Читать книгу Barro, der Braunbär - Lothar Streblow - Страница 10
Unheimliches Gebrumm
ОглавлениеNebelschwaden waberten über dem Berghang, hüllten das Tal in fahles Dämmerlicht. Die Sonne war nicht zu erkennen, nur ein kraftloser Schimmer hinter undurchdringlichem Grau. Und die Luft roch feucht.
Die Bärin schien das nicht zu stören. Unbeirrt stapfte sie auf dem alten Wechsel zum Bach. Sie verspürte Durst, wollte trinken. Und die Kleinen folgten ihr.
Murmelnd plätscherte der Bach über rundgeschliffenes Geröll. Vorsichtig kletterte Barro auf einen Stein, tauchte seine Pfote ins Wasser. Das fühlte sich kalt an, kalt und naß. Und er leckte ein wenig davon. Das Wasser schmeckte ihm nicht. Er mochte lieber Milch. Aber Milch gab es jetzt nicht. Die beiden hatten ihre Morgenportion schon bekommen.
Burri machte es ihrem Bruder nach, geriet dabei aber auf einen ziemlich wackligen Felsbrocken. Der Fels kippte zur Seite. Und Burri platschte spritzend ins Wasser. Barro bekam eine Dusche. Und Burri krabbelte eilig aus dem Bach, tropfnaß und ein wenig verstört.
Inzwischen hatte die Bärin ihren Durst gestillt. Beunruhigt betrachtete sie das nasse Fell ihrer Kinder. Jetzt brauchten die beiden erst mal Wärme. In der feuchten Nebelluft würde es lange dauern, bis sie trockneten. Hier in dem schmalen Tal hielt sich der Nebel am längsten.
Aber sie wußte einen Weg. Sie kannte ihr Revier, das von dem stillen Waldsee an der unteren Talsohle bachaufwärts über den Fichtenwaldgürtel und die obere Birkenzone bis zur baumlosen Gebirgssteppe reichte, wo auf der weiten Tundra im Sommer die Krähenbeeren wuchsen. Dort oben fegte der Wind die Nebel von den kahlen Kuppen.
Mit einem energischen Brummen rief sie ihre Kinder. Groß genug waren sie inzwischen für eine Bergwanderung. Folgsam tappten die beiden hinter ihr her: über Geröll und freiliegende Wurzeln, durch nebelverhangenen Fichtenwald und dorniges Gestrüpp. Dumpf klangen die Geräusche ihrer Schritte im dichten Nebel.
Doch da waren auch noch andere Geräusche. Von irgendwo ertönte das laute Schnarren eines Tannenhähers, ein Schwarzspecht hämmerte rhythmisch an einen toten Baumstamm. Und im Wipfel einer Fichte knusperte ein Eichhörnchen an einem Zapfen. Barro horchte auf, blickte sich neugierig um. Doch der Nebel verhüllte alles.
Erst als die drei Bären an den Rand des Birkenwaldes kamen, wurde die Sicht etwas klarer. Nebelfetzen trieben zwischen krummwüchsigen Birken. Grell stand die Sonne über zerfaserndem Weiß. Und zwischen kahlem Gezweig hing ein tauglitzerndes Spinnennetz.
Das interessierte Barro. Er stellte sich auf die Hintertatzen, schob seine kleine Schnauze in das feinmaschige Gewebe. Und es zerriß. Lose Fäden klebten auf seiner Nase. Unbeholfen versuchte er, sie mit der Pfote wegzuwischen. Nur half das nicht viel. Überall in seinem zotteligen Fell hingen die Fäden. Und mit seinen Ohren spielte der Wind.
Auch die Bärin schnupperte in die rauhe Luft. Und sie führte die Kleinen in den Windschatten einer flachen Mulde. Hier am Südrand des Hochplateaus war es geschützter. Und als die Sonne durch zerwehende Nebelschwaden brach, wurde es warm. Nun konnten die Jungen trocknen.
Zufrieden wälzte Barro sich am Boden, schnüffelte an Moos und Rentierflechte und spielte eine Weile mit den Zehen seiner Hinterpfoten. Am blaßblauen Himmel sah er ein paar Kraniche ziehen. Doch das grelle Licht tat seinen Augen weh. Und er spürte die Müdigkeit nach der langen Wanderung. Schläfrig schloß er seine Lider.
Plötzlich schreckte er auf. In der Luft ertönte ein seltsames Brummen: gar nicht wie von einem Bären. Es klang viel lauter, viel metallischer. Und es kam schnell näher.
Furchtsam blinzelte Barro nach oben. Über der öden Hochfläche flog etwas heran, glitzernd im Sonnenlicht. Das Brummen wurde zum Dröhnen, unheimlich laut. Dann glitt ein Schatten über das kahle Fjäll, streifte über Barro hinweg und verschwand mit leiser werdendem Gebrumm hinter den fernen Höhenzügen.
Barro hatte sein erstes Flugzeug gesehen. Und es machte ihm angst. Schutzsuchend krabbelte er hinüber zu seiner Mutter. Und sie barg ihre Kinder tröstend an ihrem weichen Fell.