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1.1 Einführung

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Unbekannt ist jeder neue Schritt, den wir gehen, unbekannt ist die Zukunft. Durch Organisation und Management versuchen wir bei Projekten, im Beruf, in der Gesellschaft und im privaten Leben eine Struktur zu entwickeln, damit möglichst wenig negative Wirkungen durch Unbekanntes eintreten. Und trotzdem erleben wir täglich, dass Unbekanntes unsere Planungen und Projekte verändert oder zerstört. Nie hätte man daran gedacht, dass ein solches Ereignis je eintreten könnte; aus dem Unerwarteten, ohne Vorwarnung?

Solange Ereignisse irgendwo in der Welt passieren, erleben wir sie über die Medien als eine alltägliche Information. Genauso war es mit dem SARS-CoV-2-Virus (Covid-19). Als die ersten Meldungen im Dezember 2019 von Wuhan in der chinesischen Provinz Hubei auftraten, war es für Viele eine Information von vielen. Kaum jemand erahnte, dass dieser Virus wenige Monate später die Welt in Atem hält. Am 31.12.2019 wurde die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstmalig informiert, am 30.01.2020 rief sie die internationale Gesundheitsnotlage aus und am 11.03.2020 erklärte sie die bisherige Epidemie als Pandemie. Jetzt erinnert man sich an die Spanische Grippe zwischen 1918 und 1919, an der weltweit viele Millionen Menschen starben.

Ignotus stammt aus dem Lateinischen und bedeutet unbekannt. Mit diesem Buch soll etwas Licht in das Unbekannte gebracht werden. Der Autor hat dabei Beobachtungen aus der Natur, eigene Berufserfahrungen, Überlieferungen von Vorfahren und wissenschaftliche Untersuchungen kombiniert. Mit neuen interdisziplinären Methoden sollte es gelingen, Unbekanntes erkennbarer und damit planbarer zu machen.

Aus verschiedenen Perspektiven und mit unterschiedlichen Wissensdisziplinen werden die möglichen Chancen und Risiken von Projekten durchleuchtet, analysiert, bewertet und – soweit möglich – Maßnahmen formuliert, um die positiven Aspekte (Chancen) zu fördern und die negativen Elemente (Risiken) zu reduzieren. Mit einer neu entwickelten holistischen Methode (griech. ὄλος hólos, ganzheitlich) soll es gelingen, auch unbekannte und unerwartete Ereignisse im Rahmen des Chancen-Risiken-Managements zu erfassen. Diese Methode kann auch bei komplexen Projekten oder Großprojekten wirkungsvoll angewandt werden und helfen, das Unbekannte zu reduzieren.


Abb. 1.1 Stabil (antifragil), indifferent, labil (fragil).

Bereits von der Antike bis heute haben die Menschen über Wahrsager, Zeichen der Natur, beobachtete Phänomene, aus Erfahrung und im Glauben an eine höhere Macht sowie in der Hoffnung durch eine Religion Denkanstöße zu bekommen, das Schicksal positiv zu beeinflussen versucht. Schon die Tatsache, dass ein zukünftiges Ereignis unbekannt ist, macht Angst. Diese Angst wird oft von der Psyche und manchmal von der Manipulation verstärkt. Unbekannt ist alles was nicht bekannt ist! Unbekanntes wird in unserer Gedankenwelt gestaltet und kann eine stabile, eine indifferente, eine labile Position einnehmen (Abb. 1.1). Damit entstehen Verstärkungs- und Volatilitätseffekte.

Die Gleichgewichtslagen in der Baustatik sind ein gutes Beispiel, wie stabile, indifferente und fragile Systeme bei Ereignissen wirken. Ein stabiles Gleichgewicht ist ein selbststabilisierendes System und kehrt immer in seinen natürlichen Zustand zurück. Verändert man aber die Lage des Systems, im Falle des Gleichgewichtes die Form der Schale, dann kann bei minimalen Eingriffen das System außer Kontrolle geraten. Es bricht also die Selbstorganisation des Systems zusammen. Die Folge ist der abrupte Übergang in einen neuen Systemzustand, der sich immer weiter von seiner natürlichen Gleichgewichtslage entfernt.

Komplexe Systeme sind fragil und können nicht durch Kontrolle, sondern nur durch Maßnahmen robuster (antifragiler) gestaltet werden. Komplexe dynamische Systeme widersetzen sich vielfach äußeren Kontrollversuchen. In sozioökonomischen Systemen wird dies als Charles Goodhardt-Gesetz („Sobald eine Regierung versucht, bestimmte finanzielle Aktivposten zu regulieren, werden diese als Indikatoren für ökonomische Trends unbrauchbar“ [1]) und in der Chemie als das Prinzip des kleinsten Zwanges von Henry Le Chatelier und Ferdinand Braun (1884–1888: „Übt man auf ein chemisches System im Gleichgewicht einen Zwang aus, so reagiert es so, dass die Wirkung des Zwanges minimal wird.“) bezeichnet.

Die Chaosforschung versucht Ordnungen in speziellen dynamischen Systemen mit unvorhersagbaren zeitlichen Entwicklungen zu finden.

Aber die Natur gehorcht anderen Regeln, sie verfügt über Verstärkungsmechanismen, Rückkopplungen und manchmal genügen kleine Keime, um eine Katastrophe auszulösen.

Auch der Schmetterlingseffekt von Edward N. Lorenz [2] (Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen?) zeigt die Sensitivität bei komplexen Systemen auf, wo durch kleine Effekte eine Kettenreaktion bis zur Katastrophe ausgelöst werden kann.

Bei unbekannten Ereignissen sind jedoch die Wirkungsmechanismen unbekannt. Daher kann die Identifikation unbekannter Ereignisse nicht mit statistischen Methoden oder mit Wahrscheinlichkeitstheorien erfolgen. Die Ereignisse und die Wirkungsmechanismen sind unbekannt, weshalb auch keine bekannten Methoden zum Management solcher Ereignisse verwendet werden können.

Kann mit digitalen Methoden verknüpft mit wissenschaftlichen Modellen die Zukunft prognostiziert werden? Führt die Digitalisierung zu besseren Prognosen und zu einer krisenfesteren Welt? Sind Monitoring-Systeme gekoppelt mit adaptiven, störungsresistenten Systemen in der Lage, in Echtzeit zu reagieren und damit das Unbekannte zu erkennen sowie zu handeln [3]? Mit der zunehmenden Digitalisierung, und das erlebten wir auch während der Covid-19-Krise, können die Menschen während einer Krise kommunizieren, sich weiterbilden und auch arbeiten. Die digitale Evolution beeinflusst aber auch die Risikowahrnehmung und kann damit Ängste induzieren. Unbekanntes voraussagen können bis jetzt auch die schnellsten Digitalmodelle auf Datenplattformen und in Cloud-Infrastrukturen noch nicht.

„Ignotus plerisque et obscurus – unbekannt und fremd“; vertrauend auf das lernende Verständnis der Leser zeigt dieses Buch reflektierte Ideen, Erfahrungen aus verschiedenen Kulturen und wissenschaftlich anwendbare, neu entwickelte Methoden und wissenschaftliche Überlegungen zum Erkennen von Unbekanntem auf.


Abb. 1.2 Zeit, Ort, Dimenson (x, y, z), aus der Vergangenheit lernend mit Beobachtung von Phänomenen die Zukunft prognostizieren.

Eine neue Methode wurde entwickelt, wo mithilfe der Beobachtung und Auswertung von Phänomenen (altgriech. φαινόμενον, fainómenon, und bedeutet Anzeichen für Ereignisse) aus der Vergangenheit, Unbekanntes in der Zukunft zumindest erahnt und durch partizipative Methoden erkannt werden soll (Abb. 1.2). Mit Monitoring und periodisch aktualisierten Präventivmaßnahmen sollen die Wirkungen extremer Ereignisse gemindert werden. Dieser holistische Ansatz kann in vielen Projekten aus den unterschiedlichen Wissensdisziplinen angewandt werden.

„Ignorantia iuris nocet – Unkenntnis schützt nicht vor den Folgen“ oder auf Projekte übertragen „Trotz Unkenntnis bleibt die Projektverantwortung“!

Holistisches Chancen-Risiken-Management von Grossprojekten

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