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Kapitel 1

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In vielen schlaflosen Nächten hat sie sich vorgestellt, wie der Tag ablaufen würde, an dem sie ihren Mann verlässt – und nun ist alles ganz anders.

Mit einem leisen Surren schließt Greta den Reißverschluss des großen schwarzen Koffers und schaut sich um, ob sie etwas vergessen hat einzupacken. Das war’s also. Außer ihrem Gepäck, ihrer Jacke und ihrer Handtasche ist nichts mehr von ihr in dem Raum, der einmal ihr Schlafzimmer gewesen ist.

Die Traurigkeit kommt scheinbar aus dem Nichts. Sie beißt sich auf die Unterlippe, um die Tränen zu unterdrücken. Sie gelten nicht ihrem Mann, sondern Tom, ihrem fünfzehnjährigen Sohn, der bei seinem Vater bleiben wird, bis sie in ihrem neuen Leben Fuß gefasst hat. Der Gedanke, ihn wochen- oder sogar monatelang nicht zu sehen und Tausende Kilometer von ihm entfernt zu sein, ist kaum zu ertragen und weckt bei ihr jedes Mal ein Gefühl, als ob eine Faust ihr Herz umklammern würde. Aber Tom hat sich nach langen Gesprächen, die sie miteinander geführt haben, so entschieden, und es ist objektiv betrachtet die beste Lösung – vorerst.

Sie kann Tom verstehen. Er ist in einem Alter, in dem die Kumpels oft wichtiger sind als die Eltern. Er will weder die Schule wechseln, noch sein geliebtes Fußballtraining bei Mainz 05 aufgeben, und schon gar nicht in ein fremdes Land ziehen. Und wenn Greta realistisch ist, hat sie auch keine Ahnung, wie es bei ihr in drei Monaten aussehen wird. Vielleicht wäre sie dann längst zurück in Deutschland, weil es nicht gepasst hat?

Nach einem Augenblick schüttelt Greta den Kopf, um diese Gedanken zu verdrängen. Reflexartig streicht sie ihre Haare zurück, wuchtet den Koffer vom Bett, trägt ihn in den Flur und die Treppe hinunter. Ihre restlichen Habseligkeiten, verpackt in zwei große Koffer, hat sie schon vor Tagen von einem Versandservice abholen lassen. Sie haben ihr Ziel bereits erreicht und warten dort auf sie.

Während sie unruhig in der Wohnung herumläuft, dabei noch einmal nachschaut, ob die Kaffeemaschine aus und die Terrassentür zu ist, fragt sie sich zum x-ten Mal, ob sie wirklich das Richtige tut.

Es klingelt. Greta zuckt zusammen und schaut aus dem Fenster. Das Taxi. Sie öffnet dem Fahrer die Tür und übergibt ihm den Koffer.

»Einen kleinen Moment noch, ich komme gleich«, sagt sie.

Er nickt und geht zum Auto.

Sie schaut sich noch einmal um, sieht die Fotos an der Wand und ihr Blick bleibt an einem Bild von Tom hängen. Es ist vor ein paar Jahren im Urlaub in der Karibik entstanden. Seine damals ziemlich langen Haare wehen im Wind. Ein Bild aus glücklicheren Tagen. So viel ist seitdem passiert. Auch Tom ist kein Kind mehr, aus ihm ist ein junger Mann geworden. Entschlossen geht sie zur Wand, hängt das Bild ab und steckt es in ihren Rucksack. Sie greift nach ihrer Jacke, zieht die Tür hinter sich zu und geht zum Taxi.

Im Auto muss sie sich beherrschen, nicht zurückzublicken. Ihr Augenmerk sollte jetzt dem gelten, was vor ihr liegt. Trotzdem schleicht sich Tom wieder in ihren Kopf. Sie hat das Abschiedsszenario vom Morgen vor Augen.

Wortlos haben sie sich im Flur gegenübergestanden. Tom hat ihr in die Augen geschaut und heftig geschluckt.

»Tom … ich werde dich unglaublich vermissen«, hat sie gestammelt und ihn umarmt, während ihr die Tränen über die Wangen gelaufen sind.

Nach einem kurzen Zögern legte Tom die Arme um sie. »Ich dich auch«, sagte er mit rauer Stimme.

»Du musst mich unbedingt bald besuchen kommen, ja? Und wir müssen oft telefonieren … nicht nur über WhatsApp schreiben!«

»Okay, machen wir.« Tom versuchte, sich aus ihrer Umarmung zu lösen. »Mama, ich muss zur Schule.«

Widerwillig ließ sie ihn los. »Wir können auch skypen …«

»Klar. Ist doch heutzutage gar kein Problem.« Tom lächelte gequält.

Er umarmte sie noch einmal und sie sog den Geruch seines frisch gewaschenen Haares ein.

»Ich muss los«, murmelte Tom, trat einen Schritt zurück und ging zur Tür. Als er bereits auf dem Gehweg war, drehte er sich noch einmal um und winkte ihr zu.

Sie blieb an der Tür stehen, bis er um die nächste Ecke gebogen war und sie ihn nicht mehr sehen konnte. Mit Mühe unterdrückte sie ein Schluchzen. Sie musste jetzt stark sein, sonst würde sie noch in letzter Sekunde alles rückgängig machen. Doch das war keine Option. Sie war fest davon überzeugt, dass dies ihre einzige Chance war, aus ihrem eingefahrenen Leben auszubrechen und noch einmal von vorn anzufangen. Die musste sie einfach ergreifen.

Auch andere Eltern trennen sich und ziehen um, hat sie sich eingeredet.

Aber nicht unbedingt in ein anderes Land, hat sich im nächsten Augenblick ihr Gewissen gemeldet.

Als das Taxi zügig aus der Ortschaft in Richtung Autobahn fährt, schaut sie mit leerem Blick aus dem Fenster und nimmt kaum die vertraute Umgebung wahr. Ihre Gedanken kreisen stattdessen um ihn.

Gestern Abend hat er ein allerletztes Mal angerufen, um ihr zu sagen, wie sehr er sich auf sie freue. Kaum hat sie seine Stimme am anderen Ende der Leitung – achttausend Kilometer entfernt – gehört, waren alle Zweifel wie weggewischt.

In ein paar Stunden werde ich bei ihm sein, denkt sie aufgeregt, während das Taxi über die Autobahn Richtung Flughafen rast. Sie ist froh, dass der Tag X endlich gekommen ist, an dem es keine Umkehr mehr gibt, kein Zaudern und kein Gedankenkarussell.

Bilder von ihrer ersten Begegnung mit ihm schießen ihr durch den Kopf, und sie muss unwillkürlich lächeln, als sie an ihr ungeplantes Aufeinandertreffen zurückdenkt.


***

Es war der erste richtig warme Frühlingstag des Jahres. Die Luft war noch kühl, aber in der Sonne war es schon herrlich warm. Überall war frisches Grün zu sehen, die Natur explodierte, und die Menschen schienen aufzuatmen, weil der Winter endlich vorüber war. Greta war in die Stadt gefahren, um sich mit einer Shoppingtour durch ihre Lieblingsboutiquen aus der alltäglichen Routine und Langeweile herausreißen zu lassen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass es in der Stadt so voll sein würde. Das gute Wetter hatte viele Menschen angelockt, die die ersten Sonnenstrahlen genießen wollten.

Shoppen kann fast so befriedigend sein wie Sex, dachte sie, als sie mit ihren Einkaufstüten bepackt Richtung Dom schlenderte. Und davon hatte ich in letzter Zeit nicht allzu viel. Aber jetzt brauche ich erst einmal dringend einen Kaffee.

Am Marktplatz, wo einige Cafés Tische draußen stehen hatten, hielt sie nach einem Platz Ausschau. Ein aussichtsloses Unterfangen: Bei dem herrlichen Wetter waren alle Stühle besetzt, weit und breit war kein freier Tisch in Sicht. Fast wollte sie aufgeben, als sie vor ihrem Lieblingscafé Milk and Coffee einen Tisch entdeckte, an dem nur ein Mann saß. Der Typ chillte lässig mit ausgestreckten Beinen, geschlossenen Augen und verschränkten Armen auf dem Stuhl in der Frühlingssonne, beinahe sah es aus, als wäre er eingenickt. Sie zögerte, doch sie wollte unbedingt einen Kaffee trinken. Hier und da eine Entschuldigung murmelnd, zwängte sie sich mit den Tüten an den anderen Tischen vorbei und fragte den Mann mit einem gewinnenden Lächeln: »Entschuldigen Sie bitte, ist hier noch ein Platz frei?«

Er schaute erstaunt auf und runzelte die Stirn. »Excuse me?«

Greta war über seine Antwort überrascht, ließ sich jedoch nichts anmerken. »Ähm … darf ich mich zu Ihnen setzen?«, fragte sie ihn auf Englisch und deutete auf den freien Platz.

Der Mann zögerte.

»Oh, no problem«, sagte sie schnell, »wenn Sie für sich bleiben wollen … kann ich mich woanders hinsetzen.«

Er überlegte einen Augenblick und schaute sich um. »Hm, das könnte schwierig werden. … Setzen Sie sich und machen Sie es sich bequem«, sagte er mit eindeutig amerikanischem Akzent. Seine Stimme war tief, sonor und klang, als hätte er in seinem Leben schon einige Zigaretten inhaliert. Mit seiner linken Hand deutete er beiläufig auf einen freien Stuhl an dem kleinen Tisch.

»Vielen Dank! Das ist sehr freundlich«, entgegnete sie und befürchtete, dass ihr Oxford-Englisch in seinen Ohren schrecklich klingen musste. Sie setzte sich und verstaute umständlich ihre Tüten unter dem Bistrotisch.

»Darf ich Ihnen etwas bestellen?«, fragte der Fremde, als sie sich endlich seufzend zurücklehnte.

Zu ihrer Überraschung sprach er langsam und deutlich. Sie hatte mit Amerikanern schon ganz andere Erfahrungen gemacht. »Das wäre nett. Einen Café au Lait … oder nein … lieber einen Latte macchiato, bitte.«

»Gibt es da einen Unterschied? Ich dachte, das wäre dasselbe … Kaffee mit Milch«, entgegnete er mit einem ironischen Unterton.

»Oh nein, es gibt tatsächlich Unterschiede.«

»Na, dann bin ich gespannt«, sagte er und lehnte seinen Oberkörper ein wenig nach vorn.

Na prima, dachte Greta. Und das nur, weil ich mich wie so oft nicht entscheiden konnte. Sie seufzte leise.

»Also«, fing sie an und holte tief Luft, »ein Café au Lait ist Espresso oder Kaffee mit der gleichen Menge an Milch und ein bisschen Milchschaum. Ein Latte macchiato hingegen besteht aus viel Milchschaum, in den vorsichtig ein Espresso eingefüllt wird. Und dann bilden sich diese … diese …« Sie überlegte, wie sie das Kunstwerk umschreiben könnte. »… nun, diese verschiedenen Farben, die Sie gleich bei meinem Latte macchiato sehen können. Deswegen wird er im Glas serviert.«

»Danke für die Erläuterung. Und übrigens – Sie haben einen wirklich netten Akzent«, sagte er mit einem Grinsen.

Sie wusste nicht, ob sie sich geschmeichelt oder auf den Arm genommen fühlen sollte. »Thank you«, sagte sie und zog einen Mundwinkel nach oben.

Während er den Kellner herbeirief und bestellte, ließ sie ihren Blick über den Marktplatz schweifen und registrierte die vielen Menschen, die herumschlenderten, die spielenden Kinder und die Straßenmusiker. Von ihrem Platz aus hatte man einen grandiosen Blick auf den Mainzer Dom. Sie war gern in der Stadt, die überschaubar und gemütlich war.

Der Amerikaner hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und schien das bunte Treiben ebenfalls zu beobachten. Aus den Augenwinkeln musterte sie ihn. Baseballkappe, dunkle Sonnenbrille, weißes T-Shirt, ausgewaschene Jeans, keine Socken, Sneaker. Vielleicht eins fünfundachtzig, recht muskulös. Man sieht, dass er trainiert, dachte sie mit Blick auf seine Oberarme. Unter dem linken Ärmel des T-Shirts blitzte ein Tattoo hervor, ein Tribal, das sich rund um den Arm schlang. In ihrem Bekanntenkreis hatte niemand ein Tattoo, jedenfalls kein offensichtliches. Insgeheim musste sie zugeben, dass es zu ihm passte – und ziemlich sexy war.

»Und, gefällt Ihnen, was Sie sehen?«, fragte der Fremde mit ironischem Unterton in der Stimme.

Sie lachte verlegen. »Oh, es tut mir leid. Mein Blick fiel nur gerade auf Ihr Tattoo«, beeilte sie sich, zu sagen, und merkte, wie sie errötete.

»Es braucht Ihnen nicht leidzutun. Männer checken Frauen ständig ab, warum soll es nicht auch umgekehrt so sein?«

»Na ja, normalerweise tue ich so etwas nicht – abchecken, wie Sie es nennen.«

»Soso! Wenn Sie da mal nichts verpassen«, lachte er.

Sie zog die Augenbrauen hoch, aber entgegnete nichts. Sie würde einen Teufel tun, mit ihm darüber zu diskutieren. Natürlich schaute sie, wenn sie einen interessanten Mann sah, sie ließ sich nur nicht gern ertappen. Aber keine Frage: Ein wohlgeformter Hintern oder ein gut gebauter Oberkörper erregten ebenso ihre Aufmerksamkeit wie ein sympathisches Lächeln oder schöne Hände.

Greta wusste nicht, was sie sagen sollte, und kramte stattdessen in ihrer Tasche nach ihrer Sonnenbrille. Sie setzte sie auf, schaute kurz auf ihr Handy und zog einen Lipgloss hervor, um sich die Lippen nachzuziehen. Sie fühlte sich von ihm beobachtet, konnte jedoch wegen seiner Sonnenbrille nicht einschätzen, wo er tatsächlich hinschaute.

Der Kellner brachte die Getränke – zwei Latte macchiato. Beide schauten zu, wie der Mann die Getränke von seinem Tablett auf den Tisch stellte, und bedankten sich.

Der Amerikaner nippte an dem Glas. »Wirklich gut, der Kaffee«, sagte er.

»Ja, ich weiß.«

»Also kommen Sie öfter hierher?«

»Ja, es ist mein Lieblingscafé.«

Er nickte und schaute weg. Gespräch beendet.

Es war nicht ihre Art, einem Fremden ein Gespräch aufzudrängen, und er schien seine Ruhe haben zu wollen und rührte abwesend in seinem Latte macchiato herum, sodass sich die Milch und der Espresso zu einer hellbraunen Flüssigkeit vermischt hatten. Aber tatsächlich fand sie ihn interessant und war neugierig, ob sie noch mehr über ihn in Erfahrung bringen konnte. Leicht nervös und mit kratziger Stimme fragte sie: »Sind sie schon lange in der Stadt?«

»Bin gestern angekommen«, antwortete er einsilbig, ohne sie dabei anzuschauen.

»Und wie lange bleiben Sie?«

»Bin morgen wieder weg.«

»Hm, kurzer Besuch für einen so weiten Weg. Sie kommen doch aus Amerika, oder?«

»Ja, ich lebe in den Staaten. Ich habe aber noch etwas hier in Deutschland zu erledigen.«

»Beruflich?«

»M-hm«, brummte er zustimmend und ließ den Blick über den Platz schweifen.

»Was ist Ihr Beruf?« Nach seinem Outfit zu urteilen, war er kein Geschäftsmann, aber man konnte nie wissen. Sie registrierte, wie er zögerte.

»Ich bin Schauspieler.«

»Oh, Schauspieler! Tatsächlich? Sollte ich Sie kennen?«

»Kommt drauf an.«

»Worauf?«

»Ob Sie mal einen Film oder eine Serie mit mir gesehen haben.«

»Wie ist denn Ihr Name?«

Er zögerte erneut. »Connor O’Bannion.«

Beinahe hätte sie sich an ihrem Latte macchiato verschluckt, an dem sie gerade genippt hatte. »Connor O’Bannion? Sorry, aber … Sie sehen ihm gar nicht ähnlich. Ich habe kürzlich in die neue Serie reingeschaut, in der er mitspielt …«

»Nun ja, ich bin es aber. Glauben Sie, was Sie wollen«, sagte er und zuckte mit den Schultern.

»Sicher, und Connor O’Bannion sitzt hier mit mir und trinkt Kaffee.« Sie schüttelte den Kopf.

»So ist es.«

»Ach, kommen Sie. Sie nehmen mich auf den Arm. Was um Himmels willen sollte Connor O’Bannion hier machen? In Berlin, Hamburg, Köln – ja, vielleicht, aber doch nicht in Mainz.«

Zum ersten Mal wandte er sich ihr direkt zu und schaute sie durch seine dunkle Sonnenbrille an. »Warum denken bloß alle Leute, Schauspieler, Sänger oder Politiker hätten kein Privatleben? Könnte es denn nicht sein, dass Connor O’Bannion einen Freund hat, der auf der Airbase in Wiesbaden stationiert ist? Könnte es nicht sein, dass die beiden sich nach drei Jahren mal wieder treffen wollten, der Freund aber kurzfristig abkommandiert wurde? Ist das so unwahrscheinlich?«

»Ähm … nein, natürlich nicht«, meinte sie schnell. Bis jetzt hatte sie noch alles als einen Scherz aufgefasst, aber sein ernster Gesichtsausdruck, sein ärgerlicher Ton und die Tatsache, dass er den amerikanischen Flugplatz kannte, ließen ihre Zweifel schwinden. Sie runzelte die Stirn. Kann das sein? So etwas passiert doch nur in kitschigen Filmen. »Dann nehmen Sie doch einfach mal Ihre Kappe und Ihre Brille ab und zeigen Sie Ihr Gesicht«, schlug sie vor.

»Ich bin doch nicht verrückt, dann habe ich hier keine ruhige Minute mehr.«

»Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Schließlich sind Sie nicht der amerikanische Präsident. Kommen Sie, nur ganz kurz. Sonst glaube ich Ihnen nicht, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen habe.«

Betont langsam setzte er seine Ray-Ban ab.

Sie schaute in zwei blaue Augen … oder waren sie eher grün? Er nahm die Baseballkappe vom Kopf. Die dunkelblonden Haare waren plattgedrückt, aber vor ihr saß leibhaftig Connor O’Bannion. Er sah anders aus als in der Serie, die sie kürzlich gesehen hatte, was sicher daran lag, dass er die Haare jetzt länger trug, aber die Gesichtszüge waren unbestritten die Gleichen. Sie schluckte und war sprachlos, was selten vorkam.

Offenbar war sie nicht die Einzige, deren Aufmerksamkeit geweckt war. Eine Frau vom Nachbartisch, die die ganze Zeit verstohlen zu ihnen herübergeschielt hatte, stand auf und ging zielstrebig auf das Objekt ihrer Begierde zu.

Er setzte schnell wieder seine Tarnung auf und sagte: »Sehen Sie, habe ich es nicht gesagt?«

»Entschuldigen Sie die Störung. Ich habe die ganze Zeit überlegt, woher ich Sie kenne. Sind Sie möglicherweise Connor O’Bannion?«, fragte die Frau.

Er schaute zu ihr auf, zögerte einen Moment und sagte dann leise: »Sieht so aus.«

»Oh mein Gott!« Sie drehte sich zu ihren Freundinnen um und rief: »Er ist es!«

»Pscht!«, machten Connor und Greta nahezu gleichzeitig.

»Ach ja, Sie wollen bestimmt nicht erkannt werden. Meine Güte, habe ich ein Glück. Würden Sie mir ein Autogramm geben?« Sie setzte sich, ohne zu fragen, auf einen freien Stuhl und schaute ihn erwartungsvoll an.

Connor lächelte die Frau an und zeigte ihr seine perfekten weißen Zähne. Greta lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und beobachtete die Szene.

»Aber natürlich. Wie heißen Sie?«, fragte Connor betont freundlich.

»Sabine«, sagte sie und hielt ihm einen Kuli hin. »Bitte unterschreiben Sie auf der Speisekarte, ich habe leider keinen Zettel.«

Connor nahm die dreifach gefaltete Speisekarte und schrieb auf die Rückseite: For Sabine. Connor O’Bannion.

Die Fremde nahm sie mit Ehrfurcht entgegen und presste sie an die Brust. »Können wir vielleicht noch ein Foto machen?«, fragte sie zaghaft.

Connor nickte.

Sie zog ihr Handy hervor, fummelte auf dem Display herum, bis sie die Kamera aktiviert hatte, und wollte ein Selfie mit ihrem Idol schießen.

»Soll ich das Bild machen? Das wird besser«, bot Greta an.

Sabine gab ihr das Handy, und Greta machte mehrere Fotos von ihr und Connor. Überglücklich nahm die Frau das Mobiltelefon wieder an sich und blieb noch ein paar Sekunden sitzen, wusste aber scheinbar nicht, was sie sagen sollte.

Connor sagte schließlich: »War schön, Sie kennenzulernen, Sabine.«

Sie verstand den Wink, stand auf, hauchte »Goodbye, Connor!« und ging zurück zu ihren drei Freundinnen, die die Szene neugierig beobachtet hatten. Dort fand die Frau offenbar ihre Worte wieder und erzählte gestenreich von ihrem nicht alltäglichen Erlebnis, wie Greta vermutete.

»Das war aber ein großer Fan von Ihnen«, sagte Greta. Sie schaute zu dem Tisch hinüber und sah, wie eine andere Frau aufstand.

»Ein zu großer Fan. Ich muss leider gehen, bevor noch mehr kommen. Sie sind eingeladen.« Er hatte es plötzlich ziemlich eilig. Aus der Hosentasche zog er ein paar Geldscheine, warf zwanzig Euro auf den Tisch, sprang auf und zwängte sich durch die Stuhlreihen.

Greta schaute ihm verdutzt hinterher, wie er in dem Getümmel verschwand. Weg ist er. Schade eigentlich, dachte sie bedauernd, trank ihren Latte macchiato aus und rief dann den Kellner, um zu bezahlen und sich auf den Heimweg zu machen.

»Haben Sie heute noch etwas vor?«, fragte jemand hinter ihr auf Englisch, als sie in die enge Gasse hinter dem Dom einbog. Erstaunt drehte sie sich um. Da stand er und grinste sie an.

»Sind Sie mir gefolgt?«, fragte Greta irritiert.

»Ich habe auf der anderen Seite des Platzes gewartet, bis Sie gegangen sind. Ich wollte Ihnen sagen, dass es mir leidtut, dass ich so schnell abgehauen bin. Aber ich finde es immer sehr unangenehm, wenn ich plötzlich von Fans umringt bin.«

»Kann ich verstehen. Ab und zu will man mal privat unterwegs sein.«

Er nickte. »Zum Beispiel, wenn ich eine nette Frau kennengelernt habe. Also, haben Sie noch was vor?«

Nette Frau … er meinte sie. Greta fühlte sich geschmeichelt. Sie überlegte einen kurzen Augenblick. Tom übernachtete bei einem Kumpel und sie hatte es sich mit einem Gläschen Rotwein auf der Couch gemütlich machen wollen. Im Fernsehen lief Vier Hochzeiten und ein Todesfall, einer ihrer Lieblingsfilme.

»Nein.« Sie schüttelte den Kopf.

»Haben Sie Lust, mir die Stadt zu zeigen? Und anschließend würde ich Sie gerne zum Essen einladen. Gibt es hier einen guten Italiener?«

Greta zögerte. »Ja, den gibt es, hinten in der Altstadt. Aber man muss einen Tisch reservieren, da ist es immer voll.«

»Dann sollten wir das tun.«

»Okay, machen wir. Was würden Sie sich gerne anschauen? Den Dom, die Römerschiffe, die Chagall-Fenster? Und übrigens … ich heiße Greta.« Sie streckte ihm ihre Hand hin.

»Freut mich, Greta. Wie ich heiße, weißt du ja schon.« Er nahm ihre Hand und lächelte.

Touched: Süchtig nach dir

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