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3. Die vom Verlangen nach Gemeinschaft bestimmte Existenz des Menschen und die Eucharistie als »Communio« oder die Frage: »Wer macht mich frei, auch von meinem Befreier?« a) Der Mensch – eine gemeinschaftliche Existenz
ОглавлениеWiederum kann uns eine der entscheidenden existentiellen Fragen, die mit den anderen existentiellen Fragen verbunden ist, zur Eucharistie hinführen. Die existentelle Frage nach Liebe macht dem Menschen klar, daß Liebe und Gemeinschaft zusammengehören. Die Eucharistie feiert Gottes Liebe in Jesus Christus zu uns und ist Ausdruck der durch die Liebe Gottes und seine Nähe entstandenen Gemeinschaft unter uns Menschen und mit ihm. Die Frage nach der Liebe ist immer auch die nach der Gemeinschaft, denn die Liebe will dem Geliebten Raum und Nähe geben. Aber da zur Liebe die Freiheit gehört, entsteht für den Menschen das existentielle Problem, wie Freiheit, die ja zur Liebe gehört, und Gemeinschaft, die auch zur Liebe gehört, zusammengehen. Daher ist in der existentiellen Bitte um Liebe und so um Nähe und Gemeinschaft immer auch schon die andere, noch tiefere Frage zu hören: »Wer macht mich frei?« Die Frage nach der Freiheit in einer Gemeinschaft stellt die Frage nach der Treue und Echtheit der Liebe in dieser Gemeinschaft. Falsche Liebe versklavt den Geliebten, macht ihn zum Objekt, zu ihrem Affen oder Maskottchen. Echte Liebe versklavt den Geliebten nicht, sondern gibt ihn, weil sie ihn um seiner selbst willen liebt, frei und hilft ihm so in seinem Personsein. In der Freigabe bindet sich der Liebende seinerseits in Treue an die Freiheit des Geliebten.
Im Idealfall ist es so; nicht immer. Es kann durchaus sein, daß jemand ehrlich meint, den Partner selbstlos zu lieben, aber aus Unachtsamkeit, Dummheit oder Infantilität ihn dennoch in seine Vorstellungskategorien einordnen will und so versklavt. Und hier wird der versklavte Partner die existentielle Frage stellen, stumm oder laut: »Wer macht mich frei von meinem Befreier?«
Wie gesagt: Es gibt ein richtiges und ein falsches Verständnis von Liebe. Richtige Liebe ist selbstlos, durch keine Nebenabsichten besetzt; sie manipuliert nicht und liebt den anderen um seiner selbst willen. Liebe läßt den Geliebten frei. Falsche Liebe ist nicht selbstlos, sondern egoistisch, daher wählerisch, und weil wählerisch, nie ohne Nebenabsichten. Falsche Liebe flattert wie ein Schmetterling von einer Blume zur anderen. Sie will nicht die Blume, sondern den Nektar. Die Liebe ist nur dann echt, wenn sie frei ist und frei gibt. Wie oft erfährt nun der Mensch, daß ihm heuchlerische Liebe die Freiheit verspricht, ihn jedoch in Wirklichkeit versklavt. Dann wird der von falscher Liebe Besetzte sagen: Wer befreit mich von meinem Befreier? So ist die existentielle Frage nach der Liebe die nach der Freiheit, und die nach der Freiheit zugleich die nach der Freiheit vom Befreier.