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Barros erste Kletterpartie

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Nach ein paar Tagen hatte Barro sich an den neuen Lebensrhythmus gewöhnt. Wenn vom Höhleneingang der helle Schimmer der Morgensonne eindrang, krabbelte Barro unruhig herum. Er wollte hinaus.

Aber vorher wollte er seine Milch. Nur lag seine Mutter nicht immer so, daß er bequem an seine Milchquelle herankam. Dann stupste er sie ungeduldig und bohrte seine kleine Schnauze irgendwo in ihr Fell. Und Burri versuchte es an einer anderen Stelle, bis die Bärin sich schläfrig brummelnd herumwälzte und ihre Kinder trinken ließ.

Barro schmatzte genießerisch, leckte sich ein paar Milchtropfen vom Brustfell und blinzelte ins Dämmerlicht. Auch Burri saugte nicht mehr so eifrig. Die Bärin spürte, daß ihre Jungen satt waren. Und sie erhob sich von der Lagerstreu und tappte zum Ausgang. Jetzt brauchte sie ihr Frühstück.

Die Kleinen mußte sie nicht erst hinausscheuchen. Angst hatten sie nicht mehr. Im Gegenteil. Vor Neugier konnten sie es kaum erwarten, endlich ins Freie zu kommen. Ungestüm drängelten sie gegen ihre Hinterkeulen.

Draußen roch es feucht. In der Nacht hatte es geregnet. Die Schneeinseln waren zusammengeschmolzen. Und der erdige Boden war noch glitschiger als am Vortag. Wolkenfetzen trieben am blaßblauen Himmel, verdeckten mitunter die Sonne. Und ein frischer Wind wehte von den weiß schimmernden Berggipfeln. Dort oben war Neuschnee gefallen.

An diesem Morgen nahm die Bärin einen anderen Weg, nicht hinunter zum Bach. Sie stapfte seitlich von der Höhle auf den Hangwald zu. Hier standen die Bäume dichter, begann hinter vereinzelten Fjällbirken und wildem Himbeergestrüpp ein steil ansteigender Bergfichtenwald. Und dort brauchte sie nicht lange zu suchen. Ihre Spürnase führte sie zu einem Mäusenest.

Barro interessierte sich noch nicht für Mäuse. Er beäugte nur neugierig eine flüchtende Maus, die seiner Mutter gerade noch entkommen konnte. Dann beschnüffelte er aufmerksam den Stamm einer Fjällbirke, an dem es sehr fremdartig roch. Diesen Geruch kannte er noch nicht.

In diesem Augenblick hörte er über sich ein Geräusch. Verdutzt blickte er nach oben. Im kahlen Gezweig turnte etwas herum: ein kleines dunkelbraunes Tier mit buschigem Schwanz. Und dieses zierliche, schlanke Wesen hüpfte flink von einem wippenden Zweig zum anderen, und von dort zum nächsten Baum und verschwand dann im grünen Wipfel einer Fichte.

So schnell konnte Barro mit den Augen kaum folgen. Geblieben war nur der fremdartige Geruch: der Geruch nach Eichhörnchen. Und die Geruchsspur führte stammaufwärts.

Schnuppernd hob Barro seine kleine Nase, streckte sich und stellte sich aufrecht auf die Hinterbeine. Seine Vordertatzen umkrallten den Stamm. Langsam zog er sich hoch, griff nach. Barro kletterte, kletterte den Baum hinauf. Und er kletterte weiter. Das brauchte er nicht zu lernen. Klettern war ihm angeboren. Und es machte ihm Spaß.

Irgendwo im Wald hämmerte ein Specht. Über den Berghang glitt ein Schatten. Ein Kolkrabe kreiste gemächlich tiefer, rief mit rauher Stimme nach seiner Gefährtin. Er hatte die Bären entdeckt, wartete auf die Reste ihrer Mahlzeit. Ganz nah sah Barro den großen schwarzen Vogel.

Plötzlich wackelte der Baumstamm. Barro erschrak. Ängstlich blickte er nach unten. Da kam noch jemand, scharrte mit den Krallen an der Borke. Von oben sah Barro nur den braunpelzigen Kopf mit der schwarzledernen Nase. Es war Burri, seine Schwester. Sie wollte ihm nachklettern.

Dieses Spiel gefiel Barro. Eifrig kletterte er weiter. Hier in der Krone ging es viel leichter. Auf den Astgabeln fanden seine Krallen bequemen Halt. Und als es nicht mehr höher ging, krabbelte er auf einen Seitenast.

Nur, sehr weit kam er darauf nicht. Der Ast wurde immer dünner, schwankte und schaukelte. Nach vorn ging es auch nicht mehr. Und Barro bekam ein unheimliches Gefühl.

Inzwischen hatte die Bärin ihre Mäusemahlzeit beendet. Sie sah Burri den Stamm hinaufklettern und Barro oben auf dem dünnen schwankenden Ast. Und sie wußte, daß sie eingreifen mußte. Noch waren die Kleinen zu unerfahren, konnten die Tragfähigkeit der Äste noch nicht abschätzen. Und aus ihrer Kehle drang ein energisches Brummen.

Burri zögerte. Sie war ja erst auf halber Höhe. Und eigentlich wollte sie lieber hinauf zu Barro. Doch sie spürte wohl Barros Not. Und sie gehorchte ihrer Mutter. Vorsichtig glitt sie abwärts.

Barro aber hatte es viel schwerer. Erst mußte er mal rückwärts bis zum Stamm. Und der Ast schaukelte und wippte unter seinem Gewicht. Doch umzudrehen wagte Barro sich nicht. Der Erdboden lag so tief unter ihm, so unheimlich tief. Barro stieß einen kläglichen Laut aus. Dann rutschte er wieder rücklings ein Stück auf dem Ast entlang, ganz langsam. Endlich stieß er mit seinem Hinterteil gegen den Stamm.

Nun konnte Barro sich umdrehen. Er brummte erleichtert, tastete mit seiner rechten Hintertatze unbeholfen nach der nächsttieferen Astgabel, erwischte sie mit den Krallen. Und Barro begriff: Das war kein Spiel, das war harte Arbeit. Und er blickte nach unten, vor jedem Tritt. Dann war da keine Astgabel mehr, nur noch der glatte Stamm. Barro bohrte seine Krallen in die Borke. Und er schnaufte. Und als er nur noch einen knappen Meter über dem Boden war, ließ er sich einfach hinunterplumpsen, überkugelte sich und blieb liegen, erschöpft und ziemlich verwirrt.

Seine Mutter leckte ihn tröstend, leckte mit ihrer weichen rosigen Zunge über seinen kleinen Bauch und seine zerschrammte Nase. Das war ein angenehmes Gefühl. Barro brummte leise und zufrieden. Und dann gab es erst einmal Milch.

Barro, der Braunbär

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