Читать книгу Falling Skye (Bd. 1) - Lina Frisch - Страница 9

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Sie kommt in ihrer Sporthose aus der Kabine und wirft sich hastig eine Jacke über. Das Training der Laufmannschaft ist also schon vorbei, früher als gewöhnlich. Skyes sonst so blasses Gesicht ist gerötet, und sie kaut auf ihrer Unterlippe, als würde sie irgendetwas beschäftigen. Ich seufze innerlich. Mein Auftrag ist auch ohne Teenager-Probleme schon kompliziert genug!

Wenn man vom Teufel spricht, denke ich, als der Junge mit den breiten Schultern am Tor auftaucht. Die beiden verbringen jede freie Minute zusammen, obwohl sie sich anstrengen, ihre offensichtliche Zuneigung zueinander zu verbergen. Darin sind sie ungefähr so gut wie Romeo und Julia, doch ihre vorsichtige Zurückhaltung wundert mich nicht. Ihre Familien mögen zwar nicht gerade verfeindete Clans sein, aber als Tochter eines Parlamentariers weiß Skye, was von einer Rationalen erwartet wird. Und dass sie glaubt, zum kalten Trait zu gehören, ist sonnenklar. Ich entfalte das Blatt Papier, das Beth mir gegeben hat, und streiche es glatt.

»Glaubst du diesem Coach?«

Auf meine skeptische Frage hin hatte Beth genickt. Sie war dünner geworden, noch dünner als beim letzten Mal, als sie mich zurück in ihr modriges Gefängnis rief.

»Sie werden sie holen. Es ist zu früh dafür, aber wir müssen Verse vertrauen. Er arbeitet nicht erst seit gestern als Informant für den Ring.« Sie sah mich scharf an. »Ich verlasse mich auf dich.«

Ich stecke die verhängnisvolle Nachricht zurück in meine Hosentasche und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf meinen Auftrag. Skyes Schultern hängen unmerklich herab, als sie neben dem Jungen durch das Schultor geht und über die Straße läuft. Während ich den beiden in einigem Abstand folge, wünschte ich auf einmal, sie warnen zu können. Skye hat es nicht verdient, derart ins kalte Wasser gestoßen zu werden. Sie hat nichts von dem verdient, was geschehen wird, denke ich bitter. Keiner von uns beiden hat das. Doch ich tue, was Beth von mir verlangt, und lasse mich zurückfallen. Heute Abend wird Skye es sowieso erfahren, meine Warnung würde ihr bloß die letzten sorgenfreien Stunden stehlen. Zumindest rede ich mir das ein, um den kümmerlichen Rest, der von meinem Gewissen übrig geblieben ist, zu beruhigen.

Anstatt in die grüne Buslinie nach Upperlake zu steigen, gehen Skye und der Junge an der Haltestelle vorbei, die Straße hinab in Richtung Innenstadt. Auch das noch! Hastig klappe ich mein altes Motorola-Handy auf. Die Dinger werden kaum noch verkauft, aber ich sammle sie auf Flohmärkten und in kleinen, verstaubten Eckläden, die irgendwo im letzten Jahrzehnt hängen geblieben sind. Im Gegensatz zu Smartphones ist es beinahe unmöglich, sie zu orten. Ich drücke auf die Kurzwahltaste, passe nicht richtig auf und stoße prompt mit einem Mädchen zusammen. Sie trägt eine ordentlich gebügelte Uniform, ohne Zweifel eine Studentin. Trotz des Kaffeeflecks auf ihrem Shirt, den ich verursacht haben muss, wirft sie mir ein Lächeln zu, das ich nicht erwidere.

»Ich bin’s«, sage ich gepresst, als am anderen Ende abgenommen wird, und wechsle die Straßenseite. »Planänderung. Ich brauche jemanden am Times Square, und zwar jetzt. Ja ja, ich meine das Spiegelkarree.« Ich klappe das Handy zu und schiebe es fluchend zurück in die Brusttasche meiner Lederjacke. So langsam läuft mir die Zeit davon.


Elias hat keine Fragen gestellt, als ich ihn gebeten habe, statt der zwanzig Minuten langen Safari im Schulbus heute die U-Bahn zu nehmen. Nach zwei Stunden Ausdauertraining, bei dem mich alle außer Coach Verse und Fiona wie Luft behandelt haben, will ich Jasmines Gefolge wenigstens auf dem Heimweg entgehen. Ich flechte meine nassen Haare rasch zu einem Zopf und seufze. Welche Geschichte Jasmine den anderen wohl erzählt hat, um sie gegen mich aufzubringen? Was es auch ist, es hat sie überzeugt. Eigentlich sollte mich das nicht wundern, denn Jasmine war schon immer eine Meisterin im Gerüchteverbreiten. Elias und ich passieren die vier hohen Türme der Administration, wo alle Arten von Anträgen bearbeitet und die Einsätze der Ordnungswahrer koordiniert werden. Schweigend mischen wir uns unter die Menschen, die auf dem Weg nach Hause die gefegten Bürgersteige entlangeilen. Eine Frau in Jeans drängt sich an uns vorbei, und ich weiche auf die Straße aus, auf der sich gefühlt gestern noch hupende Taxis gestaut haben und die heute nur noch von den wenigen Autos befahren wird, die in diesem Monat eine Nutzungserlaubnis bekommen haben.

Hinter dem Bürokomplex taucht das Spiegelkarree auf, trotz seines neuen Namens noch immer das unangefochtene Herz der Stadt. Auf den fassadenhohen Monitoren, die sich so nahtlos über die Häuserwände ziehen, als hätte man sie wie Wasser darübergegossen, wetteifern Aktienkurse, Wetterberichte und die neuesten Bekanntgebungen des Parlaments um die Aufmerksamkeit der Passanten. Wir werden langsamer, als immer mehr Leute um uns herum stehen bleiben.

Auf dem größten Bildschirm, der sich über drei Häuserfronten erstreckt, flimmert die Videoaufnahme einer schlanken jungen Frau, die vor der Flagge der Gläsernen Nationen lächelnd die Hand eines gut aussehenden Mannes schüttelt.

Chloe Cremonte und Norman Adams besiegeln Kanadas Eintritt in den Staatenbund der Gläsernen Nationen.

Die Bildunterschrift zieht geräuschlos vorbei, doch die Stimmen um uns herum verkünden die Worte lauter als jeder Nachrichtensprecher. Applaus brandet auf.

»… sind wir stolz darauf, was wir in diesen wenigen Jahren erreicht haben.« Chloe Cremontes Ansprache wird nun live übertragen.

Elias hat schützend seinen Arm um mich gelegt, während die Menge uns immer weiter an den Rand des Spiegelkarrees drängt. Über die Köpfe der Menschen hinweg sehe ich Bilder von goldgelben Weizenfeldern, sauberen Vorstädten und lächelnden Kindern im Grünen.

»In den Gläsernen Nationen lernen wir, in perfekter Symbiose zu leben. Unsere Traits helfen, die Stärken und Schwächen jedes Bürgers zu klären und das volle Potenzial einer Gemeinschaft auszunutzen, in der niemand mehr Einzelkämpfer sein muss.« In Chloe Cremontes Stimme schwingt trotz ihres jungen Alters von gerade einmal 28 Jahren eine Autorität mit, die in jedem Zuhörer den Wunsch weckt, sie nicht zu enttäuschen. »87 Prozent unserer Bevölkerung sind bereits kristallisiert, eine Rate, die mit der seit vier Jahren verbindlichen Testung unserer Jugendlichen steigt. Schon jetzt ernten wir die Früchte unserer Bemühungen: sinkende Kriminalitätsraten, weniger Arbeitslosigkeit und ein stärkeres Miteinander. Es ist ein großes Kompliment, nun auch unseren Nachbarn Kanada zu den Gläsernen Nationen zählen zu dürfen!« Der Kristall, wie Chloe Cremonte genannt wird, macht eine kurze Pause, um Norman Adams ein zweites Mal die Hand zu schütteln. »Die Arbeit der Kristallisierung ist noch lange nicht zu Ende, und wir freuen uns auf die Veränderungen, die die Zukunft bringen wird!« Die Kamera zoomt auf ihr Gesicht, das von ihrem kinnlangen Haar umrahmt wird. »Für Klarheit und Weitsicht«, schließt der Kristall in feierlichem Ton und nickt uns strahlend zu.

Ich lächle automatisch zurück und auch Elias’ Gesicht leuchtet.

»Das ist es also, was Dads Abteilung in letzter Zeit so beschäftigt hat«, sprudelt es auf den Treppen zum U-Bahn-Schacht aus mir heraus. »Kanada!«

»Meinst du, er hatte etwas mit dem Beitritt zu tun?«, fragt Elias, neugierig wie immer, wenn es um das Parlamentarieramt meines Vaters geht.

»Möglich ist es.«

Wir gelangen zu den Terminals, ohne anstehen zu müssen, und Elias scannt sein Smartphone. Er verschwindet hinter der Absperrung, während ich mit fahrigen Fingern in meiner Jackentasche herumkrame. In meiner leeren Jackentasche.

»Elias?«

Doch über dem Stimmengewirr im U-Bahn-Schacht hört er mich nicht. Verzweiflung steigt in mir auf, während die Schlange der Wartenden hinter mir immer länger wird. Ich durchsuche meine Tasche, aber mein Handy ist nirgendwo zu finden. Das kann doch nicht wahr sein, nicht schon wieder!

»Ist das hier vielleicht deins?« Ein Mädchen an dem Terminal neben mir hält mir fragend ein schwarzes Smartphone hin. Sie ist älter als ich und sicher keine Studentin, aber ich glaube auch nicht, dass sie in einem der Büros in den Türmen der Administration arbeitet. Ihre dunklen Haare haben sich aus dem unordentlichen Knoten gelöst und auch sonst wirkt ihre Erscheinung zwischen den akkurat geknöpften Hemden und faltenfreien Mänteln um uns herum eigentümlich deplatziert. Ich nicke erleichtert und will mich gerade bedanken, da verschwindet das Lächeln des Mädchens. Ich bemerke, wie ihr Körper sich anspannt. Misstrauisch fahre ich herum und entdecke einen glatzköpfigen Mann, der sich durch die Menge der Fahrgäste auf uns zubewegt. Einen Moment lang scheint es, als hätte er es auf mich abgesehen, doch dann streckt er den Arm nach dem Mädchen aus, das mir hastig mein Smartphone zusteckt und mir bedeutet, durch die Absperrung zu verschwinden.

»Wer sind Sie?«, wende ich mich jedoch empört an den Glatzkopf, der den Arm des Mädchens festhält, als wäre es eine Verbrecherin.

Er mustert mich und hält mir dann, als wäre das eine völlig überflüssige Frage, seine Identifikation entgegen, die ihn als Ordnungswahrer ausweist. Hat er geglaubt, ich sei bestohlen worden? Aber selbst dann ergibt sein Einschreiten wenig Sinn, denn Ordnungswahrer sind keine Polizisten. Und normalerweise sind sie freundlich. »Routinemäßige Ausweiskontrolle«, sagt er und überfliegt die Identifikation auf meinem Smartphone, ohne meine Retterin loszulassen.

Der Ärmel ihres groben Wollmantels ist hochgerutscht, und mein Blick flackert zu dem weißen E auf ihrem rechten Handgelenk, das ich im ersten Moment für eine schlecht verheilte Narbe gehalten habe. Die Nadelstiche sind nicht annähernd so fein, wie ich es von den Traitmarks aus der Werbung gewöhnt bin. Und da ist es wieder, dieses lähmende Gefühl, das mich durchströmt hat, kurz bevor ich gestern auf den Boden des Stadions geknallt bin. Das Gefühl, etwas nicht aufhalten zu können, obwohl ich es kommen sehe.

Ich weiß, dass ich von hier verschwinden sollte, aber meine Füße bleiben stehen.

»Kannst du dich ausweisen?«, wendet sich der Ordnungswahrer an die Emotionale und betont dabei jede Silbe, als spräche er mit einem Kleinkind.

Mittlerweile hat sich ein Knäuel von Menschen vor den Terminals gebildet und unwilliges Gemurmel wird laut. Die junge Frau, die ihre Haltung wiedergewonnen hat, fährt mit ihrer freien Hand in die Tasche ihres Mantels, dann reicht sie dem Mann ein zerknittertes Stück Papier.

»Bitte, ich muss mich beeilen, ich bin auf dem Weg zu meinem Bruder. Er liegt im Krankenhaus.«

»Immer mit der Ruhe.« Der Ordnungswahrer dreht den Ausweis prüfend in seinen Fingern hin und her und ich betrachte das Gesicht der Emotionalen. Der Pony und ihre feste Stimme täuschen darüber hinweg, dass sie kaum älter als neunzehn Jahre sein kann.

»Du bist Yana Faray?«

»Ja.« Sie deutet auf das zerfledderte Dokument in seiner Hand, verkneift sich aber einen Kommentar.

Der Mann gibt ihr wortlos den Ausweis zurück, dann wendet er sich an mich. »Hat sie versucht, Ihnen etwas zu klauen?«

Ich schüttle hastig den Kopf. »Nein. Nein, Sir«, füge ich hinzu und schließe meine Finger fest um mein Smartphone.

Nach einem prüfenden Blick nickt der Ordnungswahrer mir zu und dreht sich wieder zu der Emotionalen. »Pass auf, dass du dich im Krankenhaus unter Kontrolle hast. Dein Bruder kann Hysterie jetzt am wenigsten gebrauchen.« Er wirft noch einen letzten Blick auf Yanas narbenhaftes E, bevor er zurücktritt und wieder bis zur Unkenntlichkeit mit der Wand in seinem Rücken verschmilzt.

Yana Faray steckt hastig einen gelben Transportchip in den Schlitz, der früher einmal für Münzen benutzt wurde, und schiebt sich durch die Absperrung neben mir, noch ehe sie sich ganz geöffnet hat.

»Geht das da vorne mal weiter?«, schimpft eine Stimme hinter mir und ich scanne mit einem entschuldigenden Blick meine Identifikation, bevor ich nach Elias’ Arm greife, der hinter den Terminals beunruhigt auf mich gewartet hat.

»Lass uns nach Hause fahren.«

Ich folge ihm zu unserem Gleis, ohne mich noch einmal umzudrehen. Ein flaues Gefühl macht sich in meinem Magen breit. Seit der Gründung der Gläsernen Nationen vor fünf Jahren habe ich mich in New York noch nie unsicher gefühlt. Ich frage mich, ob Yana Faray das Gleiche behaupten kann.


Es klopft an der Tür und ich springe auf. Endlich!

»Sorry. Ich konnte nicht direkt herkommen, die Ordnungswahrer haben mich angehalten, und ich musste erst meinen Bruder im Krankenhaus besuchen, um keinen Verdacht zu erregen. Ich hasse sie, sie alle mit ihrer herablassenden Art!«

Ich ziehe Yana in das kleine Hotelzimmer, bevor sie weiter den ganzen Flur unterhalten kann. Mit einem raschen Blick vergewissere ich mich, dass uns niemand beobachtet hat, obwohl ich mir diese Mühe in einer Absteige wie dem Maddie wahrscheinlich sparen könnte. Hier hört jeder nur das, was er hören soll.

Yana lässt sich erschöpft auf die Pritsche fallen und befreit ihr Haar aus dem strengen Dutt, den sie sich gemacht hat, um in New York City nicht noch mehr aufzufallen, als sie es sowieso schon tut. »Ich meine es ernst. Diese Art von Aufträgen bringt mich eines Tages noch um!«

Stumm nehme ich ihr das Smartphone ab, das wir für solche Einsätze benutzen. Ich betrachte die erfolgreich kopierte ID, bevor ich meine Partnerin mustere. Die dunklen Schatten unter ihren Augen erzählen eine andere Geschichte als ihr lockeres Lächeln. Wut steigt in mir auf. Es war ein Anfängerfehler, den Ordnungswahrer in der U-Bahn zu übersehen, aber daran trägt Yana keine Schuld. »Beth hätte dich so kurz nach dem Vorfall in Arizona nicht wieder einsetzen dürfen, erst recht nicht für einen so gefährlichen Auftrag wie diesen hier«, sage ich.

»Entspann dich.« Yana steht vom Bett auf und kniet sich vor die Minibar. »Der Ordnungswahrer hat mich garantiert schon längst vergessen. Für ihn bin ich nichts weiter als der lebende Beweis dafür, dass Emotionale nicht alle Tassen im Schrank haben.« Sie nimmt sich eine Flasche Bier aus dem winzigen Kühlschrank und öffnet sie gekonnt mit einem Schlüssel. Ihre Fassade ist taff, aber ich habe schon zu oft Angst in den Augen von Menschen gesehen, um sie nicht zu erkennen, wenn sie mir ins Gesicht starrt. Da kann Yana so viele Sprüche klopfen, wie sie will, immerhin habe ich dieses Spiel quasi erfunden.

»Und du bist sicher, dass das Mädchen nichts bemerkt hat?«

»Wenigstens das ist nach Plan gelaufen«, erwidert Yana. »Du solltest allerdings wissen, dass ich nicht die Einzige war, die in ihren Daten rumgeschnüffelt hat. Anscheinend wurden ein paar Fotos kopiert, alle von ihr mit einem dunkelhaarigen Jungen. Ganz süß, wenn du mich fragst.«

Ich verbinde das Smartphone mit meinem Laptop, ohne auf ihren Kommentar einzugehen.

»Man merkt es ihnen an, wenn sie noch nie Grund dazu hatten, anderen Leuten zu misstrauen«, redet Yana weiter. »Du wirst es diesmal leicht haben. Na ja, nicht dass du dich ansonsten schwertun würdest.« Sie grinst.

Ich betrachte das Foto des blassen Mädchens mit den beinahe unnatürlich blauen Augen. Es sind exakt diese Augen, in denen ich zum allerersten Mal in meinem Leben gesehen habe, was Angst bedeutet.

»Sie ist es doch, oder?«, fragt Yana verunsichert.

Ich reiße meinen Blick los und versuche, die Erinnerung an Skyes schneeweiße Wangen und den Knall der Pistole aus meinen Gedanken zu verdrängen.

»Ja, sie ist es.«

»Und für die lässt Beth dich also ins offene Messer laufen?«, sinniert Yana vor sich hin. »Ehrlich, sie wird in letzter Zeit immer seltsamer. Wenn sie das Mädchen unbedingt haben will, warum bringen wir sie nicht direkt zu ihr?«

»Wenn dir nicht mehr erzählt wurde, weißt du alles, was du wissen sollst«, antworte ich schroff.

Du hast es versprochen! Und du bist es mir schuldig. Den letzten Satz hat Beth nie gesagt, aber seine Botschaft klingt aus jedem Wort heraus, das sie zu mir spricht. Als würde ich das nicht selbst wissen.

Nur noch dieser eine letzte Auftrag, sage ich zu mir selbst und starre hasserfüllt auf das Kristallsymbol neben Skyes Identifikation. Dann bin ich endlich frei, mein Leben für die eine Sache zu riskieren, für die es sich zu sterben lohnt.

»Bist du nervös?« Yanas Hand liegt auf meiner Schulter, aber ich bemerke es kaum.

»Nein.« Ich klappe den Computer zu, nachdem ich alle Informationen überflogen habe, und strecke mich. »Du berichtest den anderen, wie weit wir gekommen sind. Sag Beth, sie soll auf keinen Fall versuchen, mich zu erreichen. Und besteh zur Hölle noch mal darauf, dass sie dir eine Pause gönnt!«

»Was passiert als Nächstes?«

»Bis morgen früh nichts.«

Zumindest für Yana. Ich hingegen muss bis morgen für den diskreten Ausfall eines Testleiters gesorgt haben, aber das kann ich ihr genauso wenig auf die Nase binden wie den Grund dafür, dass Skye Anderson eine Rationale werden muss, koste es, was es wolle. Im Zweifelsfall auch mich.

Ich überlege kurz, ob ich mir ein paar Minuten Schlaf gönne und vielleicht eine Dusche, obwohl das im Badezimmer des Maddie wirklich ein Akt der Verrücktheit wäre. Doch ein Blick auf meine Uhr verrät mir, dass keins von beidem drin ist.

Yanas Lippen nähern sich meinem Ohr. »Das heißt, ich kann heute Nacht hierbleiben?«

Ich stehe auf und stecke den Laptop in meine Tasche. »Was auch immer du willst.« Ich werfe ihr den Zimmerschlüssel zu. »Aber bleib im Hotel, das hier ist nicht gerade eine sichere Gegend.«

»Das erklärt, warum du hier bist.«

Ich ignoriere sie standhaft, während ich mir die Schuhe zubinde. Yanas Gesichtsausdruck wirkt verletzt, und es tut mir leid, dass ich der Grund dafür bin. Sie kennt meinen Ruf, nicht gerade wählerisch zu sein, aber ich habe mir geschworen, damit aufzuhören. Es ist die Leere nicht wert, die unweigerlich folgen würde. Und außerdem ist Yana für mich wie eine Schwester.

An der Tür drehe ich mich ein letztes Mal um. »Pass auf dich auf.« Es ist die einzige Freundlichkeit, zu der ich fähig bin.


Zu Hause angekommen, stecke ich mein Smartphone in die Ladestation an der Wand im Flur. Der Bildschirm des Synchrons blinkt kurz bestätigend auf. Er wird meinem Vater später verraten, dass ich nicht den Bus genommen habe, und ich bereite mich innerlich auf eine Predigt vor. Dad hält die U-Bahn für gefährlich, so wie er alles für gefährlich hält, was nicht die Serenity oder Upperlake ist.

In der Küche steht das braune eatdaily-Paket noch auf der Anrichte. Ich öffne es und bin gerade dabei, Brot und Müslipackungen in die Schränke zu sortieren, als die vertraute Stimme meines Vaters durch das offene Küchenfenster hereinweht. Er klingt beunruhigt, aber bevor ich erfahren kann, worum es geht, beendet er sein Telefonat mit einer knappen Verabschiedung und schließt die Haustür auf. Ich höre das harte Geräusch seiner Anzugschuhe auf den Fliesen im Flur, wo er seinen Mantel aufhängt und sein Smartphone neben meins in die Ladestation steckt. Wie immer wirft Dad zuerst einen Blick auf den Synchron, der unsere Smartphones miteinander verbindet. Einzig und allein meine Chatverläufe und Fotos bleiben geheim, und ich überprüfe regelmäßig, ob mein Vater diese Einstellung auch nicht geändert hat.

»Pasta oder Curry?«, frage ich und halte beide Behälter hoch, in der Hoffnung, so von meinem nachmittäglichen Ausflug in die Innenstadt abzulenken.

Ich betrachte meinen Vater mit seinen ordentlich zurückgekämmten, grau melierten Haaren. Manchmal nervt mich sein Kontrollwahn, aber ich kann ihn verstehen. Er will sichergehen, dass er nicht auch noch mich verliert.

»Dad?«

Er löst seinen Blick vom Synchron. Für einen Moment sehe ich Sorge in seinen Augen aufblitzen und etwas, das ich gestern schon in Coach Verses Blick bemerkt habe. Aber wovor sollte Dad Angst haben? Mein Vater strafft sich und hält mir mit unlesbarer Miene den Bildschirm meines eigenen Smartphones entgegen.

»Ich fürchte, das ist dein Bescheid.«

Falling Skye (Bd. 1)

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