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Maschinen erobern die Landwirtschaft

Mit dem Traktor und seinen Einsatzmöglichkeiten änderte sich viel in der Landwirtschaft. Neben der höheren Leistung hatte diese Zugmaschine auch eine hydraulische Hebemöglichkeit und über die Zapfwelle mit ihrer Drehbewegung konnten Maschinen in Schwung gebracht werden. Damit konnten nunmehr Pflüge mit mehreren Pflugscharen und Eggen gehoben werden und man benötigte keine Räder mehr zum Wenden oder für den Transport. Darüber hinaus war das eiserne Pferd stärker und schneller. Je nach Motorleistung war ein Traktor bei der Feldarbeit um das 5- bis 10-Fache schneller als Pferde im Doppelgespann. Ein Traktor, vornehmlich aus der Werkstätte im oberösterreichischen Steyr, war zu dieser Zeit Ausdruck der Modernität und vielfach auch ein Prestigeobjekt. Häufig fuhren die Landwirte damit auch am Sonntag zur Kirche.

Auch Ludwig wollte dazugehören und kaufte 1953 einen Steyr Traktor mit 30 Pferdestärken (PS) und zwei Zylindern, während die meisten anderen Bauern im Ort sich mit einer 15-PS-Variante und einem Zylinder begnügten. Die neue Zugmaschine hatte noch keinen elektrischen Starter und musste daher mit einer Handkurbel gestartet werden. Das war schon ein Kraftakt samt Geschicklichkeit beim Start eines Dieselmotors. Denn der selbstzündende Motor benötigte eine sehr hohe Verdichtung im Zylinder und konnte ohne Dekompressor, der die Luft entweichen lässt und den Widerstand aussetzt, händisch nicht in Schwung gebracht werden. Erst bei entsprechender Umdrehung und dem Schließen des Entlüftungsventils entstand die erforderliche Kompression und der Motor sprang an. Bei sehr kalten Tagen im Winter musste der Selbstzündmechanismus im Zylinder durch ein „Brandl“ (einen Brandbeschleuniger) unterstützt werden. Die Inbetriebnahme der Traktoren der ersten Generation erforderte starke und geschickte Menschen, die vornehmlich aus der Männerwelt kamen. Erst später wurden die landwirtschaftlichen Zugmaschinen mit einer Batterie und einem elektrischen Starter serienmäßig ausgestattet. Da in den fünfziger Jahren noch kein Frostschutzmittel im Handel erhältlich war, musste in der kalten Jahreszeit das Kühlwasser der Traktoren nach Stillstand abgelassen werden. Im Alter von 12 Jahren vergaß Martin nach dem Einparken den Kühlwasserhahn zu öffnen. Als nach Tagen die Zugmaschine wieder in Betrieb gehen und Kühlwasser eingefüllt werden sollte, stellte sich das Unglück heraus. Das Wasser war gefroren und hatte den Motorblock gesprengt, wodurch Kühlwasser in den Ölkreislauf gelangt war und eine Inbetriebnahme nicht möglich gewesen wäre. Martin war ziemlich zerknirscht, obwohl ihm seine Eltern infolge seiner jugendlichen Unerfahrenheit keine Vorwürfe machten.

Mit der Anschaffung dieser Zugmaschine war es nicht getan. Es mussten ein neuer Pflug und eine neue Egge angeschafft werden. Auch die Pferdeanhänger mit einer Deichsel und einer langen Wagenstange konnten nicht mehr benutzt werden. Daher kaufte Ludwig gebrauchte Achsen mit Rädern von demolierten Militärfahrzeugen und baute diese mit ebenen Bodenflächen und Bordwänden zu funktionsfähigen Traktoranhängern um.

Traktor und Anhänger waren die Universalgeräte in der Landwirtschaft und beschleunigten die Arbeitsprozesse gewaltig. Bei der Einbringung des täglichen Grünfutters für die Rinder und Schweine oder bei der Heuernte wurden nach der händischen Mahd zwei Zeilen mit dem Erntegut geschaffen, damit der Traktor samt Anhänger in der Mitte fahren konnte und die Landarbeiter links und rechts davon den Anhänger beladen konnten. Martin fuhr schon als 6-Jähriger mit dem Traktor so weit nach vorne, dass der Anhänger wieder im Bereich des Ladegutes zu stehen kam und das Heu oder das Getreide im kurzen Weg mit der Gabel aufgeladen werden konnte. Wegen seiner kurzen Beine musste er sich mit der Schulter am Ende des Fahrersitzes abstützen, um den langen Kupplungsweg durchtreten und den ersten Gang einlegen zu können. In dieser waagrechten Position verlor er den Überblick und sah nicht, was rundherum passierte. Erst als er die Kupplung wieder ausließ, er sich von der horizontalen in die vertikale Position brachte und der Traktor einen Sprung nach vorne machte, konnte er wieder steuernd eingreifen. Im Laufe der Jahre bekam Martin nicht nur längere Beine, sondern auch mehr Übung und wurde zum unverzichtbaren „Nachvornefahrer“, zum angesehenen Maschinisten, wie sein Vater Ludwig einer war.

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