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Wellen, Wind und Schatten

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Gegen Mittag kam Wind auf, wehte von den Berggipfeln herunter über die Bucht. Ein leichter Wind nur. Aber wo der Wind gegen die Strömung stand, kräuselte sich die glatte Fläche zu winzigen Wellen.

Das war neu für Dolan. Bisher kannte er nur eine ruhige See. Und er hob sein Atemloch hoch in die Luft, wenn die Wellen gegen seinen kleinen Körper klatschten.

Manchmal spürte Dolan einen Flipper seiner Mutter an seiner Flanke entlangstreichen. Das kitzelte angenehm. Und mitunter kam eines der begleitenden Weibchen in seine Nähe, um ihn zu streicheln. Doch seine Mutter schob sich jedesmal eifersüchtig dazwischen und zeigte ihm ihren Bauch, damit er trinken sollte. Und Dolan trank.

Die große Gruppe der Tümmler hatte sich inzwischen wieder entfernt, jagte nahe dem Ausgang der Bucht an der Felsspitze, wo höhere Wellen gegen die Klippen schlugen. Aber auch unweit der Küste, innerhalb der Bucht, stiegen ein paar Blaswolken auf, zerschnitten zwei größere Rückenfinnen das Wellengekräusel, dazwischen kaum sichtbar eine kleinere. Dort hatten sich einige Tümmler abgesondert. Und sie kamen ihnen in gemächlichem Tempo entgegen.

Dolan hörte ihre Geräusche, ihre Signale, die klickenden Laute. Und seine Mutter antwortete. Es waren zwei große Weibchen und ein ganz junges, gerade erst geboren, jünger noch als Dolan. Die beiden Weibchen trugen das Kleine in ihrer Mitte zwischen den Flippern, ihren kräftigen Vorderflossen, hielten seinen Kopf über Wasser. Und aus seinem Blasloch stieg ein feiner Tröpfchennebel.

Dolan spürte die Ängstlichkeit der kleinen Kiluni, die gerade erst die fremdartig lichte Welt entdeckte. Im gleichen Moment aber wurde er abgelenkt. Ein paar große Schatten glitten über die leicht gewellte Wasserfläche und stießen unweit der Tümmler in die See.

Es waren Tölpel, große Seevögel, die nach Fischen tauchten. Und von See her jagten einige Fregattvögel hinter ihnen her, um ihnen ihre Beute abzujagen. Doch das sah Dolan schon nicht mehr. Vorsichtshalber tauchte er ab, brachte ein paar Meter Wassertiefe zwischen sich und die Vögel.

Als er das nächste Mal Atem holte, hatten sich die drei anderen Tümmler ihnen angeschlossen. In einer größeren Gruppe fühlten sich die Weibchen mit den Jungen sicherer. Jetzt schwamm Kiluni huckepack auf dem Rücken ihrer Mutter, fast auf gleicher Höhe wie Dolan. Die drei einzelnen Weibchen jagten gemeinsam in der Nähe nach Meeräschen und anderen Fischen. Und manchmal erkannte Dolan, wie auch seine Mutter blitzartig nach etwas schnappte.

Inzwischen war die Sonne höher gestiegen, stand am Mittag beinahe senkrecht über der Bucht. Im lichtdurchfluteten Oberflächenwasser hoben sich Schatten ab, huschende Schatten, kleine und große und ganz winzige, umwirbelt von Luftblasen, sekundenlang nur. Dolan hörte sie mehr, als daß er sie sah. Er sah gewissermaßen mit den Ohren, strahlte Schall ab und empfing das Echo. So nahm er wahr, was sich um ihn herum bewegte. Nur mußte er erst lernen, das alles zu deuten. Im Moment verließ er sich noch auf das Wissen seiner Mutter. Doch nicht vor allem konnte sie ihn bewahren. Gerade wollte Dolan wieder auftauchen, da stieß er mit etwas zusammen. Dolan erschrak. Etwas Glibberiges glitt an seinem Kopf entlang. Deutlich spürte er die Nesselfäden auf seiner empfindlichen Haut. Es war eine Qualle. Und während er sein Atemloch an die Luft stieß, glitt sie von ihm ab. Dolans Mutter spürte sein Erschrecken. Und sie beruhigte ihn mit sanften Lauten. Quallen bedeuteten keine Gefahr. Aber sie ließen sich mit dem Sonar der Delphine kaum orten, der Schall durchdrang sie wie Wasser.

An diesem Tag begegnete Dolan noch vielen Quallen, nur bekam er jetzt keinen Schreck mehr. Quallen kannte er nun. Doch es gab so viel Unbekanntes im Meer: Lebendiges, das eilig flüchtete, wenn die Tümmler sich näherten, und seltsame Dinge, die nicht auswichen: schaukelnde Holzstücke und leere Plastikbehälter, die ein Fluß ins Meer gespült hatte. Und manchmal treibende Tangfetzen.

Als die Dämmerung sich über die Meeresbucht senkte, hatte Dolan einiges dazugelernt.

Dolan, der Delphin

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