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Kapitel 7

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Der Montagmorgen passte zu Valeries Stimmung, er war trist, grau und regenverhangen. Schon beim Verlassen des Appartementhauses musste sie ihre dünne Collegemappe als Schutz über dem Kopf halten, weil sie den Regenschirm oben in der Wohnung vergessen hatte. Auf dem kurzen Weg zwischen Parkplatz und Bürogebäude erwischte sie der Regen aus vollen Kübeln.

Valerie betrat das kleine, unpersönliche Büro und hängte die nass gewordene Jacke an den Kleiderständer. Sie blickte sich seufzend um. Der triste Raum war ihr vorübergehend zur Verfügung gestellt worden. Das Gefühl, sich hier niemals wohlfühlen zu können, ließ ihre Laune nicht besser werden. Ein typischer Behördenraum, grau in grau zweckmäßig eingerichtet. Zwei in der Fensterbank vor sich hin vegetierende Kakteen, von einem der Vorgänger schnöde ihrem Schicksal überlassen, schafften es nicht, eine persönlichere Atmosphäre herzustellen.

Die Oberkommissarin setzte sich hinter den Schreibtisch und schaltete den Computer ein. Während das Betriebssystem hoch lief, schweifte ihr Blick aus dem Fenster, aber zu sehen waren nur die Baumwipfel des benachbarten Parks, der Rest der Umgebung verschwand in grauen Wolken.

Endlich standen alle Funktionen zur Verfügung. Zuerst öffnete sie ihr E-Mail-Postfach und überprüfte die Eingänge. Sie seufzte auf.

Annas Mail war bereits eingegangen.

Zu früh gefreut.

Die unverhoffte Möglichkeit auf ein Date am Sonntagnachmittag mit ihrem verheirateten Liebhaber hatte Anna nicht von ihrem Vorhaben abbringen können.

Ganz früh am Morgen war die Mail versandt worden. Anna hatte die ihrer Ansicht nach entscheidenden, wichtigsten Passagen der Akten eingescannt und als Anhang an die Mail gehängt.

Valerie gab mit einigen Mausklicks einen Druckauftrag für die Dokumente und holte sich einen Becher Kaffee vom Automaten auf dem Flur, während der Drucker Blatt für Blatt auswarf.

Lustlos blätterte sie anschließend in den Seiten und nippte dabei an dem lauwarmen Automatengetränk. Der Kaffee schmeckte grässlich bitter, als wäre er über das gesamte Wochenende aufgewärmt worden. Angewidert verzog sie ihr Gesicht und stellte den Becher auf den Schreibtisch.

Die Auszüge aus den Personalakten der gestorbenen Exsoldaten gaben letztlich nur das wieder, was Anna längst berichtet hatte.

Der Niederländer war in Leiden gestorben. Tod in Leiden.

Beim Kopfschütteln huschte für einen Sekundenbruchteil ein pietätloses Grinsen über ihr Gesicht.

Leiden. Wo zum Teufel ist Leiden?

Sie kramte in ihrer Schreibtischschublade und zog den Europaatlas heraus, den sie vorsorglich hier deponiert hatte, um sich in der Anfangszeit orientieren zu können. Nach einigem Blättern war die entsprechende Seitenangabe mit den Koordinaten gefunden. Angespannt folgten die Augen dem Finger auf der Karte, bis sie sich mit der Hand vor die Stirn schlug.

Fast um die Ecke, wie unangenehm.

Gedankenverloren blätterte sie weiter. Die Polizeibeamten in den jeweiligen Ländern waren bei ihren Todesermittlungsverfahren allesamt zu dem gleichen Schluss gekommen. Ein Fremdverschulden wurde definitiv ausgeschlossen. Punkt. Aus.

Wo sollte sie hier ansetzen? Sollte sie von den Bedenken einer kleinen Sachbearbeiterin der NATO-Personalabteilung berichten?

Unwillkürlich musste sie grinsen, weil sie sich in die Rolle eines der Ermittler versetzte.

Würde sie sich davon beeindrucken lassen?

Wohl kaum.

Mit etwas Glück gab Anna irgendwann Ruhe und ließ die Sache auf sich beruhen. Manchmal half es, etwas Gras wachsen zu lassen.

Insgeheim gestand sie sich ein, dass dies ein frommer Wunsch bleiben würde. Sie hatte die Augen ihrer Freundin gesehen, als sie von den Todesfällen sprach. Anna würde nicht so schnell locker lassen.

Realistischer war es, sich schon einmal eine passende Legende zu stricken, bevor sie in den nächsten Tagen die örtliche Polizeidienststelle aufsuchen würde.

Valerie legte die Akten an die Seite und widmete sich schulterzuckend einer anderen, nicht wesentlich angenehmeren Aufgabe. Auf sie warteten Berge von Statistiken, die in ein einheitliches System überführt werden wollten.

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