Читать книгу Suzanne - Levi Krongold - Страница 5

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»….Ihre langen, dunkelbraunen Haare reflektierten den leichten Rotschimmer der untergehenden Sonne. Sie schaute, zusammen-gekauert, die Arme um die Knie gelegt, geistesabwesend hinunter auf den Strand und ließ es sich gefallen, dass er ihre hüftlangen Haare leicht mit den Lippen berührte, während er ihren Duft in sich aufsog. Mit einer Hand schob er ihr Haar, hinter ihr kauernd, sanft mit einer zögerlichen Bewegung aus dem Nacken, so dass es seitlich über die Schulter nach vorne fiel und ihren schlanken Hals freigab. »Was machst du da?«, lachte sie mit einer angedeuteten überraschten Drehung des Kopfes in seine Richtung. Er hielt ihre Schultern mit beiden Händen fest während sie, statt sich ihm zu entwinden, willig den Kopf ein wenig nach vorne beugte, so dass er seinen warmen Atem über ihren nackten Hals blasen konnte. »Das kitzelt«, lachte sie und drehte sich halb zu ihm um. Ihre warmen, dunkelbraunen Augen schauten ihn belustigt an. Die ausdrucksstarken Augenbrauen konnten nicht verbergen, dass sie nicht wirklich protestierte. Es war mehr eine gespielte Abwehr. Sie ließ sich zurückgleiten und machte es sich wohlig an seiner Brust bequem, während er die Wärme ihres jungen Körpers in sich aufnahm wie ein trockener Schwamm das Wasser. Er umfasste sie von hinten und strich ihr leicht über ihre festen Brüste, die unter ihrer seidenen weißen Bluse kleine feste Spitzen bildeten. »Nicht«, protestierte sie. »Suzanne«, flüsterte er. »Nicht Levi, nicht jetzt.« »Ich liebe dich Suzanne«…

*

»Roy!«

»Verdammt, nicht jetzt!«

»Roy, komm doch bitte mal und hilf mir!«

»Ich schreibe. Stör mich jetzt nicht!«

»Muss ich denn immer alles machen? Roy, ich muss die Maschine noch ausräumen! Trag doch mal das Geschirr auf den Tisch.«

»Ja, ja!«

Er versuchte den Faden wieder zu finden und überflog die letzten Zeilen.

»Ich liebe dich Suzanne!«, raunte er ihr ins Ohr, während ihn das Verlangen nach einer Wiederholung der wunderbaren Berührung...«

»Roy! Kannst du nicht mal mit dem dämlichen Schreiben aufhören? Ich hab mir unseren Urlaub anders vorgestellt!«

»Ich auch!«, bellte er zurück, sah aber die Vergeblichkeit ein, den Text weiter zu schreiben. Wieso war er nicht wie angekündigt allein verreist? Wieso musste er immer anderen zuliebe auf seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse verzichten?

Seine Frau, Iris, fluchte lautstark in der Küche und rief jetzt nach ihren beiden Töchtern, die wie immer mit anderen Dingen beschäftigt waren, als ihre Mutter freiwillig zu unterstützen. Die ältere, Sonja, pubertierte mit ihren 13 Jahren gerade heftig vor sich hin, während die anderthalb Jahre jüngere, jungenhaftere Marie draußen mit dem Fußball gegen das Ferienhaus ballerte.

Bum, bum, bum.

»Marie, hör endlich mit dem Gebumse draußen auf und hilf deiner Mutter!«, schrie er aus dem kleinen Holzfenster, welches sich zum Campingplatz heraus öffnete und den Blick auf eine Reihe ordentlich nebeneinander aufgereihter, gleichförmiger Holzhäuschen freigab, mit angedeuteten Vorgärtchen und Stühlchen und Tischchen und Grillecke und Wäscheleine und Abstellplatz für den PKW. Die Horroridylle vom Spießer-Valley am Woblitzsee.

»Sonja hilft ja auch nicht!«, kam es prompt retour.

Wütend schob er den kleinen Laptop, den er auf Reisen zum Schreiben benutzte, zur Seite.

»Sonja, verdammt noch mal, hörst du nicht, dass Mutti ruft?«

Seufzend erhob sich Roy Ronfeld von seinem improvisierten Arbeitsstuhl, einer hochkant gestellten Transportkiste für Schwimmzeug und ähnliches vor dem Fensterbrett des kleinen Schlafraumes für die Eltern, das als Ablage für den PC diente. Er wuchtete sich über einen sorglos abgestellten Koffer zur Tür, um in den Wohnraum zu blicken. Sonja lag auf dem Sofa, ließ ihre schlanken langen Beine über der Lehne im Takt der Musik wippen, die großen weißen Kopfhörer übergestülpt. Selbst von der Tür aus konnte man den eintönigen Rapp deutlich hören, der den Kopfhörern entströmte. Unter den Ohrmuscheln musste das Inferno herrschen. Konnte denn heute niemand mehr richtig singen? Mit einem Satz war er bei ihr und zog ihr die Kopfhörer von den Ohren.

»Hörst du nicht, dass Mama ruft?«

Sonja blickte erstaunt auf.

»Was is'n los?«, fragte sie mehr erstaunt als verärgert und schaute ihn mit ihren hellblauen Augen unschuldig an.

»Du machst dir nochmal die Ohren kaputt mit deinem Krach. Stell die Dinger mal leiser. Mama ruft, dass du die Spülmaschine ausräumen sollst.«

»Hat sie das?«

Hat sie eigentlich nicht.

»Ja!«, log er sauer über soviel Gleichgültigkeit.

»Du sollst die Geschirrspülmaschine ausräumen und den Tisch decken.«

»Und Marie?«

»Marie, Marie, Marie! Was spielt das für eine Rolle?«

Bum, bum, bum.

»Na typisch, Marie darf immer alles und ich muss helfen!«, gab sie eingeschnappt von sich.

»Nun hör aber auf.«

»Und du, warum hilfst du nicht?«, gab sie zickig zurück, denn nun war sie bereits wieder in ihrer gewohnten Rolle. Zickenkrieg.

»Ich schreibe!«

»Na klar, seh ich!«

»Roy, ist der Tisch gedeckt?«

Sonja grinste ihn breit an.

»Heiß ich Roy?«

»Scheiße!«, brüllte er los. »Reicht es nicht, dass ich Tag und Nacht arbeite und das Geld verdiene! Muss ich noch in den Ferien für euch den Hampelmann machen?«

»Du hast es gerade nötig!«, erschien nun Iris in der Tür.

»Wenn hier einer für alles zuständig ist, dann bin ich das. Dass ich neben der Arbeit noch den Haushalt mache, die Wäsche, die Kinder versorge.«

»Na klar, die 4 Stunden Arbeit, am Tag, bringen dich auch glatt um!« Iris hatte seit einiger Zeit wieder einen Halbtagsjob als Pflegehelferin.

»Und dass du keine Putzfrau ins Haus lässt, bist du selbst Schuld!«

»Wovon denn? Hast du Geld übrig?«

»Nö, nicht schon das wieder«, schaltete sich Sonja ein.

»Tu nicht so, als wenn es uns an etwas fehlte. Du tust immer so, als wenn wir am Verhungern wären«, brüllte er zurück.

Bum, bum, bum.

»Marie, hör endlich mit dem Ball auf!«, schrie er und rannte wutschnaubend zur Tür.

»Nicht so laut! Sollen denn alle mitkriegen, dass wir uns dauernd streiten?«

»Sollen sie doch! Marie, komm sofort rein. SOFORT!«

»Was riecht denn das hier so angebrannt?«, erkundigte sich Sonja naserümpfend.

»Oh, nein!«, schrie Iris und verschwand in der Küche.

»Das Omelett, total angebrannt!«, hörte er sie aus der Küche rufen, während er das Geräusch eines aufklappenden Fensters vernahm.

Sonja bewegte ihren Pariser Luxuskörper schwungvoll vom Sofa und schlenderte interessiert zur Küche.

»Pah, hier stinkt's«, meldete sich eine völlig verdreckte Marie zu Wort, während sie ihren matschigen Ball achtlos auf den Boden kullern ließ. Es hatte gerade wieder einmal wie aus Kübeln gegossen, wie schon in den letzten beiden Tagen seit ihrer Ankunft.

»Mama hat das Omelett verbrannt!«, gab Sonja schulterzuckend in ihre Richtung zurück.

»Iiiiih, was gibt es denn jetzt zu essen?«

»Ich geh Pizza essen!«, brummte er, setzte sich jedoch unentschlossen auf den einzigen freien Sessel, der nicht mit abgelegten Kleidungsstücken belegt war.

»Ich hab es satt!«, schrie Iris aus der Küche. »Ihr könnt euren Scheiß alleine machen!« Etwas Metallenes schepperte lautstark an die Wand und klapperte dann zu Boden.

Sonja zog den Kopf ein und machte eine wedelnde Bewegung mit der Hand. »Weia!«

Er seufzte, erhob sich langsam und schlurfte zur Küche. Iris hatte sich mit beiden Händen auf die Spüle gestützt und schluchzte. Der Inhalt der Pfanne klebte jetzt an der gegenüberliegenden Wand und dem Küchentisch, während die Pfanne irgendwo neben dem Mülleimer liegen geblieben war.

Die Kinder hatten sich hinter ihm in der Tür versammelt.

»Lass uns nach Hause fahren!«, schlug er vor.

»Och, nö, wir sind doch gerade angekommen!«, maulte Marie und drängelte sich durch, um die Pfanne aufzuheben, nicht ohne dabei Teile des über den Küchenboden verteilten Omeletts platt zu treten.

»Lass mal, ich mach das schon«, schob er sie zur Seite.

Sie gingen dann doch noch Pizza essen, wie an den Tagen davor.

Es war nicht zu leugnen, dass ihre Ehe nicht gut lief. Es war nicht einmal ein stummes Miteinander, sondern es war ein stummes sich aus dem Weg gehen. Er setzte sich am nächsten Morgen auf den Holzblock unter dem Vordach des Ferienhauses, der zum Holzspalten aufgestellt worden war, und schaute in den Regen.

Die Tasse kalten Kaffee vom Morgen zitterte leicht in seiner Hand, während er die Zelte und Wohnwagen unter den Kiefern betrachtete, die ebenfalls zum Campingplatz gehörten.

Iris und die Kinder hatten sich Regenstiefel und Regenjacken angezogen, um zum See hinunter zu gehen. Er hatte es vorgezogen, hier zu bleiben und das vorwurfsvolle »Kommst du mit!?« seiner Frau mit einem stummen Kopfschütteln verneint. Sie hatte sich mit hochgezogenen Augenbrauen abgewandt und die Kinder im barschen Ton aufgefordert, sich anzuziehen. »Papa will nicht!« Ausrufezeichen. Es war ihr anzusehen, dass sie beleidigt und frustriert seine Weigerung, dieses Elend gemeinsam zu ertragen, zur Kenntnis genommen hatte. Er seufzte, angesichts der Hoffnungslosigkeit, die jetzige Situation zum Besseren zu wenden. Es lief ja auch körperlich nichts mehr zwischen ihnen. Sie hatte ihre Bedürfnisse mit einer übergroßen, fast fanatischen Fürsorge für die Kinder kompensiert, achtete streng darauf, dass sie entweder wesentlich früher oder aber meistens wesentlich später ins Bett ging, so dass einer von beiden mit Sicherheit bereits schlief, wenn der Partner ihm folgte. Die wenigen Versuche seinerseits, mit ihr ins Gespräch zu kommen, endeten immer wieder in einem Ehestreit, bei dem er nie das letzte Wort hatte, da sie zu einer endlosen Wiederholungsschleife ihrer Vorwürfe neigte, in die sie sich immer weiter hineinsteigerte. So hatte er es inzwischen vorgezogen, nach einigen Sätzen zu schweigen, wenn sich eine Wiederholung des Dramas andeutete, wie er ebenso aufgegeben hatte, von ihr einen Schritt in Richtung eines Schlichtungsversuches zu erwarten. Sie verharrte in ihrer beleidigten Ablehnung ihm gegenüber und dem Bedauern über ihre selbst auferlegte Märtyrerrolle. Natürlich stand es finanziell nicht mehr so schlecht wie zu der Zeit, bevor sie ihre jetzige Stellung angenommen hatte. Doch im Geld schwammen sie auch nicht gerade, zumal die Ansprüche der beiden Kinder immer größer wurden, um im Vergleich mit den Schulfreunden nicht allzu weit zurückstehen zu müssen. Sein Job als Korrektor eines kleineren Verlages brachte gerade soviel, dass sie einigermaßen über die Runden kamen, sich auch einige Urlaube leisten konnten. Doch die Vorauszahlungen und Tantiemen seiner bisherigen Versuche als Buchautor deckten kaum die Kosten. Auch der gegenwärtige Roman, über eine schwierige Liebesbeziehung zwischen einem alternden Mann und einer jungen Frau, »Suzanne«, steckte irgendwie fest. Zwar hatte er eine kleine Vorauszahlung erhalten, erstmalig, dafür aber auch einen fixen Termin, an dem das Manuskript abzugeben sei war, und der rückte unaufhaltsam näher, ohne dass ein Ende der Schreibarbeiten abzusehen wäre. Umso drängender war sein Bedürfnis, seine Kreativität ungestört von häuslichen Querelen ausleben zu können. Eine Tatsache, die bei Iris keinerlei Verständnis hervorrief, abgesehen davon, dass sie nie auch nur einmal eines seiner Manuskripte zu lesen wünschte. Diese Seite seiner Persönlichkeit war bei ihr aus irgendeinem Grunde völlig ausgeblendet. Er schlürfte ein wenig an dem kalten Kaffee und goss dann den Rest angewidert in die Tannennadeln auf dem matschigen Waldboden, wo er der langsam versickernden braunen Pfütze sinnend nachschaute. Dann erhob er sich mühsam und schlurfte zu seinem PC zurück.


Suzanne

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