Читать книгу Geschichten, die Mut machen - Leo F. Aichhorn - Страница 10

Оглавление

Jahrhunderthochwasser 1954

Das Eferdinger Becken umfasst im Wesentlichen die Gemeinden Feldkirchen, Goldwörth, Walding und Ottensheim nördlich der Donau sowie Aschach, Pupping, Eferding, Alkoven und Wilhering südlich des Donaustroms. Seit Jahrtausenden wurde dieses Gebiet westlich von der Landeshauptstadt Linz vom längsten Strom Europas in unterschiedlicher Höhe überschwemmt. Daran hat sich die betroffene Landbevölkerung gewöhnt, da der Ertragsdruck in der Landwirtschaft früher noch nicht so hoch war wie heute. Die Donau hat durch ihre Hochwässer natürliche Retentionsräume in Form von großen und langen Gräben geschaffen, die kleinere Hochwässer auffingen und mit ihren Brackwässern und durch den Bewuchs von Stauden und Bäumen wichtige Rückzugsräume der dortigen Fauna bildeten. Durch das ebene Gelände im Eferdinger Becken verminderte sich die Fließgeschwindigkeit des Stromes und lagerte Sedimente in Form von Schlamm ab. Es entstanden äußerst fruchtbare Böden wie im Machland, Marchfeld und wie das in der Bibel als Paradies beschriebene Zwischenstromland, das Euphrat und Tigris im heutigen Irak eingrenzen. Im Jahr 1954 gab es im Eferdinger Becken entlang der Donau das Jahrhunderthochwasser. Tausende Hektar Wiesen und Ackerland wurden bis 3 m hoch überschwemmt.


Viele Familien wurden mit Schiffen von den Häusern abtransportiert, da ohne Strom und Trinkwasser selbst ein Wohnen im Obergeschoß nicht möglich war. Die Bauern schleppten ihre Rinder, Schweine und das Federvieh auf den Heuboden in der Annahme, dass sie dort sicher waren. Das war kein einfaches Unterfangen, denn welches Tier geht schon freiwillig aus dem Stall und dann noch über einen behelfsmäßig angelegten Aufgang in eine ihm unbekannte Umgebung. Hier waren Mensch und Tier in einem noch nie da gewesenen Ausmaß gefordert. Martin war mit seinen Geschwistern im Obergeschoß eingeschlossen, sah, wie das Wasser durch die Scheune in den Hof und von dort mit hoher Geschwindigkeit über die Hofausfahrt wieder hinausrann. Nur mehr zwei Stufen der Stiege ins Obergeschoß ragten aus dem Wasser. Der Vierjährige wollte unbedingt in das Wasser, weil er fälschlicherweise überzeugt war, schwimmen zu können. Dieses Bedürfnis erhöhte sich beträchtlich, als er seine Lederhose davonschwimmen sah. Ludwig blieb mit seinem Bediensteten Hans im Haus, um die Tiere zu versorgen. Damit dies möglich war, mussten sie ein Loch in die Feuermauer, die aus Brandschutzgründen das Wohn- vom Wirtschaftsgebäude trennte, machen, um zu den Haustieren zu gelangen. Johanna wurde mit ihren Kindern von der Freiwilligen Feuerwehr mit einem Boot abgeholt und in die Nachbargemeinde gebracht, wo sie am höhergelegenen Ortsteil Tabor bei Bekannten Unterschlupf und Versorgung für die nächsten Tage erhielten.

Für Ludwig und Johanna war diese Überschwemmung mit 1,76 cm Wasserstandshöhe im Erdgeschoß nach dem zerbombten Haus, dem kurzen Intermezzo auf dem Truppenübungsplatz und dem Brandanschlag vor vier Jahren erneut ein „Keulenschlag“, der auch vitale Menschen depressiv werden lässt. Aber sie machten sich nach Abfluss des restlichen Wassers unverzüglich an die Arbeit. Das gesamte Haus musste rechtzeitig vom Schlamm befreit werden, da dieser nach seiner Austrocknung hart wie Beton wird. Ebenso waren die Wohnungsräume durch offene Fenster zu belüften und auf diese Weise zu trocknen, da es elektrische Trocknungsgeräte noch nicht gab. Die Fenster und Türen mussten ausgehängt werden, damit sie mit Wasser gewaschen und in der Sonne getrocknet werden konnten. In den Häusern und auf den umliegenden Wiesen und Feldern existierte ein fremder Geruch des fauligen Schlamms. In den zahlreichen kleinen Vertiefungen befanden sich Fischen, die den Abfluss des Hochwassers verpasst hatten und im Brackwasser verfaulten. Die Wiesen mussten umgeackert und mittels Grassamen neu angelegt werden, da die Graswurzeln keine Chance gegen den oft 10 cm dicken Schlamm hatten. Ebenso wurde auch auf den Feldern der Schlamm mit dem Pflug eingearbeitet, damit sie bald wieder befahrbar waren und bebaut werden konnten.

Auch das geliebte Motorrad, Ludwigs einziges Fortbewegungsmittel, stand bis über den Lenker im Wasser und war instandsetzungsbedürftig. Vorsorglich hatte er zwar seine 1.000er Panter (1.000 Ccm Hubraum) auf die Hobelbank in der Werkstätte gestellt im Glauben, da könnte es vom Hochwasser unbeschadet bleiben. Dem war aber leider nicht so und er hatte viel zu tun, um den Einzylinder mit langem Hubraum mit nur etwa 60 Umdrehungen pro Minute im Standlauf4 wieder in Fahrt zu bringen. Aber wie immer schaffte er auch diese Herausforderung mit viel Geduld und Ausdauer.

4 Die heutigen Bikes haben die 25-fache Umdrehungsgeschwindigkeit.

Geschichten, die Mut machen

Подняться наверх