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Fünf Tage zuvor, immer noch Tag eins: Arriba-abajo-alcentro-paradentro

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Der Club Punta Arabi liegt im südlichen Teil des Dorfes Es Canar, das im Osten der Insel zum Verwaltungsgebiet der Stadt Santa Eulària des Riu gehört. Das Gelände des Vergnügungsbetriebs erstreckt sich über ein paar Hektar auf einer Landzunge, die zwischen der Bucht Sa Carbonera und der Cala des Gat, einem kleinen Sandstrand, ins Mittelmeer hineinragt. Diese Landzunge steigt zum Wasser hin immer weiter an und mündet spitz in einer Steilklippe mit atemberaubend zerklüfteten Felsen. Und genau in diese Felsen mussten die ihren Pool bauen – reine Schikane.

„Leck mich doch am Arsch!“ Hannes fluchte. Die Sonne brannte nun, am frühen Nachmittag, über das Gelände des Club Punta Arabi auf Ibiza und der Weg von den Bungalows 117 und 119 zum Pool war verdammt steil und alkoholgeschwängerter Schweiß quoll aus allen Poren.

Nach der Ankunft an dem in L-Form gehaltenen Becken erwartete ich Entschädigung für den schweißtreibenden Weg. Ich sah einen wunderbar blauen Himmel, eine kleine, aber feine Poollandschaft, eingerahmt rechts von einer Bar und einem schwarzen Schlund, über dessen Tür „Punta Palace“ stand, von einer mittelprächtigen Theaterbühne vorne und auf der linken Seite von einer weiteren Bar, neben der ein Schild den Weg zu den Toiletten wies. Natürlich konnte das nur ein gut gemeinter Versuch sein, die nachmittägliche Mittelgebirgswanderung zu rechtfertigen.

Also ließ ich meinen Blick Richtung Horizont streifen und direkt vor dem blauen Himmel und einer kleinen Steinmauer, die die Poollandschaft von einer eindrucksvollen Klippe trennte, malte sich meine Entschädigung ab. Direkt hinter dem Pool lagen etwa 100 Frauen in Bikinis, die uns ihre blitzenden, eingeölten Hintern und Rücken zustreckten. Dass etwa 30 davon der Kategorie „Ich-trag-Größe-54-weil-ich-Schilddrüsenprobleme-hab“ und 20 der Kategorie „Ich-studiere-Lehramt-könnte-aber-auch-in-der-Geisterbahn-arbeiten“ entsprachen, war egal. Denn die anderen 50 gehörten definitiv zur Kategorie „Du-musst-schon-maßlos-angeben-oder-verdammt-viel-Kohle-haben-damit-du-überhaupt-eine-Chance-bei-mir-hast“. Die etwa 100 Kerle, die sich auf den Liegeflächen und im Pool zwischen den Mädels tummelten, störten nicht.

Pascal dagegen störte schon. Er begann, in die Hände zu klatschen. Dann setzte er sein Jokergrinsen auf und stimmte an: „Bamberger Jungs, Bamberger Jungs...“

Bert und Hannes stimmten sofort mit ein: „... Wir sind alles Bamberger Jungs!“ Achselzuckend sahen Pablo, Lukas und ich uns an. Also machten wir mit. In Polonaise tanzten wir Richtung Becken und schunkelten unter dem Getöse der uns anfeuernden Pool-Schönheiten und -Hässlichkeiten ins Wasser.

„Mach uns doch mal einen schönen Ocean!“ Während ich nur fragend blickte, nickte der spanische Barmann Pascal wissend zu. Mit einer gläsernen Schüssel kam er zurück an die Theke, manövrierte seine Hand zu einem Steinkrug voller Strohhalme, packte beherzt zu und tauchte zehn der Plastikröhrchen in die blaue Flüssigkeit. Ich drückte ihm mit einem „Gracias“ einen von der Poolonaise noch feuchten Zehner in die Hand und folgte dem schüsseltragenden Pascal.

An einem weißen Plastiktisch hatten sich die tropfenden Bert, Pablo, Lukas und Hannes niedergelassen. Schweigend starrten sie auf Pool und Meer. „Ich trinke auf einen großartigen Urlaub“, hob Pascal an. Alle sogen gierig am Ocean. Nicht schlecht, das Zeug. Es hatte zwar nichts von den ganzen Mode-Mixgetränken mit frischen Kräutern oder Gemüse, aber es knallte süßlich-sahnig, als wäre Tom Cruise als Wodka schüttelnder 80er Jahre-Bartender stark alkoholisiert in einen Eimer Fruchtzwerge gestolpert.

Eine Stunde später fühlte ich mich, als wäre ich der Eimer – nur gefüllt mit Wodka und einem einzigen Hütchen Fruchtzwerge zum Aufsaugen. Vier Schüsseln hatten wir geleert und dabei nur mäßig Unterstützung von wildfremden Mädchen bekommen, die Pascal in schöner Regelmäßigkeit an unseren Tisch bettelte. Gänzlich unaufgefordert dagegen steuerte ein muskulöser, braungebrannter Typ mit Blendamed-Grinsen an unseren Tisch. „Geiler Auftritt mit eurer Polonaise vorhin“, lobte er. „Ich bin übrigens der Sonnengott und Animateur hier. Seid ihr immer so drauf?“

„Klar“, nickte die Runde.

„Dann hab ich was für euch. Jetzt sind gleich Poolspiele und mein Kollege Dennis da drüben“, der Sonnengott deutete auf einen breitschultrigen Solariumgänger mit Surfermatte neben dem DJ-Pult, „bräuchte noch ein paar Teilnehmer!“ Pascal riss die Augen auf. Er konnte es offenbar kaum erwarten, sich bereits zwei Stunden nach dem Check-In zum größten Vollhonk des Clubs krönen zu lassen. Originalzertifiziert vom Animations-Team versteht sich.

Lukas wiegelte aber ab: „Sorry, Sonnengott. Wir würden ja gerne, aber wir treffen uns jetzt mit Mädels am Strand.“

Scheinbar hatte der Halb-Inder, wie er erklärt hatte, Spaß daran, gleich am ersten Tag ihrer Ankunft männlichen Gästen ihre Grenzen beim Buhlen um die Gunst der weiblichen Besucher aufzuzeigen. Fix lud sich der Animateur selbst zum Tête-à-Tête im Sand ein: „Da bin ich doch dabei, dann kann ich euch Frischlingen gleich mal den ganzen Club zeigen.“ Lässig schlenderte der Sonnengott mit uns den Punta-Berg hinab. Das Shirt cool über den Schultern in roter Bermuda musste jede Frau, die uns über den Weg lief, uns sechs anderen für Bauern in einem Schachspiel halten, die ihrem sonnengegerbten König mit Sixpack und Blendamed-Lächeln treudoof hinterherkrochen.

Neben einer langbeinigen Blondine kamen wir zum Stehen. Oder vielmehr kam der Sonnengott zum Stehen. Die treudoofen Bauern stoppten einfach nur wie die Lehrlinge.

„Mel, wow, toller Bikini.“

„Hihi“, kicherte die vielleicht 23-Jährige dümmlich, „danke“.

„Sehen wir uns heute Abend im Palace?“

„Na klar“, und wieder „hihi.“

„Oder noch besser, ich hol dich nach der Abend-Show ab. Geritzt?“

„Okay“, hihite es wieder. Und: „Bungalow 390“.

„Schau“, knuffte mir Pascal in die Seite. „Der macht's richtig, der Hund.“

Kurz vor der Rezeption kreuzten zwei junge Damen etwa Mitte 20 unseren Weg. Beide trugen schlabberige Jogginghosen und unspektakuläre Tanktops, was ihrer Attraktivität keinerlei Abbruch tat. Was hatte ich schon zu verlieren?

„Hey... äh... Ladies!“ Abrupt stoppte das Duo. „Wow, tolle … äh ...“ Ihr anfangs offener Gesichtsausdruck mutierte zu fragend. „... Pyjamahosen. Sehen wir uns heute Abend im Palace?“

Die Tank-Top-Tussen lachten los, beömmelten sich kurz und liefen dann weiter. „Oder besser: Ich hol euch nach der Show ab.“

Meine Begleiter prusteten. Das hinterhergerufene „welcher Bungalow?“ ging im allgemeinen Gelächter unter. Was für ein Reinfall! Und hier sollte ich mich so richtig ausvögeln?

„Hey mein Freund“, väterlich legte mir der Sonnengott den Arm um die Schultern. „Ein Korb ist keine Schande. Darauf trinken wir am Strand einen auf meine Kosten.“ Damit konnte ich leben.

„Ihr macht jetzt alle exakt das Gleiche, wie ich!“ Der Halb-Inder stand am Strand von Es Canar inmitten dreier grünbespannter Liegen. Darauf hatten sich die Bamberger Jungs sowie Kerstin und Tina verteilt. Kerstin trug einen dunkelbraunen Bikini, der stark darauf ausgelegt war, ihre rattenscharfe Figur zu betonen. Tina dagegen trug eine Art langes, weißes Hemd. Darunter ließ sich ein patenter Körper vermuten, der offenbar in einem blauen Bikini steckte – so viel schimmerte zumindest durch das Laken, das Kasper, dem freundlichen Geist, auch ganz gut gestanden hätte.

„Arriba!“, rief der Animateur und hob einen halbvollen, kleinen Cognacschwenker, den er am Boden mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger hielt. In der bräunlich-grünen Flüssigkeit brachen sich die Nachmittagssonnenstrahlen. Und „Arriba“, riefen die Liegen-Besetzer und hoben ihr Glas. Es folgte ein „Abajo“ – Glas nach unten, „al centro“ – Glas an die Brust, „para dentro“ – rein damit, „Salud“ – Prost!

„Das ist Hierbas!“ erklärte der Sonnengott, nachdem wir den spanischen Kräuterlikör die Kehle herunter hatten rinnen lassen. Der Strandbesuch begann vielversprechend. Zwar war der etwa 30 Meter breite Sandstreifen nicht so dicht bevölkert, wie der Club-Pool, doch das war nach dem turbulenten Tag mit Flug und Busfahrt in Ordnung. Ein bisschen chillen, ein bisschen schwimmen – ankommen im Party-Paradies.

Der Sonnengott hatte offenbar etwas dagegen. Scheinbar stand in seinem Arbeitspapier unter anderem die Aufgabe: „Füllen Sie alle Neuankömmlinge bis spätestens sechs Stunden nach deren Ankunft restlos ab.“ Immer wieder kam der Halb-Inder aus Essen mit einem Tablett Hierbas an und Arriba-abajo-alcentro-paradentro waren sie auch schon wieder weg. Erleichtert stellte ich irgendwann zwischen Runde drei und vier fest, dass er keinerlei Anstalten machte, Kerstin oder Tina anzuflirten. Möglicherweise gab es ja die Regel „wer zuerst anquatscht, malt bzw. kommt zuerst“ – oder so ähnlich. Dies bedingte jedenfalls, dass Pascal bei Kerstin relativ leichtes Spiel hatte. Nach dem vierten Arriba-abajo-alcentro-paradentro verschwanden die beiden kichernd Arm in Arm.

Nach dem fünften Arriba-abajo-alcentro-paradentro ließ sich ein räudiger Strandköter mit hellbraunem Fell neben unseren Liegen nieder. Nach dem sechsten Arriba-abajo-alcentro-paradentro schlug irgendjemand vor, ihn in unsere Runde zu integrieren. Nach dem siebten Arriba-abajo-alcentro-paradentro hatte er sein eigenes Gläschen mit verdünntem Arriba-abajo-alcentro-paradentro. Nach dem achten Arriba-abajo-alcentro-paradentro schlug irgendjemand vor – vielleicht ich – ihn Pascal zu nennen, den echten Pascal aus unserem Zimmer zu werfen und dafür den Hund mit in den Club zu nehmen, weil der doch treuer sei als sein menschliches Pendant. Nach dem neunten Arriba-abajo-alcentro-paradentro schlug irgendjemand vor – ganz sicher ich – jetzt Nacktbaden zu gehen.

Wir waren bis auf den Spanier an der Strandbar die letzten Badegäste und so ließ sich keiner aus unserer Runde lange bitten. Auch Tina nicht. Flugs streifte sie ihr Nachthemd ab. Zum Vorschein kam ein wunderbar geformter Körper in einem blauen Bikini. Die graue Maus war gar nicht so grau. Sie war schwarz, oder vielmehr Teile ihrer Haut: ein mittelgroßes Tattoo aus geschwungenen Linien. Nicht auf der Unterseite des Rückens, wie es ja eine fragwürdige Modeerscheinung ist, sondern vorne. Tina, die unscheinbare Freundin der scharfen Kerstin, mit dem langweiligen Pagenschnitt und dem anfangs so säuerlichen Gesichtsausdruck hatte kein Arschgeweih! Tina hatte ein Bauchgeweih!

Bert schlug Hannes auf die Schulter, zeigte auf Tina und fing an, zu lachen. Gerade als wir anderen einfallen wollten, verstummten wir. Tina fummelte mit ihrer rechten Hand an ihrem Rücken. Das Bikinioberteil fiel und zwei perfekt geformte Brüste sprangen uns entgegen. Durch beide Nippel waren Stahlstifte gebohrt.

„Los, wir schwimmen zu dem Boot da! Wer zuletzt da ist, zahlt einen Hierbas“, rief sie und rannte los.

Gebannt starrten wir auf ihre hüpfenden Busen. Selbst der Sonnengott schien hinter der zurückhaltenden Tina alles vermutet zu haben – nur kein stahlstiftgepimptes Bauchgeweih. Er war trotzdem als Erster wieder gefasst.

„Los, hinterher“, befahl er und wir rannten los. Hunde-Pascal folgte uns nicht. Gelangweilt lag er vor seinem leeren Hierbas und starrte auf das Gläschen.

Das Wasser war herrlich. Die Kälte trieb mir zumindest etwas den Schmaps-Nebel aus dem Kopf, den die neun Arriba-abajo-alcentro-paradentro hinterlassen hatten. Zielsicher steuerte ich auf die Schaluppe zu, die im Meer schwamm. Tina hatte sie überraschend schnell erreicht. Flink kletterte sie an Bord. Der Sonnengott, Pablo, Bert und ich erreichten als nächste das kleine Ruderboot und hievten uns hoch. Tina grinste. Es gefiel ihr, dass sie nun die einzige Frau in der Runde war. Schwer keuchend kamen auch Hannes und Lukas an.

Feierlich – schließlich hatten wir gerade ein Boot gekapert – erhob ich mich und rief: „Ay, Piraten! Wir segeln an den Strand und gehen an Land!“ Zur Bestätigung stampfte ich mit dem rechten Fuß auf. Ein Fehler!

Mein Fuß durchstieß den morschen Holzboden. Wasser drang ein und begann, unsere Beute zu füllen. „Ay, jetzt aber schnell“, befahl der Sonnengott. Mit vereinten Kräften paddelten wir das schrottige Etwas, das einmal ein Boot gewesen war, Richtung Strand. 30 Meter vom Ziel entfernt ragte schon kein Holz mehr aus dem Wasser, sodass wir das Boot unter Wasser ziehen mussten. Gar nicht so einfach. Endlich, nach einer gefühlten halben Stunde, gingen wir an Land. Enttäuscht stellten wir fest, dass Hunde-Pascal sich so gar nicht über unsere reiche Beute freute. Er trottete an die Bar. Scheinbar hoffte er dort auf weitere Hierbas.

„Zumindest haben wir jetzt ein Boot zur Sicherheit“, murmelte ich. „Also, falls die Insel untergeht oder so.“

Der Sonnengott nickte: „Und ich weiß auch schon, wofür ich das brauchen kann!“

Von der Kaperaktion durstig, erinnerte ich daran, dass Lukas der Letzte an der Nussschale war und noch einen Hierbas ausgeben musste. Nach dem zehnten Arriba-abajo-alcentro-paradentro zog Tina kichernd ihr Bettlaken wieder an. Schade.

Krustenbraten-Casanova

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