Читать книгу Was wär das Leben ohne dich? - Lucie Persposti - Страница 7
Kapitel 5
ОглавлениеLucys Sicht
Ich werfe noch einen kurzen Blick in den Spiegel und muss zugeben, dass ich wirklich nicht schlecht aussehe. Ich trage ein schwarzes, trägerloses Top, eine kurze Jeans-Shorts und dazu die silbernen Riemchensandalen. Meine Haare fallen mir leicht gelockt über die Schultern und mein Augenmakeup ist etwas dunkler und verleiht mir dadurch eine geheimnisvolle Ausstrahlung. Alles ist perfekt, um meinen Freund und unsere Probleme für ein paar Stunden zu vergessen.
Ich öffne die Tür und falle Julie und Janice in die Arme. Eigentlich hatte ich vor, ihnen von meinem Streit mit Chris zu erzählen, aber ich will uns den Abend auf keinen Fall mit meinen Beziehungsproblemen vermiesen. Aus diesem Grund lasse ich es und folge den beiden zum Auto. Julie setzt sich hinter das Steuer und Janice und ich setzen uns absichtlich auf die beiden Rücksitzen, denn Julie regt sich jedes Mal tierisch auf, wenn beide hinten sitzen. Sie sagt, dass es sich dann immer so anfühlt, als wäre sie eine Taxifahrerin, die uns herumchauffiert.
Als Julie den Motor laufen lässt und ausparkiert wirft sie uns kurz einen bösen Blick zu, der bei Janice einen Lachanfall auslöst. Kurz später muss auch Julie lachen, denn sie kann uns einfach nicht böse sein.
Julie hat kaum das Auto auf die Hauptstrasse gelenkt, als ein neuer Song im Radio abgespielt wird. Danach kommt natürlich eine kurze Werbepause, um auf den neuen ViVo-Shop in Zürich aufmerksam zu machen. Wie könnte es anders sein, natürlich ist Chris höchstpersönlich die Stimme hinter dieser Werbekampagne. Ich überlege kurz, ob ich einfach durchhalten und mir nichts anmerken lassen soll, oder ob ich Julie darum bitten soll, den Sender zu wechseln.
In diesem Moment stupst mich Janice an und wackelt bedeutungsvoll mit ihren Augenbrauen. „Chris‘ Stimme ist schon ziemlich sexy!“
Das ist mir zu viel. Heute wollte ich mal nicht an ihn denken und jetzt das. Vorsichtig frage ich Julie: „Könntest du vielleicht den Radiosender wechseln?“
„Warum das denn?“, fragt sie gespielt geschockt. „Gefällt dir seine Stimme denn nicht?“
Ich überlege kurz und antworte dann zögernd: „Nein, das ist es nicht. Es ist nur irgendwie peinlich, diese Werbung zu hören, wenn andere dabei sind. Ich habe mich wohl noch immer nicht daran gewöhnt, dass ViVo sein Label ist.“
„Ach so“, meint Julie nur und wechselt dann den Sender. Ich bin mir nicht sicher, ob sie mir glaubt, aber immerhin stellt sie mir keine weiteren Fragen.
Die letzten Minuten der Fahrt verlaufen zum Glück problemlos, mit der Ausnahme, dass Julie beim Einparken fast ein Auto gerammt hätte. Natürlich mussten Janice und ich ziemlich lachen, denn eine so gestresste Julie bekommen wir selten zu Gesicht. Wir steigen noch immer lachend aus und gehen zum Restaurant, wo wir einen Tisch reserviert haben. Als wir hinein gehen merken wir, dass ausser Nick und Phil noch gar niemand da ist. Das ist jetzt ziemlich peinlich, denn um ehrlich zu sein hatten Julie, Janice und ich in den letzten vier Jahren kaum mit den beiden Jungs gesprochen und wir kennen uns kaum.
Wir gehen auf den Tisch zu und begrüssen die beiden Jungs. Nick dreht sich zu uns um und schenkt uns ein Lächeln. Phil ist zu sehr damit beschäftigt, aus dem Fenster zu schauen und die Blätter des Ahornbaumes zu betrachten, die sich im Wind hin und her bewegen.
Nick macht einen Schritt auf uns zu und deutet mit seiner linken Hand auf die vielen Bierdosen, die bereits auf dem Tisch stehen. „Ihr dürft euch gerne bedienen.“
Julie und ich greifen fast gleichzeitig nach einer Dose. Um diese seltsame, leicht angespannte Stimmung zu vertreiben kann ich Alkohol sehr gut gebrauchen. Ich habe meine Dose gerade geöffnet und will einen Schluck daraus trinken, als mir Nick mit seiner Dose plötzlich zuprostet und mich angrinst. Um ehrlich zu sein habe ich ihn mir noch nie genauer angeschaut, denn ich war schon mit Chris zusammen bevor er in unsere Klasse kaum und seitdem habe ich mir keinen Typen mehr genau angeschaut. Aber ich muss zugeben, dass Nick mit seinen braunen Locken, den glasklaren, blauen Augen und seinem frechen Grinsen ziemlich gut aussieht.
„Bin ich so faszinierend?“, werde ich von Nick plötzlich aus meinen Gedanken gerissen. Mir war gar nicht bewusst, dass ich ihn die ganze Zeit so offensichtlich angestarrt habe. Peinlich berührt schaue ich zu Julie, die sich ein fettes Grinsen verkneift. Eigentlich habe ich gehofft, dass sie mir irgendwie aus der Klemme helfen kann, aber da muss ich jetzt alleine durch. „Ich hab nur an etwas gedacht“, murmle ich deshalb und will einen Schritt nach hinten machen. Leider ist da der Tisch und ich kann nicht weiter ausweichen.
Nick grinst mich nur weiter an und will dann wissen: „Warst du am Mittwoch überhaupt auf der Abschlussparty?“
Warum redet der plötzlich so viel mit mir? Hektisch nehme ich einen weiteren Schluck von meinem kühlen Bier und antworte dann knapp: „Ja, aber ich bin früh nach Hause gegangen.“
Nick quittiert das mit einem Nicken und wendet sich von mir ab. Ich drehe mich zu Julie und Janice um, die nur schweigend dagestanden haben und sich jetzt ins Fäustchen lachen. Ich muss schon zugeben, dass die Jungs in meiner Klasse immer wieder für eine Überraschung gut sind.
In diesem Moment stossen ein paar weitere Mitschüler zu uns und wir begrüssen uns alle stürmisch. Ich kann es kaum glauben, dass heute der letzte Abend ist, an dem wir uns alle sehen werden. Obwohl ich meine Klasse nicht besonders mochte, werde ich alle irgendwie vermissen, denn jeder hat so etwas Individuelles zu der ganzen Gruppe beigetragen.
In diesem Moment spüre ich, dass sich jemand dicht hinter mich gestellt hat und ich spüre, wie sich meine Nackenhärchen aufstellen. Schnell drehe ich mich um und blicke direkt in Nicks Gesicht. Zwischen uns liegen nur wenige Zentimeter, was für mich definitiv zu viel Nähe ist.
„Weisst du eigentlich schon, was du jetzt machen wirst? Gehst du studieren?“, fragt er mich und schon erkenne ich wieder dieses schelmische Grinsen.
Vorsichtig mache ich einen Schritt zurück und versuche mich nicht weiter einschüchtern zu lassen. Dann antworte ich ihm: „Ich mache erst einmal ein Zwischenjahr. Mal schauen, ob ich nachher studieren gehe.“
Bevor er noch etwas sagen kann, kommt Fiona auf mich zu und begrüsst mich. Da wir nun alle sind, setzen wir uns an den Tisch. Ich folge Fiona zum Tisch und setze mich neben sie, ohne zu schauen, wer bereits auf der anderen Seite sitzt.
Ich bin leicht schockiert, als ich schon wieder in Nicks grinsendes Gesicht schaue. Schnell drehe ich mich wieder weg und versuche Fiona in ein Gespräch zu verwickeln, um von Nick ein bisschen Abstand zu gewinnen. Währenddessen bestellt Elly für uns alle Nachos und irgendwelche Drinks. Eigentlich ging ich davon aus, dass heute nicht so viel getrunken wird, aber was soll‘s.
Keine zehn Minuten später kommen ein paar junge Kellner an unseren Tisch und servieren uns die Drinks. Um ehrlich zu sein weiss ich gar nicht, was für ein Drink es ist, aber er muss auf jeden Fall stark sein, wenn Elly ihn bestellt hat. Wir stossen alle an, wobei einige schon die Hälfte ihres Drinks verschütten. Ich nehme einen Schluck und stelle fest, dass er ziemlich süss ist und leicht nach Mango schmeckt. Nach ein paar Sekunden macht sich leider der Nachgeschmack bemerkbar, der dann ziemlich bitter ist. Um diesen zu vertreiben greife ich ein erneutes Mal zu meinem Glas und nehme einen weiteren Schluck, was vielleicht nicht die beste Idee war. Da ich den ganzen Tag kaum gegessen habe, spüre ich schon bald, wie der Alkohol in meinen Kreislauf dringt.
Plötzlich spüre ich, wie mich jemand von der Seite anstupst. Hektisch drehe ich mich um.
„Na, du bist wohl nicht so trinkfest“, stellt Nick grinsend fest.
„Also bitte, da hast du Julie aber noch nie erlebt!“, protestiere ich.
Nick lacht nur und fragt dann geradeaus: „Hast du eigentlich eine Freund?“
War ja klar, dass diese Frage früher oder später kommen musste. Nicht einmal an einem harmlosen Abend wie heute kann ich in Ruhe gelassen werden. Um die Antwort ein wenig hinauszuzögern nehme ich einen weiteren Schluck von meinem Drink, der nun fast leer ist. Bevor ich dann antworten kann kommen die Kellner erneut und bringen uns die Nachos. Ich bin ziemlich erleichtert für diese Unterbrechung und hoffe, dass Nick vergessen hat, dass ich ihm noch eine Antwort schulde.
Aber da habe ich mich getäuscht, denn er lässt nicht locker. „Und, hast du einen oder nicht?“
Ich seufze und sage: „Ja, irgendwie schon. Aber es ist kompliziert.“
Eigentlich erwarte ich, dass er jetzt irgendeinen Macho-Spruch klopft, was er auch die ganze Zeit in der Schule immer getan hat, aber nichts dergleichen geschieht. Er nickt nur verständnisvoll und meint dann: „Falls du irgendwann magst, kannst du mir ja sagen, was passiert ist.“
Ich nicke nur und wende mich wieder Fiona zu, die mich gerade fragt, ob ich schon entschieden habe, was ich essen möchte. Ich verneine und schaue mir die Karte an.
Schon wenige Minuten später kommen wieder die Kellner und nehmen unsere Bestellungen auf. Während wir auf das Essen warten erzählt uns Julie ein paar Witze, was immer sehr amüsant ist, wenn sie schon leicht angetrunken ist. Ich frage mich, wie sie so wieder nach Hause fahren will.
Ein wenig später stehe ich kurz auf, um aufs Klo zu gehen. Da ich ziemlich schnell aufgestanden bin merke ich, wie mein Gleichgewichtssinn ein wenig beeinträchtigt ist und ich halte mich kurz an der Stuhllehne fest. Nick scheint es zu bemerken und fragt mich kurz ob alles okay ist. Ich nicke nur und mache mich auf dem Weg zum Klo.
Ein paar Minuten später gehe ich wieder zu unserem Tisch zurück und mustere Nick noch einmal von hinten. Also eigentlich muss ich schon zugeben, dass er verdammt gut aussieht.