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Im Waisenhaus in Basel

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Im städtischen Waisenhaus, einem ehemaligen Kloster an der alten Stadtmauer, wird ihm vorerst nichts geschenkt. Die Stadtkinder mokieren sich über Robis breiten Stiefelgang, sie reiben ihm seinen Stallgeruch unter die Nase, und auch sein St.-Galler-Dialekt bringt ihm keine Sympathien ein. Robi, unsicher, verletzt, in allem blockiert, wird zum Sonderling. Und doch macht ihn die neue, unbekannte Welt neugierig und auch etwas mutiger. Immerhin ist es eine Welt ohne Strafen und ohne lebensfeindliche Bibelzitate. Und man darf sogar über die riesengrossen Turnschuhe des Waisenvaters lachen. Im grossen Haus mitten in der Stadt, wo nicht mehr das Auge Gottes wacht, sondern jenes des Staates, ist man vor Willkür weit besser geschützt als früher in der Villa Wiesengrund. Und ausserdem gibt es nun plötzlich eine echte Mutter, die manchmal sonntags zu Kaffee und Kuchen lädt, die einen Freund hat – ein Verdingkind auch er –, einen, der Robi wohlgesonnen ist und der ihn ab und an zusammen mit der Mutter in seinem schicken Auto auf ein Fährtchen mitnimmt, zu seiner eigenen Pflegefamilie, in die hintersten Hügel des Juras.

In dieser neuen Welt trifft Robi, inzwischen im letzten Schuljahr angekommen, endlich mit seinem Zeichentalent auf aufmerksame Resonanz. Ein schulisches Zwischenjahr soll die Berufswahl weiter klären, mit 16 beginnt er dann in einem grösseren Ingenieurbüro eine Lehre als Bauzeichner. Die vielen Leute, die vielen Büros und die vielen Chefs machen dem Heimbuben Angst. Einmal duckt er sich, kurz danach schiesst er weit übers Ziel hinaus, Geltungsdrang und Gefühle absoluter Minderwertigkeit jagen ihn durch den Tag. Er ist halt- und orientierungslos. Einzig seine Arbeiten sind konstant gut und finden Anerkennung. Die Abschlussprüfung nach drei Lehrjahren quält ihn mit ungeahnten Ängsten, doch er schafft das Diplom. Und zwar mit Bestnote und Auszeichnung.

Kurz vor Weihnachten 1968, einen Monat vor seiner Volljährigkeit, verlässt Robi nach insgesamt 17 Heimjahren das städtische Waisenhaus Richtung Freiheit. In seiner Tasche stecken die Einberufung in die Armee und ein Mietvertrag für ein WG-Zimmer, sein ausgezeichneter Lehrabschluss, ein Goldvreneli, das ihm der Waisenvater für die Bestnote gab, und an seinem Arm glänzt eine Herrenuhr, das Geschenk seines Lehrmeisters als Anerkennung für den glanzvollen Abschluss. Dieser hofft, dass der begabte Zeichner nach der Rekrutenschule zurück in den Betrieb kommt. Er hat sich entschlossen, den mittellosen jungen Mann zu fördern, und bietet ihm an, ihm auf Betriebskosten ein Studium an der Technischen Hochschule zu finanzieren. Doch allein die Vorstellung davon jagt Robi das Blut in den Kopf und lässt ihn schwindlig werden. Denn der mit Rang ausgezeichnete Bauzeichner bleibt ein schwer traumatisierter ehemaliger Heimbub, der vor jeder Prüfung, jedem kleinen Auftritt monströsen Ängsten ausgeliefert ist und der für sich beschlossen hat, solche Situationen künftig radikal zu vermeiden. Deshalb auch will er sich von seinem erlernten Beruf verabschieden, der hohe Erwartungsdruck als Folge seines prämierten Abschlusses ist für ihn entsetzlich, da gibt es nur eins, so schnell wie möglich zu fliehen, Neustart auf Feld eins, wo keinerlei Erwartungen ihn bedrängen. Überraschend schlägt er deshalb das Angebot seines Meisters aus und erzählt ihm von seinen Plänen, ins Gastgewerbe zu wechseln. In jene Branche, wo weder nach der Kinderstube noch nach Abschlüssen gefragt wird. Doch das verrät er seinem konsternierten Chef natürlich nicht und lässt diesen mit seiner Kündigung ratlos und auch enttäuscht zurück.

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