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Vier Tage zuvor, Nacht zu Tag zwei: Fischfutter

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„Ja! Jaaa! Jaaaah!“

Ich blinzelte. Wer hat da nur geschrien? Als ich die Augen aufmachte, erstreckte sich vor mir ein unerwarteter Ausblick. Auf allen Vieren lag da eine junge Frau, die sanft vor und zurück wippte – und stöhnte. Sie hatte nichts an außer eine seltsam strubbelige Kurzhaarfrisur mit Strähnen in diversen Farben des Spektrometers.

Herrlich. Ich hatte Sex! Aber wie war ich – und das konnte ich glücklicherweise mit einem schnellen Rundblick als nicht das meine identifizieren – in ihr Bett gekommen?

„Staubsauger“, war das erste, was mir durch den Kopf schoss. Esteban hatte ganze Arbeit geleistet. Nach der zweiten Runde des wahrscheinlich schwere Atemwegserkrankungen hervorrufenden Drinks mit dem Sonnengott hatten sich Pascal, Bert, Hannes und Pablo grölend ins Punta Palace verzogen. Der Animateur und ich blieben zurück, gossen uns noch zwei weitere Staubsauger hinter die Binde und stiegen dann auf Gin Tonic um. Und dann?

Schemenhaft erinnerte ich mich an den Sonnengott, der sagte: „Und jetzt zeige ich dir, wie das mit dem Frauen Aufreißen hier funktioniert“, und Richtung Clubdisco wackelte.

Ich muss ein guter Schüler gewesen sein, schließlich fand ich mich ein paar Stunden später hinter einer vor Wolllust grunzenden, papageienköpfigen Clubbesucherin wieder. Ebenso nackt wie sie, wie ich mit einem schnellen Blick nach unten feststellte.

Als Papageia, meine erste Geschlechtspartnerin im Club Punta Arabi, fertig gegrunzt hatte, stand ich auf.

„Wo willst du hin?“ fragte sie mit vorwurfsvollem Blick.

Ich beäugte sie und kategorisierte sie als Gräte.

Kein Fortschritt, Toni, kein Fortschritt. Ich haderte mit mir. Papageia hatte eine annehmbare Figur. Annehmbar, nicht gut. Aber die Nase, die Brille, die abstehenden Haare – all das wirkte wie ein arbeitsloser Zirkusclown auf Crystal Meth. Innerlich versetzte ich mir eine schallende Ohrfeige.

„Eine Weiterentwicklung ist das nicht“, murmelte ich.

Sauer auf mich selbst, weil ich wieder mal den Schnaps der Ästhetik vorgezogen hatte, streifte ich mir Boxershorts und Flipflops über.

„Willst du duschen oder was machst du?“ Papageia wiederholte ihre Frage. Sie lag rücklings im Bett.

„Ja, äh, genau. Duschen“, sagte ich gedankenverloren.

„Aber das Bad ist links.“

„Jaja.“ Ich wandte mich nach rechts und torkelte mit meinem Bündel Klamotten unter dem Arm auf den Ausgang zu: „Aber meine Duschhaube ist in meinem Bungalow.“ Klack, zu war die Tür und zurück blieb ein weiblicher Papagei, dem wahrscheinlich hunderte von Fragezeichen im Kopf umherschwirrten.

Draußen musste ich mich am Türknauf festhalten, um in der Morgendämmerung Hose und T-Shirt überzustreifen. Auf meinen Flipflops lag ein leuchtender Stofffetzen. Mit zusammengekniffenen Augen begutachtete ich den roten Stringtanga. Muss wohl im Eifer des Gefechts dort gelandet sein. Schnell verstaute ich ihn in meiner Hosentasche. Das wäre mein Beweisstück in Sachen Punkte für das grüne Trikot.

Ich hatte am ersten Abend im Club Punta Arabi eine klargemacht – mit ein wenig Abstand schaffte ich es, mich auf das Positive dieses Ausfluges zu konzentrieren. Gut, Papageia war ganz gewiss kein Prachtexemplar mit ihrem pausbäckigen Gesicht. Und die Haare! Weiß Gott, über die Haare müsste ich mit mir selbst nach einer Mütze Schlaf ein ernsthaftes Wörtchen reden. Aber bekanntermaßen ist aller Anfang schwer. Und warum sollte das beim So-Richtig-Ausvögeln anders sein? Leichtfüßig bog ich auf den Weg durch die Anlage ein und tänzelte los in Richtung Bungalow 117.

Nach fünf Minuten leuchtete mir Lukas' quietschgelbes Strandtuch entgegen. Er musste es vor dem Abendessen zum Trocknen auf die Vorgartenmauer unseres Bungalows gehängt haben.

Dieses Handtuch ist eine Kriegserklärung an die Bademode. Auf dem grellen Frottee befindet sich ein in kackbraunem Ocker gehaltener, gestickter Fisch. Als ob das noch nicht reichen würde, hatte der wahrscheinlich dauerdichte Designer beim Entwerfen dieses Schmuckstücks unbedingt noch einen draufsetzen müssen. Denn der Fisch hat sogar noch eine Funktion. Er dient als Beutel, beispielsweise für Wertsachen. Hinter einem aufgenähten Reißverschluss, der gleichzeitig das Maul dieses Meerestieres darstellt, befindet sich ein Hohlraum, in dem man Handy, Geldbeutel, Zigaretten und so weiter verstauen kann.

Stumm und vorwurfsvoll glotzte mich der Fisch an.

„Ja, ich weiß. Sie war keine Schönheit. Aber es geht ja schließlich ums Prinzip“, rechtfertigte ich mich. „Außerdem war ich besoffen!“

Dieses Argument zog leider nicht. Immer noch richtete er sein eines Auge unablässig auf mich. Entschlossen griff ich in meine Hosentasche, ertastete neben einer Packung Lucky Strike den Tanga von Papageia und – ritsch – stopfte ihm das Teil in den Mund und – ratsch – zog den Reißverschluss wieder zu. Lukas' Handtuchfisch sah mit einem Mal wesentlich friedlicher aus. Klar, das Tier hatte einfach nur Hunger. Deshalb hatte er mich so angestarrt. Aus seinem Maul baumelte das Unterwäschestück.

Grinsend nahm ich die letzten Meter zur Tür. Lukas und Pablo lagen säuselnd in ihren Betten.

Ich zog mich aus und legte mich ebenfalls hin. Da ich noch immer beschwingt von meinen ersten zehn Punkten in der Giro-Wertung war, beschloss ich, mein Handy einzuschalten. In Sekundenschnelle, um keine der mutmaßlich 70 Antwort-SMS auf meine schwachsinnige Flughafen-MMS zu erhalten, hackte ich „Schon dabei!“ in die Tasten. Zack, senden an Anasthasia. Das musste sie nun wirklich verstehen.

Als das kleine Brieflein vom Display verschwand und mir mein Telefon damit signalisierte, dass die Nachricht unterwegs war, schaltete ich das Gerät fix aus. Ich fiel in einen komatösen Schlaf.

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