Читать книгу My Soul in Your Hands - Kristin Ullmann - Страница 9

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Nachdem ich von Dee und Dum Abschied genommen hatte, reichte Hettie mir einen ledernen Beutel mit Proviant für mehrere Tage und genug Heiltränken, um eine Armee damit zusammenflicken zu können. Okay, gut. Eine kleine Armee – bestehend aus fünf Wondies.

»Mehr haben wir leider nicht vorrätig. Bay muss erst wieder Nachschub brauen.« Ein missglücktes Lächeln schlich sich um ihre Mundpartie.

Xander fiel seinem Sohn um den Hals und drückte ihn fest an sich.

»Vater … Luft!«, protestierte Al mit wild rudernden Armen.

Hettie musterte mich. »Du warst schon immer stark. Aber das, was du in den letzten Monaten ertragen musstest, sollte niemand in deinem Alter durchmachen. Du bist doch noch ein Kind.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie ließ sie weit offen, wohl damit sie nicht in Sturzbächen ihre Wangen hinunterrannen. »Du weißt, dass ich dir keine Schuld an dem Tod meiner Schwester gebe, oder?«

Ich nickte. »Natürlich. Deine erste Reaktion war dem Schock zuzuschreiben.«

Dann umklammerte sie mich und erdrückte mich ebenfalls, so wie es Xander immer noch mit Al tat. Schließlich entfernten sich die Erwachsenen einen Schritt von uns.

»Wir sehen uns bald wieder. Derweilen halten wir hier alles aufrecht«, sagte Xander und Hettie stimmte ihm stumm zu.

»Ihr könnt gar nicht so schnell schauen, dann sind wir wieder hier«, meinte Al, obwohl er selbst nicht ganz davon überzeugt zu sein schien.

»Al, geh doch schon mal vor. Ich komme gleich nach.«

Er folgte meiner Bitte und verschwand durch den kleinen Geheimgang.

»Xander, auf ein Wort. Mum, kannst du Mads suchen, damit ich mich von ihr verabschieden kann?«

Natürlich wusste ich, dass Het sie nicht finden würde, da meine Schwester sich bereits in dem Raum versteckte, um hinter dem Rücken unserer Mutter Al und mich zu begleiten.

Als Hettie außer Hörweite war, zog ich Ice näher an mich. Meine Mutter und die Schattenbrüder wussten zwar Bescheid über das, was ich mit Ice zu besprechen hatte. Aber die Wände hier unten hallten und ich wollte nicht riskieren, dass jemand lauschte, für dessen Ohren die Unterhaltung nicht bestimmt war.

»Was ist?«, fragte er misstrauisch.

Er verlagerte sein Gewicht erst auf das eine, dann auf das andere Bein. So wie es sein Sohn immer tat, wenn er nervös war.

»Wie viel Zeit hat Al noch?«

Xander wusste genau, dass ich auf Als Fluch anspielte, das erkannte ich an dem Aufblitzen seiner Iriden.

Sollte White an Als achtzehnten Geburtstag noch der Herrscher über Mirror sein, dann würde seine verstorbene Mutter ihn zu sich holen. Und ich wusste nicht, was schlimmer war: Dass es unmöglich erschien, White in naher Zukunft zu stürzen, oder dass Xander seinem Sohn gegenüber verschwieg, was für ein Schicksal ihn bald ereilen könnte.

Er stand vor mir und starrte betreten zu Boden. »Etwa ein Monat«, sagte er knapp. »Vielleicht …«

Sein Blick hob sich und etwas in ihm schien ihm neue Kraft zu geben. Er wirkte angespannt. Regelrecht verbissen.

»Xander? Was ist?«

»Zeit. Das ist es, was wir brauchen. Was Al braucht.«

Ich legte den Kopf schief.

»Ihr brecht auf, um Hearts Zeit zurückzuholen. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, auch Al welche zu verschaffen«, fuhr er fort.

»Ich glaube kaum, dass wir … wie auch immer … Zeit aus dem toten Wonderland in das der Lebenden bringen können.«

Er packte mich an den Oberarmen. »Sollte sich eine Möglichkeit bieten, dann verschaffe ihm mehr Zeit. Versprich es mir. Bitte«, flehte er, allerdings immer noch leise genug, dass es niemand sonst mitbekommen konnte.

»Das werde ich tun, sollte es möglich sein. Aber beiß dich nicht daran fest.« Ich brachte wieder Abstand zwischen uns. »Und sei mir nicht böse, wenn etwas passiert und ich dein Geheimnis nicht mehr wahren kann.«

Still nickte er.

Ich deutete auf den Geheimeingang hinter mir. »Langsam sollte ich mal zu den anderen.«

Überraschenderweise nahm er mich in die Arme. »Bis bald, Hülle.«

Ich lachte, denn ich wusste, dass er die Situation damit nur auflockern wollte. »Wir sehen uns, Ice.«

Den Weg zu dem versteckten Raum nutzte ich, um ein paar ruhige Sekunden für mich zu haben. Ich atmete bewusst ein und aus. Ein und aus.

In Hearts ehemaligen Experimentzimmer angekommen, runzelte ich die Stirn. Gen, Eve, Humpty und Hopp unterhielten sich mit Lewis. Ich hatte nicht erwartet, die Verrückten hier zu treffen. Gil und Al standen direkt vor dem Spiegel, in dem die Königin schon auffallend ungeduldig wartete.

»Pünktlichkeit war noch nie deine Stärke«, fauchte Heart.

Ich warf ihr einen Blick zu, der sagen sollte: »Was denkst du, wer du bist? Du bist tot und hast keine Macht mehr über mich.«

Aber insgeheim wusste ich, dass wir ohne sie nicht an die Seelenessenzen kamen. Sie hatte nach wie vor Macht über uns. Gil unterbrach sein Gespräch mit Al und wandte sich mir zu.

»Kätzchen«, sagte er.

»Katze«, meinte Bay fast synchron, der hinter Gil zum Vorschein kam.

Unwillkürlich musste ich lachen. Innerlich freute ich mich, dass Gil mich Kätzchen genannt hatte. Viel zu lange hatte ich diesen Spitznamen nicht mehr aus seinem Mund gehört.

Bay trat an mich heran. »Das garstige Weib weigert sich, mit uns zu reden. Tut mir leid. Ich hätte gerne noch etwas für dich herausbekommen.«

»Danke für den Versuch«, sagte ich.

»Ich würde euch gerne unterstützen, jedoch werden meine magischen Finger hier gebraucht.« Zur Untermalung seiner Worte schnipste er und Funken sprühten empor. »Dafür kann ich euch aber Hilfe mitgeben.«

Instinktiv sah ich zu den Verrückten. »Oh, das ist nicht –«

»Die Chaoten doch nicht«, unterbrach er mich sogleich. Dann öffnete er sein türkis getupftes Jackett, das auf seine Haarfarbe abgestimmt war, griff in die Innentasche und beförderte eine spitznasige Maus heraus. »Nehmt Mally mit.«

»M…Mally?«, stotterte ich, als ich in die tausend kleinen Augen im Gesicht der Miniaturausgabe seiner Haselmaus blickte.

Ich kannte Mally schließlich nur als Monster, das uns um einige Meter überragte, riesige Zähne besaß und ein Problem damit hatte, den ekeligen Schleim in seinem Maul zu behalten.

Bay reckte mir seine Faust mit ihr entgegen. Wenn er noch fester drückte, war’s das mit der Haselmaus.

»Es kommt nicht immer auf die Größe an.« Er zwinkerte mir schelmisch zu.

Ich beugte mich zu den beiden hinunter und betrachtete das graue Tierchen genauer. Mini-Mally fletschte wie zur Begrüßung die spitzen Zähne.

»Na, nimm sie. Sie macht es sich schon bequem.«

Bay drückte sie mir förmlich in die Hand. Mally blieb dort allerdings nicht lange. Sie befreite sich aus meinem lockeren Griff, kletterte an mir hinauf und machte es sich auf meiner Schulter gemütlich.

»Kein Katz-und-Maus-Spiel, ja?« Bay gluckste.

Ich verdrehte die Augen. »Und wie geh ich sicher, dass sich das Ding nicht auf mir wieder in ein Monstrum verwandelt?«

Nun war es Bay, der die Augen verdrehte. »Trau meinem Mäuschen bitte etwas Anstand zu.« Mit diesen Worten war für ihn das Thema anscheinend erledigt, denn das kleine Männchen verließ den Raum.

Ich hatte nicht viel Zeit, ihm perplex hinterherzusehen, da trat auch schon Gil an seine Stelle. Er beäugte Mally auf meiner Schulter kritisch und schnaubte.

»Verrückt.« Als er mich richtig musterte und nicht an mir vorbeisah, so wie er es die letzten Wochen viel zu oft getan hatte, wurde sein Gesichtsausdruck minimal weicher. »Ich weiß es sehr zu schätzen, was ihr tut. Passt auf euch auf.« Er räusperte sich. »Pass auf dich auf, Kätzchen.«

»Werde ich«, erwiderte ich steifer als gewollt.

Ob es an Mallys winzigen Krallen in meinem Schultermuskel lag oder daran, dass ich Gil sein Verhalten der letzten Wochen übelnahm, wusste ich nicht. Wehmut schlich sich in seine Miene. Wünschte er sich auch die Vergangenheit zurück? In seinem Blick lagen so unendlich viele Worte, die er nicht aussprach.

Rede mit mir, Gil. Rede mit mir!

Er seufzte und nahm meine Hände in seine. »Cat. Ich wollte dir –«

»Sohn!«, rief Heart und Gil drehte sich erschrocken dem Spiegel zu. »Geh und spiel König. Wir haben nicht viel Zeit.«

Diese verdammte –

»Jetzt bekommt sie plötzlich doch den Mund auf«, säuselte Gil.

Dann umarmte er mich kurz, viel zu kurz, und verließ uns ebenfalls. Genervt ging ich zu Al, reichte ihm den Beutel, den Hettie für uns gepackt hatte, und schaute in die Runde.

»Wir brechen auf«, verkündete ich.

»Was hast du da auf der Schulter?«, fragte Al leise.

»Mally«, antwortet ich knapp und reichte Lewis unbeholfen die Hand, als ich mich von ihm verabschiedete. »Wenn ich wieder zurück bin, werden wir uns Zeit nehmen und ein richtiges Vater-Tochter-Gespräch führen«, meinte ich und er schmunzelte.

»Aus dem Weg, Rumpelstilzchen«, hörte ich Gen sagen.

Dann standen sie, Eve, Humpty und Hopp vor uns.

»Tschüssikowski!«, schrie das Karnickel mit klappernden Zähnen.

Die anderen schlossen sich ihm an und verabschiedeten sich ebenfalls.

»Ja … ähm. Bis später …«, erwiderte Al.

»… irgendwann«, fügte ich hinzu und wir wandten uns dem Portal ins Totenreich zu.

Heart seufzte. »Ich wäre fast eingeschlafen, ihr Trottel.«

Al und ich warfen uns einen vielsagenden Blick zu.

»Steigt nacheinander durch den Spiegel«, wies uns die tote Königin verärgert an und trat aus dem Weg, sodass ich sie nicht mehr im Spiegelbild erkennen konnte. »Na, Hopp!«

Das vermenschlichte Kaninchen spitzte die Ohren. »Hopp?«

»Nicht du, mein Freund«, flüsterte Humpty.

Ich ignorierte die Verrückten und konzentrierte mich auf eine Möglichkeit, elegant an den Spiegel heranzukommen. Da er sich auf Augenhöhe über einem Kaminsims befand, ging ich in die Hocke und verschränkte meine Finger.

»Räuberleiter. Al, geh du zuerst.«

Daraufhin trat er selbstsicher auf meine Hände und ich hievte ihn mit purer Muskelkraft nach oben. Und so verschwand Al Ice hinter dem Spiegel. Aus dem Augenwinkel erkannte ich, wie sich einer der durchlöcherten Vorhänge bewegte.

»Komm, Mad«, forderte ich meine Schwester auf, die sofort aus ihrem Versteck huschte.

Den anderen standen die Münder offen.

»Nein, Hettie weiß nichts davon. Ja, ihr solltet ihr gegenüber die Klappe halten«, sagte ich streng, während Mad sich ebenfalls von mir nach oben stemmen ließ.

Dabei verlor sie allerdings das Gleichgewicht und fasste nach dem Rahmen. Die Verrückten und Lewis eilten zu uns und streckten vergebens ihre Hände nach ihr aus.

Bewegungsunfähig beobachtete ich Mad, die in Zeitlupe mitsamt dem Spiegel auf uns zurückkippte.

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