Читать книгу Roboter träumen nicht - Lee Bacon - Страница 28

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Emmas Stimme versiegte und verstummte. Ihre Unterlippe zitterte. Ihre Augen wurden gläsern. Ein einzelner Tropfen Flüssigkeit glitt über ihre Wange.

In meinem Vokabelspeicher blinkte eine Definition.

Träne. Subst. Tropfen einer Flüssigkeit, die im Zuge des Weinens aus dem menschlichen Auge austritt. Hervorgerufen durch Reizung des Auges oder durch Gefühle wie Trauer und Wut.

Ein Phänomen, das nicht eindeutig zugeordnet werden konnte. War Emmas Auge gereizt, war womöglich ein Staubkorn hineingeraten? Meine hochauflösenden Bildsensoren konnten nichts dergleichen ausmachen. Deswegen tippte ich auf die zweite Möglichkeit.

Emma war traurig.

Oder wütend.

Oder beides zugleich?

SkD piepte leise.

Auf seinem Monitor leuchteten zwei Bilder.


Emma wischte sich über das Gesicht. »Du willst wissen, warum ich weinen muss?«

SkD nickte.

3,4 Sekunden lang dachte Emma darüber nach. »Weil ich weiß, wie die Geschichte weitergeht«, sagte sie dann. »Und weil ich nichts daran ändern kann.«

Ich rechnete beinahe damit, dass sie ihre Erzählung an diesem Punkt beenden würde. Stattdessen schluckte sie und fuhr fort.

Eines Nachts lag Emma in dem kleinen, engen Zimmer, das sie sich mit ihrer FamilienEinheit teilte, und schlief. Da hörte sie ein Geräusch aus der Dunkelheit.

Ein Husten.

Gefolgt von einem weiteren Husten.

»Mom?« Emma richtete sich in ihrem Bett auf. »Alles okay bei dir?«

Emmas Mutter, die etwa einen Meter entfernt in der unteren Schlafkoje lag, versuchte zu antworten.

Stattdessen hustete sie erneut.

Am nächsten Morgen waren sowohl Emmas Mutter als auch ihr Vater krank. Husten/Heiserkeit/Kopfschmerzen.

»Ihr bleibt hier«, sagte Emma. »Ich gehe Hilfe holen.«

Sie verließ das kleine Zimmer. Das Tapsen ihrer Füße auf dem grauen Boden. Dieses Mal machte sie nicht halt, um den einen oder anderen Raum zu erkunden. Sie hatte ein klares Ziel vor Augen.

Die Krankenstation.

Hierhin musste man, um sich vom Arzt durchchecken zu lassen, oder wenn man Zahnschmerzen hatte oder wenn man in der Cafeteria ein Rad geschlagen und sich dabei das Handgelenk verstaucht hatte.

Nach der nächsten Biegung des Ganges sah Emma dicht gedrängte Menschen. Alle liefen sie in dieselbe Richtung: zur Krankenstation. Alle husteten/schnieften sie wie Emmas Eltern.

Aufmerksam lauschte Emma darauf, wie die Erwachsenen untereinander tuschelten.

»Was glaubst du, was hier los ist?«

»Sieht mir nach der Grippe aus.«

»Wäre aber ein heftiger Ausbruch.«

»Ist doch kein Wunder. Wo wir hier alle reingequetscht sind wie Sardinen in einer Dose. Da muss nur einer niesen und der halbe Bunker ist krank.«

Die Gespräche wurden immer wieder von Hustenanfällen unterbrochen. Einige Erwachsene kamen zu dem Schluss, dass sie in ihrem Zimmer, in ihrer Schlafkoje besser aufgehoben wären.

»Das sitzen wir aus«, keuchte einer von ihnen. »Früher oder später wird es schon vorbeigehen.«

Die Seuche ging aber nicht vorbei. Sie wurde schlimmer. Das ärztliche Personal konnte sich kaum um die vielen Hilfe suchenden Menschen kümmern. Nicht zuletzt, weil sich diejenigen, die auf der Krankenstation arbeiteten, selbst kaum weniger krank fühlten. Nicht zuletzt, weil ihnen die antiviralen Medikamente, die sie für den Kampf gegen die Krankheit benötigt hätten, bereits vor langer Zeit ausgegangen waren.

Am nächsten Tag litt jede und jeder unter den typischen Beschwerden.

Nur Emma nicht.

Sie hatte keine Ahnung, warum sie von der Krankheit verschont blieb. Warum sie sich rundum gesund fühlte, obwohl sie die feuchte Hand ihrer Mutter gehalten hatte und obwohl sie ihrem fiebernden Vater einen kalten Waschlappen auf die Stirn gepresst hatte.

Verließ sie das kleine, enge Zimmer, fand Emma sich allein in den grauen Gängen wieder. Tiefe Stille, gelegentlich durchbrochen von gedämpftem Husten hinter geschlossenen Türen.

Der Unterricht fiel aus.

In der Cafeteria wurde kein Essen mehr ausgegeben.

Im Fahrradraum war es ruhig.

Nur das hartnäckige Husten war zu hören.

Bis auch das abebbte.

Bei Ausbruch der Seuche hatten insgesamt 93 Menschen im Bunker gelebt. Binnen Tagen wurden es weniger.

Emmas Lehrerin. Ihr Arzt. Ihre Nachbarn. Ihre Mitschüler. Ihre beste Freundin.

Die Krankheit nahm sie ihr alle weg.

Schließlich auch ihre Mutter und ihren Vater.

Am Ende lebte nur noch ein Mensch im Bunker.

Emma.

Roboter träumen nicht

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