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Kapitel 2

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Sie blickt aus dem Fenster des Taxis auf einen riesigen Jumbo, der gerade über die Autobahn schwebt. Faszinierend, wie leicht und elegant sie aussehen, denkt sie. Nicht mehr lange, dann wird sie selbst in solch einem Flieger sitzen. Wie immer, kurz bevor sie in ein Flugzeug steigt, ist ihr mulmig zu Mute und ihr Bauch krampft sich in regelmäßigen Abständen zusammen. Wird schon gut gehen, denkt sie und ist sich nicht sicher, ob sie den Flug meint oder das, was danach kommt.

Am Flughafen lässt der Fahrer sie aussteigen, kassiert, holt ihr Gepäck aus dem Kofferraum und rauscht ohne ein weiteres Wort davon. Für ihn war es nur eine von zahlreichen Fahrten, die er täglich macht. Für sie ist es ein Abschied von ihrem alten Leben. Und es endet mit einer langen Warteschlange vor dem Check-in-Schalter. Greta seufzt, stellt sich hinten an und versucht, an etwas Schönes zu denken. An ihr erstes Date mit Connor, auch wenn es gänzlich ungeplant war.

***

Sie liefen nebeneinander durch die Mainzer Altstadt, und Greta erzählte Connor, was ihr zur Mainzer Geschichte einfiel. Zum ersten Mal seit Langem fiel ihr auf, wie malerisch die engen Gässchen, kleinen Plätze, Brunnen und Fachwerkhäuser waren. Sie kamen an kleinen Geschäften vorbei, die viele unnötige Dinge verkauften, die dafür umso schöner waren. In den Schaufenstern stapelten sich kitschige Dekorationsgegenstände neben teuren Bilderalben, edlen Küchenutensilien, allen Zutaten für ein perfektes toskanisches Ambiente und mattem Silberschmuck.

Am Parkplatz legten sie einen kurzen Stopp ein, um Gretas Einkaufstüten in ihrem Auto zu verstauen. Anschließend machten sie einen Abstecher zum Al Cortile, dem angesagten Italiener in einer kleinen Seitenstraße unweit des Doms. Connor schaute sich im Restaurant um, deutete auf einen Tisch in einer Nische und bat den Kellner, diesen für neunzehn Uhr zu reservieren.

Sie schlenderten weiter durch die Altstadt bis zum Römerschiffmuseum. Greta kaufte die Eintrittskarten und führte Connor durch das lichtdurchflutete Museum.

Connor betrachtete interessiert die Überreste der Römerschiffe, die vor einigen Jahren beim Bau des Hilton Hotels ausgegraben worden waren. Die uralten dunklen Holzplanken und die dazugehörigen großen Schiffe, die Archäologen aus diesen wenigen Überbleibseln und vielen Abbildungen aus der Römerzeit rekonstruiert hatten, schienen ihn zu beeindrucken. Für Greta, die schon zweimal in dem Museum gewesen war, gab es im Grunde nichts Neues zu sehen. Doch Connor wies sie mehrmals auf kleine Details hin, die er entdeckt hatte und die ihr bislang verborgen geblieben waren.

Während Connor einige ausgestellte Grabsteine anschaute, ging Greta in eine Ecke des Saals und gab vor, eine plastische Abbildung der Trajanssäule in Rom zu inspizieren. Tatsächlich beobachtete sie jedoch unauffällig Connor, wie er lässig, die Hände in den Hosentaschen, zwischen den archäologischen Exponaten herumlief. Wenn sie nicht gewusst hätte, dass es sich bei dem Mann um einen bekannten Schauspieler handelte – sie hätte ihn niemals im Leben erkannt. Er sah einfach normal aus.

Connor drehte sich zu ihr um, ihre Blicke trafen sich kurz und schon wieder fühlte Greta sich ertappt. Schnell wandte sie den Kopf ab und richtete ihr Augenmerk auf die Säule.

Connor kam zu ihr herübergeschlendert. »Du lernst schnell«, meinte er süffisant.

»Wie meinst du das?« Sie merkte, wie sie schon wieder rot wurde.

»Denk mal drüber nach.« Er zwinkerte ihr zu, drehte sich um und ging zum nächsten Exponat.

Ich weiß genau, auf was du anspielst, Connor O’Bannion, dachte sie. Ja, stell dir vor, ich gucke dir hinterher.

Weil sie bis zum Abendessen noch genügend Zeit hatten, liefen sie zurück zum Dom, damit Connor einen Blick in das Innere des romanisch-gotischen Bauwerks werfen konnte. Greta bemerkte verwundert, wie Connor beim Betreten seine Finger in das Weihwasser tauchte und sich bekreuzigte. Er nahm sogar seine Baseballkappe ab, ließ aber die Sonnenbrille auf.

Ich hätte nicht gedacht, dass er gläubig ist, wunderte sich Greta. Sie hatte mit dem Thema Kirche lange abgeschlossen. Was sie allerdings beeindruckte, war das Können der Erbauer der großen Kathedralen. Es war bewundernswert, was die Menschen früher ohne technische Hilfsmittel geschaffen hatten.

Connor schien ebenfalls fasziniert zu sein, denn er schaute sich alles genau an, blieb vor jeder Statue, jedem Altar und Grab stehen. Greta setzte sich in der Zwischenzeit auf eine der Kirchenbänke und wartete auf ihn.

Nach einiger Zeit wurde sie ungeduldig und blickte auf die Uhr. Es war höchste Zeit zu gehen. Nicht nur, dass ihr Magen das signalisierte … das Al Cortile war in der Regel gut besucht, und es war ratsam, pünktlich zu erscheinen, damit der Platz nicht anderweitig vergeben wurde. Sie suchte Connor in dem riesigen Gebäude und fand ihn in einer Nische vor einer Madonna. Er wandte ihr den Rücken zu, also berührte sie ihn leicht am Arm, als sie ihn ansprach.

»Connor, es wird Zeit, zum Restaurant zu gehen.«

Er zuckte kurz zusammen, drehte sich zu ihr um und schaute sie an, als wüsste er im Moment nicht, wer sie war und dass er sich in ihrer Begleitung befand. Fahrig fuhr er sich durch die Haare und nickte. »Okay, ich komme. Einen Moment noch.« Er nahm eine Kerze, entzündete sie an einer brennenden und stellte sie in den vorgesehenen Ständer neben die anderen.

Als sie aus dem Dom traten, verschwand die Sonne gerade hinter den Dächern und es schien plötzlich zehn Grad kälter zu sein als noch eine Stunde zuvor.

»Ist dir kühl?«, fragte sie mit Blick auf sein T-Shirt.

Er rieb sich die Arme. »Ist schon okay. Ich dachte, ich esse heute Abend im Hotel, deswegen habe ich keine Jacke mitgenommen. Machen wir, dass wir zum Restaurant kommen.«

Im Al Cortile herrschte eine angenehme Atmosphäre. Kerzen und schwache Lampen erhellten den Raum gerade so viel wie nötig. Sie wurden zu ihrem reservierten Tisch in der Nische geführt. Connor setzte sich mit dem Rücken zum Raum und nahm erst dann seine Sonnenbrille und die Kappe ab.

Wie anstrengend das wohl ist, wenn man dauernd befürchten muss, erkannt und belästigt zu werden?, dachte sie. Viele Menschen träumten davon, berühmt zu sein, aber die hatten sicherlich keine Ahnung, welche Einschränkungen man dafür hinnehmen musste.

Er nahm die weiße Stoffserviette vom Tisch und legte sie sich auf den Schoß. Dann blickte er auf und sah sie aus seinen blaugrünen Augen an.

Mein Gott, er hat wunderschöne Augen. Was für eine ungewöhnliche Farbe. Und um die langen Wimpern würde ihn jede Frau beneiden, dachte Greta fasziniert.

»Ich möchte dir für den netten Nachmittag danken«, sagte er, und wie schon einige Male in den vergangenen Stunden bekam sie eine Gänsehaut, als sie seine tiefe Stimme hörte.

»Es war mir eine Freude«, entgegnete sie und merkte erstaunt, dass es nicht nur dahergesagt war, sondern dass sie es genauso meinte.

Der Kellner brachte die Speisekarten, und Greta bat ihn, noch eine Karte auf Englisch zu bringen. Wie üblich studierte sie minutenlang die Karte. Doch diesmal war nicht die Entscheidung zwischen Nudeln oder Pizza der Grund. Ging das nur ihr so oder hatte das Ganze auf einmal mehr den Charakter eines Dates? Greta merkte, wie ihre Wangen bei dem Gedanken heiß wurden.

Der Kellner kam und nahm ihre Bestellungen auf. Sie entschied sich für Nudeln mit Lachs und ein Glas Rotwein, Connor bestellte eine Pizza und ein Bier. Greta hörte nur mit halbem Ohr zu und überlegte, über was sie sich mit Connor unterhalten könnte.

»Wie ist es eigentlich, Sohn eines berühmten Schauspielers zu sein?«, fragte sie ihn, als sie wieder allein waren. Wie sie sich erinnerte, war Connors Vater ebenfalls ein bekannter Schauspieler, der in seiner Glanzzeit in vielen Western mitgespielt hatte. Viel mehr wusste sie allerdings nicht über ihn, da sie sich solche alten Filme nicht anschaute.

»Hm, ich weiß es nicht«, sagte er und zuckte mit den Schultern.

»Wie meinst du das?«

»Nun, ich bin mit meiner Schwester bei meiner Mutter in Kanada aufgewachsen. Mein Vater hatte nie Zeit für mich. Natürlich haben wir uns ab und zu gesehen, aber er war immer nur ein Besucher. Besser kennengelernt habe ich ihn erst, als ich sechzehn war. Da habe ich es zu Hause nicht mehr ausgehalten und bin nach Amerika abgehauen. Er hat mir ein paarmal unter die Arme gegriffen und mir Jobs bei Filmproduktionen besorgt. Ich war dort Mädchen für alles. Er hätte mich ohne Probleme ins Filmgeschäft bringen können, aber ich wollte es ohne seine Hilfe schaffen.«

»Und, hast du es alleine geschafft?«

»Sicher nicht.« Er schüttelte den Kopf und kniff die Augen zusammen. »Mein Vater hat seine Hände im Spiel gehabt, auch wenn er es nicht zugeben will, und mein Familienname ist sicherlich mit ausschlaggebend dafür gewesen, dass man mir eine Chance gegeben hat.«

»Woher stammt dein Name? Connor hört man nicht oft, und O’Bannion klingt irgendwie irisch.«

»Richtig geraten. Mein Großvater stammte aus Irland. Connor ist auch ein irischer Name, er geht auf die Kelten zurück und bedeutet starker Wille.« Er lächelte und zum ersten Mal fielen ihr die kleinen Lachfältchen um seine Augenwinkel herum auf. Sie schätzte, dass er ein bisschen älter als sie selbst war, also um die vierzig.

»Und, hast du ihn, einen starken Willen?«

»Ich glaube schon. Ich kann ganz schön dickköpfig sein.«

»Das kann ich auch.«

»Kann ich mir vorstellen«, sagte er und zwinkerte ihr zu.

Der Kellner brachte die Getränke und stellte sie auf den Tisch. Greta nahm ihr Glas Rotwein, prostete ihm zu, nippte an dem dunkelroten, trockenen Wein und schaute ihn über den Glasrand hinweg an. Connor nahm einen großen Schluck von seinem Bier und erwiderte ihren Blick.

Das Essen kam nur wenig später und war wie immer vorzüglich. Greta bereute es nicht, sich für Nudeln entschieden zu haben, obwohl Connors Pizza köstlich aussah.

»Viel besser als amerikanische Pizza«, meinte er begeistert. »Der Teig ist viel dünner und knuspriger.«

»Da kann ich dir nur zustimmen«, nickte Greta.

»Deswegen bin ich wirklich gerne in Italien unterwegs. Es gibt dort definitiv den besten Espresso, die beste Pizza und die beste Pasta.«

»Du kennst dich also in Europa aus?«

»Ich bin früher ein bisschen rumgekommen, aber es gibt so viel zu sehen. Irgendwann werde ich mal eine Rundreise durch Italien machen.«

»Ein guter Plan«, sagte Greta.

Als sie fertig gegessen hatten und der Kellner die Teller abräumte, verlangte Connor zeitgleich nach der Rechnung.

Greta schaute ihn überrascht an. »Ähm … ich wollte eigentlich noch etwas bestellen«, sagte sie irritiert.

»Ich wollte nur den Tisch frei machen und mit dir noch einen Drink an der Hotelbar nehmen«, entgegnete Connor. »Aber klar, wir können gerne hierbleiben«, beeilte er sich zu sagen.

In Gretas Kopf überschlugen sich die Gedanken. Von der Hotelbar ist es nicht mehr weit zu seinem Zimmer. Nein, so leicht bin ich nicht zu haben.

»Was möchtest du noch haben?«, unterbrach er ihr Gedankenkarussell.

»Ich nehme noch einen Espresso und ein kleines Glas Rotwein.«

»Und ich einen Whisky.«

Als Greta dem Kellner erklärte, dass sie es sich anders überlegt hätten, war er ein wenig ungehalten, weil er den Tisch offenbar schon an ein wartendes Paar vergeben hatte, nahm dann aber die Bestellung auf.

Das Gespräch verlief weiterhin locker und unterhaltsam. Connor hatte viel aus der Filmbranche zu erzählen und Greta konnte nicht genug von den Anekdoten bekommen. Er war ein guter Erzähler, der wusste, wie man eine Story rüberbringt, um seinen Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Um das Gesagte zu untermalen, gestikulierte er dazu. Dabei fiel Greta auf, dass er schöne männliche Hände, schlanke Finger und gepflegte Fingernägel hatte.

Einige Male lachte sie laut auf, wenn er Storys von seiner Arbeit zum Besten gab. Etwa, als er von einer berühmten Kollegin erzählte, die beim Dreh einer Abschiedsszene im Hafen einen unbedachten Schritt machte und rückwärts ins Hafenbecken fiel.

»Ich musste so lachen, als sie prustend auftauchte, dass ich nicht daran dachte, ihr hinterherzuspringen. Glücklicherweise waren aber genug Männer am Set, die dies bereitwillig taten. Meine Kollegin hat daraufhin drei Wochen nicht mehr mit mir geredet«, grinste Connor, und seine Augen blitzten vor Schadenfreude.

Greta fragte sich, ob zwischen Connor und ihr einmal etwas gelaufen war. Sie meinte, vor Jahren in einer Illustrierten über eine angebliche Beziehung der beiden gelesen zu haben. Aber sie traute sich nicht, ihn direkt danach zu fragen. Deshalb sagte sie: »Joanna Richards macht einen netten Eindruck. Wie ist sie denn so außerhalb des Rampenlichts?«

Es entging Greta nicht, dass Connor kurz zögerte, bevor er antwortete. »Nun … sie ist der Traum vieler Männer und weiß das auch. Sie kokettiert damit. Es ist wie ein Spiel mit dem Feuer. Man verbrennt sich, wenn man ihr zu nahe kommt.«

»Hm … klingt, als hättest du dir auch mal die Finger verbrannt«, sagte sie, ohne zu überlegen, und bereute im nächsten Moment ihre Dreistigkeit.

»Du bist aber gar nicht neugierig, oder? Na, jedenfalls scheinst du die Klatschpresse nicht zu lesen.« Er schaute sie direkt an, trank dabei von seinem Whisky, behielt ihn eine Weile im Mund, schluckte dann und schloss für einen Moment genießerisch die Augen.

Verunsichert stammelte Greta: »Entschuldigung, das ist wirklich nicht meine Angelegenheit …«

»Ja, ich habe mir die Finger verbrannt«, unterbrach Connor sie schnell. »Die Fingerspitzen zumindest. Aber ich habe meine Hand schnell genug weggezogen.«

»Verstehe. Und nein, ich lese die Klatschpresse wirklich nicht. Deswegen weiß ich auch nicht, ob du verheiratet bist oder …« Sie stockte.

Er presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. »Nicht mehr. Ich war zweimal verheiratet, aber es hat nicht funktioniert. Ich glaube, ich bin kein Typ, der es lange mit ein und demselben Menschen aushält … oder andere Menschen mit mir. Und du?«

»Ich bin verheiratet.« Sie flüsterte die Worte.

Er zog die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts.

»Mein Mann und ich haben uns getrennt, aber wir leben noch zusammen und tun so, als ob alles okay wäre.«

»Warum ziehst du nicht aus?«

»Wir haben einen Sohn. Er soll nicht merken, dass etwas nicht stimmt. Auch unsere Familie ahnt nichts.«

»Aber das muss doch furchtbar für dich sein.«

»Nein, wir verstehen uns eigentlich ganz gut, aber wir lieben uns nicht mehr.« Sie zuckte mit den Schultern und schaute auf ihr Glas.

Er hatte recht, manchmal war es wirklich unerträglich, zusammenzuleben, sich aber nichts mehr zu sagen zu haben. Felix schlief seit einem halben Jahr im Souterrain des Hauses. Tom hatten sie als Begründung erzählt, dass sein Vater zu laut schnarche. Er hatte es mit einem Lachen hingenommen. Glücklicherweise war er wie viele Teenager ziemlich auf sich selbst fokussiert, sodass er nicht allzu viel Augenmerk auf sein Umfeld legte.

Sex hatten Greta und Felix schon Monate vor der Trennung kaum noch gehabt. Greta hatte dann eines Tages in seinem Jackett, das sie in die Reinigung geben wollte, zwei Kondome gefunden. Sie hatte ihren Mann daraufhin zur Rede gestellt. Schließlich hatte er zugegeben, dass er eine Affäre mit seiner Sekretärin habe.

Für Greta brach keine Welt zusammen. Im Grunde genommen war es ihr egal. Erst da wurde ihr bewusst, dass ihr gar nichts mehr an ihm lag. Sie beschlossen, sich inoffiziell zu trennen. Aber keiner von beiden wusste, wie es weitergehen sollte.

Greta erzählte minutenlang, ohne Connor einmal direkt anzusehen. Es tat gut, einem Fremden, jemandem, der nicht zur Familie oder zum Bekanntenkreis gehörte, ihre Situation zu schildern. Mit jedem Wort realisierte Greta mehr, wie furchtbar sie sich eigentlich fühlte und wie sehr sie sich wünschte, die Gegebenheiten ändern zu können.

Connor hörte sich die Geschichte wortlos an und unterbrach sie nicht, wenn sie beim Erzählen ins Stocken kam und nach den richtigen Vokabeln suchte. Dann fragte er leise: »Wie alt ist dein Sohn?«

»Tom ist fünfzehn.«

»Ich habe eine Tochter. Sie ist schon zweiundzwanzig.«

»Wow, da bist du aber früh Vater geworden«, staunte Greta.

»Ja, ich war neunzehn und eigentlich viel zu jung. Ihre Mutter und ich haben geheiratet, als wir wussten, dass sie schwanger war, aber es ging schief. Chloé ist bei ihrer Mutter aufgewachsen. Ich habe den gleichen Fehler gemacht wie mein Vater damals, denn ich war für sie auch immer nur ein Besucher.«

»Und wie ist euer Verhältnis heute?«

»Wir sind mehr Freunde als Vater und Tochter. Aber wir sehen uns nicht sehr häufig. Ich bin meistens am Arbeiten und sie am Feiern. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen und manche Dinge anders machen.«

»Ja, es wäre schön, wenn das manchmal möglich wäre. Aber du kannst ja heute an eurer Beziehung arbeiten.«

Er nickte und schaute auf seine Hände. Offenbar machte ihm das Ganze zu schaffen. Greta wurde das Gespräch jetzt zu ernst und zu persönlich. Zeit für einen Themenwechsel.

»Und was machst du sonst noch so, außer Filme zu drehen?«

»Ach, jede Menge: ein bisschen Gitarre spielen, Stampede …«

»Stampede? Du meinst, Rodeo?«, unterbrach sie ihn.

»Calf roping im Speziellen. Kälber mit dem Lasso fangen.«

»Willst du mich auf den Arm nehmen?«, lachte sie.

»Nein, keineswegs. Ich habe mit neunzehn einen Film gedreht, bei dem ich acht Stunden am Tag im Sattel sitzen musste. Nach Drehende habe ich das Pferd gekauft. So fing alles an. Als ich vor ein paar Jahren die Nase vom Filmen erst einmal voll hatte, bin ich zum Rodeo gekommen. Du kannst dir nicht vorstellen, was für einen Spaß das macht.«

»Nein, kann ich wirklich nicht. Ich bin zwar früher geritten, aber auf einem Rodeo war ich noch nie. Ich glaube nicht, dass mir das gefallen würde.« Sie runzelte skeptisch die Stirn.

»Doch, ganz bestimmt. Schon das Zuschauen ist spannend. Ich würde dir allerdings nicht raten, es selbst zu versuchen. Es ist kein Sport für Frauen. Ich habe mir dabei schon alle möglichen Knochen gebrochen.«

»Kein Sport für Frauen? Das hättest du nicht sagen sollen. Ich werde es bestimmt bei der nächsten Gelegenheit ausprobieren«, lachte sie.

»Lass lieber die Finger davon«, meinte er noch einmal lachend und schaute auf seine Uhr. »Schon zehn Uhr, wir sollten zahlen. Ich muss morgen früh raus, weil ich schon um sieben Uhr am Flughafen sein muss.«

»Wo geht’s hin?«

»Berlin. Zur Deutschlandpremiere meines neuen Films. Ich habe da einige Pressetermine, danach geht die Promo-Tour in anderen Städten weiter und dann komme ich zum Abschluss noch mal nach Berlin.«

»Du hast einen neuen Film gemacht?«

»Ja, er heißt Bodycheck. Es geht um einen Eishockeyspieler. Eishockey spiele ich nämlich auch noch ein bisschen, und da hatte ich natürlich große Lust, einen Film darüber zu machen.«

»Ach, Eishockey spielst du auch.« Sie schüttelte in gespielter Verzweiflung den Kopf.

»Ja … ich stecke voller Überraschungen«, lachte er.

Er rief den Kellner und bezahlte für sie beide. Als sie durch das Lokal gingen, drehten einige Leute die Köpfe nach ihnen um, manche tuschelten, aber keiner sprach sie an.

»Ist das normal, dass man dich ständig anstarrt?«, fragte Greta ihn vor dem Lokal.

»Absolut normal«, antwortete Connor lakonisch. »Man gewöhnt sich dran.«

Sie liefen nebeneinander durch die engen Gassen der Altstadt zu seinem Hotel. Er war im Hyatt abgestiegen, in bester Lage direkt am Rhein.

Greta hatte an diesem Abend so viel über das Filmbusiness erfahren, aber eine – eher pikante – Sache wollte sie gern noch wissen, bevor sie sich verabschieden mussten. Schließlich bekam man nicht jeden Tag die Gelegenheit, sich mit jemandem zu unterhalten, der aus dem Nähkästchen plaudern konnte. Sie nahm all ihren Mut zusammen. »Connor?«

»Ja?«

»Entschuldige die Frage, aber … ich habe mich schon oft gefragt, wie das ist, vor der Kamera Liebesszenen zu spielen. Kann man da immer seine Gefühle beherrschen?« Sie lachte verlegen.

Er antwortete nicht direkt, und sie war sich plötzlich unsicher, ob sie mit ihrer Frage nicht eine Grenze überschritten hatte.

»Nun … nein, kann man nicht. Manchmal ist man schon erregt, vor allem, wenn man eine Filmpartnerin hat, die man attraktiv findet. Und Filmpartnerinnen in Liebesszenen sind meistens attraktiv«, grinste er.

»Und dann?«

»Hofft man, dass es niemand mitbekommt. Es vor der Filmpartnerin zu verbergen, ist manchmal schwierig, aber die meisten sind diskret. Manche Schauspieler masturbieren einfach vor einer Liebesszene. Dann ist schon mal Druck aus dem Kessel. Und manch eine Schauspielerin genehmigt sich vorher einen Drink.«

»Kann ich gut verstehen.«

»Normalerweise werden diese Aufnahmen ans Ende der Dreharbeiten verlegt, damit sich die Schauspieler schon besser kennenlernen konnten. Es wird nur mit einer kleinen Crew gedreht, also nur mit den Leuten, die wirklich da sein müssen. Aber du glaubst nicht, wer auf einmal alles einen Scheinwerfer an die richtige Stelle rücken muss.« Sie lachten beide.

»Und ist das merkwürdig, sich vor der Kamera auszuziehen?«, fragte Greta.

»Das eigentlich nicht. Nackt zu sein ist etwas Natürliches. Außerdem gibt es Hilfsmittel, hautfarbene Strings für die Frauen und kleine Beutelchen, in denen die Männer alles drin verstauen können.« Er musste grinsen. »Aber trotzdem fühle ich mich bei ausführlichen Sexszenen oft unwohl, besonders, wenn mir die Kollegin unsympathisch ist, weil es mir dann schwerfällt, die Szene authentisch darzustellen. Noch schwieriger ist es, wenn man sich zu einer Kollegin hingezogen fühlt, weil man nicht möchte, dass das irgendjemand mitbekommt, und weil man sich immer unter Kontrolle haben muss. Und wenn ich privat eine Partnerin habe, bekomme ich zudem ein schlechtes Gewissen, wenn ich beim Drehen angetörnt bin. Aber es lässt sich nicht immer verhindern. Mein Agent versucht deshalb, zu freizügige Szenen in den Verträgen zu blockieren. Aber manchmal bekommt man eine Rolle nur, wenn man dazu bereit ist. Und dann muss man überlegen, was einem wichtiger ist. Erotik im Film ist insbesondere bei den DVDs ein Verkaufsargument. Im Kino wird ja meistens weniger gezeigt, weil der Film sonst eine Altersfreigabe ab achtzehn Jahren bekommt, was man auf jeden Fall verhindern will, weil dann die Kasse weniger klingelt.«

»Na ja, kommt drauf an, oder? Bei Fifty Shades of Grey scheint es gerade umgekehrt gewesen zu sein. Die Altersbeschränkung und die Sexszenen haben noch mehr Leute ins Kino rennen lassen. Ich finde, die beiden Hauptdarsteller sind sehr mutig gewesen, sich darauf einzulassen. Ich könnte niemals solche Sexszenen spielen.«

»Soso, du hast den Film also gesehen«, schmunzelte er. »Ja, man kann über die Story streiten, aber das war eine Riesenleistung von Dakota Johnson und Jamie Dornan. Ich weiß nicht, ob ich seine Rolle angenommen hätte – also, als ich noch jünger war«, lachte er. »Übrigens stimmen die Gerüchte, dass Schauspieler vor laufender Kamera wirklich miteinander geschlafen hätten, eigentlich nie. Die kommen immer nur bei Filmen auf, die Publicity dringend nötig haben.«

»Ja, das hätte ich auch nicht geglaubt. Aber weißt du was? Mich wundert es, dass du so offen über dieses Thema redest.«

»Weißt du was? Mich auch«, grinste er. »Eigentlich habe ich noch nie wirklich mit jemandem darüber geredet. Ich meine … klar, man macht seine Witzchen mit Kollegen oder streitet sich mit seiner Freundin wegen einer allzu intimen Liebesszene, aber jeder Schauspieler versucht, das Thema möglichst unter den Tisch zu kehren.«

Sie waren am Hyatt angekommen und blieben vor dem Eingang stehen. Connor rieb über seine Arme, denn mittlerweile war es empfindlich kalt geworden.

»Greta, ich wollte dich noch etwas fragen.« Er schaute kurz auf den Boden, hob dann erneut den Blick und schaute ihr direkt in die Augen.

»Ja?« Ihr Herz schlug bis zum Hals, und ihr Nacken prickelte.

»Also, das kommt jetzt vielleicht unerwartet … Könntest du dir vorstellen, übernächstes Wochenende mit mir in Berlin zu einer Veranstaltung zu gehen? Ich bekomme einen Preis verliehen, anschließend findet noch eine VIP-Party statt. Aber ich habe keine Lust, alleine dorthin zu gehen.«

»Aber …« Sie schüttelte leicht den Kopf. »Wie … wie stellst du dir das denn vor? Ich kenne dich doch gar nicht. Mit dir essen zu gehen, ist eine Sache, aber das ist etwas ganz anderes.«

Er nickte. »Du hast wahrscheinlich recht, das war unüberlegt von mir«, sagte er leise und seine Stimme klang noch tiefer als zuvor. »Hör zu, mein Manager hat mir eine deutsche Handykarte besorgt, ich gebe dir mal die Nummer, falls du es dir anders überlegst. Das Angebot steht. Hast du einen Stift?«

Das Kramen in ihrer Tasche gab ihr einen kurzen Moment Zeit, nachzudenken. Ich kann doch nicht einen wildfremden Mann nach Berlin begleiten. Ausgeschlossen. Obwohl es mich schon reizen würde. Man bekommt nicht jeden Tag das Angebot, zu einer Preisverleihung und auf eine VIP-Party zu gehen, noch dazu mit Connor O’Bannion.

Sie reichte ihm einen kleinen Block und einen Stift. Er notierte die Zahlen, und sie bemerkte, dass er Linkshänder war. Als sie den Block wieder in der Tasche verstaut hatte, nahm er ihre rechte Hand, beugte sich zu ihr hinüber und küsste sie auf die Wange.

Greta hielt die Luft an. Ihr wurde heiß und kalt zugleich, als sie ihn so nahe bei sich spürte und einen Hauch seines Eau de Toilette roch.

Er sah ihr in die Augen, als überlegte er einen Moment. »Ich muss gehen. Pass auf dich auf«, sagte er dann schnell.

Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, und nickte nur. Er drehte sich um und ging zum Eingang des Hotels. Sie sah ihn durch Glasdrehtür verschwinden. Drinnen drehte er sich noch einmal kurz um, hob die Hand und ging zum Aufzug.

Greta stand da wie betäubt. Sie schüttelte den Kopf, um aufzuwachen. Aber es war kein Traum gewesen.

Touched: Süchtig nach dir

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