Читать книгу Imperium der Foronen: Raumschiff Rubikon Band 9-16: Science Fiction Abenteuer Paket - Lars Urban - Страница 47

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10.




Das Tal war berückend schön. Sahbu hatte so etwas noch niemals gesehen, weder mit eigenen Augen noch auf irgendwelchen Bildern. Ringsum wuchsen Bäume, die an jene erinnerten, von denen das Getto umgeben war – aber nur, was ihre Formenvielfalt und die satte Färbung ihrer Blätter anging. Dass sie blau statt grün waren, stellte in Sahbus Augen keinen wirklichen Makel dar. Zumal die sich in dem kleinen See spiegelnde Farbe diesen noch viel attraktiver schimmern ließ. Das hier, fand Sahbu, war ein perfekter Ort.

Um zu verweilen.

Wie lange, war ihm noch nicht klar. Aber er spürte, dass auch die anderen angetan waren von der Idylle, die sie so nicht erwartet hatten.

Sein Blick löste sich fast widerwillig von der Pracht der Pflanzen, die im Windschutz umgebender Berge fantastisch gediehen. Überall zwischen den Bäumen wuchsen Sträucher und Blumen, der Boden war mit blauem Gras bedeckt, das nur knapp bis über die Knöchel reichte, als wäre es erst kürzlich gemäht worden.

Das Einzige, was an diesem Bild stören konnte, war, dass es beinahe zu perfekt wirkte. In der freien Natur gab es solche Paradiese nicht – oder? Hier schien Hand angelegt worden zu sein von einem begnadeten Landschaftsbauer.

Sahbu versuchte das leise Unbehagen, das mit diesem Gedanken einherging – der Vorstellung, dass dieser wundervolle Flecken ständiger Hege und Pflege bedurfte und dass irgendwann irgendjemand auftauchen würde, der die Ruhe störte ... obwohl eigentlich sie doch die Störenfriede waren, wie er sich zugleich ins Gedächtnis rief –, zu unterdrücken.

Sein Blick suchte und fand Varx, der am Ufer des Sees stand, seit Minuten schon, und fasziniert unter sich schaute. Vielleicht gab es Fische oder andere Wasserbewohner, die sein Interesse weckten.

Sahbu rief sich den Moment in Erinnerung, als der Sternling ihm und den anderen Mitgliedern der „grünen Gruppe“ eröffnet hatte, sie hinzubringen, wo immer sie wollten.

Auch wenn es letztlich auf diesen Planeten beschränkt blieb, war das Angebot in seiner vollen Bedeutung nur langsam ins Begreifen der Menschen gesickert. Sie waren – natürlich – zunächst davon ausgegangen, dass er sie sonst wohin führen wollte. Obwohl Sahbu nicht ganz klar war, woher er überhaupt Kenntnis über die Orte haben wollte, die außerhalb des Turms lagen, der bis dato seine Welt dargestellt hatte.

Doch Varx hatte sich nicht lange bitten lassen, sondern in sich ein Hologramm entstehen lassen, das sie im Schnelldurchlauf mit den verschiedenen Regionen dieser Angk-Welt vertraut gemacht hatte.

Und als sie sich nach kurzer Beratschlagung für eine Gegend – hier! – entschieden hatten, war die nächste Überraschung auf den Fuß gefolgt: Statt sich erst mühsam auf Wanderschaft dorthin begeben zu müssen, hatte Varx sie aufgefordert, nacheinander durch ihn hindurchzutreten.

Die anderen hatten gezögert, so dass am Ende Sahbu das Risiko eingegangen war.

Verblüfft hatte er nach dem Durchgang auf der „anderen Seite“ feststellen müssen, dass auch dort Varx stand, er also aus ihm herausgetreten war. Er war dann wieder zurückgegangen und hatte den anderen von der Unbedenklichkeit der Passage berichtet. Im Gegenzug hatte er erfahren, dass Varx die Gruppe nie verlassen hatte, auch nicht für einen klitzekleinen Moment.

Woher kam aber dann sein Ebenbild, aus dem Sahbu in der entfernten Region herausgetreten war und das er auch wieder benutzt hatte, um zurückzukehren?

Varx hatte auf diese Frage nicht antworten können. Sahbu glaubte ihm, dass er ihm das eingeforderte Wissen nicht absichtlich vorenthielt.

Nachdem die Gruppe überzeugt war, dass die Passage durch den Sternling keine Gefahr für Leib und Leben darstellte, waren sie geschlossen hierher gelangt.

Und der Varx auf dieser Seite hatte sich ebenso benommen wie der, den sie „drüben“ zurückließen.

Offenbar war der Eine tatsächlich mit dem Anderen identisch ...

Und jetzt stand Varx am See, wie erstarrt, ganz gebannt.

Sahbu beobachtete seine Gefährten eine Weile, die sich mit der Umgebung vertraut machten, Früchte von den Büschen und Bäumen pflückten und sie argwöhnisch betrachteten oder kosteten. Sahbu hielt sie nicht davon ab. Und auch Varx reagierte nicht – was ein gutes Zeichen war. Denn mittlerweile hatte Sahbu die Überzeugung gewonnen, dass der Sternling eine Art guter Geist für sie war. Er hatte ein Auge auf sie, hielt seine Hand schützend über sie ... auch wenn er selbst des Schutzes bedurft hatte, als ihn die Häscher des Turms zurückbringen wollten.

Sie waren schon ein bunt gemischtes, gewöhnungsbedürftiges Völkchen, dachte Sahbu. Aber wenn man sich erst einmal aneinander gewöhnt hatte, konnte so leicht nichts mehr zwischen sie kommen.

Er löste sich aus seinen Gedanken und schlenderte über das niedrige Gras zu Varx, der leicht vorgebeugt immer noch ins Wasser starrte.

„Fische?“, fragte er.

Varx zuckte zurück.

„N-nein.“

„Was dann? Darf ich mal?“ Sahbu trat neben ihn und beugte sich ebenfalls vor, wie der Sternling es zuvor getan hatte. Das Wasser war klar. Aber außer ein paar simplen Steinen, die nicht einmal besonders schön abgeschliffen oder gemustert waren, fanden Sahbus suchende Blicke nichts im seichten Uferbereich.

Lächeln musste er jedoch, als ihm bewusst wurde, dass er selbst auf der Oberfläche spiegelte. Er hatte sich lange nicht mehr in das eigene Gesicht geschaut, in dem ein Bart zu sprießen begonnen hatte.

Versonnen wandte er sich Varx zu, der betreten zu Boden blickte – als wäre er bei etwas Verbotenem vertappt worden.

„Was ist? Irgendetwas stimmt doch nicht. Du benimmst dich seltsam, seit du hier stehst. Wenn ich dir helfen kann ...“

Varx Körper war wieder voller Schwärze, durchwoben von Sternen. Die Landschaften, die er ihnen zuvor darin gezeigt hatte, waren verschwunden.

„Nein. Nein ... du kannst mir nicht helfen – niemand kann das. Aber danke, Herr und Meister, für das freundliche Angebot.“

„Was ist passiert?“, blieb Sahbu hartnäckig. „Irgendeine Laus ist dir doch über die Leber gelaufen. Mach mich mit ihr bekannt, stell mich ihr vor ...“

Überraschenderweise nahm Varx die Vorlage nicht auf, wie es sonst für ihn typisch war. Weder Leber noch laus animierten ihn zu einer launigen Nachfrage. „Es ist nichts weiter. Es ist nur alles so ... fremd für mich. Ich hätte nicht gedacht, dass es so ist hier draußen.“

„Das kann ich nachempfinden. Meine Welt war vor noch nicht allzu langer Zeit auch stark begrenzt. Ich musste mich auch erst in der Freiheit zurechtfinden.“

Varx schwieg.

„Aber das ist nicht alles, oder?“, bohrte Sahbu nach. Er spürte einfach, dass da mehr war, sehr viel mehr. „Was hat dich vorhin so gebannt? Was hast du im See gesehen? Ich könnte schwören, dass es die Ursache für dein Verhalten ist. Vorher warst du anders. Der Wandel setzte erst hier ...“ Er zeigte ins Wasser und sah dabei seinen Arm, der im Spiegel erschien. „... ein.“

Plötzlich kam ihm ein Verdacht. „Beug dich vor“, verlangte er von Varx.

Der Sternling sträubte sich. „Wozu?“

„Beug dich einfach vor und sag mir, was du siehst. Bin ich nicht dein Herr und Meister? Eine so kleine Bitte wirst du mir doch erfüllen können.“

Der Schattenhafte gab sich einen Ruck. Sahbu, der ebenfalls wieder weit vorgebeugt dastand, sah Kopf und Oberkörper des Wesens neben sich im Spiegel des Wassers auftauchen.

„ Das ist es – oder?“

Varx nickte stumm. Sahbu fror plötzlich neben ihm, als würde der Sternling tatsächlich die Temperatur in der Umgebung zum Sinken bringen.

„Ist es das ... erste Mal, dass du dich selbst siehst?“

Wieder nickte Varx. Zögernd.

„Und was ist daran so ... fürchterlich?“

„Es macht mir Angst. Seit ich mich gesehen habe – seit ich weiß, dass ich aussehe wie die, die mich fangen wollten –, ist mir weniger denn je klar, wer ich bin. Oder was.“

Sahbu nickte. „Bei uns Menschen nennt man so etwas eine Identitätskrise.“

„Und was tut ihr dagegen?“

Er zuckte die Achseln. „Ich hatte noch keine, tut mir leid. Aber ich denke, es ist ein langsamer, mühsamer Prozess, da wieder rauszukommen. Es dürfte mit Selbstbewusstsein zu tun haben, die Krise zu überwinden. Du musst mehr Zutrauen zu dir selbst entwickeln, musst lernen, dass du dich selbst wertschätzt ... ganz egal, wie du aussiehst oder wo du herkommst.“

„Ich weiß nicht, ob ich das verstehe.“

„Ich werde ein Auge auf dich haben, okay? Wenn du willst, helfe ich dir. So übel, wie ich anfangs glaubte, bist du gar nicht. Man kann sich daran gewöhnen ... sorry, das war jetzt wohl nicht das Richtige, um echtes Selbstwertgefühl in dir zu fördern, aber an meine komische Art von Humor wirst du dich schon noch gewöhnen.“

„Ich mag deinen Tumor“, versicherte Varx.

Sahbu schluckte die Erwiderung, die ihm auf der Zunge lag, hinunter. „Schön. Dann sind wir ja schon zu zweit“, sagte er, ohne Varx’ Missgriff in der Wortwahl zu verbessern. Und es war keineswegs berechnend, als er das Thema wechselte – er hatte einfach das Gefühl, dass dazu für den Augenblick genug gesagt worden war. „Hast du eine Ahnung, wie das funktioniert, was du uns dankenswerterweise anbietest?“, fragte er.

„Die räumliche Versetzung?“ Varx wandte sich vom See ab.

„Das auch. Aber ich meine vorrangig die Bilder, die du uns in dir schauen lässt. Es ist, als hättest du jeden noch so winzigen Fleck dieser Welt kartographiert. Aber das hieße doch im Rückschluss auch, dass du jeden noch so winzigen Fleck kennen musst. Wie verträgt sich das damit, dass du im Turm sagtest, du habest keinen blassen Schimmer, wie es draußen aussieht?“

„Den hatte ich im Turm auch nicht“, erwiderte er ruhig.

„Du meinst, du bekamst all diese Daten erst, als du draußen warst?“

„Ich weiß es nicht. Sie waren plötzlich da.“

„Wer könnte sie dir vermittelt ... oder in dir geweckt haben?“

Varx zuckte die Achseln. Zum ersten Mal fiel Sahbu auf, dass der Sternling sich völlig sicher menschlicher Gestik bediente. „Ich weiß es wirklich nicht.“

„Du bist und bleibst also ein Rätsel.“

„Ist das gut oder schlecht?“

„Das wird sich zeigen müssen. Aber noch mal zurück zum Thema: Ist es wirklich so, dass du dich jetzt überall auf dem Planeten auskennst? Dass du mir stundenlang Dinge über bestimmte Regionen erzählen oder Tipps geben könntest, wo sich Menschen am besten niederließen, weil die Bedingungen dort am ehesten für sie geeignet sind?“

„Ich fürchte ... nein.“

„Nein?“

„Du denkst, ich hätte all das wie in einem Gedächtnis, auf das ich jederzeit Zugriff habe, abgespeichert?“

„Wie sonst?“

„Anders.“

„Wie anders?“

„Ich kann euch vieles zeigen, von dem ich gar nichts weiß – es dringt nicht anders zu mir wie zu euch. Ich erfahre erst Details, wenn sie sich vor euch und mir entfalten ... Es ist kompliziert. Ich will eigentlich nicht darüber nachdenken.“

Er machte einen fast trotzigen Eindruck.

„Ich will dich nicht quälen.“

„Dann hör auf zu fragen.“

Sahbu schwieg kurz. Dann nickte er. „Wir sprechen ein anderes mal darüber. Vielleicht hast du bis dahin eine eigene Theorie.“

„Danke.“

„Und die räumliche Versetzung?“, fragte er. „Können wir uns darüber unterhalten?“

„Menschen müssen immerzu reden, richtig?“

„Nicht immer, aber Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens.“

„Ob ich das jemals lerne?“

„Wie meinst du das? Sprechen, kommunizieren? Du tust es doch. Das Einzige, was du vielleicht abbauen musst, ist deine innere Abneigung dagegen.“

Er nickte. „Soll ich es dir jetzt zeigen?“, fragte er.

Die Sonne ging bereits unter. Es wurde dämmrig.

„Zeigen?“, fragte Sahbu. „Was zeigen?“

Sahbu wies zu einem der Berghänge, die das Tal umschlossen. „Das Geheimnis“, sagte er. „Das Geheimnis dieses Ortes. Das ihn zu etwas ganz Besonderem macht.“

Imperium der Foronen: Raumschiff Rubikon Band 9-16: Science Fiction Abenteuer Paket

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