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3.5 Grenzen des Wissens

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Im Laufe der Jahrhunderte hat sich unser Wissen erweitert, was einerseits zu einer Verschiebung des Betrachtungshorizontes führt, aber andererseits nicht gleichzeitig zu einem Erkenntnisgewinn führen muss. Heute glauben wir viele Dinge zu erkennen, die früher unbekannt waren. Umgekehrt ist aber auch viel Wissen über Phänomene, über Symptome oder Erfahrungswissen verloren gegangen.

In jeder Zeitepoche wurde die Begrenztheit des Wissens erkannt. Die Fragen nach dem bisher Unbekannten verändern sich. Dabei stoßen wir auf die zwei bereits erkannten Themen, nämlich den unbekannten Unbekannten und den bekannten Unbekannten.

Die unbekannten Unbekannten sind Ereignisse, Dinge oder Fragen, von deren Existenz wir nicht die geringste Ahnung haben. Die bekannten Unbekannte sind Themen und Fragen, die wir zum derzeitigen Zeitpunkt nicht beantworten können. Wenn wir bei der Identifikation von Risiken auf Fragen stoßen, die wir nicht beantworten können, dann sind das die Grenzen der Wissenserkenntnis [22].

Es geht hierbei um eine klare auf Wissen oder Erkenntnis aufgebaute Antwort auf diese identifizierten Unbekannten. Außerhalb dieses Wissenshorizontes können Hypothesen oder Prognosen formuliert werden. Um eine Hypothese oder eine Prognose zu formulieren, brauchen wir aber Beweise oder Belege zur Begründung. Wenn wir aber keine Gründe für Beweise oder Belege mehr finden, dann beginnt die Sphäre, wo Wissen nicht mehr möglich wird.

Es gab und gibt in der Wissenschaft prinzipielle Grenzen der Erkenntnis, die sich mit fortschreitender Zeit verschieben können. Was heute in den Natur- und Technikwissenschaften und in den Geistes- und Medizinwissenschaften nicht erkannt ist, kann in der Zukunft durch Forschung erkannt werden. Von diesem Prinzip der zeitabhängigen Wissenserkenntnis lebt die Wissenschaft.

Der britische Mathematiker Marcus du Sautoy hat 2017 in seinem neuen Buch „The Great Unknown:Seven Journeys to the Frontiers of Science“ jene Geheimnisse erforscht, die wir noch nicht gelöst haben [23].

Was sind diese Unbekannten?

Eine der Unbekannten stammt aus der Quantenphysik, die besagt, dass die Zukunft nicht von der Gegenwart bestimmt wird.

Eine andere Unbekannte ist nach wie vor die Zeit. Einstein glaubte, dass die Zeit überall mit derselben Geschwindigkeit verlaufe. Heutzutage stellt man sich die Frage, ob die Zeit mit dem Universum zusammenhängt oder ob wir nur in der Interaktion mit dem Universum die Zeit empfinden.

Auch das menschliche Bewusstsein ist eine Unbekannte. Jeder Mensch empfindet unterschiedlich, verknüpft unterschiedlich seine Erfahrungen und kommt zu einer unterschiedlichen Erkenntnis im Bewusstsein.

Ein weiteres Thema ist der Glaube an einen vom menschlichen Verstand nicht erkennbaren Gott. Mit dieser Frage haben sich schon viele Wissenschaftler und Theologen seit Jahrhunderten beschäftigt. Bis heute gibt es dafür weder einen wissenschaftlichen Beweis noch belegbare Erkenntnisse. Es bleibt die Hoffnung, und es bleibt ein Geheimnis.

Aus dem Taoismus stammt von Wang Bi (226–249 v. Chr.) der Text des Lao-tse, wo im 88. Vers das Wort Vorkenntnisse vorkommt: Der Mensch soll auf dem Wege (Tao) höchster Wahrhaftigkeit die Zukunft im Voraus erkennen können [24]. Man glaubte, dass der Aufstieg oder der Untergang eines Herrscherhauses durch bestimmte glückliche Vorzeichen oder dämonische Phantome im Voraus erkennbar wird.

Auch im Buddhismus finden sich viele Hinweise, wo versucht wird durch die Vergegenwärtigung einzelne Wesensmerkmale von Phänomenen zu erkennen [25]. Das Ziel ist es, Pfade zu entwickeln, damit man lernt zu unterscheiden. Der Dalai Lama spricht von inhärenter Existenz der Phänomene. Wenn sich der Mensch nicht nur mit der bloßen Erscheinung eines Phänomens zufrieden gibt, sondern dies weiter analytisch untersucht und reflektiert, dann kann er zur „Wahrheit der höchsten Wirklichkeit“ vordringen [25].

Mit der Wissenschaft hat man immer wieder versucht, einen nachvollziehbaren Zugang zur Wirklichkeit zu erlangen. Auch der britische Naturforscher Francis Galton (1822–1911), ein Halbcousin von Charles Darwin, versuchte durch statistische Nachweise eine Erklärung zu finden, ob Kirchen weniger von Feuer, Blitz und Erdbeben getroffen werden. Weiters verglich er das Leben religiöser Persönlichkeiten, wie Martin Luther, ob sie länger als andere Prominente gelebt haben. Keine dieser Untersuchungen führte zu nachvollziehbaren Nachweisen.

Im Mittelalter deutete man Pandemien wie beispielsweise die Pest als Zeichen oder als Strafe Gottes. Bis heute versuchen Menschen, bei unbekannten Ereignissen, die man nicht versteht, eine höhere Gesetzmäßigkeit dafür verantwortlich zu machen. Der Religionspsychologe Sebastiona Murken [26] weist darauf hin, dass Religionen Verbundenheit, Trost und alternative Erklärungsmodelle liefern. Religionen dürfen aber nicht die Deutungshoheit übernehmen, oder Gebete dürfen nicht als Methode zur Zielerfüllung dienen: Ich glaube und dadurch kann mir nichts passieren, oder ich bete und ich überstehe eine Krise. Die Frage bleibt: Kann man die Wirkung von etwas Unsichtbarem und im Grunde Unbekanntem und schwer Erfassbarem messen oder beweisen?

Die Wissenschaft erklärt, dass durch die Konzentration auf positive Ziele und Vorstellungen auch eine positive Wirkung ausgeht. Der Placeboforscher Manfred Schedlowski hat am Universitätsklinikum Essen herausgefunden, dass eine starke Erwartungshaltung zu einer Veränderung der Gehirnströme führt [27]. Er konnte auch nachweisen, dass Erwartungen im Körper messbare biochemische Reaktionen auslösen. Wissenschaftliche Studien zeigten, dass mit Placebomittel sogar bis zu 50 % der Wirkung eines echten Medikamentes erzielt wird [28]. Ähnliches findet man auch in der Bibel [Lukas 18,42]: „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Es ist die Selbstmotivation, die im Grunde eine positive Wirkung erzeugt.

In vielen Religionen findet man folgende drei Grundregeln, die die Wirkung des Gebetes und der Meditation verstärken helfen:

 eine Vertrauensperson (Priester, Mönch, Nonne, Arzt etc.),

 regelmäßige Wiederholung von Handlungen (Gebetskette, Rosenkranz etc.),

 Rituale (Gemeinschaftstreffen, Gemeinschaftsgebete, spirituelle Feiern etc.).

Letztendlich geht es um eine gezielte Orientierung und periodische Wiederholung, die Hoffnung bewirkt. Die Wirkungen von Glauben und von Gebeten bleiben unbekannt. Aber durch intensives Glauben, Beten, Hoffen, positives Erwarten und Vertrauen können Reaktionen im Körper verstärkt werden. So zeigten Studien an der amerikanischen Baylor Universität, dass eine intensive Spiritualität zu einem messbar langsameren Krankheitsverlauf führte [29]. Die religiösen Patienten hatten wesentlich mehr gesunde Blutzellen. Josef Murphy [30] sprach von Autosuggestion, denn wenn jemand aktiv oder passiv an etwas Bestimmtes glaubt, wird sich das Unterbewusstseins unabhängig von der objektiven Einstellung leiten lassen. Wir nennen das auch das Bauchgefühl. Das Unterbewusstsein (der subjektive Geist) des Menschen ist sowohl vom eigenen Bewusstsein (vom objektiven Geist) als auch von der Suggestionskraft anderer Menschen beeinflussbar.

Murken [26] formulierte drei wichtige Elemente, die zwar keine wissenschaftliche Erklärung darüber geben, ob der Glaube und das Gebet eine unbekannte Wirkung haben, aber sie strukturieren den gedanklichen Zugang zu einer möglichen Erkenntniserweiterung:

1 1) Die Wissenschaft anerkennen.

2 2) Die eigene Kritikfähigkeit einsetzen.

3 3) Die Chancen des Glaubens und des Gebetes sehen und sich hinterfragen, worum es im Leben geht und was für uns Sinn stiftet.

Daher müssen wir erkennen, dass es Grenzen des vom Verstand erkennbaren Wissens gibt. Dazu müssen wir aber auch feststellen, dass wir mit dem Bewusstsein nicht alles erkennen. Daher bleiben Sphären des unbekannten Unbekannten.

Andreas Resch [31] bezeichnet jene Bereiche als Grenzgebiete der Wissenschaft, wo die Verlaufsstrukturen von den bekannten „Naturprozessen oder von den derzeitigen Vorstellungsmustern“ abweichen, welche die Welt und den Menschen zu erklären versuchen. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die zugehörigen Phänomene solcher Unbekannter als Psi-Phänomene, also als Teilmenge der Phänomene bezeichnet.

Resch nannte die nachfolgend angeführten Phänomene, welche außerhalb des menschlichen Wahrnehmungs- und Kommunikationsraumes stattfinden. Solche außersinnlichen Wahrnehmungen und Kommunikationen treten nach Resch [32] vornehmlich unter veränderten Bewusstseinszuständen auf:

 außersinnliche Wahrnehmung,

 Hellhören,

 Hellsehen,

 Imagination,

 Präkognition,

 Retrokognition,

 Telepathie,

 Tier-Psi,

 zweites Gesicht.

Resch zählt zahlreiche Lehren auf, die paranormale Phänomene zu erklären versuchen, wie die Alchemie, die Esoterik, die Mysterien, die Mythologien, die Numerologie, den Okkultismus oder den Spiritismus, die Theosophie oder die Anthroposophie. Resch gliedert die Phänomene in die Sachgebiete der Paraphysik, der Parabiologie, der Parapsychologie und der Parapneumatologie ein. Zur Parapneumatologie gehören schließlich all jene Phänomene, die sich nicht in die anderen Kategorien einordnen lassen. Resch unterteilt die Lebensstruktur des Menschen in vier Wirkqualitäten:

1 1) Physis, Körper oder die Natur als solche,

2 2) Bios oder den lebenden Organismus mit dem Zusammenwirken des Wirkungsgefüges, was die ureigene Kraft des Organischen ist, welche die Materie belebt,

3 3) Psyche oder die Fähigkeit zum Empfinden und Fühlen,

4 4) Pneuma oder die Fähigkeit zur Reflexion, zum Denken, zur Intuition, zur Kreativität und zur Weisheit.

Im Pneuma, was der Geist des Menschen ist, besitzt der Mensch die Fähigkeit, eine immaterielle Informationswelt sowie Gedankensysteme zur Erklärung und Gestaltung der Welt und zur Beantwortung des Lebens aufzubauen. Diese Fähigkeit des Menschen funktioniert laut Resch auch während des Schlafes und des Komas, ja sogar während eines klinisch toten Zustandes.

Die Wissenschaft kann also nur Ereignisse der Immanenz erklären, während Phänomene oder Unbekannte in der Transzendenz nur mit dem Glauben erfassbar werden. Dies führt uns zur Erkenntnis der Undurchschaubarkeit der Struktur des Kosmos, der Zukunft des Menschen, des unbekannten Unbekannten oder auch der Nichterkenntnis eines Gottes. Resch definiert es so: „Würden wir Gott erkennen, so wäre er nicht mehr Gott, denn dann wäre er eine Gestalt nach dem Maß des Menschen.“

Holistisches Chancen-Risiken-Management von Grossprojekten

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