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2.4.2 Symbol, Repräsentanz und Mentalisierung

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Der vorangegangene Abschnitt zu den Binnen-Vorgängen der Mentalisierung dient einerseits der theoretischen Grundlagenbildung zu tiefenpsychologischem Wissen im Kontext von Subjektbildung in Abhängigkeit von Bindungserfahrung und geistiger Entwicklung, wie sie für Pädagogik, psychosoziale Praxis und Therapie gleichermaßen bedeutsam sind. Zum anderen klingt hier mehrfach die später noch auszuarbeitende Funktion des Symbols auch im Kontext der ästhetischen Wahrnehmung und des Ausdruckshandelns an. Eine zentrale, tiefenpsychologisch inspirierte Theorie hierzu ist Donald Winnicotts Forschung zum sog. Übergangsobjekt als erster kreativer Akt in der menschlichen Entwicklung (vgl. Winnicott in Limberg, 1998, 49), das in Kapitel 3 ( Kap. 3) zu den Kernelementen künstlerischer Tätigkeit vorgestellt wird. Welch große Rolle der ästhetische Gegenstand als Manifestation von Symbolisierung spielt, leuchtet sicherlich ein. Vorauszuschicken ist im Anschluss an die Erarbeitung des Mentalisierens ein kleines Summary zum Symbolbegriff, der sich einerseits multidisziplinär breit aufgefächert darstellt und was die Tiefenpsychologie betrifft, auch innerhalb einer wissenschaftlichen Theoriebildung so überfrachtet scheint, dass eine umfassende Klärung des Begriffs für diese Publikation lediglich ausschnitthaft möglich ist. Mit Laurie Wilson nutze ich das Beres’sche, ichpsychologisch codierte Symbolverständnis als »Repräsentanz« (Wilson, 1991, 64) von etwas und nicht als deren Ersatz (vgl. ebd.). »Die Fähigkeit, ein abwesendes Objekt zu evozieren, setzt eine Qualität des kognitiven Funktionierens voraus, die es dem Schöpfer eines Symbols erlaubt, ein Bild in seinem Geist wahrzunehmen und festzuhalten« (ebd.). Diese Fähigkeit zu psychischer Repräsentanz (beispielsweise nach Nähe zu einem Objekt) ist nicht angeboren und wie die Mentalisierung Teil einer bedeutsamen Reifung im Kleinkindalter. Sie steht als dritte Stufe der frühen sensorischen Ebene als neurophysiologisches, prärezeptives Phänomen (Stufe eins), auf die sodann die Koppelung von sensorischen Reizen mit Inhalten (Stufe zwei) folgt, welche an Reaktionen ablesbar werden (vgl. ebd., 65). Die Herausbildung zu psychischen Repräsentanzen braucht dagegen keinen direkten Reiz von außen mehr, insofern ist sie »reifer«. Sie braucht vielleicht einen Anlass, aber keinen Wahrnehmungsreiz, und stellt »die Bausteine für andere komplexere psychische Repräsentanzen: für Bilder, Phantasien, Gedanken, Begriffe, Träume, Halluzinationen, Symptome und Sprache« (ebd., 65) zur Verfügung. Es sind empfundene Impulse, Bedürfnisse, Wünsche, die in der Repräsentanz/Symbolisierung mental vorstellbar werden, vielschichtiger, vieldeutiger, auch verunklärter als der in Worte fassbare Gedanke dazu. Darin birgt die Symbolisierung im Gegensatz zum Wort ihr herausragendes Potential. Rubin zitiert für diesen Weg des Affekts zur symbolisierenden Repräsentanz Gendlin: »Gefühl ohne Symbolisierung ist blind; Symbolisierung ohne Gefühl ist leer« (Gendlin zit. in Rubin, 1993, 331). Und weiter mit Rubin meint die symbolisierte oder auch mentalisierte Affekt- und Gefühlsrepräsentanz die prominenteste Form wirklichen Wissens als »perzeptuell-emotionale Erkenntnis« (ebd.), die selbst das denkbar macht, was noch vage oder unbeschreiblich erfahren wird und mehrdeutig, eventuell auch widersprüchlich oder paradox erlebt wird. So viel zum Vorgang des Symbolisierens in seiner Bedeutung für die psychische und geistige Entwicklung des Kindes in seiner Nähe zum Konzept des Mentalisierens. Ein weiterführendes Nachdenken über die Aufgabe des Symbols in der Kunst bzw. im künstlerischen Tun erfolgt im nächsten Kapitel. Um die allgemeinen Überlegungen zu den Grundlagen erzieherischen versus therapeutischen Handelns abzuschließen, kann ergänzt werden, dass selbst für den schulischen Unterricht und die Rolle der*des Lehrenden umfängliche Konzepte für einen mentalisierungsbasierten Unterricht zur Eröffnung von Räumen für Gefühls-Symbolisierungen auch in der Gruppe vorliegen (vgl. Hirblinger, 2011). Insofern erfolgt hier nochmals ein Plädoyer dafür, Theoriebildungen aus der Psychoanalyse nicht als spekulative und oder unverhältnismäßige Therapeutisierung von Bildungsprozessen abzutun, sondern sie in ihrem Potential eines Verstehenszuwaches menschlicher Verhaltens- und Ausdrucksweisen aufzunehmen. Im Folgenden wird dies in Bezug auf die Ebene der Interventionen noch um weitere Aspekte aus der psychoanalytischen Pädagogik ergänzt.

Kunst, Bildung und Bewältigung

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