Читать книгу Dolan, der Delphin - Lothar Streblow - Страница 10

Verspielte Delphinkinder

Оглавление

Knapp eine Woche später hatte Dolan seine Wunde schon fast vergessen, nicht aber die Begegnung mit dem Hai, nicht dieses Gefühl panischer Angst. Wunden heilen schnell bei Delphinen, die Erfahrungen aber bleiben. Als intelligente Säugetiere lernen sie aus jeder neuen Erfahrung. Und sie wissen sie zu nutzen.

Auch Dolans Mutter hatte aus ihrem Kampf mit dem Hai gelernt. Sie war noch ein ziemlich junges Weibchen, und Dolan war ihr erstes Kind. Sie hatte begriffen, daß es bei dem fischreichen Unterwasserplateau, wo auch Haie jagten, für die Kleinen noch zu gefährlich war, obwohl einzelne Haie nur sehr selten einen Jagdverband von Großen Tümmlern angriffen, um sich ein Jungtier zu holen.

Vorsichtshalber hielt sie sich mit den anderen Weibchen und den Jungen meist in der stillen Bucht auf, in die sich wegen der zahllosen Riffe selten ein Boot verirrte. Fische gab es auch hier noch genug. Nur wenn die Gruppe der männlichen Tümmler von draußen einen Fischschwarm in die Bucht trieb, beteiligten sie sich an der Treibjagd.

Dolan fühlte sich wohl in der Geborgenheit der Weibchen, in der weiten, von hohen Bergketten umschlossenen Bucht. Allmählich wurde er schon mutiger, entfernte sich mitunter im Spiel mit Kiluni und Digan ein wenig weiter von seiner Mutter. Und sie duldete es. Wie alle Säugetiere lernten auch kleine Tümmler im Spiel. Neugier war Überlebenstraining.

Im Moment jedoch war Dolan nur schläfrig. Morgennebel lagerte über der Bucht, verhüllte die Konturen der Küste, die bei Ebbe freiliegenden Felsenriffe. Kein Windhauch bewegte den Wasserspiegel. Dolan trieb mit den anderen nahe der Wasseroberfläche, atmete in langen Abständen. Die Tümmler genossen die Ruhe, den Minutenschlaf in den stillen Wassern.

Erst als draußen vor der Bucht ein Fischkutter mit ausgeworfenen Netzen langsam vorbeituckerte, streckten sie aufmerksam ihre Köpfe über die Wasseroberfläche, spähten in die Richtung.

Diese Geräusche kannten sie, wußten genau, wann Gefahr drohte. Zu erkennen war nichts, doch sie orteten die Distanz unter Wasser. Und nach Minuten verlor sich das Motorengeräusch in der Ferne.

Im Osten glimmte die blasse Scheibe der Sonne über den Nebelbänken. Einzelne Schwaden hoben sich, trieben als verwehende Fahnen davon, lösten sich auf in der zunehmenden Wärme. Und plötzlich wandelte sich das grellbleiche Licht in flammenden Schein. Die Sonne durchbrach die letzten Nebelfetzen, malte glitzernde Lichtreflexe auf die schimmernde Wasserfläche.

Jetzt wurde Dolan munter. Neugierig beobachtete er die huschenden Schatten im Unterwasserlicht, kleine und große Fische, Und auf dem sandigen Grund zwischen den Riffen entdeckte er ein paar Garnelen. Diese zehnbeinigen Krabbeltiere interessierten ihn. Blitzschnell tauchte er ab, jagte dazwischen. Doch die Garnelen verschwanden im aufgewirbelten Sand, gruben sich in den weichen Schlick.

Als er wieder nach oben steuerte, erkannte er im lichtdurchfluteten Oberflächenwasser einen großen, fast durchsichtigen Fleck: eine treibende Qualle. Und dieses glibberige Wesen reizte ihn. Übermütig peitschte er die Qualle mit seiner Fluke durch die Luft.

Kaum schlug die Qualle aufs Wasser, klatschte Kiluni mit ihrer Fluke dagegen. Im hohen Bogen platschte die Qualle herunter, direkt neben Digan, den dritten kleinen Delphin. Und nun machte auch Digan mit. Nur schaffte er das noch nicht ganz. Er traf lediglich den äußeren Rand. Unter seinem Schlag löste sich die Qualle auf.

Inzwischen hatte Dolan ein neues Spielzeug entdeckt: ein kleines Stückchen Treibholz. Vorsichtig stieß er mit seiner Schnauzenspitze dagegen, stupste es vor sich her. Mit einem Mal tauchte Digan auf und schnappte danach. Geschickt nahm Digan das Holz zwischen die Zähne und verschwand damit seitlich in die Tiefe auf den mächtigen düsteren Schatten eines versunkenen Wracks zu. Und es schien ihn nicht zu stören, daß es dicht am Wrack von winzigen Quallen wimmelte.

Gerade wollte Dolan ihm hinterherjagen, da empfing er ein Signal von seiner Mutter. Und das verstand er. Zwar müssen Tümmler den Gebrauch des Sonars zum Auskundschaften ihrer Unterwasserwelt erst verstehen lernen, um Bewegtes von Unbewegtem zu unterscheiden, die Ruf- und Warntöne ihrer Gefährten aber begriffen sie sehr schnell, vor allem die ihrer Mütter. Und das war für die unerfahrenen Kleinen bei den vielfältigen Gefahren des Meeres lebenswichtig.

Auch Digan schien das Signal verstanden zu haben. Kurz vor der verrosteten Schiffsschraube des riesigen Wracks drehte er ab. Dolans Mutter wußte, daß bei Ebbe die Wassertiefe erheblich schwankte, daß sich die Entfernungen zum Grund änderten. Sie kannte aus Erfahrung das scharfkantige Wrack im Schlick zwischen den Riffen der Bucht, aus dem ständig noch Öl hervorsickerte. Und sie wollte die neugierigen Jungen davon fernhalten.

Wenig später tauchte Digan in einem Wirbel sprühender Wassertropfen wieder auf, hob seinen Kopf weit aus dem Wasser. Das Hölzchen hatte er verloren. Eilig strebte er zurück zu den Weibchen. Und Dolan und Kiluni folgten ihm.

Dolan, der Delphin

Подняться наверх