Читать книгу Suzanne - Levi Krongold - Страница 14

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Ich bin derartig verliebt, dass ich tanzen könnte… »Wo ist denn das Feuerzeug?«, rief Marie, die bereits eifrig damit beschäftigt war, Grillkohle in den kleinen Rundgrill zu schütten. Iris stand mit in die Hüften gestützten Fäusten in der Tür. »Marie, wirst du wohl dein weißes T-Shirt ausziehen. Du machst dich ganz dreckig. Meinst du, ich habe nichts anderes zu tun, als eure dreckige Wäsche zu waschen?« Dann mit einem deutlichen Blickwechsel in seine Richtung, aber ohne ihn anzusprechen. »Frag bitte deinen Vater, ob er sich mal bequemen könnte, den PC wegzulegen und ein wenig mit anzupacken!« »Papi, gibst du mir mal das Feuerzeug?« Er speicherte die Datei seufzend, weil er einsah, dass er ohnehin jetzt nicht weiterschreiben konnte. »Lass mal, ich mach hier weiter«, löste er Marie ab. »Geh du dich mal umziehen. Auf dem Rückweg kannst du schauen, ob du das Feuerzeug findest. Es muss irgendwo in der Küche liegen!« Unlustig stocherte er in dem riesigen Holzkohlehaufen, den Marie aufgeschüttet hatte. Die Tüte mit der Kohle lag weit aufgerissen auf der Erde, sodass die spärlichen Reste sich im Gras verteilt hatten. Er begann also mit den Händen die überschüssige Kohle aus dem Grill wieder heraus zu schaufeln und warf sie einfach zu den am Boden liegenden dazu, bis sich ein kleiner Hügel gebildet hatte. Nur waren jetzt seine Finger pechschwarz, so dass er nicht wusste, wohin damit. »Ich bin derartig verliebt, dass ich tanzen könnte...« Nachdenklich blieb Roy vor dem Grill stehen und schaute seine schwarzen Finger an. Er würde sie besitzen wollen. Suzanne. Aber sollte er sie vielleicht töten? Würde sich das Schwarz seiner Hände in das Rot ihres Blutes verwandeln? Ach, nein. Warum sollte er dem Roman so eine schreckliche Wendung geben? Weil sie zu schön war. Suzanne. Sie war zu schön, für ihn. Aber warum wollte er sich selbst bestrafen, indem er sie sterben ließ? Er hielt sich seine Hände vor die Augen. War er so überzeugt von seiner Minderwertigkeit, dass er sich nicht einmal in der Fantasie eine erfüllte Liebe vorstellen konnte, ohne sie gleich zerstören zu müssen? So eine Frau wie Suzanne. Wäre er fähig, um sie zu werben? Würde er den ersten Schritt machen, würde er das Wagnis wirklich eingehen, wenn sie nun leibhaftig vor ihm stünde? »Ich kann kein Feuerzeug finden«, rief Marie aus dem Haus. Das hatte er nicht anders erwartet, Kinder fanden nie irgend etwas, was sie suchen sollten. Ärgerlich rief er zurück. »Ach, dann such doch mal woanders! Vielleicht im Wohnzimmer oder in irgendeiner Jacke!« »Och nö, such doch lieber selber.« »Ich kann nicht, ich hab dreckige Hände! Frag Sonja!« »Die olle Zicke tut nie was.«, maulte Marie. »Was macht sie denn gerade?«, erkundigte er sich schon auf dem Weg zurück ins Haus. »Chillen!« Roy schüttelte den Kopf. Er war gleich dagegen gewesen, dass Sonja ein Touch Phone bekommen sollte. Seitdem hing sie jede freie Minute an dieser dämlichen Kiste, hörte Musik oder schrieb und las überflüssige Nachrichten. Mit dem Ellenbogen öffnete er die Badezimmertür, die kohleschwarzen Hände vorsichtig in die Luft haltend, damit er nirgends anstieß. Leider konnte er es nicht vermeiden, am Waschbecken und der Seife schwarze Spuren zu hinterlassen. »Wieso hast du denn einen Schuh in deinem Regenmantel?«, erkundigte sich Marie, die offenbar doch noch weitergesucht hatte. Er schrak auf. Den hatte er ganz vergessen! »Hab ich gefunden!« »Mami«, meldete jetzt Marie begeistert. »Papi hat einen Schuh in seinem Mantel versteckt!« »Was sagst du?«, kam es aus der Küchenecke. »Papi hat einen Schuh gefunden.« Oh, nein! Das darf nicht wahr sein, durchfuhr es Roy, der bereits ahnte, dass sich eine Katastrophe anbahnen würde. Er stürmte aus dem Bad, um gleich darauf mit Iris vor der Garderobe zusammen zu treffen, die Marie den Schuh aus der Hand genommen hatte. »Hab ich heute gefunden«, wiederholte er. »Gefunden!«, echote Iris giftig. »Wo findet man denn einen Frauenschuh?« »Auf der Straße.« Sie schaute ihn an, als habe sie ihn inflagranti bei einer Affäre erwischt. Ihre Lippen wurden ebenso schmal wie ihre Augen. »Du willst mir erzählen, dass du einen Schuh auf der Straße gefunden hast und ihn mit nach Hause nimmst!?« Er zog die Schultern hoch. »Na und, ist das verboten?« »Du bist komisch, Papi«, lachte Marie und stürmte zu Sonja, um ihr die Neuigkeit zu berichten. Die hatte von all dem nichts mitbekommen, weil sie sich wieder auf dem Sofa ganz ihrer überlauten Musik unter ihren Kopfhörern hingab, während sie eifrig über das Pad scrollte. »Papa hat einen Frauenschuh gefunden!«, lachte Marie, während sie Sonja die Kopfhörer herunterriss. »Bist du bekloppt? Was soll das?«, fauchte sie ihre kleine Schwester an. »Legst du jetzt endlich dein Handy weg!«, schrie Iris sie an, während sie den Schuh mit einer einzigen heftigen Handbewegung in Richtung des Küchenmülleimers feuerte, wo er abprallte und zu Boden fiel. Die beiden Mädchen verstummten. Und weil sie gerade so in Fahrt war, fügte sie noch hinzu: »Du hast die nächsten zwei Tage Handyverbot!« »Das ist voll ungerecht!«, maulte Sonja. Iris funkelte Roy böse an. »Wer weiß, wer den schon anhatte!« »Eine Frau vielleicht?«, versuchte er eine ironische Bemerkung. Die kam jedoch gar nicht gut an. Wütend, weiß im Gesicht vor Zorn, drehte sie sich um und riss die Tüte vom Einkauf auf. Die Gummibärchenpackung fiel zu Boden und von den Schaumzuckerklöpsen kugelten einige über die Küchenplatte. »Was habt ihr da wieder für einen Mist gekauft!«, fauchte sie. »Marie wollte was Leckeres zum Grill!«, entschuldigte er sich, während er sich bückte, um den Schuh aufzuheben. »Papa hat es mir erlaubt!«, verteidigte sich Marie. »Bist du nicht dick genug?«, schrie Iris in Richtung Wohnraum, in den sich Marie vorsichtshalber zurückgezogen hatte. Er betrachtete den Schuh. Warum hatte er ihn eigentlich mitgenommen? Er wusste es nicht. »Sie ist doch nicht zu dick!«, meinte er Marie nun zur Hilfe kommen zu müssen. Marie war wirklich nicht übergewichtig, hatte sich aber in den letzten Wochen aufgrund der vielen Geburtstagsfeiern ihrer Mitschüler ein kleines rundliches Bäuchlein angefuttert. »Na, dann schau sie doch mal richtig an! Interessiere dich doch mal für deine Kinder, anstatt hinter anderen Frauen herzulaufen!« »Ich bitte dich, was redest du da für einen...« »Hast du eine Freundin?«, fragte Sonja, die es vorgezogen hatte, angesichts der Übergewichtsfrage ihrer kleineren Schwester ihren schlanken Pariser Luxuskörper mit den gerade leicht schwellenden Brüstchen dekorativ im Türrahmen abzustellen. Sie wusste, wie man eine harmonische Stimmung mit zwei, drei Sätzen ins Gegenteil verkehren und eine schlechte wie diese zu einem handfesten Streit aufmöbeln konnte. Hauptsache Marie bekam ihr Fett weg. »Quatsch!«, entgegnete er. »Trag die Teller raus!«, schrie Iris sie nun an. Sonja zog genervt die Augenbrauen hoch und nahm maulend langsam einige Teller von der Anrichte, auf der das Geschirr aufgestapelt war. Natürlich nicht alle Teller, sondern nur zwei, drei und auf keinen Fall Besteck dazu. Roy fluchte in sich hinein. Sonja war nicht zum Aushalten, Iris ebenfalls nicht und Marie tat ihm leid. Eigentlich, beschloss er dennoch, hatte Iris recht. Was wollte er mit dem Schuh? Er warf ihn in den Mülleimer, nein, eigentlich legte er ihn eher vorsichtig ab, wie man eine Leiche bettet. Er sah zwar ein, dass es unnötig gewesen war, ihn überhaupt mitzunehmen, doch sich von ihm zu trennen, fiel ihm auch irgendwie schwer. Iris beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Kaum hatte sich Roy wiederaufgerichtet, nahm sie einen Haufen Schälreste vom Gemüse, dass sie gerade zubereitete, und stopfte es demonstrativ auf den Schuh, nicht ohne nochmals kräftig nachzudrücken. Er zuckte nur mit den Schultern, ergriff das Feuerzeug, welches gut sichtbar auf dem Küchenregal lag und trottete wieder nach draußen. Dort hatten sich Sonja und Marie gerade wieder in die Haare bekommen, wer den Rest vom Geschirr bringen sollte. Marie bestand darauf, dass sie für das Grillen zuständig sei, was Sonja ihr natürlich übelnahm, weil es mit weniger Anstrengung verbunden zu sein schien, als in die Küche zu gehen. Außerdem fürchtete sie die schlechte Laune ihrer Mutter, da sie eigentlich jedem Streit anderer aus dem Weg ging. Und sie war äußerst mies drauf wegen des Handyverbots. So setzte sie sich in einen der Klappsessel, stützte die Hände an die Wangen und maulte Roy an, sobald er in Sichtweite war. »Das ist voll ungerecht. Meine Freundinnen lachen mich schon aus, weil ich dauernd Handyverbot habe. Wenn das so weitergeht, dann verlier ich alle meine Kontakte. Wollt ihr etwa, dass ich Bindungsängste entwickele und mich sozial isoliere?« Sie funkelte Roy vorwurfsvoll an. »Ich werde total ausgeschlossen und keine Follower mehr haben. Und dann werde ich depressiv und lande in der Psychiatrie und ihr seid Schuld! Dann müsst ihr mich da dauernd besuchen. Das werdet ihr aber auch nicht lange machen wollen, weil das total nervt. Dann werde ich schließlich ganz alleine sein und Tabletten schlucken müssen!« Er schaute sie überrascht an, konnte sich ein Lächeln jedoch nur mühsam verkneifen. »Wo hast du denn diesen Text her?« Wütend erhob sie sich und trabte mit erhobenem Kopf zurück ins Haus. Marie grinste über das ganze Gesicht. »Wenn das so weitergeht, dann nehme ich die Nachbarzelle!«, rief er ihr hinterher. »Dann können wir uns Klopfzeichen über die Heizungsrohre geben!« Grinsend dreht er sich zu Marie um, die sich an die Stirn tippte und das Ballaballa-Zeichen machte. »Du hast ja die ganze Kohle wieder rausgeholt!«, schmollte sie. »War zuviel, Schatz. Gib mir mal den Anzünder!« Eifrig bemüht, gutes Wetter bei ihrem Vater zu machen, reichte sie ihm die Schachtel mit den Pappstückchen. »Darf ich?«, fragte sie, nachdem er eines der Stäbchen zwischen die Kohle gedrückt hatte. Willig überließ er ihr die Schachtel, deren Inhalt sie zufrieden unter der Holzkohle verteilte. »Darf ich anzünden?«, fragte sie. »Wenn du dir nicht die Finger verbrennst!« »Ne, mach ich nicht!« Machte sie aber doch. Weil die Flamme immer wieder ausging, als sie versuchte, das Feuerzeug an eines der Pappstücke zu halten, griff sie an das inzwischen heiße Metall des Feuerzeugs und schrie gellend auf. Entsetzt schaute sie auf ihre Zeigefingerspitze und ließ das Feuerzeug fallen. Weinend lief sie ins Haus, um ihrer Mutter das Unglück zu melden. Die war ihr bereits in der Tür entgegengeeilt und nahm sie in Empfang. »Ich hab mich verbrannt!«, heulte sie los und umklammerte die Schürze von Iris, wobei sie mit ihren schmuddeligen Fingern dunkle, schwarze Abdrücke hinterließ. Iris schaute Roy vorwurfsvoll an. »Sag mal, spinnst du jetzt total? Wie kannst du dem Kind das Feuerzeug überlassen?« Ihm platzte nun der Kragen. »Ihr könnt mich alle mal!«, schrie er zurück. »Nur lauter so! Damit alle es hören!«, gellte sie zurück. Er war so in Fahrt, dass er ihr eine Lektion erteilen wollte. Er drehte sich um, richtete sich auf, fixierte die neugierig blickenden Nachbarfamilien, die sich einen gediegenen Familienstreit nicht entgehen lassen wollten und schrie: »Diese Frau geht mir tierisch auf die Nerven! SIE... KANN... MICH.. AM... ARSCH... LECKEN!!!« Iris und Marie schauten ihn entsetzt mit großen Augen an, dann verschwanden sie im Haus. Er stapfte zurück, trat die angelehnte Tür mit einem heftigen Fußtritt auf, dass sie gegen den Kleiderhaken dahinter donnerte, nahm seinen Regenmantel, seine Wanderschuhe und Geldbörse an sich, wobei er mit einem heftigen Tritt einen Stuhl zur Seite stieß, der scheppernd an der Wand landete, ging zum Mülleimer, riss den Schuh heraus, wobei er den darüber liegenden Müll über den Boden verteilte, und stampfte mit dem Autoschlüssel in der Hand an den weinenden Kindern vorbei, die sich Schutz suchend an der Mutter festklammerten, riss im Vorbeigehen seinen PC vom Gartentisch und setzte sich ins Auto. Er wartete einen Moment, fixierte die neugierig ihre Hälse reckenden Nachbarn, bis sie verlegen wegschauten, startete den Motor und fuhr los, nicht ohne über einen Federballschläger zu fahren, der achtlos weggelegt neben den Rädern lag und mit einem hässlichen Knacken zu Bruch ging. Mit einem wohligen Gefühl im Bauch lauschte er dem aufheulenden Motor, der schließlich gemächlich brummte, als er am Schlagbaum des Campingplatzes angekommen war, wo er anhalten musste, um den Knopf zu drücken, der diesen öffnete. Dann rauschte er davon, ohne ein Ziel, nur weg, nur weg.

Suzanne

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