühlen und alle für sie relevanten Angebote vorfinden wollen. Die Standortfaktoren lassen sich folgendermaßen klassifizieren:
• Überregional vorgegebene Rahmenbedingungen: Steuern, Zölle, Sozialabgaben, Wirtschafts-, Rechts- und Arbeitsmarktordnung, Sicherheit u. Ä.
• Ursprüngliche Gegebenheiten: Natur, Gewässer, Rohstoffe, Berge, Klima, Heilquellen, historische Gegebenheiten, soziokulturelle Verhältnisse, wirtschaftlich oder touristisch bzw. freizeitmäßig nutzbare Landflächen u. Ä.
• Künstlich geschaffene Infrastrukturen und örtliche/regionale Rahmenbedingungen: Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur, Wasser- und Stromversorgung, Gewerbegebiete, Immobilienangebot, regionale/lokale Steuern und Abgaben, Stadtbild, Sportstätten, Kultur- und Bildungseinrichtungen, Wissenschafts- und Forschungsinstitutionen, Museen, Zoos, Parks u. Ä.
• Servicebezogene Standortbedingungen: Beratungs- und Servicequalität der Verwaltung bzw. der Standortorganisation uns der Wirtschaftsverbände, Standortanalysen, Fördermittel, Finanzhilfen, Wirtschafts- und Innovationsklima, Netzwerke und Cluster, innovatives Milieu, (Marken-)Image des Standorts, Standortmarketing u. Ä.
• Standortbeeinflussende, sogenannte »weiche« Faktoren, die die Lebensqualität maßgeblich bestimmen: Kulturangebote, Sport- und Freizeitangebote (Freizeitwert), Veranstaltungen und Events, Flair/Reiz des Standorts, Betreuungsangebote, Wohnangebote, Einkaufsattraktivität, Umweltqualität und Gesundheitsangebote, Sicherheit und Sauberkeit, Restaurants und Hotellerie u. Ä.
Abb. 2-7: Tourismus stärkt Standortqualitäten (Quelle: dwif 2017)
Viele der genannten Standortfaktoren sind vorgegeben. Sie können gar nicht oder nur über einen langen Zeitraum beeinflusst werden. Wetterlage und Klima sind ebenso wie historische Gegebenheiten oder soziokulturelle Verhältnisse kaum oder nur sehr langfristig zu beeinflussen. Auch künstlich geschaffene Verkehrs- und Kommunikationsinfrastrukturen oder das Stadtbild lassen sich nur langfristig und mit hohem Aufwand verändern. Nach dem EY Attractiveness Survey Deutschland 2019 (EY 2019) haben Standortfaktoren für ausländische Unternehmen/Investoren besondere Bedeutung, die lokal oder regional kaum beeinflussbar sind:
• Logistik-, Transport- und Telekommunikationsinfrastruktur,
• politische und rechtliche Stabilität und Transparenz,
• Qualitätsniveau der Arbeitskräfte,
• soziales Klima,
• Attraktivität des Binnenmarkts,
• Finanzierungsmöglichkeiten,
• zu erwartende Produktivitätsfortschritte (Innovationsklima),
• Flexibilität arbeitsrechtlicher Bestimmungen,
• Investitionsanreize und Vergünstigungen,
• Unternehmensbesteuerung,
• Personal- und Arbeitskosten.
Regionale oder lokale Standorte können und müssen vor allem die genannten weichen Standortfaktoren bestimmen, die maßgebend für die Lebensqualität des Standorts sind. Auch die Umwelt- und Wohnqualität ist zunehmend relevant. Gerade touristische Angebote verbessern die Standortausstattung mit begehrten Infrastrukturen und Angeboten weicher Standortfaktoren, die die Attraktivität jeder Stadt/Region sowohl als Wohn- und Lebensraum als auch als Wirtschaftsstandort deutlich steigern ( Abb. 2-7).
Standortrelevant sind auch Netzwerke oder Cluster, eine Gründungsförderung oder der Effizienzgrad der regionalen Verwaltung sowie das Wirtschaftsklima und Image des Standorts. Gerade Kommunen oder Regionen oder deren Standortorganisationen bieten unterschiedliche Beratungs- und Unterstützungsleistungen (in unterschiedlicher Gestaltung) an und können diese daher vorrangig zur Profilierung nutzen. Die weichen Rahmenbedingungen unterliegen dabei stets einer subjektiven Bewertung ( Abb. 2-8).
Abb. 2-8: Arten von Standortleistungen (Quelle: Nach Wiesner 2013, S. 133)
Die staatliche Germany Trade & Invest (GTAI) führte zehn Gründe für Deutschland als Investitionsstandort an (Wiesner 2013, S.135):
• Führende Wirtschaft,
• Global Player,
• hohe Produktivität,
• exzellente Fachkräfte,
• Innovationskraft,
• hervorragende Infrastruktur,
• attraktive Förderprogramme,
• wettbewerbsfähige Steuersätze,
• sicheres Investitionsumfeld,
• erstklassige Lebensqualität.
Standortangebote stellen üblicherweise eine Synthese mehrerer natürlicher (Ressourcen) und/oder durch Menschen gestalteter Einzelfaktoren dar, die sich zu einem mehr oder minder harmonischen und klaren Gesamtbild mit einem unverwechselbaren Profil ergänzen, welches im besten Fall attraktiv für die anvisierten Zielgruppen ist. Zusammen mit vielen zielgruppengerechten Dienstleistungen entstehen so ein oder mehrere Leistungsbündel, die das Interesse ausgesuchter Zielgruppen wecken sollen ( Abb. 2-9). Ein Standort ist sowohl Leistungsangebot als auch dessen Ersteller(-netzwerk), gleichzeitig auch Vermarkter sowie zumindest in Teilen Nutznießer/Kunde dieses Angebots. Um erfolgreich zu sein, ergibt sich eine komplexe Koordinationsaufgabe.
Abb. 2-9: Standortangebote als Erfolgsparameter des Standortmarketings
Die Basis des Standortangebots bilden zunächst die natürlichen Gegebenheiten durch Landschaft, Vegetation, Gewässer, (Heil-)Quellen, Rohstoffe, wirtschaftlich oder touristisch nutzbare Landflächen, das Klima und die Lage (Gebirge, Fluss oder Meer, Insel…). Letztere bestimmt u. a. die Erreichbarkeit und konkrete Rahmenbedingungen ( Abb. 2-9).
Zu den national bzw. überregional vorgegebenen Rahmenbedingungen zählen u. a. die Verfassung, Wirtschaftsordnung, Rechtsordnung und Gerichtsbarkeit, innere und äußere Sicherheit, Außenpolitik, Steuern, Zölle, Sozialabgaben/-politik und die Geldwertstabilität.
Auf diesen basieren allgemeine Grundinfrastrukturen sowie das Standortbild, welche Unternehmen, Touristen oder Einwohner etc. schätzen. Dazu zählen Verkehrswege/-flächen wie Straßen, Fuß- und Radwege, Parkplätze/-häuser oder Campingmobil-Stellplätze, Verkehrsknotenpunkte wie Bahnhöfe, S-, U-Bahn- und Busbahnhöfe, Flughäfen, See- und Flusshäfen oder Anlegestellen an Flüssen, Kanälen und Seen. Breitbandleitungen für Telefon, Internet, Fernsehen etc. stehen allen Nutzern genauso zur Verfügung wie Strom-, Gas- und Wasserversorgung, Müll- und Abwasserentsorgung. Bildungs- und Kulturinstitutionen zählen ebenfalls dazu.
Das sogenannte Humankapitel ist wichtig, weil durch vorhandene Arbeitskräfte und Unternehmer/Gründer wirtschaftliches Agieren erst möglich wird. Das soziale Miteinander ermöglicht Kooperationen und Innovationen. Gleichzeitig bilden die Menschen am Standort mit ihrer Sprache/Mundart, Kultur und Brauchtum die Basis für das Flair, die Gastfreundschaft und Offenheit eines Standorts und beeinflussen so die Lebensqualität.
Lebensqualität ist ein »öffentliches Gut«, welches auf den objektiven Lebens- und Arbeitsbedingungen des Standorts basiert, aber vor allem durch soziale Faktoren wie Gesundheit, Freizeit, Sicherheit, relatives Einkommen und Bildung bestimmt wird.
Brancheninfrastrukturen fördern den Branchenerfolg und ermöglichen den Aufbau von Industrial/Business Districts oder Clustern. Wirtschaftsrelevante Infrastrukturen sind schnelles Internet, Gewerbegrundstücke oder Bebauungspläne. Vielseitige Infrastrukturen dienen gleichzeitig der Bevölkerung und den Touristen: Bäder, Wellness- und Sportanlagen, Park- und Kuranlagen, Zoos, Wanderwege, Gastronomie, Galerien, Museen oder vielfältige Geschäfte.
Zu den weichen Standortfaktoren zählen gleichermaßen bürgernahes und wirtschaftsfreundliches Verwaltungshandeln (Effizienzgrad der regionalen Verwaltung), die Netzwerk- und Standortpolitik, Veranstaltungen und Events, Wohn- und Betreuungsangebote, Familienfreundlichkeit und -gerechtigkeit, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, Einkaufs- und Gesundheitsangebote, Sauberkeit und eine niedrige Kriminalitätsrate.
Im Standortangebot spielen die Gründungs-, Förder- und Ansiedlungsberatung, vergünstigte Grundstücke/Erschließungen und andere Subventionen, Steuervergünstigungen, die Netzwerk-, Wirtschafts-, Cluster-, Forschungs- und Innovationsförderung für alle Unternehmen eine große Rolle.
Die wirtschaftliche Prosperität der Standorte entsteht nicht zufällig. Sie ist stets das Ergebnis positiver Rahmenbedingungen und aktiven wirtschaftspolitischen Agierens. So wird der Standortwettbewerb selbst zwischen Nachbargemeinden immer aktiver und notwendigerweise professioneller. Aber auch größere Regionen, Bundesländer oder sogar Nationen stehen im Wettbewerb und versuchen sich als attraktive Standorte zu positionieren.
Regionen, Städte und Gemeinden müssen sich verstärkt um ihre vorhandenen Betriebe, um Neuansiedlungen und Neugründungen, aber auch um qualifizierte Arbeitskräfte kümmern – gleiches gilt für Bildungs- und Wissenschaftsinstitutionen, Verbände und andere NPOn. Jene Gebietskörperschaften, die davor die Augen verschließen, passiv bleiben und nicht mit einem Mindestmaß an Professionalität agieren, laufen Gefahr in ihrer wirtschaftlichen und Wohlstandsentwicklung zurückbleiben. Gefragt ist eine integrierte Ansprache aller Zielgruppen, der Kunden und andere Stakeholder.
Standortangebote werden von sehr unterschiedlichen Akteuren erbracht, die teilweise der Privatwirtschaft (Betriebe), teilweise dem staatlichen Sektor (Verwaltung, Institutionen und öffentliche Betriebe) oder auch privaten NPOn (Vereinen) zuzuordnen sind. Die Angebote müssen koordiniert, organisiert, gefördert und vermarktet werden. Diese Aufgabe ist eine strategisch-unternehmerische Managementherausforderung – Balderjahn spricht in diesem Zusammenhang von der Leitung eines »virtuellen Unternehmens« (Balderjahn 2014, 27 ff). Leider ist nicht immer sichergestellt, dass alle Akteure eines Orts bzw. einer Region gleichgerichtete Interessen hinsichtlich der Positionierung und Vermarktung als Standort verfolgen – also muss im Rahmen des Standortmarketings ( Kap. 2.3 und 2.4) ein Konsens bzw. Interessenausgleich gefunden werden. Dieser Ausgleich sollte auch die anderen relevanten Stakeholder des Standorts im Sinne eines 360-Grad-Marketings einbeziehen.