Читать книгу Whalea - Laura Ventur - Страница 13
ОглавлениеKapitel 4
Rosas Entscheidung
Was hast du vor?«, fragte Silas, als Rosa wieder in die Küche zurückkam und sich an den Tisch setzte. »Ich sehe in deinen Augen Unschlüssigkeit und das besorgt mich.«
Sie schwieg.
»Rosa, du willst seine Anwesenheit doch nicht allen Ernstes vor dem Rat verheimlichen? Curtius würde uns sehr schnell auf die Schliche kommen!«
Schweigen.
»Verdammt, Rosa, jetzt sag endlich was.«
Rosa starrte weiter auf die Tischplatte. Ihre Wortlosigkeit beunruhigte nun auch alle anderen. Ungläubig schauten sie sich abwechselnd an. Wusste Rosa etwa nicht, wie es weitergehen sollte? Das wäre das erste Mal überhaupt. Rosa wusste immer, was zu tun war. Bisher jedenfalls. Olivia konnte nicht glauben, was sie da sah. Zwiespalt, Entsetzen, Traurigkeit – sie vermochte diesen Gesichtsausdruck gar nicht richtig einzuordnen. Nur eines wusste die Lichtelfe: Etwas hatte Rosa mitten ins Herz getroffen und das schien mit dem Fremden zu tun zu haben, dessen war sie sich sicher. War das nur ihr aufgefallen? Oder konnten auch die anderen die Atmosphäre in der Küche wahrnehmen, die so dicht war, dass man sie hätte zerschneiden können?
Rasmus, rief die Elfe in Gedanken, denkst du das Gleiche wie ich?
Ja, hier stimmt etwas nicht. Rosa hat dichtgemacht, ihr Kopf ist wie ein Verteidigungswall, durch den ich nicht durchkomme.
Ihre mentale Unterhaltung wurde von Rosa jäh unterbrochen.
»Wir werden das Portal wieder in Gang setzen und ihn zurückschicken«, teilte sie mit und wirkte dabei völlig emotionslos.
Olivia hielt sich vor Entsetzen die Hände vor den Mund, um nicht zu kreischen. Krah, der bis dahin noch von einem auf das andere Bein gewippt war, verharrte plötzlich still. Silas und Rasmus hingegen schauten sich in die Augen, als ob sie die Gründe für den eben gehörten Satz in den okularen Tiefen ihres Gegenübers finden könnten.
»Rosa, du bist nicht bei Trost«, entfuhr es der Jördinkatze, die jetzt mit angelegten Ohren dasaß, mit einem gruselig lang gerollten »r«.
Alle redeten gleichzeitig auf sie ein, schleuderten ihr ohrenbetäubende Wortfetzen entgegen, Sätze und Argumente flogen wild durcheinander und durchmischten sich mit dem empörten Krächzen des Rabenvogels.
Ob sie mit den Laguren saufen gegangen sei, brüllte Silas ihr entgegen, aber das könne doch nicht sein, die Apfelernte stehe ja noch bevor. Folglich müsse sie unter einem rätselhaften Hirnschwund leiden, der ihr die Sinne verneble. Rasmus röhrte derweil in seinem unvergleichlichen Bariton vom Untergang Whaleas, denn der Fremde werde mit Heerscharen von Menschen zurückkehren, die das Land im Handstreich unterjochen würden. Und Olivia weinte so hysterisch, dass ihr Lichtkegel gefährlich hell wurde.
»Ruhe, verdammt nochmal!«, donnerte Rosa lautstark.
Es herrschte augenblickliche Stille. Sie sammelte sich einige Sekunden und strich sich eine Strähne aus ihrem Gesicht.
»Ich habe weder die Absicht, meine Entscheidung zu überdenken, noch, sie mit euch zu diskutieren. Ich erwarte von euch absolute Verschwiegenheit, Loyalität und Unterstützung. Haben wir uns verstanden?«
Sie blickte jedem Einzelnen in die Augen. Und von jedem erhielt sie ein wortloses Nicken. Natürlich wusste sie, dass sie über ihre Köpfe hinweg entschieden hatte und ihre Gefährten damit einer großen Gefahr aussetzte – für etwas, das nur sie allein zu verantworten hatte. Es war nicht die Verkettung unglücklicher Umstände, die alles ins Rollen gebracht hatte – nicht der Streit um die Zuckerdose, nicht Silas, der sich mutig durch das Portal gewagt hatte, um sie zu warnen, nicht sie, die vergessen hatte, ihn anzuweisen, die Tür hinter sich wieder zu schließen, nachdem sie Hals über Kopf vorausgegangen war, um die beiden Kindsköpfe zur Raison zu bringen.
Sie selbst hatte leichtfertig einen überdimensionalen Felsen auf die Abbruchkante eines Berges bugsiert. Und ein Windhauch hatte ausgereicht, um den Brocken talabwärts zu schicken. Aber ihre Skrupel unterdrückte sie. Die Vergangenheit hatte sie eingeholt und in die Enge getrieben. Da konnte sie keine Rücksicht nehmen. Bens Ankunft zwang sie nun dazu, sich und ihre Freunde in ein Wagnis zu stürzen, dessen Ausgang ungewiss war. Aber eines wusste sie ganz sicher: Nichts würde jemals wieder so sein, wie es einmal gewesen war.