Читать книгу Himmlische Lifehacks - Len Woods - Страница 10
ОглавлениеLifehack Nr. 2
Wenn du dich geistlich nicht so entwickelst, wie du dir das wünschst
Bevor wir uns kopfüber in die Lifehacks für das geistliche Leben stürzen, sollte ich dir wahrscheinlich kurz meine eigene Geschichte mit Gott erzählen.
Ich stamme aus dem tiefen Süden der USA, aus der Gegend, die Flannery O’Connor einmal als „wenig Christus-zentriert, aber ganz sicher von Christus heimgesucht“1 bezeichnet hat. Ich wuchs mit einer Flut von Predigten über die Hölle und den Heiligen Geist auf und wurde definitiv von Christus heimgesucht.
Als Kind bat ich Jesus fast jeden Tag, „in mein Leben zu kommen“. Meine Familie ging jeden Sonntag in die Kirche, wo ich pflichtbewusst meinen „Zehnten“ gab (zehn Prozent von meinem wöchentlichen Taschengeld von 25 Cent).2 Mit sieben wurde ich zum ersten Mal getauft und mit zwölf zum zweiten Mal. An meine Teenagerjahre kann ich mich nur schemenhaft erinnern. Sie waren ein Durcheinander aus Hausaufgaben und Sport, Hormonen und Schuldgefühlen, und dazwischen habe ich alle zwei bis drei Monate mein Leben wieder neu „Jesus Christus übergeben“.
Während meines ersten Semesters an der Uni passierte etwas Unerwartetes und Mysteriöses mit mir. Ich nahm gerade an einer Wochenendfreizeit teil, als Gott mich sanft aus einem tiefen Schlaf weckte und mich auf eine lange Reise einlud.
Ich sprudelte nur so vor Aufregung und geistlicher Neugier und fing an, so häufig in irgendwelche Bibelgruppen zu gehen wie die meisten anderen Studenten in Kneipen. Ich ging auf Missionseinsätze. Ich begann, mit Fremden über den Glauben zu sprechen. Ich lehrte sogar im Rahmen einer christlichen Studentenarbeit über die Grundlagen des christlichen Glaubens. (In meiner „freien Zeit“ machte ich auch irgendwie noch einen Abschluss in Journalismus.)
Nach meinem Abschluss wurde ich der unfähigste Jugendpastor der Welt. (Es grenzt an ein Wunder, dass mich in diesen drei Jahren niemand wegen Amtsanmaßung angezeigt hat.) Ich zog nach Texas und machte einen Abschluss in Theologie. Ich heiratete eine bewundernswerte Frau und half mit, eine Zeitschrift herauszubringen, die Teenager zum Bibellesen einladen sollte. In den nächsten vierundzwanzig Jahren zog ich dann zwei Söhne groß, war Pastor von zwei Gemeinden und schrieb sehr viel über Gott und Glaube, die Bibel und das Leben. Während dieser völlig unterschiedlichen Lebensabschnitte erlebte ich immer wieder Momente, in denen Gottes Gegenwart und seine Liebe für mich schier greifbar waren. Aber ich erlebte auch viele andere Phasen, in denen Gott mir eher wie jemand vorkam, den ich mir ausgedacht hatte.
Wenn ich auf meine seltsame geistliche Reise zurückschaue, bin ich dankbar, aber ich habe auch viele Fragen: Warum ist mein Glaube nach über vier Jahrzehnten nicht viel tiefer? Warum erlebe ich nicht das Maß an Freude, das mir die Bibel verspricht? Warum fällt es mir immer noch schwer, bestimmte Menschen zu lieben? Sollte ich meine Wut und meine Sorgen, meine Unsicherheit und meinen Neid inzwischen nicht besser im Griff haben? Sollte ich nicht schon weiter sein? Warum bin ich Jesus nicht ähnlicher?
Manchmal betrachte ich meinen mangelnden Fortschritt und bin ernsthaft enttäuscht.
Vielleicht geht es dir genauso.
Und wenn ich dir jetzt sage, dass dieses Gefühl – diese geistliche Enttäuschung – nichts Schlechtes ist, sondern sogar etwas Gutes?
Ich will dir auch sagen, warum: Die Vorsilbe „ent-“ bedeutet „ohne“ oder „getrennt von“. Enterbt zu werden bedeutet also, dass deine Eltern (oder deren Anwälte) dir sagen, dass du den Rest deines Lebens ohne das Geld von der Familie planen solltest (kein besonders freudiges Ereignis). Enthauptet zu werden bedeutet, dass jemand deinen Kopf vom Rest deines Körpers trennt (was in medizinischer Hinsicht nicht gerade empfehlenswert ist).
„Enttäuscht“ wiederum bedeutet „ohne Täuschung“. Ein enttäuschter Mensch wurde also von unwahren Gedanken und erfundenen Überzeugungen getrennt. Das bedeutet: Wer enttäuscht ist, hat gewissermaßen eine Fahrkarte vom Märchenland zurück in die Realität erhalten.
Und sollten wir uns nicht alle genau darum bemühen?
Christen sitzen am häufigsten der Täuschung auf (vor allem Menschen, die gerade erst zum Glauben gekommen sind), dass es normal sei, dass geistliche Veränderungen durch einzelne, drastische Erlebnisse eintreten. In deiner persönlichen Gebetszeit oder einem besonderen Gottesdienst zum Beispiel, oder während du ein außergewöhnliches christliches Buch liest, auf einer Freizeit oder während einer Konferenz packt Gott dich plötzlich. Du hast ein ekstatisches Erlebnis, das mit Worten nicht zu beschreiben ist. Wenn man dieser Vorstellung von geistlichem Wachstum aufgesessen ist, glaubt man dann auch, dass der eigene Glaube bzw. das eigene geistliche Leben immer tiefer werden, je mehr solcher Erlebnisse man hat.
Diese Vorstellung geht wahrscheinlich auf den Bericht zurück, in dem geschildert wird, wie Saulus auf dem Weg nach Damaskus eine übernatürliche Begegnung mit dem auferstandenen Jesus hat (Apostelgeschichte 9) oder auf Jesajas erschütternde Vision von Gott im Tempel (Jesaja 6). Wir glauben: SO muss das sein. SO muss Gott regelrecht über mein Leben hereinbrechen. Ein paar SOLCHER Erlebnisse, und alles wäre anders. Meine Gebete hätten plötzlich eine ganz neue Kraft. Ich würde anfangen, ständig echte Wunder zu erleben. Ich wäre auf der Stelle nicht länger egoistisch und überkritisch. Ich wäre in der Lage, alles und jeden zu lieben – vielleicht sogar Katzen und Polka. (Na ja, Katzen vielleicht doch nicht.)
Bitte vergib mir, wenn ich jetzt ein wenig bissig klinge. Ich würde niemals behaupten, dass Gott Menschen nicht auf übernatürliche Weise „packen“ und ihr Leben schlagartig, dramatisch verändern kann. Selbstverständlich kann er das – und zum Glück tut er es auch hin und wieder.3
Was ich allerdings damit sagen will, ist, dass solche Begebenheiten in der Bibel die Ausnahme und nicht die Regel sind. In der Bibel wird nirgends behauptet, dass wir passiv darauf warten sollen, dass uns „der Blitz trifft“ und in unsere Seele einschlägt. Oder mit anderen Worten: Wir irren uns, wenn wir glauben, dass wir nur durch irgendwelche zufälligen, einmaligen Aktivitäten oder Erfahrungen tiefgehende, dauerhafte geistliche Fortschritte machen. Ja, wenn ich mein iPhone in ein leeres Glas stelle – das Schlüsselwort ist hier leer – , dann wird die Musik aus den winzigen Lautsprechern plötzlich verstärkt. Doch nein, ich werde Gottes Stimme nicht plötzlich klarer und lauter hören, wenn ich überall im Haus Bibeln verteile. So funktioniert der christliche Glaube nicht.
Wie funktioniert er dann? In einem Brief, den der Apostel Paulus im 1. Jahrhundert an seinen Schützling Timotheus geschrieben hat, finden wir die vermutlich beste Aussage darüber, was mit geistlichen Hacks gemeint ist. Paulus gibt Timotheus einige praktische Ratschläge, wie er in einem gottlosen Umfeld seinen Glauben leben kann, und dann ermahnt der kluge alte Apostel ihn: „… übe dich darin, ein Leben nach Gottes Willen zu führen“ (1. Timotheus 4,7).
Und das ist das Faszinierende an dieser Anweisung: Das griechische Wort, das hier mit „üben“ übersetzt wird, ist auch die Wurzel des Wortes „Gymnastik“. Timotheus hat also beim Lesen des Briefes sofort an Sport und Training gedacht!
Und das Wort „trainieren“ stinkt förmlich nach Schweiß. Es klingt nach vielen Anstrengungen und harter Arbeit. Denk einfach an ein Fitnessstudio – überall lautes Stöhnen, das Geräusch der zusammenschlagenden Gewichte, keuchende Sportler, die sich gegenseitig Ermutigungen zurufen.
Und weißt du was? Diese Sportler geben sich nicht der Täuschung hin, sie könnten einen Tag lang extra hart trainieren und sich dann den Rest der Saison ausruhen. Nein, sie kommen morgen und übermorgen und überübermorgen wieder. In dem Wort „trainieren“ schwingt nämlich auch etwas Gewohnheitsmäßiges mit. Sportler kommen immer wieder zum Training – nicht ab und zu mal, sondern regelmäßig. Nur so baut man Muskeln auf und bekommt Ausdauer, und nur so behält man beides auch bei. Warum wirft der erfolgreiche Basketballspieler jeden Tag nach dem Training noch eine Stunde lang Körbe? Damit er in einem wichtigen Spiel – wenn es eng wird und nur noch eine Sekunde Spielzeit übrig ist – zuversichtlich an die Freiwurflinie treten und den entscheidenden Punkt machen kann.
Sportler trainieren ständig, um irgendwann ihr volles Potenzial zu erreichen. Und Paulus sagt, dass Christen das auch tun müssen. Es stimmt zwar, dass nur Gott wirklich unser Herz verändern kann, aber wir müssen auch unseren Beitrag dazu leisten. Wir sollen „an unserer Rettung arbeiten“, während Gott in uns wirkt (nach Philipper 2,12 – 13). Jesus ähnlich zu werden und ein Leben zu führen, das im Einklang ist mit Gottes Willen – beides passiert nicht blitzartig. Natürlich sind wir auch darauf angewiesen, dass Gott diese Veränderung bewirkt, aber ein verändertes Leben erfordert auch Arbeit und Anstrengung von unserer Seite. Wir dürfen nicht passiv sein; wir müssen immer wieder auftauchen und mitmachen. Wer etwas anderes glaubt, sitzt einer Täuschung auf.
Christen bezeichnen diese Art des geistlichen Trainings oft als geistliche Disziplinen oder geistliche Übungen. Wir können sie auch „heilige Gewohnheiten“ nennen oder sogar Herzenshacks. Wie wir sie nennen, spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass wir sie regelmäßig und beständig praktizieren – wie die Profigolfer, die vor und nach jedem Schlag oder Putt zig Probeschläge machen. Wenn uns diese Aktivitäten – oder Hacks – in Fleisch und Blut übergegangen und Bestandteil unseres Lebensstils geworden sind, dann werden wir bei uns ein langsames, stetiges geistliches Wachstum feststellen. Um es noch einmal zu sagen: Wenn wir diese geistlichen Übungen nur alle Schaltjahre mal praktizieren und dann erwarten, uns geistlich weiterzuentwickeln, sind wir auf dem Holzweg.
Geistliche Hacks erfordern zwar Beständigkeit, aber sie sind wenigstens nicht kompliziert. Dazu sind keine Engel oder himmlischen Visionen nötig. Du brauchst auch keinen theologischen Abschluss oder jede Menge „geistliches Werkzeug“, und du musst auch ganz bestimmt weder Mönch noch Mystiker sein. Stell dir Herzenshacks einfach als kreative, aber doch unkomplizierte Methoden vor, wie du deine Seele oder dein Herz zu Gott hin lenken kannst. Du kannst die Hacks überall und jederzeit anwenden. Allerdings gibt es keine Methoden – und das müssen wir auch begreifen – , wie wir uns Gottes Gunst erarbeiten können. Wir wenden diese Hacks also nicht an, um Gott irgendwie zu beeindrucken. Wir wenden sie an, um bei Gott zu sein, in der Hoffnung, dass wir dann eines Tages wie er sein werden.
Wenn du der Täuschung aufgesessen warst, dass du blitzartig so leben kannst, wie es Gott gefällt, oder dass du schlagartig wie Jesus sein kannst, wenn du nur das richtige Gebet sprichst, auf einer Konferenz ein eindrückliches Erlebnis hast oder den perfekten Gottesdienst besuchst – oder wenn du immer dachtest, du müsstest nur genug Bibelabende besuchen, um im Glauben zu wachsen – , dann werde ich dich jetzt enttäuschen müssen. Paulus weist Timotheus (und uns) an: „… übe dich darin, ein Leben nach Gottes Willen zu führen“.
In den folgenden Kapiteln werde ich dir ein paar ungewöhnliche geistliche Hacks vorstellen (oder dich daran erinnern). Manche wirst du vielleicht auch abgedreht finden. Mit etwas Anstrengung und viel Hilfe von oben können diese kleinen Aktivitäten aber zu heiligen Gewohnheiten werden. Und dann haben sie die Kraft, dein Herz zu verändern, weil du dann ständig offen bist für Gottes verändernde Gegenwart.
Hast du Lust mitzumachen? Was hast du außer ein paar nutzlosen Illusionen schon zu verlieren?