Читать книгу Hinter den drei Kiefern - Louise Penny - Страница 6
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Оглавление»Und jetzt?«, fragte Matheo Bissonette und drehte sich vom Fenster weg, um Lea anzusehen. Nach dem Frühstück waren sie in den Salon der Pension gegangen und hatten sich an den Kamin gesetzt.
Trotz seines Pullovers und des Kaminfeuers fröstelte ihn.
»Er hat gerade ein Foto von dem Ding gemacht«, sagte Matheo. »Es wirft ein schlechtes Licht auf uns, wenn wir noch länger warten.«
»Schlecht?«, sagte Lea. »Meinst du nicht, ein noch schlechteres?«
»Wir hätten gestern etwas sagen sollen«, sagte Patrick. Seine Stimme, immer etwas weinerlich, klang jetzt fast wie die eines Dreijährigen. »Sie werden sich fragen, warum wir nichts gesagt haben.«
»Okay«, sagte Matheo und musste sich zusammenreißen, um Patrick nicht anzuschnauzen. »Dann sind wir uns ja einig. Es ist höchste Zeit.«
Es ärgerte ihn nicht so sehr, was Patrick sagte, sondern wie er es sagte. Er war schon immer der Schwächste von ihnen gewesen, und trotzdem schaffte er es jedes Mal, seinen Willen durchzusetzen. Vielleicht wollte man einfach nur, dass das Gequengel aufhörte, dachte Matheo. Es war, als würde jemand mit dem Fingernagel über eine Schiefertafel kratzen. Deshalb gaben sie nach.
Und mit zunehmendem Alter wurde es immer schlimmer. Im Moment hätte Matheo nicht nur Lust gehabt ihn anzubrüllen, sondern ihm dazu noch einen Tritt in den Hintern zu geben.
Gabri kam mit einer Kanne frischem Kaffee in den Salon und fragte: »Wo ist Katie?«
»Nicht weit von hier steht ein Glashaus«, sagte Patrick. »Kein traditionelles, so wie wir sie bauen, aber interessant. Sie wollte es sich ansehen. Vielleicht bekommen wir ein paar Ideen für das Glashaus, das wir auf den Magdalenen-Inseln bauen.«
Gabri, der lediglich aus Höflichkeit gefragt hatte, verzog sich wieder in die Küche.
Matheo blickte von seiner Frau Lea zu seinem Freund Patrick. Sie waren beide genauso alt wie er, dreiunddreißig, sahen aber zweifellos älter aus. Die Falten. Die ersten grauen Haare. War das schon immer so gewesen, oder war es erst mit dem schwarzen Umhang und der Maske gekommen?
Lea war rank und schlank wie eine Tanne gewesen, als sie sich an der Uni kennengelernt hatten. Jetzt hatte sie eher etwas von einem Ahornbaum. Rundlich. Kräftig. Es gefiel ihm. Es fühlte sich robuster an. Nicht so leicht umzuhauen.
Sie hatten zwei Kinder, beide zu Hause in der Obhut von Leas Eltern. Bei ihrer Rückkehr würde es so sein, als kämen sie in eine Raubtierhöhle. Unter dem fragwürdigen Einfluss von Leas Mutter wären die Kinder außer Rand und Band.
Fairerweise musste man sagen, dass es dazu nicht viel benötigte.
»Gamache ist mit seiner Frau im Bistro. Dort können alle mithören«, sagte Patrick. »Vielleicht sollten wir warten.«
»Aber es sollen doch alle hören«, erwiderte Lea und stand auf. »Oder? Geht’s nicht genau darum?«
Während dieses Wortwechsels sahen die Freunde einander nicht an. Sie blickten nicht einmal auf das knisternde Kaminfeuer. Alle drei starrten aus dem Fenster des Salons. Auf den Dorfanger. Verlassen. Abgesehen von …
»Warum bleibst du nicht hier?«, sagte Lea zu Patrick. »Ich geh mit Matheo.«
Patrick nickte. Er hatte sich gestern erkältet und war noch nicht wieder ganz auf der Höhe. Er schob seinen Stuhl näher ans Feuer und goss sich eine Tasse starken, heißen Kaffee ein.
Auch Armand Gamache blickte nicht auf das knisternde Feuer im großen offenen Kamin des Bistros. Er starrte aus dem Bleiglasfenster mit seinen kleinen Schönheitsfehlern und Unebenheiten. Hinaus in den kalten Novembertag und auf das Ding auf dem Dorfanger.
Man konnte meinen, es hätte jemand eine dieser Glasglocken darübergestülpt, wie man sie über tote und ausgestopfte Tiere stülpte. Die verhüllte Gestalt stand ganz allein da, abgesondert, während um sie herum die Dorfbewohner ihren täglichen Verrichtungen nachgingen. Ihr Bewegungsspielraum eingeschränkt, bestimmt von dem schwarzen Ding.
Die Dorfbewohner waren nervös. Beunruhigt. Warfen immer wieder flüchtige Blicke in seine Richtung.
Gamache ließ seinen Blick weiterwandern und sah Lea Roux und ihren Mann Matheo Bissonette aus der Pension kommen und rasch durch den kühlen Morgen gehen. Ihr Atem stieg in kleinen Wölkchen auf.
Bei ihrer Ankunft verbreiteten sie eine leichte Hektik, rieben sich Hände und Arme. Sie hatten nicht die richtige Kleidung eingepackt, nicht mit dieser selbst für November kalten Witterung gerechnet.
»Bonjour«, sagte Lea und trat an den Tisch der Gamaches.
Armand erhob sich, während Reine-Marie lächelnd nickte.
»Dürfen wir Ihnen Gesellschaft leisten?«, fragte Matheo.
»Bitte.« Reine-Marie deutete auf die unbesetzten Stühle.
»Ich habe überlegt«, sagte Lea etwas verlegen, »ob Myrna etwas dagegen hat, wenn wir uns im Buchladen unterhalten. Was meinen Sie?«
Armand warf Reine-Marie einen Blick zu, beide überrascht von dem Vorschlag. Sie stand auf.
»Solange es Myrna recht ist, warum nicht«, sagte sie. »Es sei denn …«
Sie machte eine Geste in Armands Richtung, um anzudeuten, dass sie vielleicht mit ihm allein sprechen wollten. Daran war sie gewöhnt. Manchmal gab es gewisse Dinge, über die die Leute mit einem Gesetzeshüter reden wollten und die dessen Frau nicht hören sollte.
»Non, non«, sagte Lea. »Bitte kommen Sie mit. Sie sollen es auch hören. Wir würden gern wissen, was Sie davon halten.«
Die Gamaches nahmen ihre Kaffeebecher und folgten Lea und Matheo neugierig in den Buchladen.
Myrna hatte überhaupt nichts dagegen.
»Heute Vormittag ist nicht viel los«, sagte sie. »Offenbar ist es nicht gut fürs Geschäft, wenn mitten im Dorf der Tod Wache steht. Ich werde sofort die Handelskammer benachrichtigen.«
»Bitte, bleib«, sagte Lea. »Wir würden gern auch deine Meinung hören. Stimmt’s, Matheo?«
Es war keine Frage. Obwohl er inzwischen nicht mehr ganz so überzeugt wirkte, fasste er sich rasch wieder und nickte.
»Wozu?«, fragte Myrna.
Lea bedeutete ihnen mit einer Geste, auf dem Sofa und den Sesseln Platz zu nehmen, als wäre es ihr Laden. Myrna nahm es ihr nicht übel, es gefiel ihr sogar, dass Lea sich wie zu Hause fühlte. Außerdem hatte die Geste nichts Anmaßendes. Sie war nicht herrisch, sondern bezog alle mit ein.
Sobald sie saßen, legte Matheo einen Stapel Papiere auf den Beistelltisch aus Kiefer.
Gamache betrachtete die Blätter, hauptsächlich Artikel aus spanischen Zeitungen, auf Spanisch.
»Können Sie mir sagen, worum es da geht?«
»Entschuldigung.« Matheo blätterte in dem Stapel. »Eigentlich sollte der ganz oben liegen.«
Das Rosa war unverwechselbar. Die Financial Times.
Der Artikel auf der Titelseite war mit Matheo Bissonette gezeichnet. Gamache bemerkte das Datum.
Vor achtzehn Monaten erschienen.
Zu dem Artikel gehörte ein Foto. Es zeigte einen Mann in Frack und Zylinder, in der Hand eine Aktentasche mit einem Schriftzug. Der Mann hatte etwas Elegantes und Zwielichtiges zugleich.
Gamache setzte seine Brille auf und beugte sich zusammen mit Myrna und Reine-Marie über das Bild.
»Was steht da auf der Aktentasche?«, fragte Myrna.
»Cobrador del Frac«, sagte Matheo. »Das bedeutet Schuldeneintreiber.«
Gamache hielt mit dem Lesen des Artikels inne und blickte über den Rand seiner halbmondförmigen Brillengläser.
»Fahren Sie fort.«
»Meine Eltern leben in Madrid. Vor ungefähr eineinhalb Jahren hat mir mein Vater diesen Artikel gemailt.« Matheo blätterte in den Ausdrucken und zog einen Artikel aus einer anderen Zeitung hervor. »Er hält immer Ausschau nach Meldungen, die mich interessieren könnten. Sie wissen ja, dass ich freier Journalist bin.«
Gamache nickte, seine Aufmerksamkeit war von dem spanischen Artikel gefesselt, der ebenfalls von einem Foto des Schuldeneintreibers in Frack und Zylinder begleitet war.
»Ich habe die Geschichte mehreren Zeitungen angeboten und die Financial Times hat sie gekauft. Deshalb bin ich nach Spanien geflogen und habe recherchiert. Der Cobrador del Frac ist ein typisch spanisches Phänomen, und im Zuge der Finanzkrise sind es immer mehr geworden.«
»Dieser Mann ist ein Schuldeneintreiber?«, fragte Reine-Marie.
»Ja.«
»Na, er sieht auf jeden Fall netter aus als die Schuldeneintreiber in Nordamerika«, sagte Myrna.
»Täuschen Sie sich da nicht«, sagte Matheo. »Sie sind weder anständig noch höflich. Die elegante Aufmachung ist eher eine Maske.«
»Und was wollen sie dahinter verbergen?«, fragte Gamache.
»Das, was sie eintreiben«, sagte Matheo. »Hierzulande nimmt ein Inkassobüro einem Schuldner das Auto oder das Haus oder die Möbel weg. Ein Cobrador del Frac nimmt den Leuten etwas ganz anderes weg.«
»Was denn?«, fragte Gamache.
»Ihren Ruf. Ihren guten Namen.«
»Wie macht er das?«, fragte Reine-Marie.
»Er wird als Schatten angeheuert. Er hält sich immer in einer gewissen Entfernung von dem Schuldner, spricht nie ein Wort mit ihm, ist aber immer da.«
»Immer?«, fragte Reine-Marie, während Armand zuhörte und besorgt die Stirn runzelte.
»Immer«, sagte Lea. »Er steht vor Ihrem Haus, folgt Ihnen zu Ihrer Arbeitsstelle. Steht vor Ihrem Laden. Wenn Sie in ein Restaurant oder auf eine Party gehen, ist er da.«
»Aber warum? Es gibt doch bestimmt einfachere Möglichkeiten, Schulden einzutreiben?«, sagte Reine-Marie. »Ein Schreiben von einem Anwalt. Eine Klage vor Gericht.«
»Das dauert lange, und seit dem Crash kommen die spanischen Gerichte kaum mehr hinterher«, erklärte Matheo. »Es kann Jahre dauern, bis jemand zahlt, wenn überhaupt. Die Leute konnten die unvorstellbarsten Dinge tun und kamen ungeschoren davon, sie haben anderen die Kunden und Partner und Ehefrauen abspenstig gemacht, in dem Wissen, dass sie dafür höchstwahrscheinlich nie zur Verantwortung gezogen werden. Die Betrügereien nahmen immer mehr zu. Bis sich jemand erinnerte …«
Er blickte auf das Foto. Von einem Mann in Frack und Zylinder. Erst jetzt fiel den Gamaches der Mann weiter vorne in der Menge auf, er entfernte sich eilig, warf dabei aber einen Blick über die Schulter. Einen Blick voller Angst.
Und der Cobrador del Frac folgte ihm. Sein Gesicht starr, ausdruckslos. Erbarmungslos.
In der Menge öffnete sich eine Gasse, um ihn durchzulassen.
»Er bringt die Leute dazu, aus Scham ihre Schulden zu bezahlen«, sagte Matheo. »Es ist schrecklich mitanzusehen. Anfangs hat es fast etwas Komisches, aber dann wird es gruselig. Vor kurzem war ich mit meinen Eltern in Madrid in einem Restaurant. Einem sehr schönen Restaurant. Stoffservietten und Silberbesteck. Dezente Farben. Ein Ort, an dem diskret große Geschäfte abgewickelt werden. Und draußen vor der Tür stand ein Cobrador del Frac. Erst ging der Oberkellner hinaus, um ihn zu verscheuchen, dann der Besitzer. Sie haben sogar versucht, ihn wegzustoßen. Aber er rührte sich nicht von der Stelle. Er stand mit seiner Aktentasche in der Hand da und starrte durchs Fenster.«
»Haben Sie gesehen, wen er angestarrt hat?«, fragte Reine-Marie.
»Zuerst nicht, aber zu guter Letzt hat sich der Mann selbst verraten. Er verlor die Fassung und wurde wütend. Er ging hinaus und schrie den Cobrador an. Aber der hat nicht darauf reagiert. Und als der Mann davonstürmte, drehte er sich einfach um und folgte ihm still. Ich kann nicht genau erklären, warum, aber es war beängstigend. Mir tat der Mann beinahe leid.«
»Das sollte er nicht«, sagte Lea. »Sie bekommen, was sie verdienen. Ein Cobrador del Frac wird nur im äußersten Fall eingesetzt. Man muss schon etwas besonders Schlimmes getan haben, damit einem so etwas passiert.«
»Kann jeder einen Cobrador anheuern?«, fragte Myrna. »Ich meine, woher weiß er denn, dass es sich um tatsächliche Schulden handelt? Vielleicht geht es ja nur darum, jemanden zu demütigen.«
»Die Firma überprüft das«, erwiderte Matheo. »Ich bin sicher, dass Missbrauch vorkommt, aber meistens gibt es einen guten Grund, wenn einem ein Cobrador folgt.«
»Armand?«, sagte Reine-Marie.
Er schüttelte den Kopf, die Augen zusammengekniffen.
»Klingt irgendwie nach Selbstjustiz«, sagte er. »Die Leute nehmen das Recht selbst in die Hand. Verurteilen jemanden.«
»Aber sie wenden keine Gewalt an«, sagte Lea.
»Oh doch«, sagte Gamache. Er tippte mit dem Finger auf das Gesicht des verängstigten Mannes auf dem Foto. »Nur keine körperliche.«
Matheo nickte.
»Tatsächlich ist es sehr wirkungsvoll«, sagte er. »Fast immer zahlen die Leute, und zwar schnell. Und man darf nicht vergessen, dass keine Unschuldigen ins Visier genommen werden. Das ist nicht der erste Schritt, es ist der letzte. Es ist der letzte Strohhalm, nach dem die Leute greifen, wenn alles andere fehlschlägt.«
»Und?«, sagte Gamache und sah Matheo an. »Ziehen Sie in Erwägung, den Cobrador del Frac nach Québec zu bringen? Wollen Sie von mir wissen, ob das legal wäre?«
Matheo und Lea starrten Gamache an, dann fing Matheo an zu lachen.
»Du lieber Gott, nein. Ich zeige Ihnen das, weil Lea und ich glauben, dass das da«, er deutete zum Fenster, »ein Cobrador del Frac ist.«
»Ein Schuldeneintreiber?«, fragte Gamache, und ihn überlief ein leichter Schauer. Wie bei einem Vorbeben.
Lea blickte mit wachsamen Augen von Armand zu Reine-Marie und Myrna und wieder zurück. Auf der Suche nach einem Anzeichen von Belustigung. Oder Zustimmung. Oder irgendetwas anderem. Aber ihre Gesichter waren praktisch ausdruckslos. So starr wie dieses Ding auf dem Dorfanger.
Gamache lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, öffnete den Mund, um ihn sofort wieder zu schließen, während Reine-Marie sich umdrehte und Myrna ansah.
Schließlich beugte Gamache sich zu Matheo, der sich ihm entgegenneigte.
»Ihnen ist schon klar, dass das da«, er deutete mit dem Kopf zum Dorfanger, »überhaupt keine Ähnlichkeit damit hat.« Er deutete auf das Foto.
»Ich weiß«, sagte Matheo. »Als ich für den Artikel recherchiert habe, bin ich auf Gerüchte über etwas anderes gestoßen. Etwas Älteres, das Jahrhunderte zurückreicht.« Er warf einen Blick zum Dorfanger und wandte sich dann rasch wieder ab, als dürfte man das Ding auf keinen Fall zu lange anstarren. »Der Urahn des jetzigen Cobrador. Es wurde gemunkelt, dass er noch lebt, in entlegenen Dörfern. In den Bergen. Ich konnte allerdings keinen finden, und auch niemanden, der zugegeben hätte, einen angeheuert zu haben.«
»Und dieser ursprüngliche Cobrador ist anders?«, fragte Reine-Marie.
»Auch er treibt Schulden ein, aber die Schuld ist eine andere.«
»Die Höhe der Schuld?«, fragte Gamache.
»Die Art. Das eine ist eine Geldschuld, die den Schuldner oft ruiniert«, sagte Matheo und blickte auf das Foto auf dem Tisch.
»Das andere ist eine moralische Schuld«, sagte Lea.
Matheo nickte. »Ein älterer Mann, mit dem ich in einem Dorf in der Nähe von Granada gesprochen habe, hatte einen aus der Ferne gesehen, ein einziges Mal, als Kind. Der Cobrador war einer alten Frau gefolgt. Sie verschwanden um eine Ecke, und er hat keinen von beiden jemals wiedergesehen. Er wollte nicht zitiert werden, aber er hat mir das hier gezeigt.«
Matheo zog die unscharfe Kopie eines unscharfen Fotos aus der Tasche.
»Das hat er mit seiner Boxkamera aufgenommen.«
Das Bild war körnig. Schwarzweiß.
Es zeigte eine steile, enge Straße, links und rechts von Mauern begrenzt. Ein Pferd mit Karren. Und in der Ferne, an einer Ecke, noch etwas anderes.
Gamache setzte seine Brille wieder auf und hielt sich das Blatt Papier so dicht vors Gesicht, dass es fast seine Nasenspitze berührte. Dann ließ er es sinken und reichte es Reine-Marie.
Schweigend nahm er seine Brille ab und klappte sie zusammen. Dabei blieb sein Blick die ganze Zeit über auf Matheo gerichtet.
Das Bild zeigte eine verhüllte, maskierte Gestalt. Mit hochgezogener Kapuze. Und vor der dunklen Gestalt einen verschwommenen grauen Fleck. Ein grauer Geist, der zu flüchten versuchte.
»Gegen Ende des Spanischen Bürgerkriegs aufgenommen«, sagte Matheo. »Ich finde den Gedanken furchtbar, dass …«
Es gab keinen Zweifel. Auf dem Foto, fast hundert Jahre alt, war das Ding zu sehen, das jetzt mitten in Three Pines stand.
»Und haben Sie das geglaubt, Chief Superintendent?«, fragte der Staatsanwalt.
Aus dem Mund des Staatsanwalts klang sein Rang eher wie eine Verhöhnung und nicht wie etwas Respektables.
»In diesem Moment wusste ich nicht genau, was ich glauben sollte. Es kam mir nicht nur ungewöhnlich, sondern sogar unglaublich vor. Dass ein uralter spanischer Schuldeneintreiber in einem kleinen Dorf in Québec aufgetaucht sein sollte. Und ich hätte es auch nicht geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Das Foto und das Ding selbst.«
»Wenn ich es richtig verstanden habe, nahmen Sie dieses Bild, das Matheo Bissonette Ihnen zeigte, an sich.«
»Eine Kopie davon, ja.«
Der Staatsanwalt wandte sich dem Gerichtsdiener zu.
»Beweisstück B.«
Das Foto von Three Pines an jenem grauen Novembermorgen wurde gegen etwas ausgetauscht, das beim ersten Hinsehen an einen Rorschachtest erinnerte. Verschwommene schwarze und graue Flecken mit verlaufenden Rändern.
Und dann trat ein Bild hervor.
»Ist es das?«
»Ja«, sagte Gamache.
»Und ist es das, was auf Ihrem Dorfanger stand?«
Gamache betrachtete das Bild, den Eintreiber moralischer Schulden, und erneut überlief ihn dieser Schauer.
»Ja.«