Читать книгу Michele - Лин Хэндус - Страница 4
Kapitel 1
ОглавлениеFrankfurt am Main, Deutschland
Der feuchte, nasskalte November stürzte sich wie ein zerrissener Nebel auf die Landstraßen Hessens. Die Scheinwerfer eines entgegenkommenden Wagens, ausgestattet mit grellweißen LEDs, blendeten die Augen eines russischen jungen Mannes, der mit kalten Fingern das Lenkrad seines BMW umklammert hielt. Der moderne Sportwagen raste, deutlich über der erlaubten Geschwindigkeit, mit einhundertsechzig Stundenkilometern über die Straße. Geblendet vom Licht des auf ihn zukommenden Fahrzeugs bemerkte der junge Russe zu spät die scharfe Kurve vor ihm.
Mit der Grazie einer Ballerina löste sich der silberne BMW vom nassen Asphalt und vollführte in der Luft einen komplizierten Pas3). Es folgte ein Salto, bevor der schöne Wagen schwer auf dem von Bäumen bewachsenen Randstreifen der Landstraße aufschlug. Das Hupsignal ertönte, als der Fahrer schwer gegen das Lenkrad fiel, begleitet vom heftigen Knirschen berstender Äste. Dann verstummte das Signal abrupt hinter den nassen Zweigen. Stille. Seltsam anmutend lag der Wagen zwischen den Bäumen, fast gemütlich, auf der Seite, während die dicht bewaldete Umgebung vom Licht eines unbeschädigten Scheinwerfers beleuchtet wurde. Ein klebrig-nasses Spinnennetz, das nur vage an Regen erinnerte, bedeckte den Unfallort. Kein Laut war aus dem Inneren des Fahrzeugs zu vernehmen.
Eine Woche nach dem Unfall erschien vor dem Bett des in ein Korsett, Bandagen und Gips gekleideten jungen Russen eine ältere Dame. Nun, das Wort „ältere“ passte gewiss nicht ganz zu dieser gepflegten, schlanken, gutaussehenden Frau. Wer etwas genauer hinschaute, konnte zwar erkennen, dass sie schon weit über fünfzig sein musste, doch ihre schöne Haltung, das nahezu faltenlose Gesicht, ihr fliegender Gang und der hoch erhobene Kopf ließen an ihrem richtigen Alter zweifeln.
Die Frau stellte einen farbenfroh bemalten Topf mit einem Strauß zusammengesteckter rosa Alpenveilchen auf den Nachttisch des Zimmers. Dann nahm sie leise auf dem Stuhl Platz, der neben dem Krankenbett stand. Aufgeschreckt von der Bewegung an seiner Seite, erwachte der junge, regungslose Patient. Nur schwerlich gelang es ihm, die Augen zu öffnen und die Besucherin anzuschauen.
„Guten Tag, Sascha“, sagte sie zärtlich. „Du hast mich vielleicht erschreckt! Nach unserem letzten Gespräch habe ich auf Nachricht über den Tag deiner Ankunft gewartet. Du hast nicht angerufen. Ich dachte schon, deine Pläne hätten sich geändert und du würdest in Russland bleiben. Doch heute habe ich einen Anruf aus dem Krankenhaus erhalten ... Wie geht es dir?“
„Gut …“ Sascha Glebow keuchte, dann hustete er, um seinen Hals zu befreien. „Danke, Frau Kantor, für Ihren Besuch. In Deutschland habe ich keine Freunde, nur Geschäftspartner ... Die brauchen im Moment aber nicht zu wissen, was mit mir geschehen ist.“
„Das ist in Ordnung, Sascha. Aber wenn du möchtest, kann ich deine Eltern oder andere Verwandte benachrichtigen.“
„Auf keinen Fall! Es besteht keine Notwendigkeit, anderen Menschen Sorgen zu bereiten. Vor allem möchte ich weder Mitgefühl noch Mitleid ... Wenn es mir bessergeht, dann ... vielleicht.“
„Wie lange bleibst du im Krankenhaus? Sind wichtige Organe verletzt? Was überhaupt haben die Ärzte gesagt?“ Freundliche Augen voller Mitgefühl schauten den Patienten an.
Sascha schluckte schwer. Langsam wandte er den Blick zur Wand. Über seinen Gesundheitszustand sprach er eindeutig nicht gern. Eine große Wahl hatte er allerdings auch nicht: Es war seine Bitte an das Personal gewesen, die Nachbarin ins Krankenhaus zu rufen. Schließlich sagte er mit zusammengebissenen Zähnen:
„Die Ärzte hier sind sehr nett zu mir. Aber sie haben gesagt, dass meine Wirbelsäule verletzt ist und ich wahrscheinlich nicht in der Lage sein werde, jemals wieder zu laufen ...“ Sascha gelang es, ein Schluchzen zu unterdrücken, das aus seinem tiefsten Inneren ausbrechen zu wollen schien. „Ich bin erst fünfundzwanzig! Dieses Urteil kann ich nicht akzeptieren … Liebe Frau Kantor, Sie haben mir damals Ihre traurige Geschichte erzählt. Bitte, unterstützen Sie mich! Helfen Sie mir! Ich möchte nicht als Behinderter weiterleben. Helfen Sie mir!“
„Was sagst du da, Sascha? … Mache dir keine Sorgen: Natürlich helfe ich dir, wo ich kann.“ Die Besucherin nahm einen Karton vom Nachttisch, zog einige Taschentücher heraus und begann, damit die feuchte Stirn des Patienten zu trocknen. „Wirf nicht alles so schnell hin. Du weißt doch, auch Ärzte sind nur Menschen, wie du oder ich. Einige von ihnen glauben vielleicht, sie seien allmächtig wie die Götter, und hoffen, die Menschen und ihre Krankheiten vollständig durchleuchten zu können.
So ist es aber nicht.
Ärzte machen oft Fehler. Deswegen musst du jeder Diagnose mit Skepsis begegnen. Ich weiß dies sehr gut. Sei nicht traurig vor der Zeit. Ich werde dich alle zwei Tage oder auch täglich besuchen kommen, wie du möchtest …“ Abrupt stand sie auf. „Doch jetzt muss ich gehen. Morgen komme ich wieder. Einverstanden?“
Sie vernahm das mit angespanntem Flüstern herausgepresste „Ja“ des jungen Mannes. Dann schloss sie den Knopf ihrer hübschen Strickjacke, der aufgrund seiner Größe fast wie der Boden eines Weinglases aussah, und ging zur Tür. Davor blieb Andrea Kantor stehen, drehte sich um, fing Saschas Blick auf, tippte mit dem Zeigefinger gegen ihre Nasenspitze und drückte sie leicht nach oben. Während dieser typisch russischen Geste, die den Optimismus des Gegenübers beschwören sollte, lächelte sie ihm milde zu. Es war Sascha selbst gewesen, der ihr diese aufmunternde Geste seiner Heimat einst erklärt hatte.
Nachdem seine Besucherin den Raum verlassen hatte, schloss Sascha die Augen und versuchte, sich an die Anfänge ihrer seltsamen Beziehung zu erinnern ...
Vor ungefähr zwei Jahren war der junge erfolgreiche Unternehmer Sascha Glebow – Glebow junior – während einer Geschäftsreise nach Deutschland gekommen. Sascha hatte zuvor in Sankt-Petersburg eine „Akademie der Genies“ eröffnet, die er nun in Europa fortzuführen gedachte. Nur zu gut erinnerte er sich an die Anfänge seiner Idee von einer eigenen Akademie und an den Disput mit seinem Adoptivvater, dem berühmten Maler Anton Glebow, dessen Lebenswerk, das „Museum des Gewissens“, er mit seiner neuen Akademie zu demontieren gedachte.
„… Du hast das Museum des Gewissens gegründet, das nach deinem Tod in Vergessenheit geraten wird.
Aus dem Gedächtnis gelöscht wird.
Und ich eröffne eine Akademie der Genies, die Kinder wohlhabender Eltern besuchen werden. In dieser Akademie werde ich mehrere Fakultäten vereinen, in denen man für Geld wertvolle Erfahrung im Umgang mit berühmten und erfolgreichen Menschen sammeln kann.
Mit Berühmtheiten.
Reichen.
Glückspilzen.
Mit denen, die den öffentlichen Ruhm heiß begehren.
Mit denen, die einen hohen materiellen Status erreicht haben und ihre Erfahrungen gerne mit Interessenten teilen, die mit offenem Mund zuhören.
Und gewiss mit jedem, der bereit ist, eine anständige Geldsumme für die Vorlesungen hinzulegen. Umsonst gibt es nichts im Leben – das ist ein Axiom. Dennoch zahlt der eine für die Erfahrung seines eigenen kaputten Lebens – und der zweite für die Erfahrung der anderen. Bei meinen Lehrenden kann man lernen, wie man richtig leben muss. Wie man das Leben genießen kann, ohne sich an seinen Mitmenschen zu stören, ohne Rücksicht auf sie nehmen zu müssen. Ich will es wiederholen, die Zuhörer würden für fremde Offenbarungen zahlen. Doch hier spreche ich mit Vorbehalt: Womöglich hören sie statt Offenbarungen fremde Fantasien, was übrigens auch nicht schlecht ist. Die Wahrheit kann sowieso keiner überprüfen. Im Leben zählt das Endergebnis – Erfolg. Und meine Schüler werden erfolgreich sein, das garantiere ich.
Die Zuhörer der Akademie kommen, um für elterliches Geld fremde Erfahrungen zu sammeln. Sie werden keine Vereinbarung mit dem eigenen Gewissen schließen müssen. Oder jedenfalls nicht darüber, dass ihr Gewissen, das als dunkle Flecken auf einer hellen Leinwand ihres Lebens erscheint, ihnen in Zukunft schlaflose Nächte bereitet.
Du kannst mir widersprechen und sagen, dass ich meine Zuhörer betrüge, indem ich solche Art Studium organisiere. Weil man fremde Erfahrungen nicht erlernen kann. Ja, das stimmt. Weder fremde Erfahrung noch fremden Schmerz oder Kummer kann man durch seinen Körper und seine Seele ziehen lassen. Die Erfahrung kommt nur durch den eigenen Schmerz und eigene Fehler. Aber warum müssen alle davon wissen? Menschen glauben gerne an das, was sie leidenschaftlich zu glauben wünschen. Gib zu, wir betrügen nur diejenigen, die von uns betrogen werden möchten. Beide Seiten wissen davon, bewahren aber die Illusion gegenseitigen Anstands. Gegenseitiger Intelligenz. So war es, ist es und wird es auch immer sein. Und das nennt man nicht Betrug, sondern höchste Klasse.
Geld für die Organisation dieser Akademie finde ich problemlos. Alle deine Kunden, auf deren Porträts weder das Blut noch das Weinen der Opfer verschwunden ist, zahlen mir gerne jede Summe, damit ihre Kinder und Enkel ein reines Gewissen haben. Sie sollen nicht an dem leiden, woran ihre Väter und Großväter gelitten haben.
Sie tun es sich selbst zuliebe.
Ihrem Gewissen.
Ihrer eigenen Ruhe.
Aber die Belohnung für die Reinigung des Gewissens ihrer zukünftigen Generation bekomme ich, nicht du.
Anton, deine Vorstellungen von der Welt sind längst veraltet. Sei nicht beleidigt, aber du hast noch immer nicht verstanden, dass der heutige Pragmatismus die letzten Spuren gestrigen Anstands ausgelöscht hat.
Der Egoismus besiegt den Altruismus und zerfrisst die menschlichen Beziehungen.
Und das Geld fällt auf natürliche Weise in das fehlende Glied des Teufelskreises.
Zieht ihn zusammen und befestigt an ihm die modernen menschlichen Beziehungen mit den robusten Metallschrauben des eigenen Vorteils.
Entweder du bist ein Egoist und Pragmatiker mit Geld im sicheren Kreis, oder du bist außerhalb des Kreises und existierst nicht mehr als Persönlichkeit. Das ist das eindeutige Urteil der heutigen Realität.
Der nächsten Generation von Menschen, die von ihrem eigenen Gewissen gehetzt werden, bereite ich eine klare und qualfreie Zukunft. All diejenigen, die ihre Erinnerungen an falsche Taten, an Betrug und Gemeinheiten vernichten, die diese Last zusammen mit sich begraben möchten, damit ihr Gewissen nicht in das Familienleben der zukünftigen Generation sickert, kommen zu mir.
Ich programmiere das Gehirn dieser Sprösslinge einfach um, damit sie die Welt mit gewissenlosen Augen betrachten.“
Der anspruchsvolle Titel des Projekts „Akademie der Genies“ hatte den jungen Sascha Glebow nicht abschrecken können. Wie er sich ausrechnete, würden nicht nur die Leistungen seiner Akademie, sondern auch ihr Name wohlhabende Kunden anziehen. Die Zweifel des Adoptivvaters bestätigten sich nicht, und so eröffnete Sascha kurze Zeit später eine weitere Niederlassung in Moskau. Auch hier trug seine Idee reichliche Früchte. Als erfolgreicher Geschäftsmann beschloss er daraufhin, seine Erfahrungen im Ausland zu erweitern. Er lud einige Bekannte ein, auf die er sich verlassen zu können glaubte. Nach mehreren Treffen und Diskussionen wählte Sascha für sein erstes Auslandsgeschäft Frankfurt am Main, stieß damit aber auf viel Gegenwind bei seinen Freunden.
„Was machst du, Sascha?! Alle russischen Geldsäcke haben ihren Sitz in London, du musst unbedingt auch dorthin! Wieso verteidigst du ausgerechnet Deutschland? Nach Ansicht derjenigen, die Geld haben, ist es nur ein großes, langweiliges Dorf. Dort gibt es nichts zu fangen.“
Sascha hatte über die Naivität der Freunde gelächelt. Sie sahen nur seine heutigen Erfolge, aber er schaute weiter, in die Zukunft. Und zu den Vorstellungen eines jungen Pragmatikers von weiterreichenden Investitionen passte der Inselstaat nun einmal überhaupt nicht.
„Freunde, ihr wollt die heutige politische Situation einfach nicht verstehen“, sagte er in leicht herablassendem Ton.
„Deutschland ist das stärkste und reichste Land Europas.
England hängt noch an seinem Pfund, das es nicht verlieren möchte. Wer bitte hat heute noch diese Währung? Ein paar unbedeutende Inseln – und sonst kein Land mehr! In dem Fall, dass Großbritannien wieder autonom wird, wird Europa nicht verschwinden. Es bleibt so oder so am Leben. Ich weiß nicht, wie lange die Europäische Union noch bestehen wird, aber eine schwache Faust ist immer noch stärker als ein kräftiger Finger. Und vergesst nicht: die Europäische Bank befindet sich nicht in London, sondern in Frankfurt. Und genau dort konzentriert sich das gesamte Bankensystem Deutschlands – und Europas!
Wo die Bankiers sitzen, dort sind die Gelder und die Macht.
Und dann: Wer weiß denn, welches Schicksal die russischen Oligarchen erwartet, die die Hälfte der Hauptstadt von England schon gekauft haben. Für London waren und bleiben sie nur Migranten. Ja, mit viel halb-legalem oder sogar illegalem Geld, obwohl sie Fremde sind. Frankfurt ist anders. Diese Stadt ist nicht durch halbkriminelle Betrüger aus Russland reich geworden.
Dort lebt die reiche deutsche Geschichte!“
Weder seine Freunde noch seine Geschäftspartner hatten Sascha überzeugen können. Und so beschloss er, bereits bei seinem nächsten Besuch in Deutschland eine Wohnung zu kaufen, um das Geld für teure Hotelaufenthalte zu sparen.
Mit dem Makler, den er schließlich traf, hatte Sascha großes Glück: er war nicht nur kompetent, sondern unterbreitete dem lukrativen Kunden sofort mehrere Angebote. Am zweiten Tag seines Aufenthaltes, nach der Besichtigung fünf angebotener Wohnungen, zog Sascha aus der Mappe des Maklers das Foto eines besonderen Objekts.
„Dieses hier sieht gut aus, diese Wohnung gefällt mir am besten. Das Haus steht auf einem Hügel und hat Glaswände.
Viel Grün.
Ruhig, leise und sicher.
Bereiten Sie bitte einen Kaufvertrag vor und überlassen Sie ihn mir über meine digitale Adresse. Zu Hause werde ich ihn übersetzen lassen, und innerhalb von zwei Tagen erhalten Sie meine Antwort. Dann können wir ein Treffen beim Notar vereinbaren.“
„Aber Sie sprechen doch gut Deutsch“, wandte der Makler ein. Ihm lag viel daran, alle Formalitäten sofort zu erledigen: russische Käufer behandelte er mit Vorsicht.
„Das mag sein, aber ein juristisches Dokument möchte ich doch lieber gründlich prüfen lassen, dafür reichen meine Kenntnisse einfach nicht aus. Haben Sie ein Problem damit?“
„Nein, nein, alles ist in Ordnung. Ich werde diese Wohnung für zehn Tage auf Ihren Namen reservieren lassen. Länger geht es leider nicht.“
„Das wird auch nicht nötig sein. In zehn Tagen bin ich wieder da. Das Treffen beim Notar können wir auch telefonisch abstimmen.“
Tatsächlich waren beim nächsten Besuch alle Formalitäten erledigt und Sascha wurde Eigentümer der Wohnung. Sie besaß eine eingebaute Küche und ein Schlafzimmer, eine Ausstattung, mit der der junge Russe sich zunächst begnügte.
Zu seiner Einweihungsfeier lud Sascha einige Geschäftsfreunde ein, so dass sich sämtliche Gespräche auf Berufliches beschränkten. Spät in der Nacht fuhr er seine Gäste mit dem Auto zur U-Bahn und kehrte anschließend in die Wohnung zurück, die nun einem kleinen Schachtfeld glich: morgen Vormittag würde eine Aushilfe kommen und alles in Ordnung bringen. Die ihm noch unbekannte Frau sollte zweimal in der Woche seinen Junggesellensitz sauber halten, so hatten sie es am Telefon besprochen. Dankbar, sich um nichts kümmern zu müssen, trank der Herr des Hauses ein letztes Glas Bier und legte sich erschöpft schlafen.
Am nächsten Morgen wurde er von einer lauten Türklingel geweckt. Sascha öffnete die Augen, schaute auf die Uhr und verzog unzufrieden das Gesicht:
„Wer ist das so früh? Es ist erst neun Uhr!“
Der junge Mann zog einen dunklen Bademantel an und ging in den Flur. Er wusste, dass man die Menschen in diesem Teil der Stadt nicht ohne Grund weckte. Die Tür schwang auf und er sah sich einer sehr schlanken, älteren Dame gegenüberstehen, deren genaues Alter sich schwer schätzen ließ.
„Entschuldigen Sie die frühe Invasion, Herr Glebow“, sagte sie. „Ich heiße Andrea Kantor und bin Ihre Nachbarin aus dem Erdgeschoss.“
„Kommen Sie doch herein!“ Der gastfreundliche junge Mann machte eine einladende Geste, während er innerlich fluchte: ihm fiel ein, dass sich seine Wohnung nach der gestrigen Feier immer noch in einem chaotischen Zustand befand.
„Bitte, nennen Sie mich beim Vornamen, so können wir viel einfacher miteinander reden. Ich bin einfach Sascha. Aber erzählen Sie, was führt Sie zu mir? Tropft es aus meinem Badezimmer auf Ihren Kopf?“
„Nein, nein, es tropft nichts auf meinen Kopf.“ Die Frau schüttelte energisch ihren Kopf, so dass Sascha erleichtert aufatmete. „Ich schätze Ihren Humor, aber gestern haben Ihre Gäste in der Loggia ausgiebig geraucht und ihre Zigarettenkippen nach unten geworfen. Natürlich sind ein paar Zigarettenstummel auf meiner grünen Veranda keine tödliche Gefahr, aber ich möchte Sie doch bitten, Ihren Gästen beim nächsten Mal einen Aschenbecher anzubieten. Schließlich möchte ich nicht, dass mir demnächst eine brennende Zigarettenkippe auf den Kopf oder in meine Tasse fällt.“
Sascha lächelte. „Frau Kantor, für das schlechte Benehmen meiner Gäste bitte ich um Verzeihung. Ich verspreche Ihnen, dass so etwas nie wieder vorkommen wird.“ Das Lächeln verschwand von den Lippen des jungen Mannes und wich einem besorgten Gesichtsausdruck. „Kann ich denn etwas tun, um alles wiedergutzumachen? Soll ich meine Haushälterin zu Ihnen schicken, damit sie dort alles beseitigt?“
Frau Kantor schüttelte freundlich den Kopf. „Nein, nein, ich habe schon alles in Ordnung gebracht. Aber ich danke Ihnen für das Angebot.“
„Nun, wenn Ihre Terrasse wieder sauber glänzt, müssen wir das feiern. Ich lade Sie in das Café in unserem Einkaufszentrum ein. Heute gegen fünfzehn Uhr. Bitte, sagen Sie Ja – dieses Café hat die besten Kuchen der Umgebung.“
Nachdem Frau Kantor eingewilligt hatte und gegangen war, schloss Sascha gut gelaunt die Tür. Er lobte sich für sein Gesprächsgeschick und die Einladung, die er zur rechten Zeit ausgesprochen hatte.
„Eine gute Nachbarschaft ist heutzutage eine Seltenheit. Ich habe Glück, dass diese Frau Kantor nicht nur intelligent ist, sondern auch ein Gefühl für Humor hat. Solche Menschen muss man schätzen und schützen.“
Pfeifend ging er ins Schlafzimmer, entledigte sich seines Bademantels und betrat das Bad. Der heutige Tag versprach, ein guter zu werden.