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Der Zusammenbruch

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Der Zusammenbruch kommt kurz vor seinem 50. Geburtstag. Die Zeichen kündigten ihn schon lange an, nun aber ist er plötzlich da, als ein Bündel von Ängsten, aufsteigend wie ein Tornado, der Robi Minder spiralförmig einschliesst und ihn durch imaginäre Lüfte wirbelt. Seit Wochen schon schleift ein Tinnitus seinen Gehörnerv, und zwar beidseitig, im Gehirn meint er einen Tumor zu spüren, und nun liegt auch noch seine Zunge gelähmt im Gaumen, verweigert ihm jegliche Artikulation, ihm wird eiskalt, Arme und Beine sterben vom Körper weg, das Herz rast. Und auch die Welt um ihn herum verändert sich, im Korridor der Wohnung flackern die Farben des Regenbogens, und draussen vor der Tür lauert das Böse. Robi Minder aber weiss nur mehr eines, und das ganz gewiss: Er darf nicht mehr schlafen, nie mehr, er muss sich selbst kontrollieren, muss das eigene Herz überwachen und beschützen, da es sonst aufhören würde zu schlagen. Herzneurose, diagnostizieren die Psychiater später in der Klinik diesen Zwang, nachdem sich der Gequälte nach fünf schlaflosen Nächten und Tagen selbst dorthin einweist. Er landet in der geschlossenen Abteilung der Universitätsklinik, wird zuallererst in einen Tiefschlaf versetzt; wieder wach, findet Robi Minder sich unter traurigen Leidensgenossen: einem kriegstraumatisierten Vietnamesen, einem Juden, der verzweifelt nach seiner verlorenen Frau sucht, einem die Bibel rezitierenden Glaubensbruder. Hier bleibt er für die nächsten Tage, das Personal wechselt ständig, seine traumatische Kindheit wird weniger im Therapiegespräch als vom Klappern der Messer und Gabeln im Speisesaal in die Gegenwart geholt. Nach zwei Wochen wird Robi Minder entlassen, «im gegenseitigen Einverständnis» und in einem durch «seine Angstsymptomatik eingeschränkten Zustand», wie die Krankengeschichte vermerkt. Für ihn jedoch kommt die Entlassung unerwartet, ist eine Art Schock, er findet sich plötzlich am Eingang der Klinik wieder, mit einer Schachtel Seropram und einem Schlafmittel für die Nacht, niemand weiss von seiner Entlassung, die Ängste melden sich in Sekundenschnelle zurück, nach einer Packung gerauchter Zigaretten und drei Stunden Panik schafft er es schliesslich, die Klinik zu verlassen und nach Hause zu gehen. Den Schwindel und das Herzrasen nimmt er wieder mit heim.

Die Schrecken dieser Welt der Panik und wahnverschobener Realitäten setzen sich dominant in Robi Minders Kopf fest. Ohne die griffbereiten Beruhigungstabletten geht er künftig nicht mehr aus dem Haus, beim Gehen sucht er die Nähe der Hauswand, das Queren eines Platzes wird zur angstbesetzten Tortur. Schwindel, Druck im Hirn, Ängste und Depressionen sind nun täglich wechselnde Begleiter, auch der Tinnitus meldet sich zurück. Robi Minders Lebenswelt wird drastisch eng, selbst das Trinken und Schlucken, das Atmen erfordern Konzentration. Und in den schlaflosen Kopf nisten sich Gedanken eines erlösenden Suizids.

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