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Der erste Kontakt

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Der erste Kontakt

11,0010010000111111 hatte die Fremde nun auf Antonios Phablet geschrieben. Serena rollte mit den Augen.

»Als ob das irgendeinen Sinn ergibt! Wir stehen hier gefühlt seit Stunden und starren auf dämliche Einsen und Nullen.«

Der Informatik-Student hingegen konnte kaum glauben, was sie dort geschrieben hatte. Antonio verstand es als einen Test, den er unbedingt bestehen wollte. Als die Frau ihm sein Handy zurückgab, kritzelte er einen Kreis hin. Dann zeichnete er mit einem Punkt die Mitte ein und von dort aus einen Strich zur Außenlinie.

»Was soll das sein?«, fragte die 14-Jährige. »Lästert ihr gerade in Nerdisch über mich?«

Die Fremde nahm das Handy in die Hand und starrte lange darauf. Schließlich öffnete sie den Mund und gab einige, besonders laute, Klacklaute von sich. Es hatte fast den Anschein, als wäre sie ganz aufgeregt. So wie Antonio das auch war.

»Wow …«, staunte er.

»Was denn?«

»Sie scheint es zu verstehen. Die Zahl, die sie eben im Binärsystem geschrieben hat, war Pi gewesen. Ich habe einen Kreis mit einem Radius eingezeichnet, um ihr zu zeigen, dass wir verstehen, dass Pi die Kreiszahl, also eine universelle Konstante ist.«

»Und jetzt?«

»Damit haben wir uns gegenseitig bewiesen, dass wir grundlegende Konzepte der Mathematik beherrschen.«

»Ihr zwei vielleicht. Ich nicht.«

Das Mädchen starrte auf die wunde Stelle am Arm der Fremden. Dort hatte Serena sie wohl gebissen. Auf einmal fasste die Teenagerin den Alien an der Wunde an und streichelte sanft darüber.

»Es tut mir leid, dass ich dich gebissen habe«, sagte sie. »Geht es deinem Freund, den ich mit dem Messer angegriffen habe, wieder gut?«

Die Frau sah dem Mädchen in die Augen, öffnete den Mund und gab wieder einige Klicklaute von sich.

»Es wird schwer, eine Kommunikation auf einer höheren Ebene zu entwickeln«, erklärte Antonio mit sanfter Stimme. »Aber ich glaube, sie ist dir nicht böse.«

»Und der andere?«

Genau in diesem Moment hörten sie ein Zischen. Antonio kannte es bereits. Es kam von der Tür auf der anderen Seite des Korridors, den er von seinem Standpunkt aus einsehen konnte. Ein zweiter Alien, gekleidet in einem weiten silbernen Overall und einem Motorradhelm, kam hindurch. Dieser war etwas kleiner, vielleicht 1.80m groß. Im Bauchbereich hatte er zwei orangene Streifen, die ein wenig aussahen wie Klebeband. Hatte Serena ihn dort gestochen? Waren das so etwas wie Pflaster oder eine andere Form von Verband? Die fremde Person legte die Hände an ihren Kopf, betätigte einen Schalter und nahm den Helm schließlich ab. Die beiden Menschen sahen das Wesen staunend an. Die Gestalt schien ebenfalls weiblich, wirkte jedoch jünger als die Alien-Frau. Für Antonio war es jedoch unmöglich zu sagen, wie jung. Vielleicht in Serenas Alter oder etwas älter.

Als das Alien-Mädchen den Arm wieder hob, fiel den Menschen erst auf, dass es ein kleines Gerät in der Hand hielt. Darauf drückte es wohl auf einen Knopf und ein lautes Zischen begann hinter ihnen. Antonio drehte sich sofort um und ihm fiel auf, dass die hintere Wand, die gegenüber des Korridors war, sich vorne über nach außen neigte, wie eine Rampe. Die Alien-Frau ging einen Schritt darauf zu und sah hinaus. Das war eindeutig ein Ausgang. Wie die Laderampe eines Lastwagens. Dem Studenten war überhaupt nicht aufgefallen, dass sie gelandet waren. Noch war diese Rampe erst zur Hälfte unten, aber ihm fielen bereits die Bauwerke auf, die hier standen. Über ihnen flogen unzählige dieser Flugobjekte durch die Gegend, als wäre das hier der ganz normale Straßenverkehr. Es war immer noch dunkel, aber alles hier hatte eine helle, gelbe, Beleuchtung. Die Gebäude hatten abgerundete Ecken, unregelmäßig geformte Fenster, durch die ein helles Licht schien, und sie waren unglaublich hoch. Richtige Wolkenkratzer.

Dann begriff der Informatikstudent, dass sie selbst auf einem der kleineren Wolkenkratzer gelandet waren. Draußen standen zwei weitere Wesen dieser Spezies in den gleichen silbernen Overalls. Ihre Köpfe waren von Helmen verdeckt. In der jeweils linken Hand hielten sie etwas, das aussah, wie eine Waffe. Langsam hoben sie diese und richteten sie auf Antonio und Serena. Sofort wurden die Menschen unruhig.

Schließlich stellte sich die Frau vor den Informatikstudenten. Wollte sie ihn beschützen? Antonio hörte merkwürdige Klacklaute von den beiden Fremden. Die Alien-Frau antwortete ihrerseits mit anderen Lauten. Beunruhigt sah Antonio zu Serena. Das Alien-Mädchen hatte sich neben sie gestellt und nach der Hand der Teenagerin gegriffen. Skeptisch ließ die 14-Jährige sich an die Hand nehmen.

Dann schrie die Alien-Frau, die Antonio beschützte, laut auf. Es war ein merkwürdig hoher Pfeifton, den sie mit weit aufgerissenem Mund erzeugte. Die Menschen mussten sich sofort die Ohren zuhalten.

Es war kaum auszuhalten, bis auf einmal alles dunkel wurde. Ein merkwürdiger Lichtimpuls ging von den Waffen aus und erhellte zuerst alles um sie herum und schien dann das Licht ausgeknipst zu haben. Antonio verlor das Gefühl in seinen Gliedmaßen und fiel auf den Boden. Für einen kurzen Moment konnte er noch Umrisse erkennen und stellte fest, dass auch Serena, die Alien-Frau und das fremde Alien-Mädchen kollabiert waren. Und die beiden bewaffneten Personen kamen auf sie zu.

Als Antonio wieder zu Bewusstsein kam, hörte sich alles so dumpf an, als wäre er unter Wasser. Erschöpft öffnete er die Augen. Als er einen Atemzug nahm, strömte kalter Sauerstoff in seine Lunge, während es um ihn herum angenehm warm war. Jede Bewegung seines Körpers kämpfte gegen einen Widerstand. Sein Körper schien zu schweben. Völlig verzweifelt versuchte der Student, sich zu orientieren. Sein Mund und seine Nase waren von einer metallischen Maske bedeckt, an welcher ein Schlauch hing. Dadurch wurde er mit Sauerstoff versorgt. Es dauerte einen Moment, bis er verstand, dass er sich tatsächlich unter Wasser befand. Wenige Zentimeter vor ihm war eine Glasfront, während sonst um ihn herum nur Metall war. Allem Anschein nach befand er sich in einer kleinen, mit Wasser gefüllten Box, in welcher er aufrecht stehen konnte. Antonio war völlig nackt und seine Haare schwammen unbändig herum.

Panik stieg in ihm auf. Was hatten die Aliens mit ihm vor? Verzweifelt schlug er von innen gegen das Glas und wollte schreien. Doch der Schall seiner Schreie wurde von der metallischen Maske so aufgesogen, dass er sich selbst nicht einmal hören konnte. Antonio versuchte, sich in dem Raum, in dem er sich befand, zu orientieren. Etwa drei Meter ihm gegenüber stand noch eine mit Wasser gefüllte Röhre mit einer Glasfront. Dort sah er Serena. Sie war ebenfalls nackt und trug eine große metallische Maske, die ihr halbes Gesicht verdeckte. Jetzt konnte der Student sich ausmalen, wie er selbst von außen aussah. Diese Röhren waren etwa drei Meter groß und nicht völlig rund, sondern sechseckig. Von der Maske gingen, wenn man genau hinsah zwei Schläuche aus, die nach oben zur Decke führten.

Das Wasser selbst war nicht klar, sondern irgendwie bläulich oder türkis. Was war nur darin?

Da öffnete Serena endlich die Augen. Sie sah sich um und schien ebenfalls, Panik zu bekommen. Genau wie der Student hämmerte sie gegen die Glaswand. Zusätzlich trat sie dagegen und zappelte wild herum. Doch es half alles nichts. Flehend und ängstlich sah sie ihm in die Augen. Es tat Antonio so leid, dass er nichts tun konnte. Sie waren denen – wer immer sie waren – schutzlos ausgeliefert.

Dann wuchs neben Serena links aus der Wand eine kleine Nadel mit einem winzigen Schlauch. Oh mein Gott. Antonio klopfte gegen die Glasscheibe und deutete darauf. Sofort sah das Mädchen zur Seite, doch da war es schon zu spät. Die Nadel stach in ihren Oberarm. Schmerzerfüllt kniff sie die Augen zusammen, während sich von allen Seiten noch weitere Nadeln näherten. Sie stachen in ihren anderen Oberarm, in ihre Halsschlagader, in ihren Po, in ihre linke Brust und in ihren rechten Oberschenkel. Wild zappelte sie herum, konnte sich jedoch nicht wehren. Die kleinen Schläuche an den Nadeln begannen indessen, rot zu leuchten und zu pulsieren. Irgendetwas injizierten sie ihr.

Dann zog ein merkwürdiges Lichtspektakel rechts von Antonio seine Aufmerksamkeit auf sich. Zuerst sah es ähnlich aus wie das helle Licht, dass sie bewusstlos gemacht hatte, nur viel weiter entfernt. Dann schoss etwas, das aussah, wie ein Feuerstrahl, quer durch den Raum. Mit einem Affenzahn rannte die Alien-Frau, mit der Antonio sich so lange über Mathematik unterhalten hatte, in den Raum. In der Hand hielt sie eine dieser Waffen, die auch die beiden Aliens trugen, die sie nach der Landung überwältigt hatten. Die silbern-weiße Waffe hatte auf den ersten Blick die Form einer Pistole. Wobei der Griff in einer fließenden Kurve in den Lauf überging und eher die Form einer Banane hatte. Auf der Unterseite hatte sie einen Knauf mit einer Spitze. Das konnte der Student deshalb erkennen, weil die Alien-Frau mit genau diesem Knauf gerade ausholte und die Spitze in die Glasfront schlug. Es donnerte daraufhin laut und das Glas bekam einen Sprung. Schnell breiteten sich die Risse aus. Dann hielt das Glas dem Wasserdruck nicht mehr stand und zerplatzte. Antonio wurde nach vorne geschleudert und die Metallmaske, die wohl mit reinem Unterdruck an seinem Gesicht hing, glitt von ihm ab. Unsanft landete er auf dem Boden, während sich die schleimige blaue Flüssigkeit überall auf verteilte. Endlich konnte er wieder richtig hören.

»Fuck!!«, war das Erste, was er von sich gab. Zum Glück war er nicht in eine der Scherben gefallen. Antonio stand sofort auf und nahm einen tiefen Atemzug. In dem Moment schlug die Frau schon auf das Glas an Serenas Kapsel ein. Das Mädchen hatte inzwischen scheinbar das Bewusstsein verloren. Der Student stand sofort auf, um sie notfalls aufzufangen. Bäh. Dieser türkise Schleim klebte überall an seiner Haut und in seinen Haaren.

Mit einem lauten Klirren zersprang die zweite Glasscheibe und das nackte Mädchen fiel bewusstlos vorne über. Die Maske löste sich von ihrem Gesicht und baumelte von da an von der Decke, während die unzähligen Nadeln, die sie von allen Seiten gestochen hatten, noch in ihr steckten. Der Student streckte sofort die Arme aus und fing sie auf. Völlig leblos hing sie da, als er sie unter den Armen gepackt hatte und aufrecht hielt. Die Alien-Frau zog sofort die Nadeln flink aus ihrem Körper.

Auch Serenas Haut war ganz verklebt von dem Schleim. Der Student fühlte sich so zumindest etwas weniger nackt, auch wenn das natürlich nur Einbildung und ihm sein blankes Überleben viel wichtiger war.

Klick Klack Klack. Die Fremde zog Antonio energisch am Arm und deutete ihm an, ihr zu folgen. Antonio bückte sich zuerst etwas hinunter, packte Serena an den Beinen und warf das Mädchen dann über seine Schulter. Zum Glück war sie nicht sonderlich schwer. Dann folgte er der Frau. Sie musste sich hier offensichtlich besser auskennen. Völlig desorientiert führte sie ihn in einen Korridor, an dessen eine Seite eine Fensterfront war. Im Vorbeilaufen warf der Student einen Blick hinaus. Diese Stadt, in der sie sich befanden, war gewaltig und die Wolkenkratzer waren beeindruckend.

Was war hier nur los? Was wollten die Aliens mit ihnen anstellen und warum half diese Alien-Frau ihm? Die Fremde führte sie durch weitere Abzweigungen. Es war ein riesiges Labyrinth aus Korridoren und sechseckigen Räumen unterschiedlichster Größe und mit verschiedener Ausstattung. Schließlich kamen sie an zwei weiteren Röhren vorbei, in denen Antonio Menschen sehen konnte. Eine Frau und einen Mann mittleren Alters. Sie waren also nicht die Einzigen hier. Der Student hielt an und sah sich Hilfe-suchend um, doch da fasste die Frau ihn wieder am Oberarm und zog ihn mit sich.

»Können wir ihnen nicht helfen?«, fragte er. Der Alien zerrte nur weiter an ihm und schließlich konnte der Student auch verstehen wieso, denn aus der Richtung, aus der sie gerade gekommen waren, hörte er nun Schritte sich schnell nähern. Jetzt rannten sie beide los so schnell sie konnten. Antonios Herz schlug wie verrückt. Das war alles so merkwürdig und surreal, dass er es nicht wahrhaben wollte. Schließlich führte die Frau ihn in einen sehr kleinen Raum, der (hoffentlich) so etwas wie ein Aufzug war. Eine Glastür schloss sich hinter ihnen und die Alien-Frau tippte etwas auf einem Touchscreen an der Wand herum. Dieser war überfüllt von unzähligen Symbolen, dessen Bedeutung der Informatikstudent nicht kannte, aber unbedingt eines Tages verstehen wollte. Aber dafür hatten sie jetzt keine Zeit. Der Aufzug setzte sich in Bewegung und fuhr nach unten. Jetzt erst erkannte Antonio, dass die Wände des Raumes vollständig transparent waren. So konnten sie bei jedem Halt in den Korridor sehen, aber auch gesehen werden. Der Aufzug beschleunigte und fuhr immer schneller und schneller.

»Ah!!«, schrie Serena auf und zappelte herum. Sofort setzte Antonio sie ab, hielt sie aber noch an den Schultern fest. Das Mädchen sah sich panisch um und schaute dann nach unten auf ihren Körper. Sofort verdeckte sie mit den Armen ihre Brüste und ihre Scham und ging leicht in die Hocke. Von ihrem ganzen Körper und ihren Haaren tropfte der türkise Schleim auf den Boden. So hinterließen sie beide eine verdammte Spur. »Was ist hier los??«

»Sie hat uns gerettet!«, erklärte Antonio. »Keine Ahnung wo sie uns hinführt, aber uns bleibt nichts weiter übrig, als ihr zu folgen. Kannst du laufen?«

»I-ich …«, stotterte sie und begann, am ganzen Körper zu zittern, »… glaube schon.«

Die Aufzugtür öffnete sich und sie fanden sich in einer großen dunklen Halle wieder. Sie ging, so weit das Auge reichte. Die Decke war aber nur etwa 4 Meter hoch. Die Alien-Frau rannte voraus und die Menschen folgten ihr, so schnell sie konnten. Antonio hatte die Assoziation von einem Parkhaus. An den Wänden und an bestimmten Markierungen standen große Maschinen, die zwar keine Räder, aber sonst ungefähr die Größe von Autos hatten. Ganz hinten sahen sie den anderen Alien, das Mädchen, wie es vor einer der Maschinen stand und die Hand zum Gruß hob, so wie sie es bei den Menschen beobachtet hatten. Sie war also auch auf ihrer Seite?

Das Fahrzeug hatte ein aufgeklapptes Deck, einen vorderen Sitz – wahrscheinlich für den Fahrer – und eine hintere Sitzbank. Auch an dieser dunkelgrauen Maschine konnte Antonio keine Räder erkennen. Es hatte abgerundete Ecken, war länglich aufgebaut und windschnittig geformt. Das Verdeck war von außen schwarz, von innen jedoch transparent, so dass man nach draußen sehen konnte. Die Alien-Frau nahm vorne Platz während der jüngere Alien und die beiden Menschen sich hinten hinsetzten. Serena setzte sich in die Mitte. Dann senkte sich das Verdeck mit einem mechanischen Surren, bis sie sie einschloss. Es hatte tatsächlich etwas von einem Auto.

»Anschnallgurte?«, fragte das Mädchen mit sarkastischem Unterton, während sie ihren nackten Körper immer noch notdürftig verdeckte. Die Sitze waren aus hartem Metall und sehr eckig. Man saß nicht gerade bequem … »Oder zumindest irgendetwas zum anziehen?«

Hilflos sah der Student sich um, doch waren sie nur gerade so mit heiler Haut davongekommen. Ungläubig sah er dem Mädchen ins Gesicht und stellte fest, dass Serenas Augenfarbe sich verändert hatte. Die Augen waren pechschwarz.

Das Fahrzeug musste sich durch irgendwelche Düsen nach vorne bewegen. Es schwebte wie ein Magnet, der von einem anderen abgestoßen wurde, einen halben Meter über dem Boden und sauste mit einem Affenzahn nach vorne. Sie fuhren nur kurz durch die Stadt, da erreichten sie schon eine Art Trampelpfad, der durch den dunklen Wald führte. Durch den fuhren sie schnell und leise ohne Licht, aber die Alien-Frau wusste wohl, was sie tat. So konnten sie außerhalb des Fahrzeuges kaum etwas erkennen.

Während Antonio noch versuchte, irgendetwas in diesem Wald zu erkennen, hörte er ein leises Schluchzen. Serena hatte angefangen, zu weinen.

»Hey …«, sagte er mit sanfter Stimme. »Wir sind in Sicherheit.«

Die Stimme des Mädchens zitterte. »Was haben die mit mir gemacht?«

Antonio wusste keine Antwort.

»Es ist alles okay«, sagte er nur. »Die beiden hier sind auf unserer Seite.«

Eigentlich war ihm auch zum Heulen zumute. Die letzten Stunden waren verrückt, gehetzt, verstörend und so fremdbestimmt. Antonio hasste es, wenn er nicht die Kontrolle hatte. Eigentlich war er ein fröhlicher Typ, nahm nichts wirklich ernst und machte über alles Witze. Das war ihm jetzt völlig fremd geworden. Jetzt kämpfte er buchstäblich ums nackte Überleben.

Den Rest der Fahrt schwiegen alle. Antonio konnte unmöglich sagen, wie viele Stunden sie durch diesen Wald fuhren oder wie spät es überhaupt war. Die Sonne wollte hier einfach nicht aufgehen. Sein ganzer Körper stand noch so unter Strom, dass er die ruhigen Momente in diesem Fahrzeug willkommen hieß. Schließlich jedoch hielten sie an einer großen Lichtung an. Dort stand ein Bauwerk, welches in dem Moment, wo sie sich genähert hatten, automatisch eine Außenbeleuchtung aktivierte. Das Gebäude war aus einem hellgrauen Material und hatte eine so große überdachte Terrasse, dass es aussah, als wäre die Hälfte des Bauwerkes nach außen hin geöffnet. Dort fand Antonio mehrere Sitzbänke und einige Möbel, dessen Funktionen ihm zuerst nicht ersichtlich wurden.

»Wo sind wir jetzt?«, fragte das Mädchen. Antonio lächelte für einen Moment.

»Vielleicht ist das ihr Ferienhaus. Darum würde ich sagen: Holland.«

Die Gruppe stieg aus und Antonio spürte Gras an seinen Füßen. Das Gras war grün, fühlte sich jedoch merkwürdig an. Es bewegte sich selbstständig. Während die Menschen sich noch umsahen, ging die Alien-Frau voraus und aktivierte eine Konsole an der Wand. Kurz darauf fiel Antonio erst der gekennzeichnete Bereich an der Seite auf. Ein Sechseck mit einem Durchmesser von etwa drei Metern, auf dem eine große Sitzbank ohne Rückenlehne stand, war umgeben von einer Art Abflusssystem. Von der Decke regnete es große Tropfen.

»Das ist wohl ihr Badezimmer«, vermutete der Student.

»Eine Dusche direkt draußen??«

»Vielleicht haben sie nicht so ein Schamgefühl wie wir das kennen.«

Antonio ging voraus und blieb kurz vor der überdimensionalen Dusche stehen. Die Tropfen waren wirklich ungewöhnlich groß. Schließlich trat er drunter und streckte die Arme aus.

»Und?«, fragte das Mädchen. Antonio entspannte sich sofort am ganzen Körper.

»Es fühlt sich toll an«, sagte er. »Eine richtige Regendusche.«

Ihre beiden Retter ließen sie einen Moment allein und gingen durch eine Tür in das Innere des Gebäudes. Die Menschen setzten sich Rücken an Rücken auf die Bank und ließen sich berieseln. Antonio verdeckte sich nicht einmal mehr und atmete nur entspannt durch. Als er zu Seite sah, und Serenas Hände bemerkte, mit denen sie sich auf der Bank abstützte, wusste er, dass sie sich auch nicht mehr bedeckte und es genoss.

»Ich könnte den ganzen Tag hier sitzen«, seufzte sie.

»Es ist himmlisch. Ich glaube die Tropfen sind so groß, weil sie mit direkt mit so etwas Seife gefüllt sind. So brauchen sie nicht einmal Duschzeug.«

»Das fühlt sich so toll an …« Einen Moment schwiegen sie wieder. Dann wiederholte Serena ihre Frage von eben. »Ich würde nur gerne wissen, wo wir sind.«

»Eine andere Welt …«, murmelte der Student. »Wer weiß, ob es die Erde noch gibt.«

»Die ist mir egal!«

»Warum denn das?«

»Ich habe kaum Freunde, meine Eltern hassen mich und mein Leben war einfach Kacke.«

Der junge Mann atmete tief durch. Mit jedem Atemzug geriet er in eine tiefere Entspannung. »Mein Leben war eigentlich ganz okay. Ich hatte Freunde, gute Noten in der Uni …«

»Was für Nerd-Kram hast du studiert?«, unterbrach sie ihn.

»Informatik.«

»War ja klar.«

»Mir hat immer nur eine Sache gefehlt ...«

Antonio bekam mit, dass das Mädchen sich etwas umdrehte und einen Blick zu ihm über die Schulter warf. Der Student drehte den Kopf zu ihr und sah zuerst auf ihren Rücken und dann auf ihre Hand auf der Bank.

»Als ich so alt war wie du habe ich mich verliebt. Dann habe ich mich vier Jahre lang nicht getraut, sie anzusprechen. Schließlich trennten sich nach dem Abitur unsere Wege und sie begann eine Beziehung mit jemand anderem. Mich hat sie immer vollkommen ignoriert. Vor allem, weil ich gemobbt wurde. Sie wollte wohl nicht selber ins Visier geraten und hat schließlich sogar mitgemacht. Kurz gesagt: Ich war immer allein.«

»Was `ne Bitch«, merkte die Teenagerin an. »Ich wurde auch gemobbt. Heute werfen mir alle vor, dass ich Aggressionsprobleme hätte, weil ich Mobber verprügel. Aber ich finde, die haben es nicht anders verdient.«

Antonio musste lächeln.

»Hätte ich deinen Mut gehabt …«

»Zuschlagen und rummachen ist das gleiche«, erklärte Serena. »Also so vom sich-trauen her. Verstehst du?«

Der junge Mann runzelte die Stirn. »Wow! Ich spüre, wie mich diese Weisheit überkommt. Als Training, um meine Ängste zu überwinden, hätte ich sie einfach verprügeln sollen.«

»Hättest du! Besser als mit der Schlampe rumzumachen. Du verdienst etwas besseres.«

In dem Moment öffnete sich die Tür zum Innenraum. Antonio, der zu der Tür hinsaß, verdeckte sich sofort wieder mit den Händen. Die Alien-Frau trat hinaus und kam langsam auf sie zu. Kurz vor der Abflussrille blieb sie stehen.

»Was macht sie da?«, fragte Serena, die sich soweit umgedreht hatte, dass sie sie sehen konnte, sich selbst aber auch wieder eine Brust verdecken musste. Neugierig sah der Student dem Alien zu. Die Fremde fasste an ihren Rücken und schien dort den silbernen Overall zu öffnen.

»Vielleicht will sie sich zu uns setzen?«

»Okay! Wow!«, sagte das Mädchen aufgeregt. »Ganz ehrlich? Ich bin total neugierig, wie die Aliens komplett aussehen. Wollen wir wetten?«

»Wetten? Meinst du die haben drei Brüste?« Oh Gott, diese Vorstellung fand der Student eher abstoßend.

»Vielleicht. Ich wette, die haben Schwimmhäute.«

»Wie kommst du darauf?«

Serena zuckte mit den Schultern. Sie drehte sich soweit um, dass ihre Rücken sich berührten. Die Fremde schien indessen an ihrem Rücken eine Art Reißverschluss geöffnet zu haben. Sie strich sich das seidene Material ihres Overalls hinunter, zog die Arme aus und entblößte nach und nach ihren Oberkörper. Ihre Haut war schneeweiß und frei von jeglichen Unreinheiten. Ihre Arme waren etwas dünner als bei Menschen. Die Unterarme schienen etwa 10cm zu lang und die Hände ein wenig klein. Als Antonio und Serena ihren Busen sehen konnten, klappte beiden die Kinnlade hinunter. Sie hatte unheimlich perfekt geformte große Brüste mit orangenen Nippeln. Die Alien-Frau wirkte auf der einen Seite so befremdlich, Antonio fand sie auf der anderen Seite aber unheimlich hübsch. Die Fremde schien gar keinen Bedarf zu haben, sich zu bedecken. Die Menschen betrachteten sie weiter neugierig, während sie den Overall weiter nach unten streifte. Ihr Bauchnabel war irgendwie vertikal lang gezogen. Sie hatte eine schmale Taille und ein breites Becken. Als sie nackt einen Schritt auf sie zu machte, konnte die Teenagerin sich einen Kommentar wohl nicht verkneifen.

»Okay, da unten sieht sie aus wie ein ganz normale Frau.«

Antonio konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, als sie sich ihm näherte und sich dann ganz nah neben ihn setzte, so dass sich ihre Oberschenkel berührten. Schwimmhäute hatte sie nicht. Ihre Hände und Füße sahen recht menschlich aus. Nur ihre Fingernägel waren pechschwarz und etwas lang.

»D-danke dass ihr uns gerettet habt …«, stotterte der Student unbeholfen und sah an sich selbst herunter. Er war recht dünn, hatte durch das Fitnessstudio in seiner Uni, welches er kostenlos mitbenutzen durfte, einige Muskeln und ein leichtes Sixpack. Ob sie ihn auch gutaussehend finden konnte? Sie wussten noch immer nichts über dieses Volk. Welche Vorlieben hatten sie? Verliebten sie sich so wie die Menschen oder war ihnen dieses Konzept völlig fremd? Die Alien-Frau drehte langsam ihren Kopf zu ihm und sah ihm direkt in die Augen, während er auf ihre orangenen Lippen sah.

Der junge Mann nahm einen tiefen Atemzug, als sie ihm durch das lange nasse Haar fuhr. Neugierig spielte sie mit einzelnen Strähnen. Antonio tat es ihr gleich und berührte ihr Haar mit seinen Händen. Dabei hörte er auf, sich zu verdecken. Sie hatte sowieso alles gesehen und Serena saß mit dem Rücken zu ihm, auch wenn sie sich so weit gedreht hatte, dass sie den Alien beobachten konnte.

»Wow …«, staunte der Student, als seine Hände durch ihre Haarsträhnen fuhren. »Ihre Haare bestehen nicht aus einzelnen … Tüchern … wenn dass das richtige Wort ist. Es sind Strähnen mit unheimlich feinen Härchen, die nur so aussehen, als würden sie zusammengehören.«

»Wie fühlen sie sich an?«, fragte Serena neugierig.

»Unheimlich weich …«

Serena kreuzte die Beine übereinander und streckte die rechte Hand auch zu ihren Haaren aus, während sie mit der Linken weiter ihre Brüste verdeckte. Etwas grober und forscher als Antonio strich sie durch die Haare der Alien-Frau. Diese drehte sich indessen etwas zu ihr und spielte nun mit den langen Haaren der Teenagerin. Dabei war sie ganz vorsichtig und sanft.

»Sie ist genau so neugierig wie wir«, vermutete der Student.

»Wir sind für sie genau so fremd wie sie für uns.«

Obwohl es große Tropfen von oben regnete, waren die Haare der Fremden überhaupt nicht nass, als wären sie im Gegensatz zu Menschenhaaren wasserabweisend. Die Frau ließ von Serenas Haaren wieder ab und fühlte nun sanft über Antonios Brust und Rücken. Ihre Finger ertasteten seine Haut, seine Muskeln und seine Form. Dabei kam sie ihm noch näher. Der junge Mann wusste nicht, warum er das tat oder sich so zu ihr hingezogen fühlte, aber als er sich ihrem Gesicht nur wenige Millimeter näherte … und sie ihm dazu auch noch entgegenkam … schlug sein Herz ganz laut. Als sie sich so nahe waren, dass ihre Nasenspitzen sich berührten und das warme Wasser auf ihren Gesichtern entlang floss, schloss die Alien-Frau ihre schwarzen Augen und sie küssten sich.

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