Читать книгу Roboter träumen nicht - Lee Bacon - Страница 17

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Bald ließen wir die Ruinen der Menschheit hinter uns. Je länger wir dem betonierten Weg folgten, desto mehr Hinweise auf unsere neue Zivilisation entdeckte ich.

Zu meiner Linken: eine Roboterfabrik.

Zu meiner Rechten: ein Stromspeicher.

Am Himmel über mir schwebend: ein riesiges silberfarbenes X. Ein Fluggerät mit vier Flügeln und vier Propellern.

Heftiger Wind kam auf. Das Fluggerät näherte sich.

Ich forschte in meinem Datenspeicher, doch mir waren keine Informationen zu diesem Objekt einprogrammiert worden.

Also deutete ich darauf. »Was ist das?«

»Eine TransportDrohne«, antwortete Elternteil_2.

»Ein Roboter, der andere Roboter von einem Ort zum anderen bringt«, führte Elternteil_1 weiter aus.

Die TransportDrohne setzte behutsam auf einer Betonfläche auf. Die Propeller drehten sich immer schleppender und blieben stehen.

An der hinteren Wand zischte eine Tür, und ein großer/schlanker Roboter trat heraus. Seine Haut war aus gebürstetem Platin gefertigt, seine goldenen Augen strahlten hell wie die Sonne. Geschmeidig glitt er eine Rampe hinunter, an deren Ende bereits eine Gruppe von Robotern bereitstand, um ihn in Empfang zu nehmen.

»Schau.« Elternteil_2 zeigte auf den Platinroboter und erläuterte in gedämpftem, ehrfürchtigem Ton: »Das ist der SchwarmPräsident.«

Schwarm.

Dieser Begriff war mir auch ohne weitere Nachforschungen vertraut, das entsprechende Wissen war mir einprogrammiert: Sämtliche Roboter waren über ein gigantisches globales Netzwerk miteinander verbunden. Über eine virtuelle Plattform zum Austausch von Gedanken, zum Zugriff auf Informationen und zum Abrufen von Updates.

Der Schwarm ist direkt mit unserem Gehirn verschaltet. Ein ständiges Zu-/Abfließen von Daten, von Input/Output, der ununterbrochen sortiert/bewertet/in Kategorien eingeordnet wird. Ein immerwährender Hintergrundprozess.

Mit der Aktivierung eines Roboters wird er zu einem Teil des Schwarms.

Und der Schwarm wird zum Teil des Roboters.

»Der Präsident ist der oberste Vertreter des Schwarms«, sagte Elternteil_1. »Er ist unser aller oberster Vertreter.«

»Der Präsident macht nur selten Besuche.« Elternteil_2 legte mir eine Hand auf die Schulter. »Es ist ein großes Glück, dass wir diesen Moment erleben dürfen.«

Und das an meinem allerersten Tag! Um besser sehen zu können, bewegte ich mich auf den SchwarmPräsidenten zu, und zwar so schnell, dass mein gerade erst kalibriertes Gleichgewichtsmodul erbebte.

KLÄNG! KLONG! KLUNG! Meine dröhnenden Schritte zogen die Aufmerksamkeit des Präsidenten auf sich. Und in einer einzigen Bewegung drehten sich sämtliche Roboter um. Ihre Gesichter hatten die verschiedensten Größen/Formen. Ihre Blicke zielten alle in dieselbe Richtung.

Sie sahen mich an.

Auf einmal schien mein Betriebssystem zu überhitzen.

FEHLER! FEHLER! FEHLER!

Überall in meinen Schaltkreisen blinkten Fehlermeldungen auf. Was tat ich hier? Ich, ein Roboter frisch aus der Fertigung, belästigte die bedeutendste Maschine des Planeten!

Der Präsident wirkte keineswegs verärgert. Vielmehr bereitete er mir die größte Überraschung meiner noch extrem kurzen Existenzspanne.

Er winkte mich zu sich.

2,7 Sekunden lang zögerte ich. In meiner Verunsicherung warf ich einen Blick auf meine FamilienEinheit.

Sie nickte synchron.

Also machte ich mich auf den Weg. Meine Schritte schwankten wie beim Laufenlernen kurz nach der Aktivierung. Jeder davon hätte in einem unbeholfenen Sturz enden können.

Irgendwie hielt ich mich auf den Beinen.

Im nächsten Moment stand ich vor dem Präsidenten. Mit goldglänzenden Augen blickte er auf mich hinab.

»Es freut mich, dich kennenzulernen, XR_935«, sagte der SchwarmPräsident.

Vorgestellt hatte ich mich nicht. Das war nicht nötig. Alles, was es über mich zu wissen gab, konnte der SchwarmPräsident von meiner Brustplatte ablesen.

Ich führte einen Scan seines Strichcodes durch. »Die Freude ist ganz meinerseits, PRAES1DENT.«

»Und …?« Er neigte seinen Kopf um 2,4 Grad zur Seite. »Wie ist es dir an deinem ersten Tag bisher ergangen?«

»Recht gut, danke. Ich weiß jetzt, was ein Nagelstudio ist.«

PRAES1DENT stieß einen leisen elektronischen Pfiff aus. »Ein hervorragendes Beispiel menschlicher Verirrungen.«

In seinem goldenen Blick verschob sich etwas. Als ich in die gleiche Richtung spähte, machte ich eine bemerkenswerte Entdeckung.

Eine grenzenlose Fläche aus glitzerndem Blau, so weit das Auge reichte.

MEER

Dieses Wort nahm in meinem Vokabelspeicher Gestalt an. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich nämlich, genau das zu sehen: ein Meer.

Endlos/blau/schimmernd.

Dann flackerte ein Update durch meine Prozessoren.

Das war kein Meer.

Das war ein Feld aus Solarmodulen.

Abertausende in akkuraten Reihen angeordnete Panels, deren blaues Glas im Licht der Morgensonne glitzerte.

PRAES1DENT zeigte mit dem Finger auf die Panels. »Kannst du mir sagen, welchem Zweck dieser Solarpark dient?«

Ich nickte. Die Antwort auf diese Frage fand sich in meinem Datenspeicher. »Solarpanels nehmen die Strahlen der Sonne in sich auf.«

»Aber zu welchem Zweck?«

»Um sie in elektrischen Strom umzuwandeln.«

»Und wofür wird dieser Strom genutzt?«

Darüber dachte ich 0,3 Sekunden lang nach.

»Für alles.«

»Korrekt«, bestätigte PRAES1DENT. »Für die Server, in denen unsere Daten gespeichert sind, für die Fabriken, in denen wir hergestellt werden, für den Betrieb unserer Schaltkreise. Unsere Zivilisation wurde auf dem Fundament der Solarenergie errichtet. Ohne sie gäbe es uns nicht.«

Die mechanische Hand des Präsidenten senkte sich auf meine Schulter.

»Weißt du, welche Rolle dir bei alldem zufällt, XR? Was dein Zweck ist?«

»Ich bin ein Solarinstallationsbot.«

»So lautet deine Berufsbezeichnung. Dein Zweck reicht so viel weiter. Durch die Installation von Solarpanels stellst du sicher, dass der Strom fließt. Dass die Fabriken weiterarbeiten. Dass unsere Akkus aufgeladen werden.«

Ich ließ den Blick über das Solarfeld schweifen. Schimmerndes Blau, wie ein Meer. Meine Elektronik summte zufrieden. Schon an diesem ersten Tag auf der Erde hatte ich erfahren, was ich zu tun hatte, welchen Zweck ich erfüllte, und kannte ich den einzigen/alleinigen Sinn meiner Existenz.

»Verstehst du jetzt?« PRAES1DENTs elektronische Stimme schlich sich sanft in meine Audioeingänge. »Du bist so viel mehr als ein Solarinstallationsbot. Ohne dich würde unsere Gesellschaft zusammenbrechen.«

Roboter träumen nicht

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