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3.2 Zufälle

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In verschiedenen Ländern der Erde werden Zufälle als Vorboten schlimmer Ereignisse interpretiert: In Japan, wenn einem eine schwarze Katze begegnet, in Europa, wenn die Zahl 13 an einem Freitag vorkommt oder wenn Nebel am Neujahrstag in China auftaucht.

Der Psychoanalytiker Carl Gustav Jung hat die Idee der Synchronizität eingeführt, wonach scheinbar unzusammenhängende Ereignisse durch einen gemeinsamen Sinn miteinander verbunden sein. Er erzählt in seinem Buch „Synchronicity“ [11], dass ein Schreiber Wilhelm von Scholz erzählte, wie eine Mutter im Schwarzwald vor Jahren, also 1914, ein Foto von ihrem Sohn machte. Dieser Film wurde nach Straßburg zur Ausarbeitung gegeben. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges konnte das Foto nicht mehr abgeholt werden. Im Jahre 1916 kaufte die Mutter in Frankfurt einen Film für ihren Fotoapparat um von ihrer, in der Zwischenzeit geborenen Tochter, ein Foto zu machen. Nach der Ausarbeitung des Films zeigte sich, dass dieser Film zweimal verwendet wurde, denn unterhalb des Fotos ihrer Tochter war die Fotoaufnahme ihres zwei Jahre vorher gemachten Fotos ihres Sohnes. Offensichtlich wurde der alte Film von 1914 in Straßburg nicht entwickelt, sondern später in Frankfurt wiederverkauft [12].

Bei einem näheren Betrachten findet man viele Zufälle, sowohl in der Geschichte als auch im persönlichen Lebensverlauf. Einige Beispiele seien nachfolgend erwähnt:

 Im Jahre 1998 bekamen drei Schwestern aus American Fork in Utah am gleichen Tag ein Baby. Die Eintrittswahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses liegt bei 50 · 10−6.

 Die österreichischen Zwillinge Georg B. und Barbara B. wurden am 04.12.1926 geboren und starben beide am 05.01.1999.

 Der Stromausfall in der Peterskirche kurz nach dem Rücktritt des Papstes Benedikt XVI am 11.02.2013.

 Persönlich habe ich in meinem Leben festgestellt, dass viele wichtige Ereignisse am 19. eines Monats eintrafen: eigener Geburtstag, Kennenlernen meiner Frau Barbara, Anfrage zur Bewerbung für die Professur an die Universität für Bodenkultur Wien, Geburtstag unseres Sohnes Jakob etc.

 Zufälle bei den amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln und John F. Kennedy:– Lincoln wurde 1846 und Kennedy 1946 in den Kongress gewählt.– Lincoln wurde 1860 und Kennedy 1960 zum Präsidenten gewählt.– Die Namen Lincoln und Kennedy enthalten beide sieben Buchstaben.– Beide Präsidenten setzten sich für die Menschenrechte ein.– Die Ehefrauen beider Präsidenten verloren ihre Kinder, während sie im Weißen Haus lebten.– Beide Präsidenten wurden an einem Freitag durch einen Kopfschuss umgebracht.– John Wilkes Booth, der Mörder Lincolns, wurde 1839 geboren.– Lee Harvey Oswald, der Mörder Kennedys, wurde 1939 geboren.– Sowohl Lincolns als auch Kennedys Nachfolger hieß Johnson.– Andrew Johnson, der Nachfolger Lincolns, wurde 1808 geboren.– Lyndon Johnson, der Nachfolger Kennedys, wurde 1908 geboren.

In der Vergangenheit (auch aufgrund eines gewissen Informationsmangels) wurden solche Zufälle oft dem Schicksal oder dem Glück zugeordnet. Der französische Mathematiker Pierre Simon Laplace (1749–1827) sagte: „Mit dem Wort Zufall, gibt der Mensch nur seiner Unwissenheit Ausdruck“. Er glaubte, dass jedes Ereignis auf einer Ursache beruht und mit genügend Wissen die gesamte Kette der Ursachen rekonstruiert werden könnte. Für ihn waren die Abläufe deterministisch; ein Zufall existierte für Laplace nicht.

Sowohl dem wissenschaftlich basierten Denken als auch der bauchgefühlten Intuition sind der Zufall oder das Eintreten unwahrscheinlicher Ereignisse schwer verständlich. Man kann sich auch die Frage stellen, wieso es überhaupt noch Zufälle geben kann, wenn doch fast alles mit Daten beschreibbar ist. Wie Florian Aigner [13] in seinem Buch: „Der Zufall, das Universum und Du“ schrieb, sind mithilfe der Wissenschaft beeindruckend viele Phänomene beschrieben worden, die früher noch göttliche Willkür oder bloßer Zufall waren. Zufall kann in einem mechanistischen Weltbild als ein Ereignis verstanden werden, wo uns Informationen zur Beschreibung fehlen, die aber eigentlich vorhanden sind. Die Naturphilosophen verwendeten solche Gedankenstrukturen.

Albert Einstein äußerte auch seine Zweifel, indem er sagte: „Gott würfelt nicht“. In der Mathematik und in Statistik hat der Zufall als Einzelereignis auch keinen richtigen Platz. Trotzdem entstehen viele Entdeckungen durch reinen Zufall. 90 % der großen Geschäftsinnovationen entstehen durch das Rekonfigurieren oder durch das Übertragen von Methoden in andere Wissens- oder Anwendungsgebiete [14].

Heutewerden trotz der Chaostheorie (begründet von Henri Poincaré, 1854–1912), auch wiederkehrende Ereignisse in der Natur, der Technik und der Wirtschaft, dem Zufall überlassen. Diese Zufälligkeit bedeutet, dass bestimmte Zustände und Ereignisse wiederkehren können, jedoch nicht exakt in der gleichen Art und Weise wie ein Pendel, sondern möglicherweise in einer bisher unbekannten Art. Das ist der Grundgedanke der Chaostheorie. Ein chaotisches System kann mit der Zeit unterschiedliche und rein zufällige Erscheinungsbilder annehmen. Auch mit einem exakten Monitoring oder einer verfeinerten Messtechnik gelingt es nicht, das Chaos vorauszusagen. Was aber gelingt, sind Phänomene zu erkennen und Anzeichen wahrzunehmen. Diese und nicht reine Messdaten müssen wir erkennen, interpretieren und dann aktiv handeln!

Auch der Schmetterlingseffekt beweist die Zufälligkeit und damit Unberechenbarkeit bestimmter Phänomene. Der Schmetterlingseffekt wird beispielsweise so erklärt, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings am Amazonas ein extremes Sturmgewitter viele Jahre später irgendwo in der Welt auslösen kann (Abb. 3.2). Durch ein kleines, unbedeutendes Ereignis kann zeit- und ortsversetzt ein extremes Ereignis provoziert werden. Dieses Extremereignis tritt in Kombination mit anderen Ereignissen in der Welt auf. Es handelt sich dabei nicht um einen Lawineneffekt oder eine Kettenreaktion (durch Auslösen des ersten Gliedes einer Kette), sondern der Flügelschlag des Schmetterlings stellt eine Komponente von vielen Ereigniskomponenten dar, welche alle gemeinsam ein großes Ereignis in der Zukunft bestimmen. Das Einzelereignis führt in Kombination mit vielen, anderen Ereignissen zu einer exponentiellen Entwicklung, welche in einem Extremereignis endet.

Für das Chancen-Risiken-Management ist es wichtig, dass wir Zufälle und solche unerwartete Kombinationsereignisse im Erwartungsraum des Möglichen aufnehmen und diese soweit möglich auch im Management berücksichtigen. Wir müssen akzeptieren, dass es bei Projekten wie im eigenen Leben nicht kalkulierbare Zufälle gibt, die die Projektentwicklung oder das eigene Leben in eine neue Richtung bringen können. Die Frage entsteht, wie man solchen Zufällen begegnen kann oder wie man die Auswirkungen abfedern kann. Eine gewisse finanzielle Abdeckung der Unsicherheit kann mittels Versicherungen erfolgen. Der Zufall bleibt aber ein nicht kalkulierbares Ereignis, wobei der Umgang mit dem Zufall von uns selbst (vom Kopf) bestimmt wird. Wichtig erscheint mir, dass im Chancen-Risiken-Management auch vom Zufall initiierte Phänomene und die dabei entstehenden, begleitenden Ereignisse strukturiert beobachtet, ihre möglichen Wirkungen beachtet und erkannt sowie Handlungen gesetzt werden!


Abb. 3.2 Schmetterlingseffekt.

Holistisches Chancen-Risiken-Management von Grossprojekten

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