Читать книгу Götterglaube - Kristina Licht - Страница 14
7. katz und maus
ОглавлениеEs ist gleich, wie schnell wir zu rennen vermögen, wie gut wir zu kämpfen glauben, wie gründlich wir unsere Spuren verwischen. Sie werden uns stets finden, auslöschen wie Ungeziefer, als haben sie beschlossen, dass die Ewigkeit uns die Menschlichkeit nahm. Als wenn das fremde Blut unser Herz verunreinte, die Wahrheit uns als unwürdig kennzeichnete. Wie Eva, die die Frucht der Erkenntnis aß und Gottes Gunst verlor. Als sei Erkenntnis die einzige Sünde, für die man keine Vergebung bekommt.
- aus dem Schwarzen Buch der Verfluchten -
Sich ein neues Leben aufzubauen, war hart, aber machbar. Frühmorgens starrte ich an die modrige Decke eines billigen Hostels und traute mich nicht, die Augen zu schließen, aus Angst, dass mich im Schlaf jemand fände. Nachts arbeitete ich unter falschem Namen in einem Club und bekam das Geld direkt auf die Hand. Tagsüber versuchte ich, den versäumten Schlaf nachzuholen oder mich durchs Lernen für mein Studium von meinen Zweifeln abzulenken. Zum Glück gab es die meisten Vorlesungen und Skripte online, sodass ich sie auf mein Handy ziehen konnte.
Eine Woche nach meiner Flucht lebte ich tatsächlich die Illusion, dass ich nicht mehr gefunden werden würde. Dass mein Abenteuer mit Ewan, Falk und den Gesandten vorbei war. Ich war entkommen. Ich hatte ein neues Kapitel aufgeschlagen. Doch zu welchem Preis?
»Kommst du für fünfzig Mäuse mit auf die Toilette?«, brüllte der Mann gegen die Musik an. Ich gab mir Mühe, bei dem Angebot nicht die geschminkten Lippen zu verziehen. So geschmacklos seine Wortwahl auch war – es war definitiv nicht der schlimmste Vorschlag heute Nacht.
Das hier war nicht das Leben, das ich wollte. Doch es war eine Übergangslösung, bis ich genug Geld zusammen hatte, um mir eine Wohnung und einen langweiligen Job bei Tageslicht zu leisten.
Ich stellte mich auf Zehenspitzen, um seinem Ohr näher zu kommen. »Ich verkaufe Drinks, Gras und Pillen. Nicht meinen Körper.«
Als ich zurück auf die Fußballen sank, glitt sein Blick über mein knappes Outfit. Er wirkte nachdenklich – und er war nicht einmal hässlich. Trotzdem verspürte ich nicht den geringsten Hauch an Interesse.
»Schade, ich hätte auch mehr als fünfzig für dich geboten.«
Früher hätte das unmoralische Angebot mein Herz höherschlagen lassen, heute blieb es taub in meiner Brust. Es hatte seine Gründe gehabt, weshalb ich meine Vergangenheit hinter mir lassen wollte, weshalb ich keinem Kick mehr hinterherjagen wollte – und nach all der Mühe, die ich mir bei der Flucht davor gegeben hatte, stand ich doch wieder hier. Ich hatte versagt. Meine Vergangenheit hatte mich eingeholt.
Ruckartig drehte ich mich um, stellte das Tablett mit den Pinnchen auf einem runden Stehtisch ab, nahm beide Gläser in die Hand und reichte dem Fremden eines davon. Ich wollte meinem Versagen zumindest nicht nüchtern gegenüberstehen.
»Zehn!«, rief ich dem Fremden entgegen und hob das Pinnchen in die Luft. Zehn Mäuse. Es war schon praktisch, fürs Trinken bezahlt zu werden. Der junge Mann nickte und wir stürzten den Alkohol gleichzeitig hinunter. Meine Kehle brannte und ich kniff kurz die Augen zusammen.
»Dreißig dafür?«, fragte er und zog mich plötzlich an sich heran.
»Ich hab’ gesagt, nicht meinen Kör…« Seine warmen Hände streiften meine nackte Taille und ich verstummte. Stattdessen nickte ich benommen und der Mann senkte seinen Kopf zu mir herunter. Das Wummern der Bässe drang durch jede Pore meines Körpers, doch die Aufregung blieb aus. Ich fühlte mich leer und wusste nicht warum. Als ich mich von dem fremden Mann küssen ließ, drehte sich alles in meinem Kopf.
»Kommst du nun für zweihundert mit?«, raunte er in mein Ohr.
Seine Hartnäckigkeit irritierte mich. Ich hatte dem Clubbesitzer klargemacht, dass ich mich nicht prostituieren würde. Ich wurde für den Spaß der Gäste bezahlt, der von euphorisierenden Substanzen bis hin zu kleinen Spielereien ging: es gab Männer, die mich fürs Tanzen bezahlten, gestern hatte mir eine Frau Geld dafür gegeben, dass ich ihre lesbische Freundin spielte.
»Kein Sex«, stellte ich klar.
Er stöhnte frustriert und sein warmer Atem streifte meine Wange. »Was krieg ich dann für zweihundert geboten?«
Da die Musik gerade zwischen zwei Liedern verstummte, bekam die Frage bestimmt jeder in der Umgebung mit. Ich schluckte meine Nervosität hinunter. Dieses Gefühl kam nicht durch die Aussicht, diesem Fremden näher zu kommen, sondern durch meine plötzliche Entscheidung, etwas zu verändern: meiner Taubheit den Kampf anzusagen. Ich wollte wieder etwas fühlen.
»Komm mit, dann zeige ich es dir«, antwortete ich und nahm den Fremden bei der Hand. Allein die Möglichkeiten, die sich mir offenlegten, ließen mein Herz endlich höherschlagen. Ich hatte die Kontrolle, spürte die volle Ladung Adrenalin, ohne dabei in Lebensgefahr zu schweben.
Ich brauche dich nicht, Ewan.
Ich zog ihn in den Gang, der zu den Toiletten führte. Hier war kaum etwas los, die Musik war leiser und ein Pärchen knutschte in einer der dunklen Ecken. Die letzten Nächte hatte mich nichts dazu hinreißen können, mich fallen zu lassen, doch heute brauchte ich es. Ich war endlich bereit, Ewan und Falk zu vergessen. Ihre Blicke, ihre Berührungen, ihre Geheimnisse. Alles von ihnen wollte ich vergessen.
Ich drückte den jungen Mann gegen die Wand und fing seinen Blick mit meinem auf, während ich begann, meine Bluse aufzuknöpfen. Langsam, einen Knopf nach dem anderen.
Wie erwartet, konnte der Mann den Blickkontakt nicht lange halten. Ich beobachtete, wie er mich beobachtete, oder besser gesagt meine Finger. Ich zog den Stoff ein wenig beiseite, um ihn durch die Rundungen meiner Brüste heiß zu machen. Ihn wahnsinnig zu machen. Das war alles, was ich im Sinn hatte. Ein wenig mit ihm zu spielen, um nur ein paar Sekunden länger mein lautes Herzpochen zu genießen und alles andere zu vergessen. Ich genoss die Gier, welche in seinem dunklen Blick flackerte, und das Gefühl von Kontrolle.
Bis mich plötzlich jemand so heftig zur Seite schubste, dass mir die Luft wegblieb.
»Dein Ernst, Andy?«, schrie eine Frauenstimme.
Statt lüsternem Begehren breitete sich in dem Gesicht des Mannes nun sprachloses Entsetzen aus.
»Du betrügst mich?«, brüllte die Frau, die mich weggeschubst hatte.
Oh, oh.
Hastig knöpfte ich ein paar der Knöpfe wieder zu und schaute zwischen den beiden hin und her. Ich hätte etwas sagen können, um die Wogen zu glätten, entschied mich aber dafür, still und heimlich im angrenzenden WC zu verschwinden. Sollten die beiden das ruhig allein klären. Auch wenn das bedeutete, dass ich von dem Typen heute kein Geld mehr sehen würde. Verdammt.
Ich spritzte mir etwas Wasser ins Gesicht, zog meinen Lippenstift nach und ging erst wieder raus, als ich sicher war, dass Andy und seine Freundin nicht mehr vor der Tür stehen würden.
Kaum trat ich hinaus auf den dunklen, lauten Flur, zog mich jemand zur Seite und presste eine kräftige Hand auf meinen Mund. Der Schrei blieb in meiner Kehle stecken, während ich die Luft anhielt und betete, dass es nicht Ewan oder Falk war. Sie durften mich nicht gefunden haben. Sie konnten nicht.
»Die nuttig roten Lippen passen zu deinem neuen Job«, raunte mir eine vertraute Stimme ins Ohr. Ein Frösteln rieselte durch meinen Körper, eine Gänsehaut überzog meine nackten Arme. Nein! Augenblicklich schoss mein Puls in die Höhe und alles an Gefühlen, was ich in den letzten Tagen verloren geglaubt hatte, fegte durch mich hindurch wie ein tosender Sturm.
Ich spannte die Muskeln an und stieß meinen Ellenbogen schonungslos nach hinten in Ewans Magen. Tatsächlich lockerte er für eine Sekunde seinen Griff und ich konnte mich aus der Umklammerung befreien. Wütend wirbelte ich herum und schaute in sein perfektes Gesicht. In ein stechend dunkles, atemberaubendes Augenpaar.
»Das ist nicht rot, sondern bordeaux, du Arschloch«, fauchte ich und holte tief Luft. Auf eine Antwort wartete ich nicht. Ich machte auf dem Absatz kehrt und wollte wegrennen, doch Ewan griff mein Handgelenk. Unsanft wurde ich zurückgezerrt.
»Lass mich los!«, zischte ich und verengte die Augen zu Schlitzen. Wie hatte er mich hier bloß finden können?
»Für was wirst du alles bezahlt?«, fragte er dunkel. »Gras, Pillen, deine Titten. Strippst du auch? Oder bläst?«
Ich versuchte, ruhig zu bleiben. Von ihm würde ich mich nicht mehr provozieren lassen. Ich war seine verbalen Schläge gewöhnt. »Neidisch, weil du meine Titten noch nicht gesehen hast?«
Ewans Nasenflügel blähten sich auf. Sein Kiefer zuckte.
Ich hob einen Mundwinkel. »Für hundert Mäuse siehst du sie.«
Er schwieg – als suche er nach einer geeigneten Antwort. Aber ich hatte Neuigkeiten für ihn. Keine Antwort würde ihm das geben, was er wollte: Kontrolle über mich.
»Blasen tue ich nur für hübsche Männer mit hübschen Schwänzen«, fuhr ich unbeirrt fort. »Für zweihundert. Oder ist das zu wenig? Mist, glaubst du, der Kerl vor ’ner Stunde hat mich abgezogen?«
Ewans Gesicht wurde blass. Er versuchte, aus meinem letzten Satz schlau zu werden, überlegte, ob ich es ernst meinte. Ich wusste, was er dachte. Und das fühlte sich verdammt gut an.
»Und jetzt stiehl mir nicht meine Zeit, wenn du nicht bezahlen willst. Eine Nutte – so hast du mich doch genannt, oder? – sollte ihre Zeit nicht mit dir verschwenden.« Mit voller Wucht entriss ich ihm mein Handgelenk und hechtete aus seiner Reichweite.
Als ich das Ende des verlassenen Ganges erreicht, mich zwischen mehrere Menschen gemischt hatte und die dröhnenden Bässe und die flackernden Lichter mich wieder empfingen, fühlte ich mich ein Stück sicherer. Trotzdem musste ich hier weg, um nicht erneut von ihm geschnappt zu werden. Andererseits … Vermutlich dachte er sich bereits, dass ich hier rauswollte. Er würde mich also am Ausgang abfangen und in sein Auto zerren können. Ich musste auf andere Weise untertauchen.
Mein Blick glitt suchend durch die Menge, die sich auf der Tanzfläche aneinanderdrängte. Würde ich zwischen all den Leuten auffallen? Ich schob mich bis in den Mittelpunkt hinein, passte meine Bewegungen dem Rhythmus der Musik an und hoffte, dass mein Plan aufging. Ewan musste einfach denken, dass ich rausstürmen würde. Also blieb ich hier und tat das Gegenteil von dem, was mein Fluchtinstinkt mir riet.
Ich blickte all den fremden Gesichtern entgegen, die von den flackernden bunten Lichtern erleuchtet wurden und die sich teilweise mit geschlossenen Augen der Musik hingaben. Andere wiederum sahen sich suchend um, als hätten sie den Grund für ihren Besuch hier noch nicht entdeckt, als lauere er irgendwo zwischen all den namenslosen Menschen.
Ich atmete tief aus und schloss für einen Moment die Augen. Ewans Auftauchen hatte mich so sehr aufgewühlt, dass mein Körper unkontrolliert zitterte. Die ersten Tage hatte ich noch damit gerechnet, dass er auftauchte, hatte ihn an jeder Ecke gesehen – doch heute hatte ich mich sicher gefühlt.
Ein Gefühl, von dem ich nicht mehr wusste, ob es mir jemals wieder vergönnt sein würde.
Ich ließ mich von den Bässen tragen, fühlte mich wie auf Wolken, während ich mit geschlossenen Augen nach einem Ruhepol in meinem Körper suchte. Ich musste überlegen, wie es jetzt weiterging. Sollte ich meine Sachen aus dem Hotelzimmer packen und den Zug in die nächste Stadt nehmen?
Warme Arme umschlossen von hinten meine Taille und ich ließ mich gegen den Fremden sinken, der sich mit mir zum Takt der Musik bewegte. Es war paradox, dass Fremde mir mehr Sicherheit boten als alles Bekannte.
»Nur so kommt man an dich ran, oder?«, erklang eine raue Stimme hinter mir.
Diese Stimme gehörte keinem Fremden. Ich hielt den Atem an und riss die Augen auf.
»Du hörst mir jetzt zu«, sprach Ewan ganz dicht an meinem Ohr. Seine Hände ruhten noch immer an meinen Hüften, über dem Bund meiner Hose, wo ein Streifen nackter Haut offen lag. Rau, warm und groß fühlten sich seine Handflächen an, und ich versuchte verzweifelt zu atmen. Mein Magen verknotete sich unter dieser intimen Berührung. Sie fühlte sich so viel intensiver an als die Hände von diesem Andy.
»Ich dachte, wir hätten das Katz- und Mausspiel schon lange hinter uns«, fuhr Ewan fort, als ich immer noch keinen Ton herausbrachte. Nicht einmal umdrehen konnte ich mich, weil seine Nähe mich lähmte. Und weil ich ihn aus irgendeinem Grund nicht ansehen wollte. Ich beschloss, dass ich ihm lieber zuhörte, während er hinter mir stand. Während all die Leute um uns herum tanzten und niemand Notiz von uns beiden nahm.
»Du wirst jetzt mitkommen, in meinen Wagen steigen und zurück zu Milan fahren.«
Mit diesem Vorschlag hatte ich bereits gerechnet. Ich stieß langsam die Luft aus. Sollte ich erneut versuchen zu fliehen? Ich wusste, dass ich schon zu lange davonlief. Vor Ewan, vor den Gesandten und vor Falk. Und jedes Mal wurde ich gefunden. Jetzt erneut davonzurennen, würde mir in meiner Situation nicht helfen. Ich musste mich ihr endlich stellen. Mit allen Konsequenzen und mit allen dazugehörigen Parametern. Wie zum Beispiel Falk. Er war Teil des Problems, welches ich in Angriff nehmen sollte, anstatt es zu meiden.
»Wo ist Falk?«, fragte ich deshalb mit erhobener Stimme, damit Ewan mich über die Lautstärke hinweg verstand.
Ich spürte ihn an meinen Haaren ausatmen. »Der ist nicht bei mir. Auch nicht bei Milan.«
Irritiert runzelte ich die Stirn. Wo war er dann? Ich drehte mich endlich zu Ewan um, und da er auf tanzendes Pärchen machte, schlang ich die Arme um seinen Hals. Ausdruckslos starrte er auf mich herunter, meinem Gesicht so nah, dass unsere Nasenspitzen sich beinahe berührten.
Ich wusste, dass ihm diese Nähe missfiel, umso schadenfroher stimmte sie mich. Ein wenig nervös machte sie mich aber auch.
»Du bleibst also dabei, dass es uns nur im Doppelpack gibt?«, fragte ich.
Er schnaubte. »Wenn du mal aufhören würdest, dauernd durch das halbe Land vor mir zu fliehen.«
»Nächstes Mal fliehe ich in ein anderes Land. Was hältst du davon?« Bei dem Gedanken musste ich tatsächlich grinsen. Als ich so vor ihm stand, wurde mir bewusst, dass ich gar keine Angst vor ihm hatte. Höchstens vor den Gefühlen, die er in mir auslöste. War meine ganze Panik in der vergangenen Woche einzig auf Falk zurückzuführen? Der Gedanke gefiel mir noch weniger. Dieser blonde verlogene Milchbubi durfte keine solche Macht über mich haben.
Ewan nahm seine Hände von mir und trat einen Schritt zurück. Vermutlich hatte dieser verschlossene Mann jetzt seinen ganzen Jahresvorrat an Nähe aufgebraucht. Bevor ich noch etwas erwidern konnte, griff er mein Handgelenk und zog mich durch die Menge in Richtung Ausgang.
»Hey, ich muss noch meine Jacke und meine Tasche holen!«, rief ich und versuchte, ihm meine Hand zu entreißen. Vergebliche Lebensmüh. In seinem Griff war mein Arm gefangen wie in einem Schraubstock.
»Wo sind deine Sachen?«, fragte er und blieb stehen.
»Mitarbeiterraum«, antwortete ich. »Du kannst draußen warten, ich komme dann gleich nach.«
»Ja, ist klar.«
Ich verdrehte die Augen. Da Ewan sich nicht abwimmeln ließ, folgte er mir in den kleinen kargen Raum, in dem es nach Zigarettenrauch stank. Sein Vertrauen hatte ich wohl verloren – falls dieser Mann überhaupt jemals jemandem sein Vertrauen schenkte. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Auch ich verzichtete darauf, mich auf andere Menschen zu verlassen.
Draußen zog ich den Reißverschluss meiner Jacke zu und verfluchte mich dafür, keinen Schal mitgenommen zu haben. Die Temperaturen waren in den letzten Tagen rasch dem Nullpunkt entgegengesunken, obwohl wir erst Mitte November hatten. Zum Glück parkte Ewan direkt hinter dem Club – auf einem reservierten VIP-Parkplatz. Der Mann scheute wahrlich keinen Gesetzesbruch. Falschparken war vermutlich sein geringstes Vergehen.
Er ließ mich los und umrundete den schwarzen Sportwagen. Ich hechtete ohne zu zögern ins Innere, in der Hoffnung auf Schutz vor der Kälte. Währenddessen schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich aus Fehlern nicht lernte. Dass ich immer wieder und wieder zu ihm stieg. Was sagte das über mich aus?
Ewan startete den Motor und fuhr los. Mein Blick haftete auf der Gangschaltung, wo seine rechte Hand ruhte – nur Millimeter von meinem Knie entfernt.
Was sagt das über mich aus?
Langsam wurden mein Rücken und mein Hintern warm. Er hatte wohl die Sitzheizung angeschaltet.
»Können wir Musik hören?«, fragte ich, als das Schweigen mir zu drückend wurde. Obwohl ich diesem Mann wieder folgte, schien ihn noch immer etwas zu ärgern. Dass er wütend auf mich war, war ein Dauerzustand, aber diesmal war etwas anders.
»Du hättest gefunden und getötet werden können«, zischte er, anstatt auf meine Frage zu antworten.
Ich verdrehte die Augen. »Jaja, und dann wärst du wieder sterblich. Ich weiß.« Ich hatte seine Rede aus dem Landhaus seines Dads noch gut genug in Erinnerung.
Er runzelte die Stirn und etwas an der Art, wie er von der Straße wegsah und mich anblickte, sagte mir, dass ich den Nagel diesmal nicht auf den Kopf getroffen hatte. Aber wozu sonst hätte er Grund gehabt, sich so aufzuregen?
Kurz war ich davor, ihm zu erklären, dass ich diesmal wegen Falk weggerannt war, dass ich seinen Verrat nicht ertragen hatte, dass ich wirklich geglaubt hätte, wir wären so etwas wie Freunde gewesen, doch in letzter Sekunde presste ich die Lippen zusammen. Meine Beweggründe würden Ewan ohnehin nicht interessieren.
»Also zurück zu Milan, und dann?«, fragte ich, bemüht um einen geschäftlichen Tonfall.
»Dann denken wir uns etwas aus, um die Gesandten zur Hölle zu schicken.«