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Eins

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Raschelndes Laub, gelb und rot verfärbt. Eine aufsässige Septembersonne. Ein Wagen, der im Schrittempo fährt. Und das Keuchen.

Das Mädchen trägt nichts als ein zerrissenes Hemdhöschen, champagnerfarben, nicht mehr ganz sauber. Ihre Nägel sind abgebrochen, die hellen Augen angstgeweitet. Sie rennt, so schnell sie kann.

Der Fahrer des schweren Geländewagens hinter ihr gibt Gas. Und stoppt. Gibt wieder Gas. Bremst abermals scharf, nur ein paar Zentimeter hinter ihren Fersen. Hält einen Moment inne, wird schneller, dann langsamer, und wieder schneller. Die beiden großen Hunde auf dem Rücksitz knurren.

»Na, kleine Nutte, jetzt bist du endgültig fällig! Verlaß dich drauf!«

Er hat das Fenster runtergekurbelt. Seine Stimme klingt rauh.

Ihre Beine tun weh, die nackten Füße sind zerschunden. Im Laufen dreht sie sich halb um und wird sofort langsamer. Verzweifelt versucht sie, die verlorene Geschwindigkeit wieder aufzuholen. Eine verspiegelte Sonnenbrille verbirgt seine Augen. Sie weiß trotzdem, wie er sie ansieht. Sie hat ausreichend Gelegenheit gehabt, sich an diesen Ausdruck zu gewöhnen. Wie eine Beute. Reif zum Fressen. Zur endgültigen Vernichtung.

Einen winzigen Augenblick zu spät schaut sie wieder nach vorn. Ein dorniger Busch rankt in den Weg. Sie strauchelt, reißt sich dabei die dünne Haut über dem rechten Schienbein auf, fängt sich aber noch im letzten Moment.

Jetzt kann es nicht mehr weit bis zum See sein. Immer wieder schaut sie gehetzt nach rechts und links. Später Nachmittag. Und trotzdem weit und breit kein Mensch unterwegs.

Ob er die Hunde auf sie losläßt?

Das Licht scheint plötzlich blasser, schwächer. Ob nun er oder die beiden Köter – für sie gibt es kein Entrinnen. Auf einmal ist sie sich ganz sicher.

»Pālīga!« schreit sie voller Todesangst. »Hilfe! Pālīga!«

Der Motor jault auf.

Sie ist gestürzt, liegt mitten auf dem Weg, ein helles Bündel Fleisch. Wehrlos. Schwitzend. So gut wie nackt.

Er gibt erneut Gas, endgültig Gas. Fährt vorwärts. Rückwärts. Dann zum letztenmal vorwärts.

Ohne Zögern begräbt er sie unter den Reifen.

Am U-Bahnhof Krumme Lanke stellt er den frischgewaschenen Wagen ab. Inzwischen ist es beinahe dunkel, und der kleine Kiosk hat schon geschlossen. Er nimmt einen Schluck aus seiner Coladose und spuckt das lauwarme Zeug angeekelt sofort wieder aus.

»Max!« sagt er scharf. »Bubi! Platz!«

Die beiden Doggen gehorchen sofort. Speichel tropft aus ihrem Maul. Ohren und Schwanz sind kupiert.

Die alte Dame mit dem weißen Spitz neben ihm auf dem Bahnsteig schüttelt den Kopf und macht ein paar indignierte Schrittchen zur Seite.

Seine Hände sind ganz ruhig. Das Dröhnen in seinem Schädel ist endlich leiser geworden. Langsam nimmt er die Brille ab. Es ist noch geiler gewesen, es wieder zu tun, und es wird vermutlich jedesmal besser werden. Ein drittes Mal, immer wieder, sooft es ihn überkommt Plötzlich hat er Lust, brüllend loszulachen.

Er ist King, Herr über Lust und Tod. Beinahe so gut wie Gott. Oder Satan höchstpersönlich.

Niemand kann ihm etwas anhaben, niemand!

Die kleine Hure wird ohnehin keiner so schnell vermissen. Kein Hahn kräht nach solchen Schlampen von nirgendwoher, das hat er inzwischen gemerkt. Und er hat dazugelernt, ist ganz besonders umsichtig vorgegangen. Ein bombenfestes Alibi, keine Zeugen, alle Spuren am Wagen beseitigt. Außerdem hat er den beigen Range Rover vorsichtshalber erst heute mittag in Reinickendorf geklaut.

Nachtspiele

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