Читать книгу Ich bin nur noch hier, weil du auf mir liegst - Käthe Lachmann - Страница 5

Ich bin hier, und du liegst drunter

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»Ich hätte es wissen müssen, als du darauf bestanden hast, dass wir uns auf dem Kiez treffen. Das ist so oberpeinlich!«

Obwohl ich eigentlich total sauer war, nahm ich den von meinen Mädels selbstgebastelten Haarreif ganz vorsichtig vom Kopf. Sie hatten sich wirklich Mühe gegeben, und, ja, der Barbie-Mann sah – nicht zuletzt wegen des Dieter-Bohlen-Stickerei-Hemdes – meinem letzten Exfreund Dominic sehr ähnlich. Die Puppe auf dem Haarreif war so auf eine andere weibliche Puppe geklebt, dass es ohne Kleidung sehr unanständig ausgesehen hätte. Dazu passte der Schriftzug auf unseren T-Shirts: »Ich bin nur noch hier, weil du auf mir liegst«. Sabine, meine Chefin, hatte überzeugende Argumente für mich, das Oberteil anzuziehen: Sie hatte mir angedroht, keine neue Kaffeemaschine für die Agentur zu kaufen, wenn ich mich weigerte, das T-Shirt zu tragen.

Allerdings war mir die Kaffeemaschine egal, wenn es darum ging, Kleiner Feigling und Kondome aus einem extra für mich angefertigten Bauchladen zu verkaufen. Und zwar hier, im Nieselregen, Samstagabend, halb zehn, auf der noch nicht sehr belebten Reeperbahn.

»Ich HASSE Junggesellinnenabschiede, es gibt nichts, was ich mehr hasse als Junggesellinnen- und Junggesellenabschiede, außer vielleicht Fenchel, und sollte ich jemals heir ... «

Weiter kam ich nicht.

»Das ist doch kein Junggesellinnenabschied. Es ist das Gegenteil!«, fuhr mir meine – bis dahin jedenfalls – beste Freundin Caro ins Wort und blies sich eine Strähne ihrer feuerroten Locken aus dem Gesicht. »Wir feiern, dass du endlich wieder Single bist, nach diesem dämlichen Dominic! Und den ganzen anderen Arschgeigen davor. Du bist frei! Du hast sie überstanden, diese Monate der Demütigung, der Missachtung, mit diesem egozentrischen, hirnlosen, von seiner Exfrau noch nicht abgenabelten Langweiler!« Sie drückte mir einen dicken Schmatzer auf die Wange. »Hoch lebe das Singleleben, genieß es, hab One-Night-Stands und wirf dich nicht gleich wieder in die nächste Beziehung! Und dass du jetzt frei bist, bis endlich der Richtige kommt, das feiern wir!«

Wir? Eigentlich waren von uns vieren nur Caro, meine wirklich allerbeste Freundin, mit der ich schon im Sandkasten die besten Sandkuchen gebacken hatte und die mehr über mich wusste als mein Tagebuch, ihre ältere Schwester Bela, die gerade aus München zu Besuch war, und Sabine, meine Chefin, in Feierlaune. Sie hatten sich wohl schon mit Prosecco etwas in Stimmung gebracht, bevor ich dazugestoßen war.

»Na, nicht jetzt doch auch einen Schluck?«, fragte Sabine kichernd. Mit ihrer zarten, geradezu knabenhaften Gestalt vertrug sie überhaupt nichts. Das konnte ein interessanter Abend werden. Aber um ihn halbwegs gut zu überstehen, sollte ich wohl versuchen, mich auf das Niveau meiner Freundinnen zu begeben.

»Habt ihr auch Bier? Oder Wodka?«

»Kleinen Feigling hätten wir im Angebot. Aber trink nicht so viele davon, schließlich sollst du auch was verdienen!«

Von Bela hätte ich eigentlich mehr Stil erwartet. Ich kannte sie natürlich auch schon seit vielen Jahren und mochte die ruhige Innenarchitektin mit den großen, blauen Augen und den weiblichen Rundungen. Anscheinend hatte sie sich vorgenommen, dieses Wochenende ohne Kinder und Mann in vollen Zügen zu genießen, und zwar nur unter Zuhilfenahme vergorener Getränke.

»Wenn das das Gegenteil von einem Junggesellinnenabschied sein soll, dann müsste ich ja wohl eher Gemüsesaft und Schnuller verkaufen, und wir sollten in der Oper sitzen und uns nicht auf der sündigen Meile rumtreiben!«, sagte ich, stolz auf meinen intelligenten Einwand.

»Ach was, ich finde Caros Idee großartig!« Bela nahm mir den Haarreif aus der Hand und drückte ihn mir wieder auf den Kopf, wo er meine wilde, straßenköterblonde Mähne im Zaum hielt, und wo er ihrem Blick nach zu urteilen auch bleiben sollte. »Mut zur Prolligkeit! Und es ist nun wirklich ein Grund zum Feiern, dass du dieses Arschloch los bist!«

»Ja«, stimmte Sabine ein, »einen Mann, der sich ›aus steuerlichen Gründen‹ nicht scheiden lässt, immer in dem Haus seiner Frau abhängt und nie wirklich zu dir steht – so einen braucht niemand! Ich bin gottfroh, dass er sich von dir getrennt hat, du hättest das bestimmt noch ’ne ganze Weile mitgemacht, so verknallt, wie du warst!«

»Es war nicht alles schlecht an Dominic«, verteidigte ich meinen Exfreund lahm.

Caro schüttelte den Kopf. »O nein, so nicht, nicht die ›Er hat mich immerhin nicht geschlagen‹-Nummer! Er hat nicht mal eine Autobahn gebaut! Und erinnere dich bitte daran, wie er dich hat aussteigen lassen!«

Wenn ich an diesen Sonntag im September dachte, wurde ich tatsächlich sauer. Dominic hatte einen kleinen Sohn mit seiner Frau, mit dem wir öfter etwas unternommen hatten. Einmal hatten wir den kleinen Nic (er hieß bestimmt so wegen DomiNIC, das würde ich diesem narzisstischen Schönling zutrauen) aus dem ehemals gemeinsamen Haus, in dem Dominics Frau jetzt noch mit dem Jungen wohnte, abholen wollen, und mein »fester Freund Dominic Seipert«, wie er sich selbst immer nannte, hatte mich gebeten, schon an der Kreuzung auszusteigen, damit seine Frau oder die Nachbarn mich nicht sähen. Ähnlich gedemütigt konnte sich wohl nur ein Nationalspieler fühlen, der die gesamte WM inklusive Finale auf der Ersatzbank verbringen musste.

Und statt einfach sitzen zu bleiben und dann diesen Vollpfosten in die Wüste zu schicken, hatte ich, komplett verdutzt und verknallt, dieses Spiel mitgespielt, todtraurig über die mangelnde Loyalität des Mannes, der mir noch wenige Wochen zuvor seine Liebe erklärt und versichert hatte, seine Exfrau würde sich für ihn freuen, weil er nun mich hatte. Nun, die ganze Liaison hatte nur wenige Monate gedauert, aber irgendwie hatte ich mir mit ihm tatsächlich eine Zukunft vorstellen können.

Als hätte sie meine Gedanken gelesen, nahm Caro mich in den Arm, und ich roch ihren säuerlichen Prosecco Atem, als sie sagte: »Wir fanden den ja anfangs alle gut. Aber eigentlich war ziemlich schnell klar, dass er noch an seiner Ex hing. Selbst wenn er bei ihr ausgezogen ist und ihr von dir erzählt hat. Echt, es ist an der Zeit, dass du mal einen vernünftigen Mann findest. Einfach einen lieben, loyalen, sympathischen, schlauen Mann, der zu dir passt. So wie mein Buchhändler, Piet. Der ist treu und liebevoll. Aber den willste ja auch nicht.«

Piet. Eine Zeitlang hatte sich Caro ständig Bücher bestellt und mich dann gebeten, sie für sie abzuholen. Bei Piet. Angeblich, weil sein Laden näher an meiner Wohnung lag. Piet war natürlich nett und lieb und bestimmt ein toller Ehemann, aber so langweilig und ruhig, dass ich ihn manchmal zwischen den Büchern gar nicht entdeckte. Nein, Piet war nicht mein Typ.

Genauso wenig wie Caros Nachbar Franko, den sie mal »zufällig« mit mir zusammen zum Essen eingeladen hatte. Wie Franko sein Geld verdiente, wusste niemand so genau, aber er wirkte wie ein Zuhälter, und zwar so authentisch, dass ich wirklich böse auf Caro war, weil sie auf die Idee gekommen war, mir so jemanden andrehen zu wollen. Da sie zu der Zeit ebenfalls noch Single war, hatte ich erst gedacht, sie hätte selbst ein Auge auf ihn geworfen, und war darüber schon entsetzt gewesen. Beim Essen hatte ich immer versucht, ihr in Zeichensprache zu verstehen zu geben, dass ich ihn buchstäblich zum Kotzen fand. Sie hatte das – was auf ihr geringes Selbstbewusstsein als Köchin schließen ließ – auf ihre Lasagne bezogen. Es war ein mäßig schöner Abend gewesen. Franko hatte eimerweise Pomade im schwarzen Haar, trug mehrere goldene Ringe und erzählte in einer Tour frauenfeindliche Witze. Außerdem hatte er einen Goldzahn und war ein Angeber mit dickem Bauch. Natürlich war ich auch kompliziert bei der Männerwahl, aber ich war noch lange nicht so verzweifelt, dass ich alles nehmen musste, was zwei Beine hatte und einigermaßen aufrecht ging.

Caro riss mich aus meinen Gedanken: »Und die Typen vor Dominic, vor allem die aus dem Internet, die waren ja auch nicht viel besser.«

»Das stimmt!« Sabine nickte. »Dieser eine, der immer nur Party machen wollte, ständig besoffen und permanent pleite war und darüber hinaus keinen Sex wollte – als Mann!«

»Ja, hat er nicht mal gesagt, sein Lümmel müsse sich mindestens eine Woche lang erholen, bis er wieder startklar sei? Und das mit Ende zwanzig!« Caro schüttelte den Kopf.

»Dafür sah er gut aus!«, wagte ich einzuwerfen, was Caro einfach überging, indem sie mit der nächsten Geschichte aufwartete: »Oder der, der nur eine Affäre wollte, dir aber immer gesagt hat, wie sehr er dich liebt! Der sich trotzdem nie von seiner Frau getrennt hätte! Und das auch noch vollkommen o. k. fand!«

Caro und Sabine wollten sich anscheinend übertreffen in ihren »Ann und die Männer«-Geschichten, und mir wurde etwas flau im Magen, als ich mir darüber klar wurde, dass ich wirklich, was Männer betraf, bisher nicht gerade vom Glück verfolgt worden war, und das anscheinend auch immer nachhaltig kommuniziert hatte.

»Ach, Ann, weißt du, du findest ihn schon noch, deinen Björn ...« Für Caro war alles ganz anders, seit sie ihren Prinzen gefunden hatte. Sie hatten sich ganz klassisch im Flugzeug kennengelernt, als sie auf dem Weg zu einer juristischen Fachtagung war. Noch vor Ort hatten sie Handynummern getauscht, und zack – seit anderthalb Jahren waren sie ein Paar und sehr glücklich. Caro war der lebende Beweis dafür, dass es möglich war, auch mit über dreißig noch sein Soulmate zu finden. Toll! Und, ja, ich würde meinen eigenen »Björn« auch noch finden, und ich hoffte, er würde anders heißen.

Ich bin nur noch hier, weil du auf mir liegst

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