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1.7.7 Spiritualität

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Der lat. Begriff spiritualis (gr. pneumatikós, geistlich) bezeichnet eine persönlich-religiöse, auf Gottesbeziehung und Ethik ausgerichtete Lebenshaltung jenseits des regulierten kirchlichen Lebens bzw. den emotionalen Bereich des Glaubens.1 Der Theologe Hans Urs von Balthasar (1905–1988) definiert Spiritualität als

„praktische und existentielle Grundhaltung eines Menschen, die Folge und Ausdruck seines religiösen – oder allgemeiner: ethisch-engagierten Daseinsverständnisses ist: eine akthafte und zuständliche (habituelle) Durchstimmtheit seines Lebens von seinen objektiven Letzteinsichten und Letztentscheidungen her.“2

Spiritualität enthält einen religionssoziologischen (individuelle Frömmigkeit, überkonfessionelle Gemeinschaftserlebnisse, unkirchliches Interesse an einem göttlichen Mysterium), einen religionspsychologischen (Spiritualität als besondere Form der Wirklichkeitswahrnehmung) und einen religionsgeschichtlichen Aspekt (Gnostizismus, Esoterik). Gemeinsam ist die Abgrenzung von intellektuell-theologischer und dogmatisch-liturgisch festgelegter, religiöser Praxis. Der Begriff Spiritualität bleibt jedoch schillernd; eine übergreifende Definition versucht der Mediziner Arndt Büssing (*1962):

„Mit dem Begriff Spiritualität wird eine nach Sinn und Bedeutung suchende Lebenseinstellung bezeichnet, bei der sich der/die Suchende seines/ihres ‚göttlichen‘ Ursprungs bewusst ist (wobei sowohl ein transzendentes als auch ein immanentes göttliches Sein gemeint sein kann, z.B. Gott, Allah, JHWH, Tao, Brahman, Prajna, All-Eines u.a.) und eine Verbundenheit mit anderen, mit der Natur, mit dem Göttlichen usw. spürt. Aus diesem Bewusstsein heraus bemüht er/sie sich um die konkrete Verwirklichung der Lehren, Erfahrungen oder Einsichten im Sinne einer individuell gelebten Spiritualität, die durchaus auch nicht-konfessionell sein kann. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Lebensführung und die ethischen Vorstellungen.“3

Spiritualität gibt es in jeder Religion. Spirituelle Praktiken sind Meditation, Kontemplation, Askese, mystische Versenkung, Exerzitien, Wallfahrten, Heiligenverehrung, Kirchenmusik und Glaubenskurse. Ein profaner Begriff von Spiritualität hebt dagegen auf allgemeine Sinn- und Wertfragen ab.4

a) Religionssoziologischer Aspekt: Das frühe Christentum kennt eine individuelle Spiritualität. Von der spirituell-mystischen Gottesreich-Vorstellung aus (Lk 17,20f.; EvThom Log 113) entwickelte sie sich in verschiedenen Ausprägungen bis in die Gegenwart. Spiritualität ist tendenziell überkonfessionell. Im Gefolge der Postmoderne hat unkirchliche Spiritualität Hochkonjunktur (Meditation, Mystik, Pilgerfahrten). Das weist auf eine neue Sehnsucht nach religiöser Erfahrung und auf eine sich etablierende religiöse Alternativkultur hin.5 Diese ist von der Grundtendenz her monistisch-synkretistisch ausgerichtet.6

b) Religionspsychologischer Aspekt: Spirituelle Wirklichkeitserfahrung folgt nicht den Regeln wissenschaftlich-rationalen Denkens, sondern einer eigenen Logik. Ähnlich wie bei mythischen Erfahrungen ist die Konzentration bzw. Verdichtung von Wirklichkeit, Macht und Zeit charakteristisch.7

c) Religionsgeschichtlicher Aspekt: Im antiken und modern-esoterischen Gnostizismus zielt Spiritualität auf die innere Harmonie des göttlichen Wesenskerns im Menschen mit der das All durchwaltenden Weltseele sowie auf innere Erleuchtung und erlösendes Wissen (gr. gnósis). Letzteres bezieht Elemente verschiedener Kulte und Religionen mit ein (esoterischer Synkretismus). Typisch ist der Rekurs auf keltische und germanische Kulte, auf Schamanismus und Magie sowie auf fernöstliche Religionen (z.B. Zen, Yoga → 1.7.3f.).

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