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Die Höhle am Steilhang

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Dämmerung lag über dem Bergwald, ein fahles unwirkliches Licht. Ein scharfer Wind wehte von den Gipfeln, trieb Schneeflocken vor sich her, seit Tagen schon. Und die Schneedecke über dem steilen Südhang wuchs von Stunde zu Stunde. Klirrender Frost ließ die Äste knacken. Sonst drang kaum ein Laut durch die weiße Stille.

In der geräumigen Höhle am Steilhang aber war es warm. Die Bärin hatte ihre Wurfhöhle gut gewählt und den mehrere Meter langen Gang zu einem Kessel ausgeweitet. Kein Luftzug konnte eindringen. Und mit der Wärme ihres mächtigen Körpers heizte sie die Höhle auf.

Als Barro zum erstenmal seine Augen aufschlug, sah er zunächst gar nichts. Es war dunkel in der Höhle, stockdunkel. Doch Barro wußte auch im Dunkeln, seine Milchquelle zu finden; die kannte er schon seit Wochen. Er brauchte seine kleine Schnauze nur dorthin zu wenden, wo es am wärmsten war: weich und sehr warm. Dort gab es immer Milch.

Tapsig und unbeholfen wühlte er sich durch die dicke Lagerstreu aus Gräsern, Kräutern, Laub und dünnen Zweigen. Dabei kam ihm ein welkes Blatt auf die Nase. Und das kitzelte. Unwirsch wischte er das Blatt mit der Pfote weg. Und leise brummelnd krabbelte er weiter, stieß im Dunkeln gegen etwas Warmes, Weiches mit zotteligem Pelz. Das roch gut, roch nach seiner Mutter. Nur fand er hier noch nichts zu trinken: Das war ihre mächtige Hinterkeule. Milch gab es erst am Bauch. Und da krabbelte er hin.

Aber da lag schon jemand: ein winziges Wesen mit noch dünnem Fell, das mitunter vernehmbar schmatzte. Es war Barros Schwester Burri. Sie hatte schneller zur Milchquelle gefunden als er. Und ihr Schmatzen reizte Barro. Ungestüm krabbelte er über sie hinweg. Burri strampelte, kratzte mit ihren kleinen Krallen über Barros Ohr. Barro brummte ärgerlich. Schließlich fand er, was er suchte. Und mit Behagen schlürfte er die warme Milch.

Geduldig ließ die Bärin ihre Jungen saugen. Und als sie satt waren und an ihrem Bauch einschliefen, wagte sie kaum eine Bewegung. Nur einmal hob sie ihren mächtigen Kopf und schnupperte nach dem Höhleneingang. Noch immer roch es kalt. Das Tauwetter ließ auf sich warten. Schläfrig schloß sie ihre Lider.

So verstrichen die Tage und die Nächte. Barro spürte nichts davon. Er kannte nur die Welt der dunklen Wurfhöhle, die Wärme der Mutter, ihre zärtliche Zunge, wenn sie ihm über die Nase leckte, kannte nur Trinken und Schlafen und mitunter ein wenig Umherkrabbeln. Von der Helligkeit des Tages, von Sonne, Wind und Regen, von Pflanzen und Tieren, von der Welt draußen wußte er noch nichts.

Allmählich aber klang der Frost ab, das Schneetreiben ließ nach. Zwischen Wolkenfetzen schimmerte matt das Blau des Himmels. Manchmal zog ein Fuchs seine Spur durch den Schnee, schnüffelte mißtrauisch am Höhleneingang. Er roch die Bären, ihren warmen Dunst. Und eilig zog er weiter. Nur die Schnee-Eule verspeiste unweit davon in aller Ruhe einen gerade geschlagenen Lemming.

Im fahlen Licht des Mondes drang das Heulen der Wölfe aus dem nächtlichen Bergwald. Die Rentiere im Tal hoben lauschend ihre Köpfe. Und auch die Elche horchten auf. Doch das Geheul kam aus weiter Ferne. Es bedeutete keine Gefahr. Und gegen Morgen verstummte es.

Am Mittag verwehte ein lauer Wind die letzten Wolken. Warm schien die Sonne auf den Südhang, und der Schnee begann zu schmelzen. Tauwetter rieselte träge hangabwärts, bildete Rinnsale auf gefrorenem Boden unter der Schneedecke. Und das leise Glucksen drang bis in die Höhle.

Behutsam schob die Bärin ihre Jungen zur Seite, richtete sich halb auf. Sie hörte das Glucksen des Tauwassers, roch den lauen Wind. Und sie spürte den Hunger nach langen Monaten des Fastens. Sie war mager geworden, ihr Winterspeck aufgezehrt, und ihr dichtes Fell schlotterte um ihre Glieder. Aber noch war nicht Zeit für einen ersten Ausflug.

Barro, der Braunbär

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