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Kapitel 7

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Im Taxi ließ Greta ihren Gefühlen freien Lauf und die Tränen flossen ihr die Wangen hinunter. Es war ihr egal, was der Taxifahrer dachte. Als sie am Hauptbahnhof bezahlte und ausstieg, schaute er sie zwar ein wenig mitleidig an, sagte aber nichts. Endlich auf ihrem Platz im Zug angelangt, lehnte sie ihren Kopf an die Scheibe und schloss die Augen.

Die letzten Tage zogen in Gedanken an ihr vorbei, kurze Augenblicke tauchten immer wieder in ihrer Erinnerung auf: Connor, wie er verschmitzt lachte; Connor, wie er sie zärtlich küsste; Connor, wie er sie leidenschaftlich liebte. Gleichzeitig überlegte Greta, ob sie ihn nicht zu sehr idealisierte. Er ist nicht der Märchenprinz, auf den jede Frau hofft!, versuchte sie, sich einzureden. Sie war realistisch genug, um zu wissen, dass Connors Fehler, die er zweifellos hatte, an die Oberfläche kämen, wenn sie sich besser kennenlernen würden. Es gab keinen perfekten Menschen und Connor war gewiss auch keiner. Greta hatte schon einmal bei Felix erkennen müssen, dass nach der ersten Verliebtheit, während der man negative Eigenschaften noch mit einem Augenzwinkern als Spleens abtat, die Ernüchterung kam. Aber warum machte sie sich Gedanken darüber? Dieses Zusammentreffen mit Connor war eine kurze, wenn auch intensive Episode in ihrem Leben, und diese sollte sie als solche akzeptieren und sich nicht an etwas klammern, das sowieso nie real werden würde.

Ihr Handy klingelte, als sie gerade durch einen Tunnel fuhren. Es war Jeanette, aber Greta konnte nur noch »… wie war’s?« verstehen, bevor die Verbindung abriss. So ein Mist!, fluchte Greta innerlich. Bei all ihrer Grübelei hatte sie ihre Freundin glatt vergessen, die natürlich unbedingt einen Lagebericht wollte. Als sie wieder ein Netz hatte, rief sie sie sofort zurück.

»Hi, Jeanette. Sorry, ich war gerade in einem Tunnel.«

»Greta, ich sitze hier und platze vor Neugierde – und du meldest dich nicht. Am liebsten hätte ich dich gestern schon mal angerufen, nachdem du auf meine Nachrichten nur so knapp geantwortet hast. Wie war’s? Erzähl!«

»Es war sehr aufregend. Auf dem roten Teppich war die Hölle los. Du kannst dir nicht vorstellen, wie Connor von den Fans bestürmt wurde. Er hat Hunderte Autogramme gegeben und Selfies mit ihnen geschossen. Und seine Rede bei der Preisverleihung ist total gut angekommen. Die Leute sind aufgesprungen und haben applaudiert. Auf der After-Show-Party wollte jeder ein paar Worte mit ihm wechseln und Fotos mit ihm machen.«

»Das klingt nach megaviel Spaß. Das nächste Mal musst du mich unbedingt mitnehmen. Wer war denn von den Promis da?«

Greta zählte eine Reihe von Namen auf, die ihr gerade einfielen.

»Wow, sozusagen die High Society. Und wie war es sonst so mit Connor?«

Greta schaute sich um. Sie saß im Großraumwagen, aber die ältere Dame vor ihr schlief scheinbar und die Reihe hinter ihr war frei.

»Es war schon nicht schlecht«, sagte sie leise und musste insgeheim grinsen, weil sie ahnte, wie Jeanettes Gedanken sich gerade überschlugen.

»Wie, nicht schlecht? Was heißt das?«, fragte Jeanette aufgeregt.

»Na ja, genau genommen war es das Beste, was ich je im Bett erlebt habe. Ich konnte gar nicht genug kriegen.«

Der Mann, der auf der anderen Seite des Gangs mit dem Rücken zur Fahrtrichtung an einem Tisch saß, schaute sie interessiert an. Greta lächelte ihm freundlich zu.

»Ist das dein Ernst? Du warst mit Connor O’Bannion im Bett?«

»Ja doch! Ich hoffe, du bist alleine im Raum, wenn du so rumschreist.«

»Ja, ja … wie war er?«

»Wie du weißt, hatte ich noch nicht allzu viele Männer, jedenfalls nicht genug, um das objektiv beurteilen zu können, aber …« Sie machte eine Pause, um Jeanette noch mehr auf die Folter zu spannen.

»Jetzt sag schon!«

»Ich fand es großartig.«

»Wirklich? Was genau?«

»Er hat mir die Zeit gelassen, die ich brauchte, um mich fallen zu lassen, war einfühlsam und hat mich nicht spüren lassen, dass ich nur eine von vielen bin – im Gegenteil. Und natürlich weiß er genau, worauf Frauen abfahren.«

»Ich dachte mir schon, dass er gut im Bett ist. Das freut mich echt für dich, dass du mal einen richtigen Kerl hattest. Obwohl ich ein bisschen neidisch bin.«

»Ja, das erlebt man nicht alle Tage.«

»Und jeder andere Mann, der dir über den Weg läuft, wird sich an ihm messen lassen müssen. Apropos messen, wie viel Zentimeter schätzt du so?«

»Du meinst seinen besten Freund?«

»Natürlich meine ich seinen Schwanz.«

»Ich habe keine Ahnung. Was ist denn der Durchschnitt?«

»Dreizehn Zentimeter.«

»Er war zumindest nicht klein.«

»Hat er noch sein Mützchen auf? In Amerika sind doch unheimlich viele Männer beschnitten.«

»Was du alles wissen willst«, seufzte Greta.

»Komm, sag schon!«

»Noch alles dran.«

»Ich liebe es, wenn Männer nicht beschnitten sind. Das ist immer wie Geschenke auspacken.«

»Jeanette, du bist echt unfassbar!«

»Und werdet ihr euch wiedersehen?«, wechselte die Freundin das Thema.

»Ich glaube nicht. Er hat zwar gesagt, er würde sich freuen, wenn wir uns irgendwann wiedersehen würden, aber das klang jetzt nicht so, als ob er es darauf anlegt«, sagte Greta.

»Du hast doch seine Nummer, oder? Du meldest dich in ein paar Tagen einfach mal bei ihm. Mensch Greta, das ist der Wahnsinn. Oh Mann, warum kann mir so was nicht passieren?«

»Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist, bei ihm anzurufen. Und dass mehr daraus werden könnte, bezweifele ich.«

»Aber wieso denn?«

»Jeanette, kennst du einen einzigen Schauspieler, der mit einer gewöhnlichen Frau zusammen ist? Fällt dir einer ein? Mir nicht. Die suchen immer ihresgleichen. Du weißt doch: gleich und gleich und so weiter. Schauspieler sind meistens entweder mit Schauspielerinnen, Produzentinnen oder Models zusammen, manchmal auch mit Sängerinnen. Deswegen halte ich das nicht für realistisch. Außerdem sagt er, dass er kein Typ für eine Beziehung ist. Und noch dazu lebt er in Amerika.«

»Aber warum sollte er dann sagen, dass er sich freuen würde, dich wiederzusehen?«

»Wir hatten gerade Sex, es war romantisch, da sagt man schnell mal solche Sachen.«

»Nein … ich glaube an das Märchen vom Aschenputtel. Warum sollte es nicht bei dir wahr werden?«

Greta musste lachen. Jeanette war eine unverbesserliche Optimistin. »Weil Märchen nie wahr werden. Wir werden sehen, ob er sich mal meldet.«

»Ich wette, dass er das tut«, rief Jeanette ins Telefon.

»Wir werden sehen.«

Greta war sich da nicht so sicher, aber sie wollte sich ihre schönen Erinnerungen jetzt nicht durch ihre Zweifel kaputtmachen lassen. Also lehnte sie sich nach dem Gespräch wieder in ihren Sitz zurück, schloss die Augen und ließ den gestrigen Abend noch einmal Revue passieren. Als sie im Geiste noch einmal durchlebte, wie Connor mit ihr schlief, bemerkte sie ein angenehmes Ziehen zwischen ihren Schenkeln. Angesichts der Fahrgäste um sie herum widerstand sie dem Verlangen, ihre Hand genau an diese Stelle zu legen.

Ihr Handy summte leise. Wahrscheinlich noch mal Jeanette, dachte sie. Greta blickte auf das Display und ihr stockte der Atem. Eine Nachricht von Connor wurde auf dem Homescreen angezeigt. Mit zitternden Fingern entsperrte Greta das iPhone und öffnete die Nachrichten-App.


Connor:

Ich habe unter dem Bett einen sexy schwarzen Spitzenslip gefunden. Könnte der vielleicht Ihnen gehören, Mrs. Rosenbaum? ;-)


Oh mein Gott, wie peinlich. Greta überlegte einen Moment, wie sie passend darauf antworten könnte.


Greta:

Wäre denkbar, es sei denn, Sie hatten noch andere Frauen mit auf Ihrem Zimmer, Mr. O’Bannion, was mich nicht wundern würde … Oder die Reinigungskräfte haben echt schlampig gearbeitet. :-D


Connor:

Nein, dann muss er wohl Ihnen gehören. Moment … hm, ja, er duftet herrlich nach Ihnen.


Oh nein, das hat er jetzt nicht wirklich getan!


Greta:

OMG, das mag ich mir jetzt nicht vorstellen, wie Sie daran schnüffeln. Aber wenn Sie ihn so mögen, dürfen Sie ihn gerne als Souvenir behalten. Damit Sie sich immer an mich erinnern.


Connor:

Das ist wirklich großzügig von Ihnen. Ob ich noch ein passendes Bild dazu bekommen könnte?


Greta:

Ich kann Ihnen gerne alle Bilder zukommen lassen, die ich am Wochenende gemacht habe.


Connor:

Danke für das Angebot, das ich gerne annehme. Ich glaube allerdings nicht, dass sich darunter ein Nacktfoto von Ihnen befindet.


Ein Nacktfoto??? Was soll das denn?


Greta:

Ach, darum geht es Ihnen, Mr. O’Bannion. Möchten Sie das in Ihr Poesiealbum einkleben, wo Sie Ihre Eroberungen sammeln, damit Sie den Überblick nicht verlieren? ;-)


Connor:

Nicht ganz. Aber Spitzenslip und Nacktfoto würden mir doch helfen, mich sehr lebhaft an das vergangene Wochenende zu erinnern, das – wenn ich so sagen darf – wirklich exquisit und sehr aufregend war.


Exquisit und sehr aufregend … Oh ja, das war es gewesen. Greta schmolz dahin. Der Mann wusste einfach, wie man Frauen Komplimente machte. Aber so leicht wollte sie es ihm nicht machen.


Greta:

Tut mir leid, Mr. O’Bannion. Mit der Weitergabe meiner Nacktfotos bin ich sehr zurückhaltend.


Connor:

Dachte ich mir doch, dass Sie eine ehrenhafte Frau sind. Dann werde ich Sie mir eben nackt vorstellen.


Greta:

Tun Sie, was Sie nicht lassen können. ;-) ;-) ;-)


Connor:

Ich würde gerne noch länger mit Ihnen plaudern, aber ich muss mich jetzt leider verabschieden. Wir starten gleich.


Greta:

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Reise. :-*


Connor:

;-)


Was war das denn gewesen? Greta schüttelte ungläubig den Kopf. Sie schrieb Jeanette eine Nachricht:

Du hast gewonnen, er hat sich gemeldet. :-)

Es war schon nach vier Uhr, als sie aus dem Taxi stieg, das sie am Bahnhof genommen hatte, und die Haustür öffnete. Tom stand im Flur und fischte gerade sein Handy aus seiner Jackentasche.

»Hallo, Mama. Du warst im Fernsehen«, war das Erste, was er zu ihr sagte.

Greta erschrak. Wenn Tom es weiß, weiß Felix es auch.

»Hallo, Tom.« Sie umarmte ihn und gab ihm einen Kuss auf sein braunes Haar. »Hast du mich selbst im Fernsehen gesehen?«

»Nein, Papa hat’s erzählt. Er war ziemlich sauer.«

»Oh, okay, ich rede mit ihm.«

»Sorry, ich bin mit Alex auf eine Runde Minecraft verabredet«, rief er, während er schon wieder die Treppe nach oben rannte, immer zwei Stufen auf einmal nehmend.

»Hast du nichts mehr für die Schule zu machen?«, rief Greta ihm hinterher. Sie mochte es nicht, wenn er zu viel Zeit mit Computerspielen verbrachte.

»Mach ich später. Ich muss erst mal chillen. Außerdem ist Sonntag.«

Sie ließ ihn ziehen und im nächsten Moment überkam sie ein mulmiges Gefühl. Während sie noch im Flur ihre Jacke auszog, kam Felix die Treppe aus dem Souterrain herauf.

»Es wird ja auch Zeit, dass du endlich kommst«, fuhr er sie an.

»Tut mir leid, der Zug braucht nun mal fünf Stunden von Berlin bis Mainz.«

»Du warst im Fernsehen zu sehen … mit diesem … Hollywood-Statisten.« Verachtung lag in seiner Stimme. »Marco und Julia haben angerufen und gefragt, was du denn mit dem Möchtegern-Schauspieler in Berlin tust. Ich war völlig irritiert und wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich habe irgendeine Ausrede erfunden, dass du das Treffen bei einer Zeitschrift gewonnen hättest. Aber ich weiß nicht, ob sie mir geglaubt haben.«

»Und wenn schon … ist doch unwichtig, was sie glauben«, entgegnete Greta. Sie hatte jetzt keine Lust auf diese Diskussion. Für Felix war immer nur wichtig, was andere von ihm dachten.

»Mir ist das aber nicht gleichgültig. Wo hast du den nur aufgegabelt?«

Greta zuckte mit den Schultern und antwortete nicht.

»Sieh mich an! Hast du etwa mit ihm gevögelt?« Seine Augen waren dunkel vor Aufregung.

Greta kniff die Augen zusammen und schaute ihn innerlich kochend an. Als wenn ich dir Rechenschaft ablegen müsste …

»Los, sag schon … hat er dich mal so richtig rangenommen und deine Muschi geleckt, wie du es brauchst?«

»Hör auf! Lass mich einfach in Ruhe, Felix!«, fauchte Greta empört.

»Ist ja auch egal. Jedenfalls wirst du ihn nicht mehr sehen.« Er stand mit erhobenem Zeigefinger und zusammengebissenen Zähnen vor ihr.

»Bist du jetzt total durchgeknallt?«, rief sie außer sich. »Ich lasse mir von dir gar nichts verbieten. Ich treffe mich, mit wem ich will.« Was bildet er sich denn ein?

»Du kannst dich von mir aus mit deinem Lover treffen, wenn es niemand mitbekommt. Aber nicht in aller Öffentlichkeit. Schließlich sind wir immer noch verheiratet und müssen wenigstens nach außen den Anschein aufrechterhalten, dass wir Mann und Frau sind. Wenigstens für Tom.«

»Tom … der ist dir doch völlig egal. Du denkst doch nur an deinen guten Ruf. Wenn herauskommen würde, dass du deine Sekretärin vögelst, wäre der nämlich dahin. Aber ich sage dir was … ich mache dieses Spiel nicht mehr mit! Vorbei! Ich will die Scheidung!« Sie schrie ihn an. Schrie ihre ganze Wut heraus, die sich in den vergangenen Monaten aufgestaut hatte.

»Wenn ihr euch scheiden lasst, bleibe ich bei Papa!«, brüllte es vom Treppenabsatz vom oberen Stockwerk herunter. Tom rannte in sein Zimmer und knallte die Tür zu.

Oh Gott, hat Tom etwa alles mitgehört?, fuhr es ihr durch den Kopf. Sie hatte nicht gewollt, dass er es auf diese Art und Weise erfuhr.

»Da siehst du, was du angerichtet hast«, schrie Felix sie an. Er holte aus und schlug ihr mit aller Kraft ins Gesicht.

Sie hatte das Gefühl, ihr Kopf würde gleich explodieren. Beim Aufprall auf den Schrank, der neben ihr stand, spürte sie einen stechenden Schmerz in der Schulter, bevor sie auf den Boden fiel. Es herrschte unerträgliche Stille. Felix rührte sich nicht, er war wie zur Salzsäule erstarrt. Zum ersten Mal hatte er sie geschlagen. Greta lag auf dem Boden, schaute zu ihm auf und kniff ihre Augen zusammen. Falls sie noch einen Rest von Zuneigung für ihren Mann in sich getragen haben sollte, dann hatte er sie mit diesem Schlag für immer ausgelöscht. Sie hatte sich noch nie so gedemütigt gefühlt.

Felix bewegte sich schließlich und streckte ihr die Hand hin. »Komm, ich helfe dir hoch.«

Sie schlug die Hand weg und krabbelte auf die Knie. Ihr war schwindlig. Als sie endlich stand, hob sie ihre Jacke auf und verließ wortlos das Haus. Sie beide wussten, dass dies das Ende war.

Im Auto brach sie in Tränen aus. Warum muss alles Schöne im Leben immer wieder gleich kaputtgemacht werden?, dachte sie verzweifelt. Es war nicht einmal eine Stunde her, dass sie im Zug das Wochenende in all seinen Facetten noch einmal durchlebt hatte. Da hatte sie sich jung und begehrt gefühlt. Und nun das! Es war wie so oft: Der Dämpfer ließ nie lange auf sich warten.

Ihr Handy klingelte. Sie zog es aus der Jackentasche und schaute auf das Display. Es war Connor. Connor! Unter normalen Umständen hätte sie sich unglaublich gefreut, dass er sich bei ihr meldete. Aber sie konnte jetzt unmöglich mit ihm sprechen, sie war nicht in der Verfassung dazu. Sie drückte das Gespräch weg und warf das Mobiltelefon auf den Beifahrersitz.

Mit steifen Fingern startete sie den Wagen und fuhr die paar Straßen weiter zum Haus ihrer Eltern. Das iPhone klingelte erneut, aber Greta ignorierte es. Sie parkte das Auto, ging zur Tür, klingelte und war froh, dass ihr Vater öffnete.

»Mein Gott, Greta. Wie siehst du denn aus?«

Sie stammelte etwas zusammen, was für ihren Vater wohl ziemlich wirr klingen musste.

Er brachte sie erst einmal in die Wohnung. Ihre Mutter kam sofort angelaufen und überschüttete sie mit Fragen.

»Jetzt lass sie sich doch erst einmal setzen«, herrschte ihr Vater seine Frau an. Er holte ihr ein Glas Wasser und ein Kühlpack für die geschwollene Gesichtshälfte. »Komm, erzähl mal, was passiert ist.«

»Felix und ich lassen uns scheiden«, berichtete sie unter Tränen.

»Ich habe ja gewusst, dass es zu Problemen führt, wenn du alleine wegfährst«, legte ihre Mutter los.

»Damit hat das gar nichts zu tun. Wir haben schon die ganze Zeit getrennt gelebt. Felix hat ein Verhältnis.«

»Das glaube ich nicht. Ihr wart doch immer so glücklich.« Ihre Mutter konnte es nicht fassen.

»Nach außen hin, ja«, meinte Greta bitter. Ihr wurde klar, welchen Fehler sie gemacht hatte, allen um sie herum diese Scheinwelt vorzuspielen.

»Hat er dich geschlagen?«, fragte ihr Vater.

Greta nickte.

»Dieser Mistkerl«, fluchte er. »Ich würde am liebsten …«

»Paps, lass gut sein.«

»Sie wird ihn bis aufs Blut gereizt haben. Das kann sie ja gut«, warf ihre Mutter ein.

Greta hasste es, wenn sie in ihrem Beisein in der dritten Person von ihr sprach.

»Anne, jetzt reiß dich zusammen. Er hat nicht das Recht, unsere Tochter zu schlagen.«

»Da ist noch etwas«, sagte Greta schnell, um ein Ausufern des Streits zwischen den beiden zu verhindern. »Ich habe einen Mann kennengelernt.« Greta wollte es ihren Eltern lieber selbst sagen, bevor sie es von Felix erfuhren.

»So ganz unschuldig bist du also doch nicht«, keifte ihre Mutter schon wieder.

»Mama … bitte … steh doch ein Mal auf meiner Seite«, flehte Greta. »Felix hat seit Monaten ein Verhältnis mit seiner Sekretärin. Er schläft im Souterrain. Was habe ich also Schlimmes getan?«

»Meistens ist nicht nur einer schuldig, wenn eine Ehe in die Brüche geht. Du hast zum Beispiel dauernd vor dem Computer gehangen. Vielleicht hat Felix sich deshalb eine andere gesucht.«

Gretas Handy vibrierte. Sie warf einen kurzen Blick darauf, um zu sehen, ob es vielleicht noch mal Connor war, sah aber Felix’ Namen im Display. Er besaß wirklich die Unverschämtheit, sie jetzt anzurufen.

»Anne, entweder du bist jetzt ruhig und lässt Greta erzählen, oder du kannst rausgehen«, sagte ihr Vater in einem gefährlich ruhigen Tonfall.

Greta kannte diesen sehr gut. Es war die Ruhe vor dem Sturm. Seine Frau wusste ebenfalls, dass sie den Bogen nicht weiter überspannen durfte. Sie stieß geräuschvoll die Luft aus und lehnte sich eingeschnappt auf ihrem Stuhl zurück.

Greta erzählte ihnen die ganze Geschichte mit Connor, erwähnte allerdings nicht, dass sie bereits miteinander geschlafen hatten. Aber das konnten ihre Eltern sich sicherlich denken.

»Ein Ami aus Hollywood? Und wie soll es jetzt weitergehen?«, fragte ihre Mutter.

»Ich habe keine Ahnung. Aber Felix wird auf jeden Fall ausziehen.« Greta hatte das Haus, in dem sie wohnten, von ihrer Patentante geerbt. Sie konnte Felix also hinauswerfen und sie würde es tun, ohne mit der Wimper zu zucken. Wieder vibrierte ihr Handy. Ein kurzer Blick genügte: Felix.

»Na ja, schlaf mal drüber. Vielleicht lässt es sich ja wieder einrenken«, meinte ihre Mutter.

»Du hast es immer noch nicht kapiert! Da gibt es nichts mehr einzurenken. Es ist vorbei. Ich würde ihn am liebsten nie wiedersehen«, schrie Greta erregt.

»Das mit dem Schauspieler wird doch bestimmt nichts. Wenn der wieder in Amerika ist, kannst du das sowieso vergessen. Der wollte eine schöne Nacht – und die hat er gekriegt.«

Es bestürzte Greta, wie kalt ihre Mutter manchmal sein konnte, und sie hatte Angst, selbst so zu werden. Sie erschrak jedes Mal, wenn sie Tom einmal heftiger zurechtwies, weil sie dann dachte: Oh Gott, ich bin schon wie sie. Das Gefühl war immer präsent, egal, ob sie ihn anmeckerte, weil er mit einem Keks krümelnd durchs Treppenhaus lief oder weil er sein schmutziges Geschirr nicht wegräumte. Und jetzt hatte Tom alles mitbekommen und sie fühlte sich noch mieser. Ich muss heim zu ihm, dachte Greta und merkte, wie sich Panik in ihr ausbreitete.

Sie zuckte zusammen, als das Festnetztelefon klingelte. Ihr Vater nahm das Gespräch entgegen.

»Was willst du?«, hörte Greta ihn in grimmigem Ton sagen, und es war ihr sofort klar, dass Felix am anderen Ende der Leitung war. »Lass dich hier nicht blicken. Sie bleibt über Nacht hier.« Einen Moment lang hörte er offenbar Felix zu, dann entgegnete er: »Sie will jetzt aber nicht mit dir sprechen. Jetzt lass sie gefälligst mal zur Ruhe kommen.«

Greta war ihrem Vater dankbar, dass er ihr Felix vom Hals hielt. Ihr Handy hatte mittlerweile so oft vibriert, dass sie sicherlich zehn Anrufe von ihm auf der Mailbox hatte. Aber Tom war noch zu Hause und bestimmt war er total verstört. Wenn sie über Nacht bei ihren Eltern blieb, musste sie sich schnell etwas einfallen lassen. Sie bedeutete ihrem Vater, dass sie ihm etwas sagen müsse. Er umklammerte die Sprechmuschel mit seiner Hand, damit Felix nicht mithören konnte.

»Paps, kannst du Tom bitte abholen?«, flüsterte sie.

Er nickte. »Hör zu, Felix, ich glaube, es wäre gut, wenn Tom für den Moment zu uns kommen würde. Kannst du ihn fragen, ob er das gerne möchte?«

Wieder hörte ihr Vater Felix zu und sagte dann zu Greta: »Felix fragt Tom, ob ich ihn holen soll.«

Gespannt wartete Greta auf die Antwort. Würde Tom zu ihr kommen wollen? Oder würde Felix versuchen, ihn dahingehend zu beeinflussen, dass er bei ihm blieb?

»Okay, dann komme ich so in zwanzig Minuten vorbei«, sagte ihr Vater, nachdem einige Zeit verstrichen war, und legte auf.

Sie atmete erleichtert durch.

Greta hatte gerade einen frischen Kühlpack für ihre Schwellung aus dem Eisfach geholt, als ihr Vater mit Tom zurückkam. Er sah durcheinander aus und ließ sich bereitwillig von ihr in den Arm nehmen. Ihr Vater schob seine Frau aus dem Zimmer und ließ sie beide allein.

»Mein Schatz, es tut mir leid. Alles wird gut«, murmelte Greta und merkte, dass er weinte. Sie musste daran denken, wie sie ihn früher als kleinen Jungen getröstet hatte, wenn er sich wehgetan hatte, und selbst wenn er jetzt keine körperlichen Schmerzen hatte, so war doch seine Seele verletzt. Es hat keinen Zweck, jetzt mit ihm zu sprechen. Er ist viel zu aufgewühlt.

Als er sich nach einer Weile beruhigte, wischte sie ihm mit dem Daumen die Tränen von der Wange und schlug vor, Pfannkuchen für alle zu machen. Tom nickte und schluchzte noch einmal. Aber wenigstens hellte sich sein Gesicht ein wenig auf.

Greta war froh über die Ablenkung: Sie bat ihre Mutter um Zucker, Eier, Milch und Mehl und rührte dann, ohne groß nachdenken zu müssen, den Teig zusammen. Tom schälte währenddessen zwei Äpfel, damit sie Apfelringe in den dicken, sämigen Teig geben und mitbacken konnten. So hatte schon Gretas Uroma die Äppelplätzchen gemacht und so mochten sie sie alle am liebsten.

Greta stand am Herd und backte die kleinen runden Pfannkuchen, während ihre Eltern und Tom schon die erste Fuhre aßen. Sie hatte keinen Appetit, ihre Wange schmerzte immer noch höllisch und sie fühlte sich wie ein geschundener Hund. Zudem hatte sie keine Ahnung, wie ihr zukünftiges Leben aussehen würde. Greta hatte Angst vor einer Scheidungsschlacht, denn Felix würde sicherlich alle Register ziehen, um ihr keinen Unterhalt zahlen zu müssen. Aber wenigstens gehörte ihr das Haus allein. Doch sie und Felix hatten einiges an Zeit und Geld in die Renovierung investiert, und darüber würden sie reden müssen. Da Felix gut verdiente, hatten sie eine ordentliche Summe gespart, und Greta ging deshalb davon aus, dass sie Felix mit ihrem Anteil ausbezahlen konnte. Was sie als freie Autorin monatlich verdiente, würde zum Leben reichen, aber große Sprünge würde sie nicht damit machen können. Sie musste dringend einen Anwalt suchen, um ihre Rechte abzuklären.

»Komm, ich backe mal weiter. Jetzt setz dich doch mal hin und iss was«, riss Gretas Mutter sie aus ihren Gedanken.

Sie setzte sich zu Tom und aß ihm zuliebe mit Mühe zwei Äppelplätzchen.

Nachdem die Küche wieder in Ordnung gebracht war, spielten sie und Tom Mühle gegeneinander. Greta war nicht bei der Sache, und so gelang es Tom, sie mehrmals zu schlagen.

»Mama, so macht das keinen Spaß. Du musst dir mehr Mühe geben«, motzte er.

»Tut mir leid, Tom. Ich kann mich nicht richtig konzentrieren.«

»Schon gut. Wenn ich ehrlich bin, ich mich auch nicht.«

Sie schenkte ihm einen liebevollen Blick.

Nach dem Abendbrot schaute Greta mit Tom und ihren Eltern noch einen älteren Tatort, der im Dritten ausgestrahlt wurde. Sie war so müde, dass sie im Sitzen auf der Couch einschlief und erst wach wurde, als ihr Kopf zur Seite kippte.

»Ich glaube, ich muss ins Bett«, murmelte sie und stand auf.

Schlaftrunken putzte sie ihre Zähne, wusch ihr Gesicht und ließ sich von ihrer Mutter Bettwäsche und ein T-Shirt zum Schlafen geben. »Gute Nacht, Tom. Soll ich dich morgen früh zur Schule fahren?«

»Nein, ist schon okay, ich fahre mit dem Bus.«

»Okay.« Greta nickte. »Aber ich stehe auf und frühstücke mit dir. Sieben Uhr?«

»Passt«, sagte Tom knapp, der jetzt wissen wollte, wer der Mörder war.

»Gute Nacht, Mama und Papa.«

»Schlaf gut«, sagten ihre Eltern unisono.

Während sie gerade ihr Bett im Gästezimmer bezog, klingelte ihr Handy erneut. Entnervt schaute Greta auf den Bildschirm, aber es war nicht Felix, der anrief. Sie nahm das Gespräch mit zitternden Fingern an.

»Hallo, Greta. Ich bin’s, Connor. Ich habe mir schon Sorgen gemacht, weil du vorhin nicht geantwortet hast«, sagte er. »Ich wollte wissen, ob du gut heimgekommen bist.«

»Ja, bin ich, lieb, dass du fragst. Tut mir leid, dass ich nicht drangegangen bin. Es gab einen … Vorfall.«

»Was ist passiert?« Connor klang alarmiert.

Sie erzählte ihm in Kürze, was passiert war. Kurz überlegte sie, ob sie den Schlag verschweigen sollte, aber sie wollte ihm gegenüber ehrlich sein.

»Son of a bitch!«, fluchte Connor. »Ich habe nächstes Wochenende zwei Tage drehfrei und werde nach Deutschland kommen. Ich werde mir diesen Feigling vorknöpfen.«

Wieso kümmert ihn das? »Nein. Das würde alles nur noch schlimmer machen. Er wird mich nicht mehr schlagen, ganz sicher.« In Wirklichkeit war sie sich jedoch gar nicht so sicher. Felix konnte ziemlich jähzornig werden, und sie hatte sogar ein wenig Angst, ihm wieder gegenüberzutreten. Sie hatte keine Lust, die Hauptrolle in einem dieser Familiendramen zu spielen, von denen man immer wieder in der Zeitung las.

»Versprich mir, dass du auf dich aufpasst und ihm aus dem Weg gehst.«

»Ich verspreche es. Aber du … wieso kommst du schon wieder nach Deutschland?«, fragte sie erstaunt.

»Ich habe ein Fotoshooting in Frankfurt. Aber ich werde in Wiesbaden wohnen.«

Gretas Herz hüpfte. Heißt das etwa, dass wir uns vielleicht sehen werden?

»Du sagst ja gar nichts«, meinte Connor.

»Sorry. Ich bin ein bisschen überrascht.«

»Positiv, hoffe ich?«

»Natürlich. Ich freue mich, dass du schon so bald wieder hier bist.«

»Dann sehen wir uns?«, fragte er.

»Ja, das wäre wirklich schön.«

»Prima, ich schreibe dir, wo ich wohnen werde und wann ich ankomme. Ich freue mich auf dich. Gute Nacht, Greta. Und lass mich wissen, wenn ich irgendetwas für dich tun kann.«

»Mache ich. Ich freue mich auch. Gute Nacht, Connor.«

Greta saß eine Weile auf dem Bett und überlegte. Ihre Affäre mit Connor war scheinbar noch nicht zu Ende. Sie spürte, wie ein Glücksgefühl durch ihren Körper floss.

Als Greta am nächsten Morgen vom Weckton des iPhones wach wurde, brauchte sie einen Moment, um zu realisieren, warum sie im Gästebett ihrer Eltern lag. Aber dann fiel ihr schlagartig alles wieder ein. Wäre ich nur zu Hause geblieben! Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie war nicht bereit für den Kampf mit Felix, die Auseinandersetzungen, die es unzweifelhaft geben würde. Gleichzeitig musste sie noch für Tom da sein, ihn trösten, Erklärungen liefern, Lösungen finden. Und dann war da noch Connor. Ihr gingen so viele Gedanken durch den Kopf, dass sie sich gar nicht richtig darüber freuen konnte, dass sie ihn wiedersehen würde.

Greta quälte sich aus dem Bett. Es war schon kurz nach sieben und sie wollte ja mit Tom frühstücken. Sie schlüpfte in ihre Jeans und trottete barfuß in die Küche.

»Guten Morgen zusammen«, sagte sie und versuchte, gut gelaunt zu klingen.

»Moin«, sagte Tom und biss in seinen Nutellatoast.

»Guten Morgen, Greta«, sagte auch ihr Vater und blickte von seiner Zeitung auf.

»Guten Morgen. Zieh dir doch mal ein paar Socken an, du erkältest dich noch«, sagte ihre Mutter mit Blick auf ihre Füße.

»Ja, Mama«, antwortete Greta und seufzte. Für diesen Kampf hatte sie derzeit keine Muße. Also ging sie zurück ins Gästezimmer und zog ihre Socken an.

»Kaffee?«, fragte ihre Mutter, als Greta sich an den Tisch setzte.

»Unbedingt.«

»Was möchtest du frühstücken? Ich kann dir ein paar Rühreier machen …«

»Danke, aber ich habe gar keinen Hunger.«

»Du musst was essen! Wenigstens einen Toast.«

»Okay, dann einen Toast.«

Greta wunderte sich, dass ihre Mutter so zuvorkommend war. Entweder hatte sie eingesehen, dass jetzt nicht der rechte Zeitpunkt war, um ihr Vorhaltungen zu machen, oder aber, und das war ihre Vermutung, ihr Vater hatte mit ihrer Mutter geredet.

Tom schien sich gefangen zu haben, worüber sie sehr froh war, auch wenn sie nicht in seinen Kopf hineinschauen konnte. Er diskutierte mit seinem Opa über das letzte Spiel von Mainz 05, während er den nächsten Toast in sich hineinstopfte.

»Was willst du jetzt machen mit der ganzen Misere?«, fragte ihre Mutter.

»Nicht jetzt, Mama«, entgegnete Greta und blickte vielsagend zu Tom.

Als Tom sich auf den Weg zur Schule gemacht hatte, ging Greta zurück ins Gästezimmer, setzte sich auf das Bett und rief Jeanette an. Während sie ihr alles berichtete, brach sie in Tränen aus. Jeanette ließ sie erzählen und sich ausheulen. Sie pflichtete Greta bei, dass Felix der größte Mistkerl sei, den sie kenne, und dass es ja wohl das Letzte sei, seine Frau oder überhaupt irgendjemanden zu schlagen.

»Hör zu, Süße, ich habe heute Spätdienst und muss erst um zwei in der Redaktion sein. Ich kann also mit dir nach Hause kommen, wenn du nicht alleine gehen willst«, sagte Jeanette schließlich.

»Ich wäre dir echt dankbar, denn ehrlich gesagt habe ich ein wenig Schiss, Felix gegenüberzutreten.«

»Wir treffen uns in einer Stunde bei dir vor dem Haus. Keine Sorge, wir werden das schon hinbekommen. Und Kopf hoch … du hast ein neues Date mit Connor O’Bannion.«

Felix war zu Hause, wie sein Auto vor der Tür verriet. Als selbstständiger Unternehmensberater war er zwar viel unterwegs oder im Büro in der Stadt, erledigte aber auch oft Schriftsachen im Homeoffice. Es wäre ihr eigentlich lieber gewesen, ihn nicht anzutreffen, aber irgendwann musste sie ihm gegenübertreten und jetzt hatte sie wenigstens Jeanette als Rückendeckung dabei. Sie blieb im Auto sitzen und wartete auf ihre Freundin.

Wie meistens war Jeanette einige Minuten zu spät und fuhr mit einem rasanten Schlenker in die große Parklücke hinter Gretas Auto. Die beiden stiegen aus und gingen aufeinander zu.

»Oh mein Gott, wie siehst du denn aus?«, sagte Jeanette erschrocken und umarmte Greta, deren Augen sich sofort wieder mit Tränen füllten.

Ich bin im Moment echt nah am Wasser gebaut, dachte Greta und schniefte. »Geht schon wieder«, sagte sie.

»Na komm, dann wollen wir mal«, meinte Jeanette und schob sie in Richtung Hauseingang.

Als Greta die Eingangstür öffnete, stand Felix schon im Flur, als ob er auf sie gewartet hätte.

»Greta, was gestern passiert ist, tut mir leid. Ich …« Er sah Jeanette hinter ihr stehen und stutzte. »Was soll das denn jetzt?«

Greta hörte seine Erregung und den aufkeimenden Ärger in seiner Stimme. »Verstärkung. Damit du mich bei dem, was ich dir zu sagen habe, nicht wieder angreifst«, erklärte Greta ihm bissig und resolut zugleich. Sie wollte stark wirken und war keineswegs gewillt, den Schlag so einfach mit einer Entschuldigung abzutun.

»Können wir ins Wohnzimmer gehen und wie normale Menschen miteinander reden?«, meinte Jeanette.

Felix nickte, aber er machte ein skeptisches Gesicht und zog den linken Mundwinkel nach unten.

Greta bereitete für Jeanette und sich zunächst einen Espresso zu. Während die Mühle des Kaffeeautomaten röhrte, überlegte sie, wie sie das Gespräch mit Felix anfangen sollte. Ach was, keine Umschweife, raus damit.

Greta brachte die Tassen ins Wohnzimmer und stellte sie auf den Tisch. Dann holte sie tief Luft. »Felix, ich möchte, dass du ausziehst.«

»Wie bitte?« Er schaute sie entgeistert an.

»Du hast schon richtig verstanden. Bitte nimm dir vorübergehend ein Hotelzimmer. Ich möchte dich im Moment nicht in meinem Haus haben und bin am Überlegen, ob ich dich wegen Körperverletzung anzeigen soll. Und die Scheidung werde ich in Kürze bei meinem Rechtsanwalt einreichen.«

Felix saß wie versteinert auf dem Sessel. Nur sein linkes Auge zuckte nervös. »Gut, ich werde gehen«, sagte er nach einer längeren Pause. »Aber Tom wirst du nicht bekommen, das schwöre ich dir.«

Greta schnürte es für einen Moment den Hals zu, aber sie wollte sich jetzt nicht einschüchtern lassen. »Vorerst wird er hier bei mir bleiben. Über alles Weitere entscheidet der Richter. Oder Tom, schließlich ist er alt genug«, sagte sie bestimmt.

»Na gut. Aber glaube ja nicht, dass ich dir nur einen Cent Unterhalt zahle.« Felix stand auf und ging die Treppe hinunter in sein Zimmer. Kurz darauf verließ er wortlos mit einer kleinen Reisetasche das Haus.

»Na, das ging ja einfacher als gedacht«, sagte Jeanette.

»Ich weiß nicht. Ich traue dem Frieden nicht«, meinte Greta.

Sie sollte recht behalten. Felix kam bereits am nächsten Vormittag mit dem Brief seines Anwalts in der Hand zurück, der eigentlich ein guter Freund von ihnen beiden war. Ein gewisser Triumph lag in seinem Blick. Demnach durfte Greta, obwohl sie die Hauseigentümerin war, Felix nicht einfach fristlos vor die Tür setzen. Ihr wurde mit einer einstweiligen Verfügung gedroht, für die sie die Kosten zu tragen habe, falls sie Felix nicht freiwillig den Zugang zum Haus gewähre.

Zähneknirschend sah Greta zu, wie er seine Reisetasche zurück ins Souterrain brachte. Sie würde nun jedoch probieren müssen, die Wogen zu glätten, weil sie eine permanente Konfrontation nicht ertragen würde.

Felix schien die gleiche Strategie zu fahren und behandelte sie freundlich, blieb aber distanziert und ließ sich kaum oben im gemeinsamen Wohnbereich blicken.

Greta war es ganz recht so. Sie hatte noch mehrere Artikel abzuschließen, für die die Abgabetermine näher rückten, und brauchte keine unwillkommene Ablenkung. Konzentriert schrieb sie bis in den Abend hinein und merkte dann erst, wie hungrig sie war, weil sie seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte.

Auf die Schnelle kochte sie ein paar Penne und eine Tomatensoße und rief Tom zum Essen.

»Oh, Nudeln«, sagte er mit wenig Begeisterung, als er in die Küche kam. »Also, Papa ist gerade losgefahren, um unsere Pizza abzuholen, die er bestellt hat. Wir wollen bei ihm im Zimmer das Fußballspiel gucken.«

»Aha, wer spielt denn?«, fragte Greta und ließ sich ihre Enttäuschung nicht anmerken.

»Real Madrid gegen Bayern. Ein paar Nudeln könnte ich aber trotzdem noch verdrücken.«

Greta lächelte. Tom konnte ohne Probleme viertausend Kalorien am Tag essen, ohne ein Gramm zuzunehmen. Sie schöpfte ihm eine ordentliche Portion auf den Teller.

»Danke, Mama.«

Er schnappte sich den Teller mit den Nudeln und verschwand in Richtung Kellertreppe.

Greta sah dies mit gemischten Gefühlen, denn sie hatte die Befürchtung, dass Felix ihn dahingehend beeinflussen könnte, tatsächlich zu ihm zu ziehen, so wie Tom es in seiner ersten Reaktion angekündigt hatte. Ihre Befürchtung wurde bestärkt durch den Umstand, dass Felix in der Erziehung weniger streng und gleichzeitig wesentlich großzügiger war als sie selbst und ihm hin und wieder neben seinem Taschengeld ein paar Euro zusteckte, wie sie öfter mitbekommen hatte. Das kam bei Tom natürlich gut an. Offenbar wollte Felix damit sein schlechtes Gewissen beruhigen, weil er so wenig Zeit mit Tom verbrachte. Vielleicht konnten sie eine flexible Lösung finden, je nachdem, wo Felix sich eine neue Unterkunft suchen würde? Möglicherweise würde er sich ja bei seiner Geliebten einquartieren, und dann war es eher unwahrscheinlich, dass Tom mit den beiden zusammenwohnen wollte. Greta spielte im Kopf die möglichen Varianten durch, aber es gab in der Gleichung zu viele Unbekannte, weshalb sie keine Lösung fand. Das Einzige, was feststand, war, dass Tom in dem Alter war, in dem er selbst entscheiden konnte, bei wem er dauerhaft leben wollte.

Nachdem sie lustlos vor dem Fernseher gegessen hatte, räumte sie das Geschirr in die Spülmaschine und ging nach oben ins Bad. Sie duschte und schlüpfte dann ins Bett in der Hoffnung, dass sie nach ein paar Seiten in dem Krimi, den sie gerade las, gut einschlafen würde. Sie hatte gerade die erste Seite fertig gelesen, als ihr Mobiltelefon vibrierte. Sie nahm es vom Nachttisch und augenblicklich munterte sich ihre Miene auf.

»Hallo, Connor«, sagte sie mit weicher Stimme.

»Hallo, Greta, ich wollte mich erkundigen, wie es dir geht und ob so weit alles okay ist?«

»Na ja, okay wäre übertrieben, aber es geht mir ganz gut. Ich wollte gerade schlafen gehen, weil ich so kaputt bin.«

»Oh, das tut mir leid. Soll ich mich morgen melden?«

»Nein, nein, schon gut«, beeilte sie sich zu sagen.

»Wie läuft es mit deinem Ex? Lässt er dich in Ruhe?«

Es klang in Gretas Ohren komisch, aber ja, Felix war ihr Ex. »Mach dir keine Sorgen. Alles gut!«, bekam Connor von Greta zu hören.

»Ich mache mir aber Sorgen«, insistierte er und Greta musste lächeln.

»Erzähl mir lieber, wie es in Schottland läuft.«

»Na ja, meine beiden Kolleginnen sind wie erwartet anstrengend, mit dem Produzenten war ich schon das eine oder andere Bier trinken, und sonst ist die Truppe sehr nett, wenn auch alle einen fürchterlichen Akzent haben.«

»Das sagen die über den ungehobelten Cowboy bestimmt ebenso«, lachte Greta.

»Ganz bestimmt. Mein Sprachcoach ist schon völlig verzweifelt.«

»Ich verstehe gar nicht, warum die Rolle mit einem Amerikaner besetzt wurde.«

»Ich war einfach der Beste«, lachte Connor.

»Das sowieso, Mr. O’Bannion.«

»Und außerdem habe ich ja schottische Wurzeln. Ich werde übrigens am Freitagabend so gegen halb acht im Hotel sein. Es heißt Nassauer Hof«, wechselte er das Thema.

»Ja, das kenne ich.«

»Gut. Ich werde dich dort gegen acht Uhr erwarten«, sagte er.

Die Art und Weise, wie er das sagte, ließ keinen Zweifel an seinen Absichten aufkommen.

Touched: Süchtig nach dir

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