Читать книгу Ich bin nur noch hier, weil du auf mir liegst - Käthe Lachmann - Страница 8
ОглавлениеEine Hand wäscht die andere
Prinz Albert von Monaco und seine Charlene hatten ein süßes Geheimnis, Madonna einen neuen, achtzehnjährigen Lover, und Florian Silbereisen bekam eine neue Fernsehshow. Obschon das alles natürlich wahnsinnig aufregende Neuigkeiten waren, konnte ich mich auf die Artikel in der Regenbogenpresse nicht richtig konzentrieren. Ich knibbelte mit dem Zeigefinger an meinem Daumennagel. Mit mir saßen noch zwei junge Mädchen im Wartezimmer und ein Mann, was ungewöhnlich war. Was machte ein Mann alleine im Wartezimmer eines Frauenarztes? Er schien auch nirgends dazuzugehören. Hm. Vielleicht war er ein Jungmann und holte sich nun Tipps für seine erste Freundin? Nein, dafür war er zu alt. Und zu gutaussehend. So ein George-Clooney-Typ hatte bestimmt keine Frauenprobleme. Wahrscheinlich war er ein Kumpel von Doktor Frielinghaus, und sie hatten keinen anderen Termin für ein Treffen gefunden? Ich würde es wohl nie erfahren.
Das war das eine, was mich beschäftigte. Das andere, was mich noch viel mehr umtrieb, war: Wie würde Dr. Frielinghaus sich gleich verhalten? Frau Lüders war heute nicht am Empfangstresen gewesen, und ich fragte mich, ob das mit meiner Person zu tun hatte. Bestimmt hatte sie gelesen, dass ich heute einen Termin hatte, hatte Dr. Frielinghaus angerufen und mit tränenerstickter Stimme gesagt: »Arno, wann sagst du es endlich deiner Frau? Ich halte das nicht mehr aus! Jetzt kommt auch noch diese Frau Winkler am Dienstag, und sie hat uns gesehen. Arno, was ist, wenn sie es deiner Frau erzählt? Ich kann das nicht mehr!«
In meinen Gedanken saß eine total verheulte Frau Lüders auf dem Bett in ihrer Zweizimmerwohnung in Hamburg-Lurup, das blondierte, halblange Haar umrandete ihr herzförmiges Gesicht in unordentlichen Strähnen, und die Wimperntusche hatte sich lange schon verabschiedet und auf ihren Wangenknochen ein neues Zuhause gefunden. Voraussetzung für diesen Gesprächsverlauf war natürlich auch, dass das »A.« in »Dr. A. Frielinghaus« für Arno stand. Irgendwie sah er wie ein Arno aus. Ich musste mal im Netz gucken.
»Hallo? Frau Winkler?«
Ich schreckte aus meinen Gedanken. Dr. Frielinghaus musste mich schon mehrfach aufgerufen haben.
»Frau Winkler? Ist Ihnen nicht gut?«
»Doch, doch, alles bestens!«
»Dann kommen Sie bitte mit.«
So, wie mein Arzt vor mir herging, hocherhobenen Hauptes und als wäre nichts gewesen, kam er mir wesentlich souveräner vor, als ich mich fühlte. Vielleicht hatte ich mich doch verguckt? Und er war das gar nicht gewesen im Safari?
»Was führt Sie zu mir?«, fragte Dr. Frielinghaus, und wenn ich ehrlich war, fragte er das immer, schließlich war er mein Frauenarzt und wollte einfach wissen, ob ich irgendwelche Probleme hatte, wegen derer ich ihn aufsuchte. Und dennoch meinte ich heute eine gewisse Anspannung in seiner Stimme zu hören.
Ich sah ihm fest in die Augen, als ich sagte: »Nur die Vorsorgeuntersuchung.«
»Ja, dann – machen Sie sich bitte frei.«
Vergeblich suchte ich in seinem Gesicht nach irgendeiner für einen Frauenarzt unangemessenen Gefühlsregung. Während ich mich auszog und auf den Untersuchungsstuhl kletterte, hörte ich das leise Klicken seiner Finger auf der Tastatur. Vielleicht sollte ich einfach eine launige Bemerkung machen? Aber, wie konnte die aussehen? »Ach, Herr Frielinghaus, da war ja ganz schön was los, Freitag auf dem Kiez, nicht wahr?! Fast wie in Ihrer Sprechstunde!« Oder: »Na, Fortbildung gehabt am Wochenende?«
Während ich noch über kompromittierende Sprüche, die eigentlich gar nicht zu mir passten, nachdachte, hatte Dr. Frielinghaus schon seine Sprechstundenhilfe Frau Yildirim hereingerufen. Jetzt konnte ich erst recht nichts mehr sagen.
*
Nachdem ich mich angezogen hatte, bat mich Dr. Frielinghaus an seinen Tisch.
»Sie sind vollkommen gesund – alles bestens«, sagte er. Und fuhr nach einem kurzen Zögern fort: »Sie arbeiten doch in dieser ... Veranstaltungsagentur, nicht?«
»Ja, bei Sabine-von-Lössner-Events.«
»Ich werde gelegentlich auf Sie zukommen. Wegen unseres Praxisausflugs. Wir haben da mal was anderes vor. Ich war ...«, er sah mir tief in die Augen und senkte seine Stimme, als wolle er mich hypnotisieren, »mit Frau Lüders unterwegs, neulich, auf der Suche nach einem Ort dafür, aber was wir gefunden haben, das war absolut unpassend ...« Er hob den Kopf. »Wenn Sie verstehen, was ich meine?«
Und ob ich verstand. Ha! Männer, ey. Wir richten seinen Betriebsausflug aus, dafür halte ich die Klappe. Davon hatte ich doch nichts! Wir konnten uns vor Aufträgen ja ohnehin kaum retten. Wenn schon bestechen, dann richtig! Und überhaupt, was war das für eine mafiöse Art! Und wieso glaubten eigentlich alle, dass ich korrupt war? Erst Sabine mit ihrer Kaffeemaschine – gut, sie hatte recht behalten, und die Kaffeemaschine war einfach auch super, aber jetzt sogar mein Frauenarzt ...
»Ach ja, und meinen herzlichsten Glückwunsch!« Er zwinkerte mir zu.
»Wofür? Also, wozu?«
»Na, zur Hochzeit! Wann ist denn der große Tag?«
Jetzt kapierte ich es.
»Ach so, nein, das war kein Junggesellinnenabschied, das war einfach so, Spaß haben ...«
Er zog die Augenbrauen hoch, und nun war es an mir, sich schlecht zu fühlen. Verdammt, jetzt dachte er, dass ich aus Spaß mit meinen Freundinnen am Wochenende ins Safari ging! Frustriert, weil wir keinen abkriegten, damit wir wenigstens mal bei Geschlechtsverkehr zugucken konnten, um nicht zu verlernen, wie das ging, oder was?
»Das war nicht, was Sie denken, es war eher, ja, so was WIE ein Junggesellinnenabschied, aber eher das Gegenteil davon.«
Das gab es doch nicht, dass ich jetzt in Erklärungsnot kam! Ich! Ausgerechnet! Die ich ja nun weiß Gott am unschuldigsten von allen war. Ich wurde ganz ruhig und startete einen weiteren Versuch: »Meine beste Freundin – sie ist selbst in einer glücklichen Beziehung, mit einem Mann natürlich –, sie wollte mit mir feiern, dass ich endlich meinen letzten Freund los bin. Ja, und dann waren wir eben auch im Safari. Obwohl ich da gar nicht hinwollte!«
Er grinste mich an. »Ach ja, wenn man einen kleinen Schwips hat, macht man manchmal Sachen ... Ich kenne das aus meiner Jugend.«
Jugend? O Mann. Er ging hier hocherhobenen Hauptes aus der Nummer, und ich? Das konnte ja wohl nicht wahr sein.
Er reichte mir die Hand. »Also, Frau Winkler, ich komme dann auf Sie zu. Haben Sie eine Karte dabei?«
»Natürlich.« Ich gab ihm die Karte und die Hand.
»Na dann, alles Gute!« Er zwinkerte mir noch mal zu.
Mist. Das war ja alles andere als cool gelaufen.